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Text File | 1991-12-15 | 69.5 KB | 1,298 lines |
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- Dr. Jerry Bergman:
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- "Jehovas Zeugen und Bluttransfusionen"
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- Einer der auffallendsten Glaubensstze der Zeugen Jehovas ist
- ihre strikte Ablehnung von Bluttransfusionen. Wegen dieser
- Ansicht gibt es gegenwrtig eine strkere Opposition gegen sie
- als zu irgendeiner anderen Zeit; davon ausgenommen ist lediglich
- die Zeit des 2. Weltkrieges, als viele Zeugen inhaftiert wurden,
- weil sie es ablehnten, zum Militr zu gehen und die amerikanische
- Flagge zu grssen.
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- In dem Buch Aid to Bible Understanding fasst die Wachtturmgesell-
- schaft ihre gegenwrtige Position zum Essen von Blut zusammen (S.
- 584)(#1#):
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- "Gott verfgte unter Androhung der Todesstrafe, dass sein Volk,
- bevor es das Fleisch eines Tieres ass, sein Blut auf den Boden
- strmen lassen und es mit Staub bedecken musste, vorsichtig
- darauf bedacht, das Blut nicht zu essen (5. Mo. 12:23-25; 3. Mo.
- 7:27). Die leitende Krperschaft der frhen Christenversammlung
- hat dieses Verbot wieder eingesetzt, indem sie das Essen von
- erwrgten oder nicht ausgebluteten Tieren verbot."
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- Das Verbot von Bluttransfusionen ist mehr als nur ein bertriebe-
- ner und unpopulrer Glaube. Gegner werfen den Zeugen vor, dass
- ihre Enthaltsamkeit zu Mord fhren knne. Die Medien beleuchten
- Flle, in denen kleine Kinder in der Gefahr stehen, sterben zu
- mssen, da ihre Eltern die Erlaubnis fr die lebenrettende
- Transfusion verweigern. Es ist nicht bekannt, wieviele Personen
- jhrlich deshalb sterben, weil sie eine bentigte Bluttransfusion
- verweigern. Aber wenn es auch nur eine einzige Person wre,
- sollten mitfhlende Menschen daran interessiert sein, die Glau-
- bensberzeugung hinter einer solchen Tragdie zu verstehen. Es
- ist nicht das Ziel dieser Schrift, die dieses Thema betreffenden
- medizinischen Argumente zu diskutieren. Vielmehr sollen die
- biblischen "Beweise", die die Wachtturmgesellschaft anfhrt, um
- ihren Standpunkt zu verteidigen, untersucht werden. Da es ihrer
- Lehre entspricht, dass das mosaische Gesetz fr Christen heute
- keine Anwendung hat, werden wir uns auf diejenigen Verse konzen-
- trieren, die von der Wachtturmgesellschaft angefhrt werden und
- nicht zum mosaischen Gesetz gehren. In dem Buch Gottes "ewiger
- Vorsatz" jetzt zum Wohl des Menschen glorreich verwirklicht sagt
- die Gesellschaft auf der Seite 158, dass der alte "Gesetzesbund
- verschwunden war. Er war aufgehoben worden, da ihn Gott selbst
- gewissermassen an den Stamm genagelt hatte, an dem Jesus Christus
- am Passahtag als Fluch fr die Nation Israel gehangen hatte."
- brig bleiben 1. Mose 9:4 und Apostelgeschichte 15:20,29, die
- einzigen Verse ausserhalb des mosaischen Gesetzes, welche ange-
- fhrt werden knnten, um Bluttransfusionen zu verurteilen.
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- 1. Mose 9:4
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- Beim aufmerksamen Lesen von 1. Mose 9:4 wird deutlich, dass der
- hebrische Text nicht das Essen von Blut verbietet, wie es der
- Wachtturm lehrt, sondern das Essen von Fleisch, welches Blut
- enthlt. Fast alle bersetzungen von 1. Mose 9:4 (einschliesslich
- der Neuen-Welt-bersetzung) geben diesen Text in hnlichen Worten
- wie die King James Version wieder: "Aber Fleisch mit seinem Leben
- (noch in ihm), welches sein Blut ist, sollst du nicht essen."
