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- Colin R. Sweet: Knnen alle recht haben?
- aus: The Foundation Commentator (USA), Dezember 1988, S. 3-5
- (bersetzung: H. Lasarcyk 1990)
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- In unserer so unsicheren Welt herrscht grosse Verwirrung in der
- Frage nach der richtigen Religion. In der westlichen Welt fllt
- besonders die christliche Religion durch eine paradoxe Situation
- auf.
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- Von Menschen, die sich als Christen bezeichnen, hrt man hufig die
- rhetorische Frage: "Wie knnen alle die konkurrierenden Kirchen
- recht haben, wenn man sieht, wie sich ihre Lehren und Auffassungen
- in so vielem widersprechen?" Diese Art Frage wird gewhnlich
- gestellt, um die eigene Position zu verteidigen, denn sie soll zu
- der Schlussfolgerung fhren: "Es knnen einfach nicht alle recht
- haben. Darum kann nur eine Religion die richtige sein." Und diese
- sogenannte "eine wahre Kirche" ist dann immer gerade die Religions-
- gemeinschaft, der der Fragesteller angehrt.
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- Als Sttze fr ihre Argumente zitieren solche Leute meistens die
- Bibel. Sie weisen darauf hin, dass Christus sagte: "Auf diesen
- Felsen will ich meine Gemeinde bauen" (Matth. 16:18). Und der
- Apostel Paulus schrieb: "Ein Leib und ein Geist ... eine Hoffnung
- ... ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott als der Vater aller"
- (Eph. 4:4-6). Daraus schliessen sie, dass Christus nur eine einzige
- Kirche mit einheitlicher Lehre grndete, so dass die Antwort auf
- die Frage "Knnen alle recht haben?" nur lauten kann: "Nein. Nur
- eine ist die richtige." Damit verschiebt sich das Problem auf die
- Frage, wie sich diese eine wahre Kirche herausfinden lsst.
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- Wo - und was - ist die eine wahre Kirche?
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- Menschen, die diese Auffassung von der "einen wahren Kirche"
- vertreten und berzeugt sind, ihr anzugehren, schliessen sich
- gewhnlich gegenber ihrer Umwelt ab. Nur sie haben die Wahrheit.
- Nur ihre Kirche predigt das Evangelium. Nur durch ihre Gemeinschaft
- wirkt Gott. Alle anderen Kirchen und Gemeinschaften sind falsch und
- "vom Teufel". Deren Mitglieder haben sich tuschen lassen und sind
- keine echten Christen, und darum werden sie auch nicht errettet
- werden, wenn sie nicht zu der "einen wahren Kirche" berwechseln.
- Nun behaupten aber so viele verschiedene Organisationen, die "eine
- wahre Kirche" zu sein, dass an diesem ganzen Ansatz einfach etwas
- nicht stimmen kann. Die Frage "Knnen alle recht haben?" mag zwar
- sehr schn klingen, und die Schlussfolgerung, die daraus gezogen
- wird, hrt sich zuerst vielleicht ganz vernnftig an, doch
- stichhaltig ist sie nicht. Es entspricht nicht der Logik zu
- folgern, dass nur eine Kirche die richtige sein kann, wenn sie sich
- alle widersprechen. Tatsache ist, dass sie alle falsch sein knnen,
- in unterschiedlichem Masse.
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- Das Problem des Konzepts von der "einen wahren Kirche" beruht zum
- Teil darauf, dass man den "einen Leib" des Neuen Testaments mit
- einer ganz konkreten menschlichen Organisation gleichsetzt, einer
- Kirche mit einem ganz bestimmten Namen. Unter dem "einen Leib"
- versteht man dann nichts weiter als die Gesamtheit der Einzel-
- personen, die sich einer ganz speziellen religisen Gemeinschaft
- verbunden fhlen. Dass auch Angehrige anderer, hnlicher Organisa-
- tionen zum "einen Leib" Christi zhlen knnten, ist ihnen einfach
- unvorstellbar. Nur Angehrige ihrer eigenen Gemeinschaft gehren
- dazu und niemand sonst.
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- Im Neuen Testament wird die Kirche als "Leib Christi" bezeichnet.
