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- Konzessionen weichen die Strenge auf / Vermutungen ber Gewinne
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- MORMONEN VON UTAH ERFOLGREICH IN DER MISSION UND IM GESCHFT
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- Von GERHARD MENNING
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- U t a h (dpa) - Der Mann strmte mit einem Gewehr in eine Klinik, nahm
- neun Geiseln und erschoá eine Krankenschwester. Der Vater von zehn
- Kindern, von denen zwei schon tot sind, wollte Rache an dem Arzt nehmen,
- der vor zwei Jahren seine Frau sterilisierte und ihm dadurch weiteren
- Kindersegen vermehrte.
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- "Er glaubte, daá er und seine Frau im Himmel noch weitere geistige Kinder
- htten, die darauf warten, ihnen geboren zu werden", sagte eine Nachbarin.
- Der Tter und die Nachbarin sind Mormonen, Mitglieder der "Kirche Jesu
- Christi der Heiligen der Letzten Tage".
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- Die Tat, die sich jngst in Sandy bei Salt Lake City, der Hochburg des
- Mormonentums im US-Bundesstaat Utah ereignete, war die Extrem-Reaktion
- eines Mannes, der sich in der Ausbung seiner Religion gehindert fhlte.
- Wie viele Mitglieder der Mormonenkirche versprte er den religisen Auftrag
- mglichst viele Kinder in die Welt zu setzen. Der Sektengrnder Joseph
- Smith (1805 - 1844) und sein Nachfolger Brigham Young (1801 - 1877)
- praktizierten, geleitet von dem Wunsch, fr eine rasche Ausbreitung der
- Mormonen zu sorgen, die Vielehe. Viele Anhnger folgten ihrem Beispiel.
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- Noch immer Vielehe
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- Die, Mormonenkirche verbietet die Mehrehe inzwischen seit hundert Jahren.
- Doch Fundamentalisten und Mitglieder abgesplitterter Sondersekten in
- abgelegenen Gemeinden in den Rocky Mountains praktizieren sie bis heute.
- Die Behrden dulden das stillschweigend solange der Mann offi- ziell nur
- eine Ehe schlieát. Die Zahl der Menschen in Haushaltungen, die aus einem
- Mann mit mehreren Frauen bestehen, wird auf 50 000 geschtzt.
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- Die einst vorgeschriebenen Zpfe und knchellangen Baumwollkleider tragen
- Mormonenfrauen, die zur Hauptkirche gehren, heute auch auf dem Lande schon
- lange nicht mehr, doch an dem Herr-im-Haus-Anspruch aus der patriarcha-
- lischen Frhzeit der Kirche hlt so mancher Mann offenbar noch fest. Die
- Kirche hielt es fr ntig, an Mnner, die sich in der Ehe gehen lassen,
- eine zeitgemáe Mahnung zu richten. Auf der diesjhrigen Herbstsynode der
- Mormonenkirche sagte Kirchenprsident Gordon B. Hinckley, Zweiter in der
- Hierachie der Mormonenkirche, das Bibelwort, daá Eva dem Adam untertan sei,
- drfe kein Freibrief fr die Unterdrckung der Frau sein.
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- Zurckhaltung erwnscht
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- Doch keineswegs alle Erscheinungen der Gegenwart sind in den Granitmauern
- des Mormonentempels von Salt Lake City willkommen. Boyd Packer, einer der
- Apostel der Mormonen, klagte auf der Synode im Oktober ber den Trend "zu
- mehr Lrm, mehr Aufregung und zu weniger Zurckhaltung, Wrde und Form.
- Schreiende Musik mit obsznen Texten, mit grellen Lichteffekten durch
- Verstrker gepeitscht - das ist Drogenkultur".
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- Vorehelicher Sex ist weiterhin verpnt, und Glcksspiele aller Art
- bleiben in Utah verboten. Das Abtreibungsverbot vor einigen Jahren
- aufgehoben, wurde in verschrfter Form wieder eingefhrt. Aber die
- Gerichte zgern mit der Anwendung des neuen Gesetzes, das
- Schwangerschaftsunterbrechungen - auáer in Fllen von Vergewaltigung,
- Inzucht und Lebensgefahr fr die Mutter - mit Haftstrafen belegt.