- Oder, wie es die Anchor Bible sagt: "Nur Fleisch, welches noch
- sein Lebensblut in sich hat, sollst du nicht essen." Eine Fuss-
- note bersetzt diese Verse wrtlich mit "dessen Blut noch in dem
- Lebewesen ist". Die nach Ansicht einiger derzeit genaueste
- Bibelbersetzung, die New International Version, sagt: "Aber du
- darfst kein Fleisch essen, welches sein Lebensblut noch in sich
- hat."
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- Mit anderen Worten: Das Essen von Blut war nicht ausdrcklicher
- verboten als das Essen von Fleisch. Es wurde vielmehr das Essen
- einer bestimmten Art von Fleisch sowie das Essen einer bestimmten
- Art von Blut verboten. Es war nur Fleisch in Verbindung mit Blut,
- oder Fleisch, das Blut enthlt, verboten. Wenn jemand, ausgehend
- von 1. Mose 9:4, schlussfolgert, dass es falsch ist, Blut zu
- essen, dann muss er ebenfalls schlussfolgern, dass es falsch ist,
- Fleisch zu essen. Das wrde jedoch 1. Mose 9:3 widersprechen, wo
- dem Menschen die Erlaubnis gegeben wird, Fleisch zu essen. Da in
- diesem Text das Wort "Blut" das Wort "Fleisch" einschrnkt, kann
- man diesen Vers nicht verwenden, um zu zeigen, dass das Essen von
- Blut als solches verboten ist.
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- Das hebrische Wort "basar" bedeutet "Fleisch" oder "Kadaver"
- bzw. bezeichnet in weiterem Sinne eine Person. Demnach sagt 1.
- Mose 9:4 noch nicht einmal, dass Fleisch, welches Blut enthlt,
- verboten ist, sondern Fleisch oder "Kadaver", welche Blut enthal-
- ten, sind verboten. Falls der Schreiber sich nur auf das Fleisch
- htte beziehen wollen, dann htte er das hebrische Wort "mazown"
- verwendet, welches normalerweise Nahrung oder Fleisch bedeutet.
- In diesem Vers sind die Worte "Blut" und "Seele" synonym. Die
- Aussage ist, dass man zwar Tierkadaver essen darf, aber nur
- solche, welche ihre Seele oder ihr Leben nicht mehr in sich
- haben.
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- Bruce Waltke schrieb mir 1976 folgendes:
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- "Ich hoffe, dass meine Betrachtung von 1. Mose 9:4 hilft. Tat-
- schlich ist die grammatische Konstruktion ziemlich eindeutig.
- Der hebrische Text sagt wrtlich: "Nur Fleisch mit seinem Leben,
- seinem Blut, darfst du nicht essen.
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- Wie Sie richtig annehmen, ist "Fleisch" auf solches Fleisch
- beschrnkt, welches sein Leben (nephesch) enthlt. Grammatisch
- gesprochen wird das Wort "Fleisch" eingeschrnkt durch den
- adjektivischen Ausdruck "mit seinem Leben".
-
- Das Wort "Leben" ist nun nher bestimmt durch "sein Blut"; d. h.,
- dass die Worte "Blut" und "Leben" gleichgesetzt werden. In diesem
- Fall wird die Einschrnkung oder nhere Bestimmung durch eine
- Apposition angezeigt. Das heisst, "Blut" (dam) ist eine Beifgung
- zu "Leben" (nephesch)."
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- Aus der Betrachtung von 1. Mose 9:4 geht hervor, dass Gott dem
- Menschen zwar die Erlaubnis gegeben hat, Fleisch von Tieren zu
- essen, nur musste das meiste von dem Blut des Tieres ausgelaufen
- sein, um sicherzustellen, dass das Tier tot war, bevor es geges-
- sen wurde. 1. Mose 9:5 wiederholt die Tatsache, dass der Mensch
- keine lebenden Tiere essen durfte, aus Respekt vor dem Leben.
- Aber wenn das Tier tot war, wurde die Heiligkeit des Lebens nicht
- entweiht, da das Tier kein Leben in sich hatte. Tausende von
- Jahren hindurch assen die Menschen Tiere, whrend diese noch am
- Leben waren -- dieser Vers ist also dazu bestimmt, diese Grausam-
- keit zu verhindern(#2#). In heidnischen Kulturen dachte man,
- dass die "Kampeslust" lebendig gegessener Tiere sich auf die es-
- sende Person bertragen wrde. Auch knnten andere Eigenschaften
- des Tieres, wie Strke, Kraft und Weisheit gleichzeitig ber-
- tragen werden, so meinte man.
