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- M. James Penton:
- Die alte Hure Orthodoxie (1988)
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- Quelle: The Christian Quest, Jahrgang 1, Heft 1, Winter 1988,
- Seiten 77-83. Bezugsadresse: The Christian Quest, Box 989,
- Wood Dale, IL 60191, USA; Bezugspreis fr Abonnenten in Euro-
- pa: 30 US-Dollar fr 4 Hefte)
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- "Und woran glaubt er?", wollte der junge Mann wissen. "Ist er
- orthodox?"
- "Was meinen Sie damit?", erwiderte ich.
- "Na, ist er rechtglubig? Glaubt er wirklich an die Gottheit
- Christi? Glaubt er an die Erwhlung, die ewige Errettung und
- an die Unsterblichkeit der Seele? An den Plan Gottes mit der
- Welt, die Gaben des Geistes und vor allem, dass die Bibel frei
- von Fehlern ist?"
- "Also, ehrlich gesagt, das weiss ich gar nicht so genau",
- antwortete ich. "Er sagt, er sei ein Christ, und mehr weiss
- ich ber seine theologischen Ansichten nicht. Aber ich weiss,
- dass er ein prchtiger Mensch ist. Er ist sehr liebevoll.
- Einfach zauberhaft, wie er mit seiner Frau umgeht. Und in
- seine Kinder ist er ganz vernarrt. Ja, und wenn einer mit
- Problemen zu ihm kommt, findet er immer ein offenes Ohr. Er
- verbringt viele Stunden damit, anderen zu helfen, damit ihre
- Familie nicht zerbricht, kmmert sich um Kinder, die kein
- Zuhause haben, und einmal habe ich gesehen, wie ihm die Trnen
- gekommen sind, weil in Afrika so viele Menschen verhungern
- mssen. Er sagte: `Es ist so schrecklich. Die armen Menschen.
- Und doch weiss ich, dass unser Herr sie genauso liebt wie uns.
- Ich bin sicher, er hlt etwas ganz Besonderes fr sie in der
- Auferstehung bereit.'"
- "Wie kann er sowas nur sagen! Er muss doch wissen, dass die
- meisten Leute dort keine Christen sind", sagte der junge Mann
- mit ziemlich finsterer Miene. "Weiss er denn gar nicht, dass
- sie ohne Christus auf ewig in die Hlle kommen?"
- "Ich bin mir nicht so sicher", sagte ich. "Mir ist, als glaubt
- er gar nicht an eine ewige Qual."
- "Was?" rief da der junge Mann aus. "Sie sagen, er glaubt nicht
- an die Hlle? Wie soll jemand ein Christ sein knnen, wenn er
- nicht an die Hlle glaubt? Dann glaubt er wohl am Ende auch
- nicht an den richtigen Jesus?"
- "Den richtigen Jesus?", antwortete ich verunsichert. "Was
- meinen Sie denn damit? Ich bin mir sicher, dass er an Christus
- als unseren Herrn und Erlser, den Sohn Gottes, glaubt. Reicht
- das nicht?" "Nein, berhaupt nicht", versetzte mein junger
- Freund mit Leidenschaft. Und dann sagte er mit einem richtig
- verklrten Blick: "Sie wissen offenbar auch nicht, wie wichtig
- Rechtglubigkeit eigentlich ist, von wie grosser Bedeutung es
- ist, die reine Lehre genau zu kennen."
- In diesem Augenblick klingelte das Telefon und ich war geret-
- tet. Abends, als ich zu Bett ging, musste ich noch immer ber
- dieses Gesprch nachdenken. Unruhig wlzte ich mich hin und
- her und konnte zuerst keinen Schlaf finden, und als ich end-
- lich eingeschlafen war, hatte ich einen Traum.
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- Seltsam, ich fand mich in einer wstenartigen Gegend wieder,
- wo Dornen und Disteln und Kakteen in der sengenden Hitze
- wuchsen. Whrend ich mich noch in dieser unfruchtbaren und
- unwirtlichen Gegend umsah, kamen vier Mnner auf mich zu und
- stellten sich mir vor.
- Der erste sagte: "Wir sind vier Brder und wurden zu dir
- gesandt, um dich auf eine lange Reise mitzunehmen und dir zu
- zeigen, weshalb es so wichtig ist, die reine Lehre zu kennen
- und zu vertreten und unserer Mutter, der Orthodoxie, zu gehor-
- chen."
