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- Der folgende Artikel stammt aus DER WEG (Evangelische Kirchenzeitung
- fr das Rheinland), Ausgabe 3 vom 16.01.1994, S. 8
- Verbreitung in Mailboxen gestattet; sonstiger Nachdruck verboten.
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- Heilige mit Krawatte
- Die Mormonenkirche in Deutschland zhlt 36 000 Mitglieder
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- In vielen deutschen Stdten begegnet man den dunkel gekleideten
- jungen Mnnern mit Krawatte, die an Informationsstnden
- Handzettel verteilen oder von Haus zu Haus gehen. In der Regel
- kommen sie aus dem Ausland und missionieren hier fr ihre
- Glaubensgemeinschaft mit dem offziellen Namen "Kirche Jesu
- Christi der Heiligen der Letzten Tage", die gemeinhin unter dem
- Begriff "Mormonen" bekannt ist.
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- Diese populre Bezeichnung grndet sich auf das sogenannte Buch
- Mormon, das der Farmersohn Joseph Smith durch eine En-
- gelsoffenbarung im Jahr 1827 auf dem Hgel Cumorah im US-Staat
- New York gefunden haben will. Jahrhundertelang soll es dort in
- Gestalt goldener Tafeln vergraben gewesen sein. Smith will die
- Texte aus einer Art altgyptischer Sprache dank gttlicher Hilfe
- bersetzt haben.
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- Daá noch heute viele Menschen das Buch Mormon als gleichwertig
- neben die Bibel stellen und darin "einen weiteren Zeugen fr
- Jesus Christus" sehen, ist eigentlich erstaunlich. Denn die
- zahlreichen Namen und Bezeichnungen in den angeblich uralten
- Geschichten aus Amerika konnten von Historikern und Archologen
- nicht besttigt werden. Aber diese Kritik erschttert die
- Glubigen keineswegs. Namentlich die Mormonen in Amerika, die
- etwa die Hlfte der weltweiten Gemeinde ausmachen, sind stolz
- darauf, daá das Buch Mormon ihren Kontinent in die biblische
- Heilsgeschichte mit einbezieht, ja fr ihn das wahre "Zion" in
- Aussicht stellt. Ihre Grundhaltung strahlt Optimismus aus, der in
- einem religis begrndeten Fortschrittsglauben wurzelt.
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- Als Angehrige der "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten
- Tage" sind sie um eine hohe Moral bemht. So halten sie eine
- sndenfreie Existenz nicht nur fr mglich, sondern zur Rettung
- unserer Gesellschaft fr ntig. Ihr Sndenbegriff ist dabei
- ebenso wie ihr Gnadenbegriff gegenber den Traditionen der
- christlichen Kirchen verflacht. Demnach macht die Auferstehung
- Christi dem Menschen lediglich den Weg dazu frei, auferweckt und
- beim Jngsten Gericht nach den Werken gerichtet zu werden. Das
- heiát: Der Mensch wird nach ihrem Verstndnis nicht allein durch
- Gnade gerecht und gerettet. Sprbare Gesetzlichkeit prgt das
- Verstndnis von "Gnade", denn das Mitwirken des Menschen und
- seine Leistung spielen eine Rolle.
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- Mormonen zeichnet eine engagierte Frmmigkeit aus, deren
- weltoffener Charakter vielen Mitgliedern den Weg zu materiellem
- Reichtum geebnet hat. Davon profitiert die "wiederhergestellte
- Urkirche" mit ihrem internationalen Zentrum in Salt Lake City.
- Denn sie legt Wert auf die Abgabe des Zehnten vom Einkommen und
- nimmt Schtzungen zufolge allein damit jhrlich umgerechnet rund
- 1,6 Milliarden Mark ein. Von ihrem Reichtum zeugen nicht zuletzt
- ihre weltweit fast 50 Tempel.
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- Hauptzweck der Mormonentempel ist die Vermittlung von heiligen
- Ritualen, Belehrungen und Bndnissen, zum Beispiel die
- Durchfhrung von "Ehesiegelungen". Durch diese Art von Hochzeit
- werden nach mormonischer Vorstellung zwei Partner nicht nur fr
- ihr irdisches Leben, sondern fr die Ewigkeit aneinander
- gebunden. Insbesondere werden in den Tempeln auch stellver-
- tretende Taufen fr Verstorbene vorgenommen. So sollen auch
- nichtmormonische Vorfahren einen Zugang zum ewigen Heil erhalten.