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- Dieses Verstndnis des Verbotes aus 1. Mose 9:4 war die ganze
- Geschichte hindurch sowohl den Juden, als auch den Christen zu
- eigen. Man beachte die Worte Martin Luthers (Vol. One, The
- Complete Works of Martin Luther):
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- "In diesem Vers nun verbietet der Herr das Essen eines Krpers,
- welcher noch eine funktionierende, wirkende und lebende Seele
- innehat, in der Art, wie ein Falke Kken und ein Wolf Schafe
- verschlingt, welche nicht erst gettet worden sind, sondern
- lebendig sind. Diese grausame Handlung verbietet der Herr in
- diesem Vers und Er schrnkt die Erlaubnis zu tten ein. Es darf
- nicht in der unmenschlichen Art durchgefhrt werden, bei der
- lebende Krper oder Teile lebender Krper verzehrt werden;
- sondern eine gesetzmssige Weise des Ttens muss befolgt werden,
- welche an dem Altar und bei den Opfern stattfand, wo das Tier
- ohne jede Grausamkeit gettet wurde und zu guter Letzt Gott
- dargebracht wurde, nachdem sein Blut sorgfltig weggewaschen
- worden war.
-
- Dies halte ich fr die einfache und wahre Bedeutung, welche auch
- einige jdische Lehrer untersttzen, dass wir nmlich keine
- Stcke von rohem Fleisch und Krperteilen, die noch zucken, essen
- drfen, was die Praxis der Lstrygonen oder der Zyklopen war."
-
-
- Die Absicht von 1. Mose 9:4
-
- Aufgrund der grammatischen Konstruktion im Hebrischen kann
- nichts anderes mit 1. Mose 9:4 gemeint sein, als es auch die
- Neue-Welt-bersetzung sagt: "Nur Fleisch mit seiner Seele -
- seinem Blut - sollt ihr nicht essen."
-
- Wir haben gezeigt, dass 1. Mose 9:4 hchstwahrscheinlich lehrt,
- dass der Mensch kein Blut essen soll, whrend es noch im Fleisch
- ist, weil Gott barmherzigerweise sicherstellen mchte, dass das
- Tier tot ist, bevor es gegessen wird. Mit welcher Absicht hat
- Gott diese Einschrnkung gemacht? Offenbar nicht, um die Gesund-
- heit der Menschen zu schtzen, da nicht gesagt wird, dass es
- ungesund sei, das Fleisch eines Tieres zu essen, whrend es noch
- lebendig ist. Die Erklrung des Wachtturms, dass der Text einen
- Schutz vor knftigen gefhrlichen Transfusionen darstelle, ist
- nicht zulssig, weil - obwohl es Missbruche gegeben hat, deren
- Ergebnisse unerwnschte Nebeneffekte waren - die Medizin im
- grossen und ganzen in der Lage ist, durch vernnftigen Gebrauch
- von Bluttransfusionen die Gesundheit eines Menschen wesentlich zu
- verbessern. Noch einmal: Die Absicht des Gesetzes kann nur sein,
- die Ehrfurcht und den Respekt vor dem Leben von Mensch und Tier
- sicherzustellen, da es von Gott kommt und durch ihn aufrech-
- terhalten wird.
-
- Eine wrtliche Interpretation von 1. Mose 9:4 ist wegen des
- offensichtlichen Symbolismus und der bildlichen Sprache des
- Kontextes nicht mglich. Zum Beispiel sagt 1. Mose 9:5, "Euer
- Blut, das eurer Seelen, werde ich zurckfordern." Fordert Gott
- uns hier wrtlich dazu auf, unser Blut einzupacken und es ihm
- zurckzugeben? Natrlich nicht. Der Text sagt aus, dass Gott uns
- unser Leben unter bestimmten Bedingungen nehmen mag, wobei das
- Wort "Blut" in diesem Zusammenhang synonym mit "Leben" ist.