- Mein Erstaunen war gross, denn dem Aussehen nach htten sie
- nicht verschiedener voneinander sein knnen. Der Erste war
- dunkelhutig und hatte semitische Gesichtszge, einen langen
- schwarzen Bart und Locken an den Schlfen. Gekleidet war er
- offensichtlich wie ein Jude. Auf dem Kopf trug er ein Kpp-
- chen, er hatte einen Gebetsriemen und lange Fransen an den
- Gewndern. Der Zweite war von viel hellerer Hautfarbe, glat-
- trasiert und trug eine Tonsur. Da er wie ein Klosterbruder
- oder Bettelmnch angezogen war, erkannte ich sofort, dass er
- Angehriger eines rmisch-katholischen Ordens sein musste. Bei
- nherem Hinsehen bemerkte ich in seiner Hand ein Buch, das den
- Titel Dominicanis oder Domini canis trug, was aus dem Lateini-
- schen stammte und besagte, dass er der Herrschaft des Hl.
- Dominicus unterstand und mithin ein Dominikanermnch war oder
- einer der Hunde des Herrn - jemand, der den Ketzern nachbellt.
- Der Dritte sah mehr wie der Erste aus; er hatte einen Turban
- auf und trug das lange Gewand eines Arabers. Wie sich spter
- herausstellte, hielt ich ihn zu Recht fr einen Anbeter Al-
- lahs, der dem Propheten Mohammed nachfolgte. Und dann war da
- noch der Vierte. Er war gekleidet wie die Puritaner vergange-
- ner Jahrhunderte, trug dunkle, schmucklose Kleidung und einen
- grossen, breitkrempigen Hut. Das Haar war kurzgeschnitten und
- machte einen ungepflegten Eindruck, als er den Hut abnahm.
- Sein Gesicht war glattrasiert, aber voller Pickel, Warzen und
- Narben. Sein Blick war wie bei den anderen auch scharf und
- stechend, und die Lippen waren streng zusammengekniffen. "Wie
- knnt ihr berhaupt miteinander verwandt sein?", fragte ich.
- "Das sind wir tatschlich. Du kannst es ruhig glauben", sagte
- der Zweite. "Wenn wir auch so verschieden aussehen, so haben
- wir doch denselben Vater und dieselbe Mutter. Wir heissen
- Legalismus, Dogmatismus, Fanatismus und Fundamentalismus. Wenn
- du achtgibst auf das, was wir dir zeigen und sagen werden,
- kannst du viel von uns lernen."
- Ich war ziemlich beunruhigt, folgte ihnen aber doch. In dieser
- einsamen Wste brauchte ich doch jemand, der mir den Weg wies,
- und die Mnner versicherten, sie wssten ganz sicher den rech-
- ten Weg fr mich. Und so ging es ohne grosse Verzgerung los.
- Zu meiner berraschung war es aber nicht nur eine Reise an
- andere Orte, sondern auch in andere Epochen.
- Zuerst fanden wir uns im Land Juda zur Zeit der Rmer wieder,
- wo Legalismus uns auf einen sehr hohen Berg fhrte, damit wir
- sehen konnten, was geschah. Schon bald wurden wir Zeugen
- vieler Ereignisse. Wir sahen, wie ein Mann mit Namen Stephanus
- in ein Streitgesprch mit seinen Zeitgenossen verwickelt war.
- Als sie ihm nichts mehr zu erwidern wussten, schrien sie: "Wir
- haben ihn lsterliche Reden gegen Mose und Gott fhren hren",
- und weiter: "Dieser Mann hier fhrt unaufhrlich Reden gegen
- diesen heiligen Ort und gegen das Gesetz ..." Doch Stephanus
- hatte keine Angst vor ihnen und hielt ihnen und ihrem Hohen-
- priester eine lange Verteidigungsrede. Das verrgerte sie aber
- nur noch mehr, und als sie hrten, wie er von seinem Glauben
- Zeugnis ablegte, waren sie ausser sich vor Wut. Sie rannten
- auf ihn zu, schleppten ihn aus der Stadt und steinigten ihn zu
- Tode. Danach sah ich, wie sie einen Mann namens Jakobus, den
- Bruder des Johannes, ergriffen und mit dem Schwert hinrichte-
- ten. Dann wurde ein anderer mit Namen Petrus gefesselt und in
- Ketten ins Gefngnis geworfen. Darauf wurde ein vierter,
- genannt Saulus oder Paulus, von einem Pbelhaufen attackiert.