- In Deutschland gibt es mittlerweile.zwei Tempel, einen in
- Freiberg (Sachsen) und einen in Friedrichsdorf (Taunus).
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- Trotz der engagierten Missionsarbeit wchst die Zahl der Mormonen
- in Deutschland nur langsam. Fast konstant sind es seit dem Fall
- der Mauer 36 000 Mitglieder in derzeit rund 170 Gemeinden.
- Weltweit zhlt man acht Millionen Mitglieder, zirka 13 000 Ge-
- meinden und ber 1900 Distrikte, verteilt auf 146 Lnder und
- Territorien: Gleichzeitig verzeichnet man ber 46 000
- Vollzeitmissionaremehr als doppelt so viele wie noch Mitte der
- 70er Jahre.
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- Die Kirchenleitung ist berzeugt: "Das Werk des Herrn wird
- vorangehen und in aller Welt an Erhabenheit und Macht zuneh-
- men." Hermann Vogt (Frankfurt am Main), der ein Jahr lang
- Gastprofessor an einer mormonischen Universitt im amerikanischen
- Bundesstaat Utah gewesen war, mahnt : "Wichtig ist, daá die
- christlichen Kirchen sich mehr als bisher mit dem Mormonismus
- auseinandersetzen und sich auf seinen Missionssturm vorbereiten,
- wenn sie nicht viele Menschen in ihren Gesellschaften
- orientierungslos der Offensive aus Utah berlassen wollen."
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- Weltweit wre die mormonische Mission nicht derart erfolgreich
- ohne die hierarchisch straff durchstrukturierte
- Kirchenorganisation. Gottvater und sein Sohn Jesus Christus, als
- ein zweiter Gott gedacht, haben nach mormonischer berzeugung in
- der Zeit um die Anfnge der 1830 "wiederhergestellten Kirche" dem
- Farmersohn Joseph Smith groáe und erhabene "Schlsselgewalten"
- bertragen. Von dieser priesterlichen Vollmacht zehrt die
- weltweite Organisation unter ihrem jeweiligen Prsidenten bis
- heute. Dieser wird auch bezeichnet als "Prophet, Seher und
- Offenbarer". Zur Zeit hat dieses Amt Esra Taft Benson inne. Die
- kirchliche Aufsichtsmacht - die "Regierungsform des Reiches
- Gottes auf Erden"- wird sozusagen stellvertretend fr Gott
- ausgebt. Gilt doch Gottvater als ein krperliches; also
- umfangmáig begrenztes Wesen, dessen Thron sich ihrer
- Schrifttradition zufolge in unmittelbarer Nhe eines groáen
- Planeten in einer bestimmten Sternengruppe befinden soll.
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- Vom Priestertum sind Frauen ausgeschlossen. Hingegen kann jeder
- wrdige erwachsene Mann das "Melchizedekische Priestertum"
- erhalten. Es berechtigt dazu, heilige Handlungen zu vollziehen,
- wie beispielsweise das Austeilen des Abendmahls, das in Gestalt
- von Brot und Wasser gereicht wird. Insbesondere die Geistes- oder
- Feuertaufe durch Handauflegung bleibt diesem Hheren Priestertum
- vorbehalten. Daneben gibt es auch das Niedere, das "Aaronische
- Priestertum", das bereits ab dem zwlften Lebensjahr empfangen
- werden kann.
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- Die einzelne Gemeinde gehrt einem bergeordneten "Pfahl" an und
- steht unter Aufsicht ihres Bischofs. In der Hauptsache leitet er
- Gottesdienste, hlt Beerdigungen und segnet Kranke.
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- Abgesehen von dem kirchlich gefrderten Familienleben gibt es fr
- Mormonen jeden Alters Aufgaben in der Gemeinde oder in den
- Einrichtungen zur Wohlfahrtspflege beziehungsweise zur
- Weiterbildung. Formen geselligen Beisammenseins, wie etwa bei
- Tanzveranstaltungen, werden besonders gepflegt. "Starke" und
- heiáe Getrnke" sowie der Genuá. von Tabak und gráeren
- Fleischmengen sind durch das angeblich geoffenbarte "Wort der
- Weisheit" untersagt. Mormonen glauben fest daran, Mitglieder der
- einzigen Organisation der Welt zu sein, die nicht scheitern wird.
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- Werner Thiede
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