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- Die Geschichte
- eines versuchten Kompromisses:
- Jehovas Zeugen, Antisemitismus
- und das Dritte Reich
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- M. James Penton
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- Seit dem Zweiten Weltkrieg verkndet die Wachtturm-Gesell-
- schaft, daá ihre Anhnger in Deutschland, damals oft noch
- "Ernste Bibelforscher" genannt, die Prinzipien des Dritten
- Reiches standhaft ablehnten, whrend gleichzeitig sowohl die
- katholische als auch die protestantische Kirche in Deutschland
- sich auf Kompromisse mit Hitler und seiner Nazi-Partei einge-
- lassen htten. Mit Recht werden die deutschen Zeugen Jehovas
- auch von weltlichen Historikern fr ihren Mut in dieser
- schrecklichen Zeit gelobt, da die Mehrzahl der einfachen
- Anhnger trotz Verfolgung und Einweisung in Hitlers Konzen-
- trationslager aufrecht an ihrem Glauben festhielt, selbst als
- das vielen das Leben kostete. Derartige Aussagen Auáenstehen-
- der hat die Wachtturm-Gesellschaft des fteren zitiert, um die
- Glaubwrdigkeit ihrer Behauptungen zu sttzen. Zum Beispiel
- berichtet der Wachtturm vom 1. Oktober 1984 ber Forschungs-
- ergebnisse von Christine E. King und Michael Kater. Demnach
- war die bis dahin angenommene Anzahl inhaftierter und gette-
- ter Zeugen viel zu niedrig veranschlagt worden. Frau Dr. King
- wird wie folgt zitiert:
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- "Die Zeugen hielten an theologischen Grundstzen fest;
- sie blieben 'neutral', sie waren ehrlich und vllig
- vertrauenswrdig, und aufgrund dessen wurden sie ironi-
- scherweise oft als Bedienstete der SS angestellt."
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- Nicht bekannt ist jedoch sowohl den meisten Zeugen Jehovas als
- auch vielen unabhngigen Forschern, daá zwar die einfachen
- Anhnger im allgemeinen ihre Integritt bewahrten und zu ihren
- Grundstzen standen, nicht so jedoch die Fhrung der Gemein-
- schaft (insbesondere der zweite Prsident der Wachtturm-Ge-
- sellschaft, Joseph F. Rutherford, sowie Nathan H. Knorr, der
- im Jahre 1942 sein Nachfolger wurde, und hochrangige Mitarbei-
- ter aus Deutschland). berdies versuchten Rutherford und seine
- Komplizen, den deutschen Zweig der Bewegung zu retten, indem
- sie die Juden als Sndenbcke darstellten und Groábritannien,
- die Vereinigten Staaten und den Vlkerbund auf die belste Art
- angriffen.
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- Die zionistische Ausrichtung der frhen Bibelforscher
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- Die Bibelforscher beziehungsweise Zeugen Jehovas waren whrend
- der ersten Hlfte ihrer Geschichte, die in den 1870er Jahren
- begann, bekannt fr ihre Sympathie den Juden gegenber. Der
- erste Prsident der Wachtturm-Gesellschaft, Charles T. Rus-
- sell, war ein noch strkerer Untersttzer des Zionismus als
- die meisten amerikanischen Prmillennialisten des spten
- neunzehnten und des zwanzigsten Jahrhunderts. Er lehnte es ab,
- Juden zu bekehren, glaubte an die jdische Wiederbesiedlung
- Palstinas und fhrte in New York sogar eine jdische Zuhrer-
- schaft beim Singen der jdischen Hymne, der Hatikva, an(#1#).
- Richter Rutherford hielt an dem Beispiel Russells nach dessen
- Tod im Jahre 1916 mehr als ein Jahrzehnt lang getreulich fest.
- Im Jahre 1925 schrieb er das Buch Trost fr die Juden, welches
- auf einer Serie von Radiovortrgen basierte, die er gehalten
- hatte. Darin bezeichnet er sich als Freund des jdischen
- Volkes und behauptet, die jdische Besiedlung des Heiligen
- Landes sei eine Erfllung biblischer Prophetie. Im Vorwort des
- Buches heiát es:
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- "Der Wiederaufbau Palstinas nimmt die Aufmerksamkeit der
- Juden auf der ganzen Erde in Anspruch. Einige Groámchte
- begnstigen uáerlich die Bewegung, aber offenkundig aus
- selbstschtigen Beweggrnden. Richter Rutherford, der in
- der ganzen Welt als ein Freund des hebrischen Volkes
- bekannt ist, untersttzt die Juden lebhaft und nachdrck-
- lich in ihren Ansprchen auf das Heilige Land. Er ist ein
- Gegner der Judenbekehrung , u. zw. in der berzeugung,
- daá diese nicht nur falsch, sondern auch schriftwidrig
- ist. Seine Vortrge ber das Thema: "Die Rckkehr der
- Juden nach Palstina", die vor einer groáen Zuhrerschaft
- gehalten und mittels des Radios hinaus in die Welt
- gesandt wurden, haben ein tiefes Interesse hervorgerufen.
- Es besteht ein groáes Verlangen, diese Vortrge in Druck
- zu erhalten. Darum hat Richter Rutherford diese Vortrge
- erweitert und lát sie nun in Buchform erscheinen. Dieses
- Buch wird fr Juden und Nichtjuden von gleichem Interesse
- sein. Es ist die erste vom biblischen Standpunkt aus
- gesehene, umfassende Darlegung, die verffentlicht wird.
- Wir geben dieses Buch mit der Zuversicht heraus, daá es
- viel Gutes bewirken wird."
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- Rutherfords Ablehnung der Juden
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- Im Jahre 1929 verffentlichte Rutherford eine umfangreichere
- Abhandlung zu dem gleichen Thema, das Buch Leben. Doch ur-
- pltzlich bereitete er dann eine dramatische Wende in der
- Lehre der Bibelforscher vor. Das Buch Leben wurde aus dem
- Umlauf gezogen(#2#), und im Jahre 1932 verkndete Rutherford,
- das "fleischliche Israel" spiele keine spezielle Rolle in der
- Heilsgeschichte. Er schrieb:
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- "Die Juden wurden gewaltsam aus Palstina vertrieben, und
- 'ihr Haus ist in Wste gelassen worden', weil sie
- Christus Jesus, den geliebten und gesalbten Knig
- Jehovas, verwarfen. Bis zum heutigen Tag haben die Juden
- die von ihren Vorvtern begangene Missetat nicht bereut.