- Wren nicht die anwesenden Soldaten eingeschritten, so htte
- man auch ihn ergriffen und umgebracht.
- Als ich das gesehen hatte, fragte ich: "Warum mssen diese
- Menschen so leiden? Was haben sie getan, dass sie das verdient
- htten?" Legalismus antwortete: "Hast du das nicht gemerkt?
- Sie haben das Gesetz gebrochen, die Tradition angezweifelt,
- und unsere Mutter, die Orthodoxie, geschmht!"
- Bevor ich darauf etwas erwidern konnte, waren wir schon an
- einen anderen Ort und in eine andere Zeit bergewechselt. Ich
- sah auf einmal einen Mann namens Augustinus mit einer Gruppe
- Mnner sprechen, die Schwerter und Speere trugen. Er sagte:
- "Bringt sie hierher!" Und die Mnner holten Peitschen und
- Ketten und schlugen auf einige Mnner und Frauen ein und
- nahmen sie fest, um sie zu Augustinus zu bringen. Diese aber
- beugten sich seinen Lehren nicht und bekannten sich auch nicht
- zu den Dingen, die er ihnen vorwarf. Da liess er sie ins Ge-
- fngnis stecken.
- In schneller Folge liefen dann vor meinen Augen weitere Ge-
- schehnisse ab. Ich sah, wie in dem franzsischen Ort Albi
- Tausende - Mnner, Frauen und Kinder - mit Schwertern erschla-
- gen und verbrannt wurden. Mnner, die ber ihrer Kutte ein
- Kreuz trugen, schlugen auf sie ein, vergewaltigten sie, tte-
- ten sie und spuckten auf ihre Leichname, und dabei riefen sie
- aus: "Christus wird die Gerechten von den Ungerechten trennen
- und die Ketzer zur Hlle schicken."
- Als nchstes nahmen sie andernorts einen Mann namens Hus
- gefangen, banden ihn an einen Pfahl und verbrannten ihn, so
- dass nur noch ein Hufchen Asche von ihm brig blieb. Hinter-
- her sah ich, wie drei weitere dasselbe Schicksal ereilte. Sie
- hiessen Tyndale, Cranmer und Ridley. Das war aber noch nicht
- halb so schlimm wie das, was danach kam. Ich wurde in ein
- grosses Haus aus Stein gefhrt und in eine grauenerregende
- Kammer tief unter der Erde gebracht. Was ich dort sah, war
- schrecklich. Man spannte Mnner und Frauen auf Gestelle und
- und streckte sie, bis Arme und Beine unter dem Schreien der
- Opfer aus den Gelenken sprangen. Anderen band man Stricke um
- Arme und Beine und zog sie so fest an, dass die Muskeln fast
- vollstndig durchgetrennt wurden. Wieder anderen wurden Dau-
- menschrauben an Daumen und Finger angelegt und immer fester
- zugedreht, so dass sie vor Schmerz kreischten. Spter sah ich,
- wie dieselben Menschen mit nacktem Oberkrper und Knebeln im
- Mund durch die Stadt gefhrt wurden; alle waren um den Bauch
- mit einem Strick aneinandergebunden, auf dem Kopf trugen sie
- eine spitze Narrenkappe und in den Hnden hielten sie Kerzen.
- Eine rasende Menge verhhnte und beschimpfte sie, whrend
- Mnner zu Pferde mit langen Peitschen auf ihre nackten Ober-
- krper einschlugen. Die meisten von ihnen wurden schliesslich
- gezwungen, in ihrem Zustand mit anzusehen, wie einige aus
- ihren Reihen ffentlich stranguliert und dann an einem Pfahl
- verbrannt wurden. Das nannte man ein Autodaf.
- Mir war mittlerweile schlecht geworden. Das viele Leid und die
- Qualen, das Schreien der Gefolterten und Sterbenden, dazu der
- Gestank von verbrennendem Menschenfleisch - all das war mehr,
- als ich ertragen konnte. "O Gott!" rief ich aus, "weshalb tut
- man das diesen Menschen an? Wofr mssen sie so leiden?"