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- Wenn man nun in 1. Mose 9:4 ebenfalls das Wort "Blut" als gleich-
- bedeutend mit dem Wort "Leben" ansieht, knnte man diesen Vers
- auch wie folgt bersetzen: "Nur Fleisch, welches noch Leben in
- sich hat, darfst du nicht essen." 1. Mose 9:6 definiert "Blut"
- genauso: "Wer Menschenblut vergiesst, dessen eigenes Blut wird
- durch Menschen vergossen werden, ...". Dies bedeutet offenbar
- nicht, dass, wenn jemand bei einem anderen eine Blutung verur-
- sacht, er ebenfalls bluten muss! Es bedeutet vielmehr: Wenn
- jemand einem anderen das Leben nimmt, ist die Bestrafung, die
- Gott fordert, dass der Mrder sein Leben ebenfalls einbssen muss
- -- "derjenige, der einem anderen das Leben nimmt, muss sein
- eigenes Leben lassen." Das "Blutvergiessen" bezieht sich offen-
- sichtlich auf das "Tten", genauso wie das Wort "Blut" in Vers 4
- sich auf das "Leben" des Tieres bezieht.
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- Der Standpunkt der Juden gegenber Bluttransfusionen
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- Sogar die Juden, die noch heute an dem Kanon des hebrischen
- Alten Testaments festhalten, sehen Bluttransfusionen als mit
- ihren strengen jdischen Gesetzen vereinbar an. Sie haben das
- Verbot des Essens von Blut niemals auf Transfusionen angewendet,
- und dies, obwohl einige orthodoxe Juden das mosaische Gesetz in
- schon bertriebener Weise beachten.
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- Gemss der modernen Interpretation der Juden verbietet das jdi-
- sche Gesetz in erster Linie das Essen von Blut derjenigen Tiere,
- die normalerweise fr die Opfer genommen wurden. Aus diesem Grund
- war es niemals Brauch bei den Juden, das Blut von Tieren wie
- Insekten, Fischen und vielen anderen auslaufen zu lassen, obwohl
- sie Blut enthalten. Es gibt kein Gesetz, dass einem Juden ver-
- bietet, das Blut von bestimmten Tieren wie z.B. Fischen usw. zu
- essen, da diese nach dem jdischen Gesetz niemals zu Opferzwecken
- verwendet wurden. Es gibt kein Zeugnis in den Schriften oder in
- der Geschichte, welches anzeigt, dass das Blut oder die Krper-
- bzw. Gewebsflssigkeit von Fischen oder Insekten nicht gegessen
- werden durfte. Sogar die Wachtturmgesellschaft hat niemals
- verboten, das Blut von Insekten, Fischen, Bakterien, Molusken,
- etc., zu essen, obwohl sie lehrt, dass das Verbot von Blut auch
- Vgel betrifft (siehe Hilfe zum Verstndnis der Bibel, S. 1527).
- Auch gebietet die Bibel nirgendwo, das Blut oder die sauerstoff-
- transportierende Substanz von Fischen oder Insekten auslaufen zu
- lassen. In Matthus 3:4 heisst es, dass Johannes der Tufer
- Heuschrecken ass. Kurz gesagt verbot das jdische Gesetz nicht
- das Essen jeglichen Blutes, sondern nur des Blutes bestimmter
- Tiere.
-
- Die Juden selber unterscheiden zwischen dem Gesetz, welches
- ausschliesslich ihnen gegeben wurde, und dem Gesetz des Noah,
- welches sowohl den Heiden (Nichtjuden) als auch den Juden gegeben
- wurde. Es wird das Gesetz des Noah genannt und umfasst all dieje-
- nigen an Noah gerichteten Bestimmungen, die Anwendung auf alle
- Menschen finden. 1. Mose 9:4 wird von den Juden als ein "Verbot,
- ein abgerissenes Krperglied eines lebenden Tieres oder Vogel zu
- essen", interpretiert. Wenn dieses Gesetz, obwohl der Zusammen-
- hang diese Interpretation nicht eindeutig erfordert, nicht nur
- auf die Juden Anwendung finden wrde, wre es Teil des Bundes,
- welcher Noah fr alle Menschen gegeben wurde.