- Das Bild des Leibes ist aber nur eine Analogie. Die Kirche wird
- auch als Tempel, als Braut, Nation, Haus, Priesterschaft bezeich-
- net. All dies sind Analogien, die im jeweiligen Zusammenhang auf
- eine bestimmte Wahrheit hinweisen.
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- Mit der Analogie des Leibes soll nicht gezeigt werden, dass die
- Kirche sich auf eine einzige menschliche Organisation beschrnkt.
- Sie zeigt, dass die wahre Kirche aus Menschen besteht, von denen
- jeder eine persnliche, unmittelbare Beziehung zu Jesus Christus
- hat. Diese Menschen knnen verstreut in den entlegensten Gebieten
- der Welt leben; sie mgen alt oder jung, Mann oder Frau, Jude oder
- Nichtjude sein, mgen die verschiedensten Funktionen haben und ber
- ein hchst unterschiedliches Mass an Verstndnis verfgen, doch in
- Christus ergeben sie alle gemeinsam einen geistigen Leib. Das
- Einssein ergibt sich aus ihrer Zugehrigkeit zu Jesus Christus (1.
- Kor. 10:16,17).
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- Eine solche Analogie kann Christen als Ansporn dafr dienen, im
- Glauben und in der Praxis die Einheit anzustreben, doch ist damit
- keineswegs gesagt, dass die Einheit deswegen auch unbedingt
- erreicht werden wird. Sie zeigt nur, dass die Kirche ein geistiger
- Organismus ist, vereint in Jesus Christus, und sagt berhaupt
- nichts darber aus, ob dieser geistige Organismus sich auf eine
- bestimmte physische Organisation beschrnkt. Ob man ein Teil des
- "Leibes" ist, hngt einzig und allein von der Beziehung ab, die man
- zu Jesus Christus hat, nicht von der Beziehung zu irgendeiner
- konkreten Gruppe.
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- Besteht der Christus geteilt?
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- Da die Kirche der Leib Christi ist und da die Christen heute in
- zahlreiche getrennte und oft miteinander wetteifernde Sekten und
- Gemeinschaften gespalten sind, fragen die Anhnger des Konzepts der
- "einen wahren Kirche" mit Paulus: "Ist Christus etwa zerteilt?" (1.
- Kor. 1:13). Selbstverstndlich kann Christus nicht zerteilt sein.
- Und deswegen, so wird argumentiert, kann sein Leib nicht in
- verschiedene Stcke und konkurrierende Gruppen gespalten sein. Er
- muss in einer bestimmten Organisation zu finden sein. Gott ist kein
- Gott der Unordnung (1. Kor. 14:33), was er aber wre, wenn er
- Menschen zu Christus beriefe und sie dann in verschiedenen
- Glaubensrichtungen verschiedene Dinge glauben liesse. Der eine Leib
- msse daher in einer Organisation zu finden sein, sagt man.
- Doch wer diese Frage in diesem besonderen Zusammenhang stellt,
- bersieht geflissentlich die Tatsache, dass "die Gemeinde Gottes in
- Korinth" (1. Kor. 1:2) tatschlich gespalten war. Sie hatte sich in
- mehrere Fraktionen aufgespalten, die sich jeweils um einzelne
- prominente Prediger scharten und diese gegeneinander ausspielten
- (V. 12). Ihre Zusammenknfte waren gekennzeichnet durch Kliquen-
- wirtschaft und Parteiengeist (1. Kor. 11:18). Es gab viel Streit
- (3:3) und Unordnung (Kap. 14). Und dennoch konnte Paulus davon
- sprechen, dass die Gemeinde in Korinth zu dem einen Leib Jesu
- Christi gehrte (1. Kor. 12:13,27). Trotz ihrer fleischlichen
- Zurschaustellung von Stolz und Spaltungen sagte Paulus zu ihnen:
- "Ihr alle seid zusammen der Leib Christi" (1. Kor. 12:27), bildet
- "einen einzigen Leib" (1. Kor. 10:17). Ob sie zu dem einen Leib
- gehrten, hing also nicht davon ab, dass sie miteinander in
- bereinstimmung waren.