- Diesmal antwortete Dogmatismus und sagte zu mir: "Es ist
- genauso, wie mein lterer Bruder Legalismus es dir schon
- gesagt hat. Sie haben keinen Respekt vor der Autoritt gehabt,
- haben falsche Lehren geglaubt und gelehrt. Und dafr mussten
- sie zu Recht leiden. Die Menschen, die Legalismus dir gezeigt
- hat, htte man vielleicht nicht ganz so streng bestrafen
- sollen, diese hier aber waren anders. Sie haben unsere Mutter,
- die Orthodoxie, wirklich beleidigt."
- Kaum war Dogmatismus fertig, kam schon Fanatismus auf mich zu:
- "Komm, ich werde dir noch mehr zeigen."
- Gleich darauf spielten sich vor mir Heilige Kriege aus alter
- und neuer Zeit ab, die alle im Namen Allahs gefhrt wurden.
- Ich sah, wie man Menschen die Hnde abhackte, weil sie gestoh-
- len hatten. Frauen wurden ausgepeitscht und gesteinigt, weil
- sie Kleidung getragen hatten, die sie nicht vollstndig be-
- deckte. Andere wurden wegen Ehebruch und Hurerei hingerichtet.
- Und Unschuldige brachte man aus sogenannt heiligen Beweggrn-
- den um.
- "Genug, das reicht", sagte Fundamentalismus. "Du zeigst dem
- armen Wanderer noch zuviel, mein verehrter Bruder Fanatismus.
- Schliesslich hat das, was ich ihm zu zeigen habe, viel mehr
- mit seiner eigenen Tradition zu tun als die Dinge, die du ihn
- sehen lsst. Und es steht deinen Werken in nichts nach."
- Fanatismus brummte zwar, er sei noch lngst nicht fertig, ja
- er werde eigentlich berhaupt nie fertig werden, rumte aber
- widerstrebend ein, dass Fundamentalismus wohl recht hatte. Und
- so waren wir einen Augenblick spter schon wieder woanders.
- Diesmal sah ich, wie in der Stadt Genf ein Mann namens Serve-
- tus unter schrecklichen Qualen am Pfahl verbrannt wurde. Er
- schrie: "Herr Jesus, Sohn des ewigen Gottes, rette mich!" Doch
- einer, der in seiner Nhe stand, verkndete, er werde zur
- Hlle fahren, denn er htte die falsche Lehre. Er glaubte
- nicht an "den richtigen Jesus".
- Sodann ergriff man mehrere wunderschne blonde Mdchen, die
- Wiedertuferinnen genannt wurden, band sie an Holzstmme, die
- bei Ebbe in einer Meeresbucht in eine Sandbank gerammt worden
- waren, und berliess sie der Flut. Als spter das Wasser ihre
- zarten Krper wieder freigab, sahen sie aus wie grosse Bndel
- Seegras, die die unwissenden Hnde von Mutter Natur ergriffen
- und hier zurckgelassen hatten, und nicht wie allerliebste
- junge Frauen, umgebracht von Mnnern, die abartigerweise
- vorgaben, demselben sanften und liebenden Herrn zu dienen, wie
- sie es getan hatten. Als nchstes wurden ein Mann namens Roger
- Williams und eine Frau mit Namen Ann Hutchins von Menschen,
- die man Christen nannte, in den amerikanischen Urwald gejagt,
- wo sie bei heidnischen Indianern Zuflucht suchen mussten. Kurz
- darauf erhngte man in Schottland Thomas Aikenhead, einen
- jungen Mann, weil er die Dreifaltigkeit Gottes leugnete. Doch
- das war schnell vorbei und wir kamen in unsere jngere Ver-
- gangenheit.
- Ich fand mich im Amerika des 19. Jahrhunderts wieder. Pbel-
- rotten verprgelten Mormonen, teerten und federten sie und
- brachten sie um. Andere griffen Mitglieder der Heilsarmee an,
- schlugen sie zu Krppeln und warfen sie ins Gefngnis. Dann
- war ich im Amerika des 20. Jahrhunderts und sah, wie Angehri-
- ge des Ku-Klux-Klans Katholiken, Juden und Schwarze verfolg-
- ten. Und auch Zeugen Jehovas wurden vom Pbel verfolgt und
- gelyncht. Und schliesslich ergriff man vor meinen Augen auch
- Menschen, die man verchtlich als Sektierer beschimpfte und
- umerziehen wollte.