- Viele Juden sind nach Palstina zurckgekehrt, aber sie
- gingen dorthin nur aus selbstischen und sentimentalen
- Beweggrnden. Die Juden haben whrend des langen Zeit-
- raums seit ihrer Austreibung bis zum heutigen Tage weder
- um Jehovas willen noch fr den Namen Christi "die
- Schmach der Nationen getragen". Whrend dieses ganzen
- Zeitabschnittes, besonders whrend des Weltkrieges,
- haben hingegen die wahren Nachfolger Christi Jesu, die
- Gott dem Herrn und seinem Reich ergeben sind, die
- Schmach der Nationen getragen und sind um Christi und
- des Namens Jehovas willen von allen Nationen gehaát
- worden. (Matthus 24:9; Markus 13:13) Im Gegensatz
- hierzu wurden die Juden whrend des Weltkrieges von den
- heidnischen Nationen anerkannt. Im Jahre 1917 wurde die
- von den heidnischen Regierungen der Organisation Satans
- verbrgte Balfourdeklaration harausgegeben, wodurch die
- Juden anerkannt und ihnen groáe Begnstigungen zugespro-
- chen wurden. Bei diesem Schritt bernahm das siebente
- Weltreich die Fhrung. Das Groágeschft und andere
- Zweige der Satansorganisation reihen nun die Juden Seite
- an Seite mit den Nationen und in dieselbe Kategorie wie
- die Nichtjuden ein. Bis dahin hat selbst das Volk Gottes
- die Tatsache bersehen, daá die Angelegenheiten des Vol-
- kes Gottes in Verbindung mit den Dingen auf der Erde von
- weit gráerer Wichtigkeit sind als die Rehabilitation
- (Wiedereinsetzung in frhere Rechte) jenes kleinen
- Streifen Landes an der Ostkste des Mittellndischen
- Meeres. Gottes Volk hat den Juden mehr Aufmerksamkeit
- gewidmet, als sie wirklich verdient haben. Diese Prophe-
- zeiung muá sich also in erster Linie an dem jetzt auf
- der Erde weilenden wahren Volke Gottes erfllen.(#3#)"
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- Vielleicht kam es Rutherford einfach so sehr darauf an zu
- behaupten, die Zeugen Jehovas seien das "wahre Israel Gottes",
- allerdings ist es wahrscheinlicher, daá er andere Grnde
- hatte, einen solch dramatischen Kurswechsel der Doktrin ohne
- irgendeine nhere Begrndung vorzunehmen. Er mag sich wohl
- frher ganz im Geiste seines Vorgngers als prozionistischer
- "Freund des hebrischen Volkes" bezeichnet heben, doch gele-
- gentlich offenbarte er einen tiefsitzenden Antisemitismus. Zum
- Beispiel rief er whrend eines Vortrags ber biblische Prophe-
- tie und die Rckkehr der Juden nach Palstina bei einer Ver-
- sammlung der Bibelforscher in Winnipeg, Manitoba (Kanada),
- Anfang der 20er Jahre aus: "Ich spreche von den Juden aus
- Palstina, nicht von den hochnsigen, krummgehenden kleinen
- Individuen, die an den Straáenecken stehen und versuchen,
- jeden Cent aus Dir herauszulocken"(#4#). Zweifellos waren es
- aber 1932 andere Faktoren als einfach persnliche Abneigung,
- die ihn veranlaáten, die lange judenfreundliche Tradition bei
- den Bibelforschern aufzugeben. Whrend der 20er und 30er Jahre
- gewann in den USA und Kanada der Antisemitismus stark die
- Oberhand, was sich im Aufstieg einer Reihe politischer und
- religiser Bewegungen ausdrckte(#5#). Und nach der Wirt-
- schaftskrise von 1929 schien pltzlich eine Machtbernahme der
- gewaltttigen und judenfeindlichen Nazis in Deutschland mg-
- lich, was ja schlieálich am 30. Januar 1933 auch geschah.
- Diese Tatsachen knnen aber in keiner Weise entschuldigen, was
- Rutherford und seine Helfer kurz darauf whrend des ersten
- Jahres der Naziherrschaft taten.
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- Anfang April 1933 begannen die Nazis, gegen die Zeugen Jehovas
- vorzugehen. Ihr Zweigbro in Magdeburg wurde beschlagnahmt,
- und ihre religisen Aktivitten wurden vorbergehend unter-
- bunden. Doch am 28. April gaben die deutschen Behrden den
- beschlagnahmten Besitz an die amerikanischen Eigentmer zu-
- rck, zweifellos um die Vereinigten Staaten nicht zu beleidi-
- gen(#6#). Den Fhrungspersnlichkeiten der Gesellschaft sowie
- den Zeugen Jehovas im allgemeinen war aber schon klar, daá sie
- bei den Nazis nicht beliebt waren. Daher beschlossen Richter
- Rutherford und der deutsche Zweig der Zeugen - gemá einem
- offiziellen Bericht der Wachtturm-Gesellschaft -, in khner
- Weise gegen die Hitler-Diktatur Stellung zu beziehen. In dem
- Buch Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben, 1960 in Deutsch von
- der WachtturmGesellschaft verffentlicht, heiát es:
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- "Richter Rutherford hatte die Lage in Deutschland
- fortwhrend genau beobachtet und war mit der Entwick-
- lung, soweit sie das Zeugniswerk betraf, gut vertraut.