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- Christus ist nicht mit sich entzweit, doch unter Menschen kommt das
- nur zu hufig vor. Die Spaltungen in der Gemeinde Gottes in Korinth
- waren von Menschen gemacht. Fr die Unordnung in der Gemeinde waren
- die Korinther selbst verantwortlich, und die heute bestehende
- Aufspaltung in Glaubensgemeinschaften ist zum Teil auf dieselbe
- fleischliche Art des Denkens zurckzufhren wie in Korinth. Sogar
- der Apostel Paulus, ein Mann, der so hart um die Einheit der Kirche
- gerungen hatte, geriet einmal mit Barnabas so scharf aneinander,
- "dass sie sich trennten" und jeder seiner Wege ging (Apg. 15:39).
- Die Christen des Neuen Testaments waren Menschen von Fleisch und
- Blut wie wir auch. Es gab unter ihnen Streit und Geznk. Sie
- kannten Entzweiungen. Und doch ndern Spaltungen und Meinungsver-
- schiedenheiten nichts daran, dass alle wahren Glubigen immer noch
- "mit Christus ein Ganzes" bilden, "ein Leib in Christus" sind
- (Rmer 12:5). Wer zu Christus kommt, gehrt demselben Leib an (Eph.
- 3:6) und hat Teil an demselben Geist (1. Kor. 12:13), auch wenn es
- nach aussen hin Spaltung und Trennung gibt.
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- Der Christus ist nicht zerteilt, und darum sollte es diese
- menschlichen Spaltungen nicht geben. Es gibt sie aber nun einmal,
- und das ist unsere Schuld. Doch ein Leib in Christus zu sein
- bedeutet nicht, miteinander in bereinstimmung zu sein und zu
- derselben Religionsorganisation zu gehren. Es bedeutet, dass jeder
- "in Christus" ist.
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- Spaltung der Gemeinde vorausgesagt
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- Wir sind heute fast 2000 Jahre vom Ursprung des Christentums
- entfernt. In der Zwischenzeit hat es viel Vernderung gegeben, und
- die wahre Kirche ist nicht in einer bestimmten Einzelorganisation
- oder Gruppierung bewahrt worden. Viele Organisation kamen und
- gingen, begannen mit bestimmten Glaubenslehren und fingen dann an,
- diese im Laufe der Jahre zu ndern und neue anzunehmen. Nach dem
- Zeugnis des Neuen Testaments sollte es so sein, dass die Gemein-
- schaft der wahren Glubigen unter dem Druck der weltlichen
- Gegebenheiten zu leiden htte, von skrupellosen Predigern um deren
- persnlichen Profits willen ausgenommen werden und hart zu kmpfen
- haben wrde, um inmitten eines falschen und verdrehten Christentums
- zu berdauern.
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- Paulus warnte davor, dass Leute von aussen eindringen und die
- Gemeinde heimsuchen und dass andere aus ihrer Mitte falsche und
- neuartige Lehren zu verkndigen beginnen wrden, um Nachfolger fr
- sich selbst zu gewinnen (Apg. 20:29,30). Er sagte, die Menschen
- wrden vom Glauben abfallen, die wahre Lehre unertrglich finden
- und sich fruchtlosen Spekulationen zuwenden (1. Tim. 4:1; 2. Tim.
- 4:3, 4). Petrus sagte, die Kirche werde von falschen Lehrern
- heimgesucht werden, die auf viele eine Wirkung haben wrden, und
- deswegen werde die wahre Lehre in Verruf geraten (2. Petr. 2:1, 2).
- hnliche Warnungen werden an vielen Stellen des Neuen Testaments
- wiederholt.
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- Das Bibelbuch Offenbarung lsst aus seinen Briefen an die sieben
- Gemeinden in Kleinasien erkennen, dass die Kirche in verschiedenen
- Gegenden unterschiedliche Probleme hatte und sich usserlich und
- geistig in unterschiedlichem Zustand befand. Es gab Probleme mit
- falschen Aposteln, falschen Lehrern und falschen Lehren; einige
- verfhrten andere zur Snde. Manche Gemeinden waren geistig sehr
- regsam, andere lauwarm oder ganz ohne Lebenszeichen. Manche waren
- kalt und formal in ihrem Christentum und zeigten wenig Liebe.