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- Auch in anderen Bereichen weicht die Strenge auf. Homosexuelle in Salt
- Lake City bekennen sich offen, Schranken, die den Kauf und Konsum
- alkoholischer Getrnke behinderten, wurden abgebaut oder gesenkt. Gab es
- bis in die jngste Zeit in Restaurants Apfelsaft zum Steak, so darf es
- jetzt auch ein Bier oder ein Glas Wein sein.
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- Gewinne flieáen ffentlichen Zwecken wie dem Schulfonds zu. Die Mormonen-
- kirche selbst wollte in dem "Hotel Utah", das ihr gehrt, keine Raucher und
- Trinker dulden und schon gar keine leichten Mdchen, und schloá kurzerhand
- das Hotel. Das Haus gegenber dem Tempel wird jetzt zu einem
- Kongreázentrum fr fromme Pilger umgebaut.
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- Der streng glubige Mormone lebt nchtern und spartanisch. Er lehnt Tabak
- Alkohol und Genuámittel wie Kaffee und Tee ab, er achtet auf seine Gesund-
- heit und fastet einmal im Monat. Die Geburtenrate und Lebenserwartung
- liegen in Utah ber dem US-Durchschnitt. Weiáe Mormonenmnner, die nicht
- rauchen nd regelmáig Sport treiben, werden zehgn Jahr lter als der
- Durchschnittsamerikaner.
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- Demoskopen wissen, daá nur eine Minderheit eine klare Vorstellung von der
- Lehre der Mormonen hat und sie schtzt; als Religion stát das Mormo-
- nentum vielfach auf Spott und Ablehnung. Doch in Gesellschaft und
- Politik gilt es als ein Sttzpfeiler fr Gefhrdete konservative Werte und
- als Festung von Familie und Patriotismus.
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- Im Church Office Building von Salt Lake City, dem Verwaltungssitz der
- Mormonenkirche, laufen die Fden von Religion und Geschft zusammen.
- ber Macht, Reichtum und Einfluá der Mormonenkirche gibt es nur wenige
- Fakten, doch viel Mutmassungen und Gerchte. Von den Mitgliedern wird
- erwartet, daá sie den Zehnten an die Kirche entrichten, und etwa die Hlfte
- halte sich an die Regel, heiát es. Es wird vermutet, daá die Re-
- ligionsgemeinschaft an Kollektn und Gewinnen aus rund hundert weltlichen
- Unternehmen im Jahr rund fnf Milliarden Dollar einnimmt.
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- In ihren Unternehmungen soll sie 10 000 Menschen beschftigen. "Harper's
- Magazine" zhlte als angebliche Besitztmer vor einigen Jahren auf: Drei
- Versicherungsgesellschaften, 13 Rundfunk- und Fernsehanstalten, Zeitungen,
- Warenhuser, Textilfabriken, ein Dorf auf Hawaii und eine Ranch in Florida,
- Dutzende von Geschftshusern und eine Einkaufspassage in Salt Lake Citv.
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- Die Iichte, elegante Wartehalle im Church Office Building knnte auch
- das Foyer im Verwaltungspalast eines Industriekonzerns sein, wre nicht
- das zwanzig Meter breite Gemlde, das eine ganze Wand ausfllt: Jesus,
- der seine Apostel in alle Welt sendet, damit sie die christliche Lehre
- verbreiten. Das Wandbild hat Symbolcharakter, denn knapp die Hlfte der
- zur Zeit 7,7 Millionen Mitglieder der "Kirche Jesu Christi der Heiligen
- der Letzten Tage" wurde im Ausland angeworben.
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- Im letzten Jahr traten 350 000 Konvertiten in die Mormonenkirche ein - auf
- zehn Kirchenbeitritte kamen nach einer nichtverffentlichten Analyse der
- Kirchenleitung in den 80er Jahren drei Austritte.
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- 45 000 Missionare
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- Die eindrucksvollsten Missionserfolge wurden in lateinamerikanischen
- Lndern erzielt. Gegenwrtig gibt es in aller Welt 45 000 Mormonen-
- missionare, und jeder von ihnen hatte 350 Dolfar fr jeden Mo- nat seiner
- zweijhrigen Arbeit in der Fremde aufzubringen.
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