- Bei dieser ernsten Wendung der Dinge verlor er keine
- Zeit und begab sich in Begleitung von N.H. Knorr nach
- Deutschland, um zu sehen, was getan werden knnte. Am
- 25. Juni, an demselben Tage, der fr die wiederholte
- Sendung des Vortrages "Wirkung des Heiligen Jahres auf
- Frieden und Wohlfahrt" ber 158 Radiostationen in den
- Vereinigten Staaten angesetzt war, wurde ein Kongreá in
- Berlin einberufen. Dort wurde den 7000 Anwesenden eine vor-
- bereitete Erklrung der Tatsachen als Protest gegen die
- Hitler-Regierung wegen ihrer anmaáenden Einmischung in
- das Zeugniswerk der Gesellschaft vorgelegt, die ein-
- stimmig angenommen wurde. Die Erklrung wurde dann jedem
- hheren Regierungsbeamten, vom Prsidenten abwrts bis zu
- den Reichstagsmitgliedern, zugesandt, und 2.500.000
- Exemplare wurden ffentlich verbreitet. Die Vergeltungs-
- maánahme folgte schnell. Drei Tage spter, am 28. Juni,
- wurde das Eigentum der Gesellschaft zum zweiten Mal
- beschlagnahmt und besetzt, und durch behrdlichen Erlaá
- wurde ihre Druckerei geschlossen"(#7#).
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- Aber kam es zu der Beschlagnahme des Besitzes der Gesellschaft
- durch die deutschen Behrden am 28. Juni 1933 wirklich deswe-
- gen, weil die Erklrung der Tatsachen ein khner Protest gegen
- die Aktionen der Nazis war? Nein, ganz im Gegenteil. Auf einer
- Tonbandaufnahme eines Vortrages des frheren "Zweigdieners"
- oder "Zweigaufsehers" der Wachtturm-Gesellschaft in Deutsch-
- land, Konrad Franke, der die Geschichte der Zeugen Jehovas in
- Deutschland behandelt, erklrte dieser folgendes: Er und
- andere Zeugen, die mit ihm in der Sporthalle Wilmersdorf in
- Berlin, wo der Kongreá 1933 stattfand, ankamen, seien scho-
- kiert gewesen: Das Gebude war mit Hakenkreuzfahnen ge-
- schmckt, offensichtlich um sich bei den Nazis beliebt zu
- machen. Dann wurden die Zeugen whrend des Kongresses aufge-
- fordert, ein Lied zu singen, das sie in Deutschland schon
- jahrelang nicht mehr gesungen hatten. Gegen den Text des
- Liedes war nichts einzuwenden, jedoch wurde es zu der Melodie
- der deutschen Nationalhymne "Deutschland, Deutschland ber
- alles" gesungen(#8#).
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- Die Glaubensfhrung versuchte auáerdem, durch die Erklrung
- und durch einen Begleitbrief, der Adolf Hitler persnlich
- zugesandt wurde, sich bei den Nazis anzubiedern. Unter dem
- Unterthema "Juden" heiát es in der Erklrung:
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- "Es ist von unseren Feinden flschlich behauptet worden,
- daá wir in unserer Ttigkeit von den Juden finanziell
- untersttzt werden. Dies ist absolut unwahr, denn bis zur
- gegenwrtigen Stunde ist auch nicht das geringste an
- Beitrgen oder finanzieller Untersttzung fr unser Werk
- von Juden geleistet worden. Wir sind treue Nachfolger
- Jesu Christi und glauben an ihn als den Heiland der Welt.
- Die Juden dagegen verwerfen Jesus Christus vllig und
- leugnen absolut, daá er der Welt Heiland ist, der von
- Gott zum Nutzen des Menschen gesandt wurde. Schon allein
- diese Tatsache sollte gengender Beweis dafr sein, daá
- wir von den Juden nicht untersttzt werden, und daá die
- Anschuldigungen gegen uns in bser Absicht vorgebracht
- worden und falsch sind und nur von Satan, unserem groáen
- Feinde, herrhren knnen.
- Das Anglo-Amerikanische Weltreich ist die gráte und
- bedrckendste Herrschaft auf Erden. Hiermit ist das
- Britische Weltreich, wovon die Vereinigten Staaten von
- Amerika einen Teil bilden, gemeint. Es sind die Handels-
- juden des Britisch-Amerikanischen Weltreiches, die das
- Groágeschft aufgebaut und benutzt haben als ein Mittel
- der Ausbeutung und der Bedrckung vieler Vlker. Diese
- Tatsache bezieht sich insonderheit auf die Stdte London
- und New York als Hauptsttzpunkte des Groágeschfts. Dies
- ist in Amerika so offenbar, daá es in bezug auf die Stadt
- New York ein Sprichwort gibt, das heiát: "Den Juden
- gehrt die Stadt, die irischen Katholiken beherrschen
- sie, und die Amerikaner mssen zahlen." Wir haben mit den
- erwhnten Gruppen keinen Streit, sondern als Zeugen fr
- Jehova und in Befolgung seiner in der Schrift nieder-
- gelegten Gebote mssen wir auf die Wahrheit hierber
- aufmerksam machen, damit das Volk ber Gott und sein
- Vorhaben aufgeklrt werden mchte."
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- Dies war noch nicht alles. Neben einer Verurteilung des Vl-
- kerbundes heiát es in der Erklrung weiter: "Die nationale
- Regierung hat sich nun deutlich ausgesprochen gegen die Be-
- drckung durch das Groágeschft und gegen verkehrte religise
- Einflsse in den politischen Angelegenheiten des Staates.
- Genau dies ist auch unsere Stellungnahme ...". Dann wird
- erklrt: "Anstatt gegen die von der deutschen Regierung ver-
- tretenen Grundstze eingestellt zu sein, treten wir vollkommen
- ein fr diese Leitstze und weisen darauf hin, daá Jehova Gott
- durch Christus Jesus die gnzliche Verwirklichung dieser
- Grundstze bringen ... wird.".
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- Der Brief, der an Hitler geschickt wurde, war hnlicher Natur.
- Um bei dem "Fhrer" Eindruck zu machen, wurde betont, daá die
- Wachtturm-Gesellschaft stets in "hervorragendem Masse deutsch-
- freundlich" gewesen sei. Mehr noch, es wurde flschlicherweise
- behauptet, daá Rutherford mit sieben Direktoren der Wachtturm-
- Gesellschaft zu achtzig Jahren Gefngnishaft verurteilt worden
- war, "...weil der (Wachtturm-)Prsident sich weigerte, zwei
- von ihm in Amerika geleitete Zeitschriften zur Kriegspropagan-
- da gegen Deutschland zu gebrauchen"(#9#).