- Einige waren arm und wurden grausam verfolgt. Anderen ging es
- blendend. Darin zeigt sich eine Kirche mit den unterschiedlichsten
- Gegebenheiten und Problemen, eine Kirche, die bisweilen falsche
- Lehren blossstellt, falsche Apostel berherbergt, manchmal sogar zur
- Snde verfhrt wird. Es ist eine Kirche, die einmal ein grosses
- Werk verrichtet und ein andermal berhaupt nichts tut; eine Kirche,
- die einmal schwere Zeiten durchmacht und ein andermal wohlhabend
- ist und ein bequemes Leben fhrt. Und aus der Offenbarung geht
- hervor, dass es das alles in der Kirche zur gleichen Zeit gab.
- Es fllt auf, dass der Zustand in fnf der sieben Gemeinden so
- schlimm ist, dass sie zur Reue aufgerufen werden. Sollte das ein
- Hinweis auf den Zustand der Kirche als Ganzes sein, so nimmt es
- nicht wunder, dass die Christenheit sich frher wie heute mit so
- vielen Problemen herumschlgt.
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- Das Neue Testament bietet uns nicht das Bild einer Kirche, die sich
- auf eine einzige Organisation beschrnkt, die als einzige rein und
- unversehrt in einer abgefallenen Welt brig bleibt. Stattdessen
- sehen wir, dass die wahre Kirche zerrissen ist und von falschen
- Lehrern und Lehren geplagt wird, so dass der einzelne Christ vor
- der Aufgabe steht, diesem Druck von allen Seiten standzuhalten.
- Der Absolutheitsanspruch derjenigen, die an dem Konzept von der
- "einen wahren Kirche" festhalten, ist selbst ein Hauptgrund fr
- Spaltung und Uneinigkeit, denn diese Menschen grenzen alle aus, die
- ihre religisen Auffassungen gerade nicht teilen, und schotten sich
- gegen sie ab. Sie mgen das als treues Festhalten und Bewahren der
- Wahrheit ansehen, und ganz sicher gibt es Zeiten, in denen man zu
- bestimmten Fragen klar Stellung beziehen muss, doch im allgemeinen
- fhrt dies zu einem ungesunden Dogmatismus bezglich Dingen, ber
- die man geteilter Meinung sein kann. Lehre und religise Praxis
- hlt man fr wichtiger als die Liebe zu den Menschen und das
- Eingehen auf ihre Bedrfnisse. Diese Haltung verurteilte Jesus, als
- er sagte: "Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer" (Matth.
- 12:7).
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- Was folgt daraus fr uns?
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- Es mag logisch richtig sein, aus der Aussage "Alle Kirchen
- widersprechen einander" zu folgern, dass sie darum nicht alle recht
- haben knnen. Doch es entspricht nicht mehr der Logik, daraus zu
- schliessen, dass nur eine recht haben kann, und dieser Schluss ist
- auch biblisch nicht stichhaltig. Man braucht nur an die Geschichte
- der Kirche zu denken und sich an die vielen Warnungen im Neuen
- Testament zu erinnern, um zu sehen, dass es viel zutreffender ist
- zu sagen, dass sie alle - mehr oder weniger - falsch liegen.
- Der einzelne Christ hat das Bestreben, ein Teil des Leibes Christi
- zu sein, doch gibt es auf Erden keine Organisation, die fr sich
- allein den Leib Christi darstellt. Dieser Leib bersteigt alle
- menschlichen Organisationen und Einrichtungen. Er lsst sich nicht
- auf eine bestimmte, von Menschen gemachte Struktur beschrnken. Er
- umfasst alle, die "in Christus" sind, und kann nicht begrenzt
- werden auf irgendeine Gruppierung, die einem Menschen oder einer
- menschlichen Einrichtung die Treue hlt.
- Das Wichtige ist, ein Teil des geistigen Leibes Christi zu sein.
- Das kann man nur, wenn man Christus Jesus selbst sucht und nicht
- irgendeine sogenannte "wahre Religion".
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- ****************** ENDE DER DATEI SWEET ************************
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