- Als wir hier angelangt waren, protestierte ich und sagte zu
- den vier Brdern: "So etwas sollte es aber heute wirklich
- nicht geben!" "Du irrst", erwiderte Fundamentalismus. "Sie
- alle bekommen, was ihnen zusteht. Und ausserdem wrden die
- meisten anderen gegenber ganz genauso handeln, wenn sie dazu
- dieselben Mglichkeiten htten wie ihre Verfolger. Hast du
- denn noch nichts von ihren Exkommunikationen gehrt, ihren
- Gemeinschaftsentzgen, den schroffen Zurckweisungen und all
- den anderen bsen Dingen, die viele von ihnen anderen zufgten
- und dabei flschlich behaupteten, unsere Mutter, die Orthodo-
- xie, sei auch ihre Mutter?"
- Das war mehr, als ich ertragen konnte. In Qualen erhob ich
- meine Augen zum Himmel und rief: "Vater im Himmel! Bist du
- wirklich der Gott dieser vier Mnner? Bist du der Gott der
- Phariser, der Kreuzfahrer, der Inquisitoren, der Ajatollahs,
- der Gott des Augustinus, Calvins, der Puritaner, der Pbelrot-
- ten, der Bigotten, der Umerzieher und der Sektierer, die
- allesamt im Namen dieser Frau Orthodoxie andere Menschen
- verfolgen? Und wer ist sie, Herr? Wer ist sie?"
- In diesem Augenblick erschien mir ein Engel und sagte mit
- sanfter Stimme: "Kind, der Vater hat dein ngstliches Rufen
- gehrt. Er hat dich lieb. Und darum sagt er, du darfst mit
- diesen vier Mnnern nichts mehr zu tun haben. Sie sind bse.
- Und ausserdem sind sie gerissen. Sie wechseln hufig ihre
- Erscheinung und tuschen die Menschen. Bisweilen tragen sie,
- wie hier, die Kleidung der Geistlichen der grossen Kirchen,
- aber oft auch eine andere. Manchmal haben sie den Zylinderhut
- des Politikers auf oder tragen die Uniform eines Soldaten oder
- Kommissars, den Anzug eines Geschftsmanns, die Robe oder den
- Kittel eines studierten Mannes. Ab und an erscheinen sie sogar
- unter den Verfolgten mit dem blassen Gesicht und der Bcherta-
- sche des Sektierers. Sie wechseln ihre Gestalt hufig und
- tragen auch Frauenrcke. Sie bleiben aber immer dieselben, und
- unser Vater ist nicht der ihre. Ihr Vater heisst Teufel und
- Satan, der grosse Drache, die alte Schlange. Und nun werde ich
- dir eine andere Wahrheit in Form einer Vision zeigen, einer
- Vision, die der Apostel Johannes vor langer Zeit hatte."
- Whrend er noch redete, sah ich eine in Purpur und Scharlach
- gekleidete Frau, die auf einem scharlachroten wilden Tier mit
- sieben Kpfen und zehn Hrnern sass, das voller lsterlicher
- Namen war. Die Frau trug reichen Schmuck von Gold, Edelsteinen
- und Perlen. In der Hand hielt sie einen goldenen Becher, voll
- mit dem Greuel und dem Schmutz ihrer Hurerei. Und auf ihre
- Stirn war ein Name geschrieben, ein Geheimnis: "Babylon die
- Grosse, die Mutter der Huren und der Greuel der Erde." Und ich
- sah die Frau trunken vom Blut der Heiligen und vom Blut der
- Zeugen Jesu.
- Da fiel ich auf die Knie und fragte unter Trnen: "Wer ist
- dieses schreckliche Weib?"
- Der Engel antwortete und sprach: "Diese Frau trgt einen
- anderen Namen, denn sie ist wahrhaftig die Mutter von Legalis-
- mus, Dogmatismus, Fanatismus und Fundamentalismus. Man nennt
- sie flschlich Orthodoxie (Rechtglubigkeit), in Wirklichkeit
- ist sie aber nichts weiter als eine alte Hure. Denn sie ver-
- fhrt die Menschen, so dass sie all die schrecklichen Snden
- begehen, die du sahst. Habe nicht an ihren Snden teil; sie
- und ihre vier Shne werden bald fr immer vernichtet werden.
- Denn Gott ist Liebe."
- In diesem Augenblick erwachte ich und dankte Gott.
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- bersetzung: Helmut Lasarcyk (12.88)
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