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- Wie die Zeugen Jehovas bald entdecken sollten, waren die Nazis
- weder von der Erklrung, noch von dem Brief an Hitler beein-
- druckt. Vielen Deutschen war bekannt, daá die Zeugen lange
- Zeit ber prozionistisch eingestellt gewesen waren, und auch
- die Beamten der Nazis waren kaum so dumm, nicht zu merken, daá
- die Zeugen in vielerlei Hinsicht dem vllig entgegenstanden,
- was Hitler und Genossen propagierten und forderten. Die Zeugen
- waren in einem religisen Sinne Internationalisten und auáer-
- dem grundstzlich tolerant, was Personen anderer "Rassen"
- betraf; sie sahen weltliche Autoritten als vom Teufel an; und
- - was der gráte Gegensatz war - sie waren ffentlich anti-
- militaristisch(#10#). All dies hatte natrlich zur Folge, daá
- die nationalistisch, rassistisch und militaristisch einge-
- stellten Nazis sie verachteten. Daher lieá die deutsche Regie-
- rung fast sofort eine Welle der Verfolgung gegen die Zeugen
- anlaufen. Am 27. Juni 1933, also einen Tag, nachdem diese
- begonnen hatten, die Erklrung per Einschreiben an wichtige
- deutsche Regierungsbeamten zu senden, wurden sie im Land
- Preuáen verboten, und die Polizei unternahm ausgedehnte Raz-
- zien in Privatwohnungen und in den Gebuden der Gesellschaft.
- Wie schon gesagt, wurde das Hauptbro in Magdeburg am 28. Juni
- von den Nazis erneut beschlagnahmt. Alles in allem wurde
- Eigentum der Wachtturm-Gesellschaft im Werte zwischen zwei und
- drei Millionen Reichsmark konfisziert und zerstrt(#11#). Erst
- von diesem Zeitpunkt an beschlossen
- Rutherford und die Offiziellen der WachtturmGesellschaft, sich
- der Nazi-Politik kompromiálos zu widersetzen. Eine Zeitlang
- waren die deutschen Zeugen uneinig darber, wie sie sich nun
- verhalten sollten(#12#).
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- Abschieben der Schuld
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- Obwohl sich die meisten Zeugen Jehovas und auch andere nach
- dem Zweiten Weltkrieg der kompromiábereiten Haltung ihrer
- Fhrung im Jahre 1933 nicht bewuát waren, konnten sich einige
- noch gut an den Kongreá in Berlin erinnern. Es existierten
- auch weiterhin noch Exemplare der Erklrung und des Briefes an
- Hitler. Aus diesem Grunde muáte die Wachtturm-Gesellschaft,
- als sie in ihrem Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1974 die Ge-
- schichte der Zeugen in Deutschland verffentlichte, die kom-
- promittierenden und peinlichen Fakten so darstellen, als
- htten die Fhrungspersnlichkeiten der Gesellschaft in
- Brooklyn ihre eigenen Lehren nicht verletzt. Also wurde die
- gesamte Verantwortung fr den versuchten Kompromiá mit Hitler
- und den Nazis dem damaligen Leiter des deutschen Zweiges der
- Wachtturm-Gesellschaft, Paul Balzereit, zugeschoben. Weil es
- in diesem Zusammenhang wichtig ist, wie die Gesellschaft
- gegenwrtig mit diesem Thema umgeht, wird der Bericht ber den
- Kongreá in Berlin 1933 aus dem Jahrbuch 1974 hier vollstndig
- wiedergegeben. Es heiát dort:
-
- "Bis zum Sommer des Jahres 1933 war das Werk der Zeugen
- Jehovas in den meisten deutschen Lndern verboten worden.
- Regelmáig wurden die Wohnungen der Brder durchsucht,
- und viele Brder wurden verhaftet. Die Versorgung mit
- geistiger Speise wurde teilweise behindert, wenn auch nur
- vorbergehend; doch viele Brder fragten sich, wie lange
- das Werk noch fortgesetzt werden knne. In dieser Situa-
- tion wurden die Versammlungen kurzfristig zu einem
- Kongreá nach Berlin eingeladen, der am 25. Juni statt-
- finden sollte. Da zu erwarten war, daá viele den Kongreá
- wegen der verschiedenen Verbote nicht besuchen knnten,
- wurden die Versammlungen ermuntert, mindestens einen oder
- einige Delegierte zu senden. Aber wie sich herausstellte,
- konnten immerhin 7000 Brder kommen. Viele von ihnen
- waren drei Tage unterwegs, einige fuhren die ganze
- Strecke mit dem Fahrrad und wieder andere mit Lastwagen,
- da sich die Busunternehmen weigerten, Busse an eine
- verbotene Organisation zu vermieten.
- Bruder Rutherford, der zusammen mit Bruder Knorr erst
- ein paar Tage zuvor in Deutschland eingetroffen war, um
- zu sehen, was getan werden knnte, um das Eigentum der
- Gesellschaft sicherzustellen, hatte mit Bruder Balzereit
- eine Erklrung vorbereitet, die den Kongreádelegierten
- zur Annahme vorgelegt werden sollte. Es handelte sich
- dabei um einen Protest gegen die Einmischung der Hit-
- lerregierung in das Predigtwerk. Alle hohen Regierungs-
- beamten, vom Reichsprsidenten abwrts, sollten ein
- Exemplar der Erklrung erhalten, und zwar mglichst per
- Einschreiben. Einige Tage vor dem Kongreá kehrte Bruder
- Rutherford nach Amerika zurck.
- Viele Anwesende waren von der "Erklrung" enttuscht, da
- sie in vielen Punkten nicht so offen war, wie die Brder
- es erhofft hatten. Bruder Mtze aus Dresden, der bis
- dahin eng mit Bruder Balzereit zusammengearbeitet hatte,
- beschuldigte ihn spter, den ursprnglichen Text abge-
- schwcht zu haben. Es war nicht das erstemal, daá Bruder
- Balzereit die offene und unmiáverstndliche Sprache, die
- in den Verffentlichungen der Gesellschaft gesprochen
- wurde, verwssert hatte, um Schwierigkeiten mit den
- Regierungsorganen zu vermeiden.
- Eine groáe Anzahl Brder weigerte sich aus diesem Grund,
- die Resolution anzunehmen. Ja, ein frherer Pilgerbruder
- namens Kipper weigerte sich, sie zur Annahme vorzulegen,
- so daá ein anderer diese Aufgabe bernehmen muáte. Es
- konnte nicht mit Recht gesagt werden, die Erklrung sei
- einstimmig angenommen worden, obwohl Bruder Balzereit
- spter Bruder Rutherford mitteilte, daá dies der Fall
- gewesen sei.
- Die Kongreáteilnehmer kehrten mde und zum Teil ent-
- tuscht nach Hause zurck. Sie nahmen jedoch 2 100 000
- Exemplare der "Erklrung" mit nach Hause, die sehr
- schnell verteilt und auch an zahlreiche verantwortliche
- Persnlichkeiten versandt werden sollten. Das fr Hitler
- vorgesehene Exemplar enthielt ein Begleitschreiben, in
- dem es unter anderem hieá:
- "Das Brooklyner Prsidium der Watch-Tower-Gesellschaft
- ist und war seit jeher in hervorragendem Maáe deutsch-
- freundlich. Aus diesem Grunde wurden im Jahre 1918 der
- Prsident der Gesellschaft und die sieben Glieder des
- Direktoriums in Amerika zu 80 Jahren Zuchthaus ver-
- urteilt, weil der Prsident sich weigerte, zwei von ihm
- in Amerika geleitete Zeitschriften zur Kriegspropaganda
- gegen Deutschland zu gebrauchen."
- Obwohl diese Erklrung abgeschwcht worden war und viele
- Brder ihre Annahme nicht ganzherzig untersttzen
- konnten, war die Regierung emprt und leitete eine Welle
- der Verfolgung gegen diejenigen ein, die sie verbreitet
- hatten"(#13#).
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- Nun stellt sich die Frage, wie fundiert diese Behauptungen
- sind. Zuerst ist zu bemerken, daá hier - wie schon in dem Buch
- Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben - flschlicherweise behaup-
- tet wird, 7000 Teilnehmer seien bei dem Kongreá 1933 in Berlin
- anwesend gewesen. Aus der Erklrung geht wiederholt hervor,
- daá 5000 Delegierte anwesend waren. Aber das ist recht neben-
- schlich. Mglicherweise hatte man den Text vor der Zhlung
- der Anwesenden gedruckt. Wesentlich bemerkenswerter ist, daá
- das Jahrbuch 1974 behauptet, Paul Balzereit habe die Erklrung
- "abgeschwcht". Dabei sttzt man sich als Beweis offenkundig
- lediglich auf die nicht weiter belegten Ansichten eines "Bru-
- der Mtze aus Dresden".
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- Balzereit mag die Erklrung tatschlich ins Deutsche bersetzt
- und auch den Brief an Hitler entworfen haben. Doch es gibt
- eindeutige Beweise dafr, daá er den Wortlaut der Erklrung
- nicht verflscht hat. Erstens verffentlichte die Wachtturm-
- Gesellschaft die englische Version der Erklrung im 1934
- Yearbook of Jehovah's Witnesses als offizielle Stellungnahme
- zu Hitler und der deutschen Regierung, und der Inhalt dieser
- Version ist praktisch identisch mit dem der deutschen Version.
- In der englischen Version ist deutlich der bombastische Stil
- Richter Rutherfords zu erkennen. Zweitens sind die Aussagen in
- der Erklrung, die sich gegen die Juden richten, eher so
- geschrieben, wie es zu einem Amerikaner paát, und nicht, wie
- es ein Deutscher getan htte. Woher sollte Balzereit zum
- Beispiel das sogenannte Sprichwort in bezug auf die Stadt New
- York kennen, das lautete: "Den Juden gehrt die Stadt, die
- irischen Katholiken beherrschen sie, und die Amerikaner mssen
- zahlen"? Drittens hatte Rutherford sich schon im Jahre 1918
- eines hnlichen Kompromisses gegenber den weltlichen Autori-
- tten der Vereinigten Staaten schuldig gemacht, als er erfolg-
- los versuchte, der Haft zu entgehen(#14#). Und schlieálich war
- Rutherford ein Despot, der es nicht einfach geduldet htte,
- wenn jemand sich der Auflehnung gegen ihn schuldig gemacht
- htte, indem er - wie es von Balzereit behauptet wird - ein-
- fach eigenmchtig die Erklrung "abgeschwcht" htte.
-
- Zwar beruhen die Beweise nur auf Indizien, aber diese sind
- durchaus tragfhig. Und letztlich kommt es darauf auch gar
- nicht so sehr an. Tatsache ist, daá diese "Erklrung" als ein
- offizielles Dokument der Wachtturm-Gesellschaft verffentlicht
- wurde, ganz gleich, wer deren Verfasser nun war und ob jemand
- sie verndert bzw. "abgeschwcht" hatte. Daher waren die
- amerikanischen Fhrungspersnlichkeiten und besonders Richter
- Rutherford direkt verantwortlich fr den klaren Antisemitismus
- und die Bereitschaft, das so lautstark vertretene Prinzip der
- "christlichen Neutralitt" aufzugeben, um den Druck und Ver-
- trieb der Schriften und das Predigtwerk in Deutschland fort-
- setzen zu knnen. Die Fhrung der Zeugen Jehovas hat sich
- also, wie die Oberen fast jeder anderen Kirche oder Sekte im
- "Dritten Reich", bereit gezeigt, aufgrund der Umstnde der
- Zeit ihre heiligsten Werte zu verraten.
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-
- Ein Versuch, Fakten zu vertuschen
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- Aber das ist noch nicht alles. Die Wachtturm-Gesellschaft
- macht sich in dieser Angelegenheit einer fortgesetzten Besch-
- nigung ihrer eigenen Vergangenheit schuldig. Whrend die
- Gesellschaft noch immer mit der Tapferkeit der deutschen
- Zeugen prahlt, da diese sich nicht dem Diktat der Nazis unter-
- ordneten, versucht sie fortgesetzt, die Kompromiábereitschaft
- der Glaubensfhrung gegenber den Nazis zu verdecken. Man
- zitierte im Wachtturm vom 1. Oktober 1984 zwar eine Passage
- aus dem Buch The Nazi State and the New Religions von Christi-
- ne King, versumte aber zu bemerken, was Frau King ber die
- Erklrung von 1933 geschrieben hatte. In einer kurzen Ein-
- schtzung dieses Dokuments kommt sie zu einer - fr Jehovas
- Zeugen - recht vernichtenden Beurteilung. Sie schrieb: "Das
- Dokument ist ein Meisterstck seiner Art und wrde auch zu den
- anderen vier Sekten [den Christlichen Wissenschaftern, den
- Heiligen der Letzten Tage, den Siebten-Tags-Adventisten und
- der Neuapostolischen Kirche] passen, die alle auf die eine
- oder andere Art den Nazi-Staat untersttzten."(#15#) In einem
- anderen Abschnitt bemerkt sie: "Nachdem sie versucht hatten,
- den Behrden mittels dieser Erklrung zu versichern, daá sie
- gute Brger seien, und nachdem sie ihre Lehren in einer Weise
- dargelegt hatten, welche bei den zustndigen Regierungsstellen
- des Regimes Besorgnis abbauen und gleichzeitig
- Kompromiábereitschaft signalisieren sollte, scheinen die
- Zeugen kaum noch weitere Unterdrckung erwartet zu haben.
- Hatte die Erklrung nicht genau wie die Nazis den
- Vlkerbund verurteilt, hatte sie den Nationalsozialismus
- nicht als etwas bezeichnet, das sich wohltuend von den
- Ungerechtigkeiten, unter denen Deutschland seit 1919 zu leiden
- hatte, abhebt, und hatte sie nicht auch mit einem persnlichen
- Appell an den "Fhrer" geendet?"(#16#) Es ist also kaum noch
- mglich, daá die gegenwrtige Fhrung der Wachtturm-Gesell-
- schaft ber die Erklrung und ihren kompromiábereiten und
- antisemitischen Charakter nicht Bescheid weiá.
-
- Trotz dieser Aussagen von Frau King beschuldigte man in der
- Zeitschrift Erwachet! vom 8. Juni 1985 sowohl katholische als
- auch protestantische Geistliche, sich der Untersttzung der
- Nazis schuldig gemacht zu haben, und verkndete: "In Deutsch-
- land gab es jedoch eine Gruppe, die mutig christliche Grund-
- stze hochhielt. Bei dieser Gruppe handelte es sich um Jehovas
- Zeugen. Anders als die Geistlichkeit und deren Anhnger wei-
- gerten sie sich, mit Hitler und den Nationalsozialisten Kom-
- promisse einzugehen. Sie lehnten es ab, Gottes Gesetze zu
- bertreten. Sie waren nicht bereit, ihre christliche Neutrali-
- tt in politischen Angelegenheiten zu verletzen. (Siehe Jesaja
- 2:2-4; Johannes 17:16; Jakobus 4:4) Sie schrieben Hitler kein
- Heil zu wie die berwiegende Mehrheit der Geistlichen und
- ihrer Schutzbefohlenen" (Seite 10). Und neuere Ausgaben der
- Zeitschriften Erwachet! und Wachtturm uáern sich in hnlicher
- Weise.
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- In Erwachet! wurden in der Ausgabe vom 8. April 1989 verschie-
- dene Artikel ber den Holocaust verffentlicht. Darin wird
- vllig zutreffend darauf hingewiesen, daá neben den Juden noch
- viele andere von den Nazis umgebracht wurden. In einem dieser
- Artikel, der von der Verfolgung der Zeugen Jehovas von 1933
- bis zum Zusammenbruch des "Dritten Reiches" im Jahre 1945
- handelt, heiát es: "Sie kamen aus verschiedensten Nationen,
- doch man betrachtete sie flschlicherweise als eine Gefahr fr
- das NS-Regime in Deutschland, weil sie fr die christliche
- Neutralitt einstanden und es ablehnten, in die Kriegsbemhun-
- gen irgendeiner Nation miteinbezogen zu werden. Hitler nannte
- sie eine "Brut", die es auszurotten gelte" (Seite 12). Bemer-
- kenswerterweise wird in diesem Artikel ebenfalls Frau King
- zitiert, aber ihre Aussagen zur Erklrung und den Brief der
- Wachtturm-Gesellschaft an Hitler finden keine Erwhnung.
-
- Weiterhin ist gleich nach diesem Erwachet! eine Artikelserie
- in der Zeitschrift Der Wachtturm(#17#) erschienen, in der es
- um "Babylon die Groáe" geht. In diesen Artikeln identifiziert man
- die "groáe Hure", die im Bibelbuch Offenbarung, Kapitel 17,
- beschrieben wird, mit dem Weltreich der falschen Religion, das
- "Hurerei mit den Knigen dieser Erde" begangen hat. Der Wacht-
- turm beschuldigt sowohl die katholische als auch die prote-
- stantische Kirche - die er beide als Teile "Babylons der
- Groáen" ansieht - mit hrtesten Worten, in den vergangenen
- Jahrhunderten verschiedene weltliche Regierungen Europas
- untersttzt und insbesondere sich whrend des Zweiten Welt-
- krieges mit den Nazis verbndet zu haben. Aber in keinem
- dieser Artikel erwhnt der anonyme Autor, daá die Fhrung der
- Wachtturm-Gesellschaft, vom Standpunkt ihrer eigenen Lehre aus
- gesehen, ebenfalls bereit gewesen war, mit den Herrschern des
- "Dritten Reiches" "Hurerei" zu begehen, wren diese nur dazu
- bereit gewesen, mit ihr ins Bett zu gehen.
-
- Sogar noch schlimmer ist, daá die Wortfhrer der Wachtturm-
- Gesellschaft, wenn sie mit den Aussagen der Erklrung von 1933
- konfrontiert werden, diese stets kategorisch leugnen. Nachdem
- ich 1985 in meinem Buch Apocalypse Delayed(#18#) eine kurze
- Zusammenfassung der Erklrung verffentlicht hatte, griffen
- mich Verantwortliche der Wachtturm-Gesellschaft in grbstem
- Ton an und bezeichneten mich praktisch als Lgner. Walter
- Graham, fr die ffentlichkeitsarbeit der Gesellschaft in
- Kanada zustndig, sagte: "Die Erklrung war weder dazu da,
- Hitler zu beruhigen, noch war sie antisemitisch". In bezug auf
- mich fgte er hinzu: "Penton verfolgt damit eigene Interessen.
- Seit er aus der Organisation entfernt worden ist, versucht er
- permanent, Jehovas Zeugen zu diskreditieren." Interessanter-
- weise rumte er aber ein, meine in dem Buch dargelegte Beweis-
- fhrung gar nicht gelesen zu haben. Er sagte: "Wir sind nicht
- daran interessiert, es zu lesen. Wir sind nicht an dem inter-
- essiert, was James Penton tut, schreibt oder denkt, da er
- beschlossen hat, keiner von uns zu sein."(#19#) In hnlicher
- Weise hat sich Eugene Rosam, ein weiterer Verantwortlicher der
- Wachtturm-Gesellschaft in Kanada, ber das Buch Apocalypse
- Delayed geuáert: "Wir haben zu dieser Verffentlichung nichts
- zu sagen. Es kann doch jeder ein Buch schreiben und es ver-
- ffentlichen. berraschend ist nur, daá einige damit umgehen,
- als sei es ein Evangelium"(#20#).
-
- Nicht berraschend ist, daá es der Fhrung der Zeugen Jehovas
- widerstrebt, mehr als ntig ber die Erklrung, den Brief an
- Hitler oder den Kongreá in Berlin 1933 zu sprechen.
- Schlieálich will keine religise Organisation ihre frheren
- Snden verbreitet wissen. Jedoch ist das schlichte Beschnigen
- und Vertuschen der wahren Natur dieser Geschehnisse heuch-
- lerisch, insbesondere da die Wachtturm-Gesellschaft kein gutes
- Haar an anderen Religionsgemeinschaften lát und ihnen vor-
- wirft, mit den Nazis zusammengearbeitet zu haben. Allerdings
- hat die Wachtturm-Gesellschaft auch keine andere Mglichkeit,
- als diese Methode beizubehalten. Schlieálich behauptet sie,
- daá die kollektive Krperschaft, die die Zeugen Jehovas seit
- 1919 leitet, "aus den Gott hingegebenen gesalbten Fuástapfen-
- nachfolgern Jesu Christi" besteht, "die als die "briggeblie-
- benen (der berrest) ihres [der himmlischen Organisation
- Gottes] Samens" bezeichnet werden, "die die Gebote Gottes
- beachten und denen das Werk bertragen ist, fr Jesus Zeugnis
- abzulegen"(#21#). Es wrde dieser Behauptung zuwiderlaufen,
- wenn man zugeben wrde, gegenber dem Regime Hitlers kompro-
- miábereit gewesen zu sein. Gemá ihrer eigenen Lehren wre die
- Wachtturm-Gesellschaft dann nmlich auch nur ein Teil von
- "Babylon der Groáen"!
-
- Um deutlich zu machen, daá die Behauptungen in dieser Schrift
- historisch korrekt und die ihr zugrundeliegenden Fakten nicht
- zu widerlegen sind, folgen als Anhang die gesamte Erklrung
- sowie der Brief an Hitler.
-
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- Eine Kopie der Erklrung und des Briefes an Hitler sind
- erhltlich
- gegen Einsendung von DM 3,00 in Briefmarken bei der Firma
- BETHEL-KOPIERSERVICE, Postfach 69, W-3509 MORSCHEN 1.
- *************************************************************
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- Anmerkungen:
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- 1. Ein umfassender Bericht aus neuerer Zeit ber Russells
- Zionismus findet sich in: Pastor Charles Taze Russell: An
- Early American Christian Zionist (New York: Philosophical
- Library, 1986).
- 2. Ein Rckblick der Wachtturm-Gesellschaft auf ihr Buch
- Leben, nachdem Rutherford die offizielle Einstellung
- gegenber den Juden gendert hatte, findet sich in The
- Golden Age, 26. Oktober 1932, S. 54.
- 3. Buch Rechtfertigung, Bd. 2 (1932), S. 258f.
- 4. Gestzt auf die Aussage meines Vaters, Levis B. Penton,
- der diese Bemerkung Rutherfords persnlich gehrt hat.
- Mein Vater starb als ein treuer Zeuge Jehovas im Mai
- 1972.
- 5. Die wichtigste dieser Bewegungen war der Ku Klux Klan,
- der in beiden Lndern weit verbreitet war. Doch neben dem
- Klan, der sowohl gegen die Schwarzen als auch gegen die
- Katholiken war, gab es etliche solcher Bewegungen. Der
- Antisemitismus war auch unter den amerikanischen und
- kanadischen Katholiken, von denen einige sogar ganz offen
- faschistisch orientiert waren, ziemlich verbreitet . Dies
- traf insbesondere auf die Provinz Quebec zu.
- 6. Einige der deutschen Lnder hatten die Zeugen schon eher
- verboten, und diese Verbote blieben nach dem 28. April
- 1933 in Kraft. Eine detaillierte Chronologie dieser Ge-
- schehnisse findet sich im Jahrbuch der Zeugen Jehovas
- 1974, S. 108, 109.
- 7. ebd., Seite 130.
- 8. Der betreffende Teil der Ansprache Frankes ist am Ende
- dieses Aufsatzes wiedergegeben. Konrad Franke starb als
- treuer Zeuge Jehovas am 31. Juli 1983.
- 9. Der Brief an Hitler erscheint als Anhang zu diesem Text.
- Die Aussage, daá Rutherford und sieben Direktoren der
- Gesellschaft zu achtzig Jahren Zuchthaus verurteilt wor-
- den seien, erscheint in vielen Wachtturm-Publikatio-
- nen, wohl um einen Schockeffekt zu erzielen. In Wirklich-
- keit wurden sieben von ihnen zu viermal zwanzig Jahren
- verurteilt, die aber gleichzeitig abzusitzen waren und
- daher eine Haftstrafe von insgesamt zwanzig Jahren
- bedeuteten, nicht achtzig. Der achte wurde zu zehn Jahren
- Haft verurteilt.
- 10. Siehe zum Beispiel die Broschre Die Krise, die in
- Deutschland im Jahre 1932 weit verbreitet wurde.
- 11. Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1974, S. 111 f.
- 12. ebd., S. 131 ff.
- 13. ebd. S. 110 f.
- 14. In den Ausgaben der Zeitschrift The Watch Tower vom 1.
- und 15. Juni 1918 wurden die Bibelforscher dazu aufgefor-
- dert, gemeinsam mit anderen Amerikanern fr den Sieg der
- Alliierten ber die deutsche "Autokratie" zu beten, und
- ihnen wurde gesagt, daá der Erwerb von "Liberty (war)
- bonds" (amerikanische Kriegsanleihen) nichts mit Religion
- zu tun habe. Siehe The Wach Tower, Reprints Vol. VII, S.
- 6257, 6268 und 6271. Dies war ein krasser Schwenk in der
- Haltung der Wachtturm-Fhrung. Schlieálich drohte Ruther-
- ford und seinen Kollegen eine Haftstrafe.
- 15. Das Werk von Christine King ist nicht auf deutsch er-
- schienen: The Nazi State and the New Religions: Five Case
- Studies in Non-Conformity (New York and Toronto: The
- Edwin Mellen Press, 1982), S. 151 f.
- 16. ebd.
- 17. Die Artikelserie erschien in den Ausgaben vom 1. und 15.
- April sowie vom 1. und 15. Mai 1989.
- 18. M. James Penton: Apocalypse Delayed: The Story of Jeho-
- vah's Witnesses (Toronto: University of Toronto Press,
- 1985), S. 147 ff. (Anm. d. .: Das Buch liegt bisher
- nicht auf Deutsch vor.)
- 19. Die Zitate sind bersetzungen aus The Toronto Star, 20.
- Juli 1985, S. 12 und aus Spokane Chronicle, 10. August
- 1985, S. 11.
- 20. bersetzt aus The Hamilton Spectator, 7. September 1985,
- S. D 12
- 21. Wachtturm vom 15. Oktober 1958, S. 614 f.
-
-
- bersetzung im Herbst 1991 von M. Winston Smith.
-
- ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
- Originaltext: M. James Penton: "A story of attempted compromi-
- se: Jehovah's Witnesses, Anti-Semitism, and the Third Reich",
- erschienen in: The Christian Quest, Vol. 3, No. 1,
- Spring 1990, S. 33-81.
- Bezugsanschrift: The Christian Quest, P.O. Box 989, Wood Dale,
- IL 60191, USA
- (Preis: 30 $ fr 4 Nummern im Abonnement, Stand von 1991)
- ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
-
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- Anhang: Das Zeugnis Konrad Frankes
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- Treffen in Berlin am 25. Juni 1933
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-
- ... So wurden wir dann noch im letzten Moment fr den 25. Juni
- zu einer besonderen Versammlung nach Preuáen, also nach Ber-
- lin, eingeladen, in die Tennishallen, zu einer besonderen
- Versammlung, wo eine Erklrung angenommen werden sollte. Viele
- konnten schon nicht mehr kommen. Aber ich hatte das Vorrecht,
- mit Bruder Albert Wandres auf dem Motorrad von Wiesbaden bis
- Berlin bei strmendem Regen zu fahren. Aber das hat uns nicht
- viel ausgemacht. Aber wir waren erschttert, als wir am nch-
- sten Morgen in die Tennishallen kamen und nicht diese Stimmung
- vorfanden, wie wir sie sonst bei Kongressen vorfinden. Als wir
- hereinkamen, waren die Hallen mit Hakenkreuzfahnen geschmckt.
- Aber nicht nur das. Als jetzt nun die Versammlung eingeleitet
- wurde, wurde sie mit einem Lied eingeleitet, was wir jahrelang
- und berhaupt in Deutschland nie gesungen hatten, wegen seiner
- Melodie. Der Text war wohl gut, aber die Melodie [...] Nun,
- Musiker, die hier sind, die werden an den Noten sofort erken-
- nen, daá es die Melodie war "Deutschland, Deutschland, ber
- alles". Knnt ihr euch vorstellen, wie es uns zumute war?
- Viele konnten nicht mitsingen. Es war gerade, als wenn ihnen
- die Kehle zugeschnrt wurde. Was hatten wir denn bloá jetzt
- fr eine Fhrung, die uns in diese Gefahren brachte und in die
- Gefahr, jetzt unter diesen Umstnden zu straucheln, statt uns
- zu helfen, uns beizustehen, damit wir eine furchtlose Stellung
- einnahmen? Mgen alle ltesten, die unter uns sind, aus diesen
- Beispielen etwas lernen und mgen sie ihre Verantwortung in
- diesem Zusammenhang in der nahen Zukunft erkennen.
-
- Nun wurde diese Erklrung, die Bruder Rutherford noch vor-
- bereitet hatte, angenommen. Uns wurde der Auftrag gegeben,
- jeder sollte 250 Stck mit nach Hause nehmen und soweit es ist
- mglich ist, sofern er mutig dazu war, per Einschreiben an
- Richter, Staatsanwlte, Oberbrgermeister usw. senden.
-
- Ich habe damals 52 solcher Briefe weggeschickt per Einschrei-
- ben. Die Folge war, daá ich wenige Tage spter das erste Mal
- schon dafr im KZ saá, wo die meisten noch gar nicht wuáten,
- was das war.
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- (wrtlich zitiert aus seinem ffentlichen Vortrag von 1976)
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- *************** Ende der Datei PENTON4 **********************
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