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- Der Wachtturm lehrt, dass sich 1. Mose 9:4 auf ein Verbot des
- Essens von Blut bezieht und auf alle Menschen, Juden und Heiden,
- Anwendung findet. 5. Mose 14:21 sagt jedoch, dass ein Israelit
- den Kadaver eines nicht ausgebluteten Tieres an einen Heiden ver-
- kaufen durfte. Dies scheint der Wachtturm-Interpretation von 1.
- Mose 9:4 zu widersprechen. Sowohl die Schrift als auch die
- jdische Geschichte zeigen, dass es fr einen Heiden nicht ver-
- kehrt war, Blut zu essen, welches sich in einem erwrgten Tier
- befindet (siehe 5. Mose 14:21), dass es aber fr einen Juden
- falsch war, dies zu tun. Demnach kann sich aber 1. Mose 9:4 nicht
- auf das Essen von Blut beziehen, sondern nur auf das Essen
- lebendiger Tiere. Der Wachtturm vom 15.Januar 1965, S. 43, sagt
- in bereinstimmung mit der Interpretation, dass ein Heide Blut
- essen darf, dass es dem Gewissen eines Arztes, der ein Zeuge ist,
- berlassen sei, zu entscheiden, ob er einem Nichtzeugen eine
- Bluttransfusion verabreichen drfe. Die Wachtturmgesellschaft hat
- immer gelehrt, dass die Israeliten Tierkadaver an Nichtjuden
- verkaufen durften, auch wenn diese nicht richtig ausgeblutet
- waren, mit der Begrndung, dass die Einschrnkung bezglich des
- Essens von Blut den Israeliten auferlegt war, und von anderen
- Nationen nicht verlangt wurde, dieser nachzukommen.
-
- Wenn 1. Mose 9:4 das Essen von Blut verbietet, kann das also
- nicht fr Heiden bindend sein. Da es sich hierbei aber wohl um
- ein Gesetz handelt, welches sich sowohl an Juden als auch an
- Nichtjuden richtete, muss die Aussage des Textes sein, dass Gott
- verhindern mchte, dass Juden oder Nichtjuden Tiere essen, die
- noch am Leben sind, weil er das Leben als heilig ansieht. Es kann
- sich nicht auf das Essen von Blut schlechthin oder auf Bluttrans-
- fusionen beziehen.
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- Der Wachtturm wendet 1. Mose 9:4 nur auf Glubige, nicht auf
- Nichtglubige an, wegen 5. Mose 14:21
-
- Die Wachtturmgesellschaft wurde direkt befragt, wie ihre Inter-
- pretation von 1. Mose 9:4 mit 5. Mose 14:21 in bereinstimmung zu
- bringen sei. Diese Frage wurde abgedruckt im Wachtturm vom 1.
- November 1950, S. 335, und lautet wie folgt:
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- "Warum gestattete das mosaische Gesetz den Israeliten, dem
- Fremdling etwas zu geben, das verendet war, auch wenn sie es
- selbst nicht essen durften?
-
- ... Eine Ungerechtigkeit war nicht damit verbunden; es war
- einfach eine Einschrnkung, die den Israeliten auferlegt war und
- die andere Nationen damals nicht beobachteten. Der Grund, weshalb
- die Israeliten die Sache anders als andere Nationen ansehen
- mussten, wird in den Worten gezeigt: "Denn ein heiliges Volk bist
- du Jehova, deinem Gott.""
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- Wie wir schon gesehen haben, ist das Gesetz aus 1. Mose 9:4 ein
- universelles Gesetz, welches sich auf jeden bezieht, ob Jude oder
- Nichtjude. Die Interpretation des Wachtturms ist also nicht
- vereinbar mit seiner eigenen Aussage, 1. Mose 9:4 sei Bestandteil
- des Gesetzes Noahs. Der Wachtturm vom 1. November 1951 fgt
- hinzu:
-
- "Jehovas Zeugen bekmpfen nicht die Verwendung von Transfusionen
- bei Menschen, sondern lassen jedem das Recht, fr sich zu ent-
- scheiden, was er seinem Gewissen gemss tun kann. Die Israeliten
- fhlten sich an Gottes Gesetz gebunden, das ihnen das Essen von
- Fleisch mit geronnenem Blut darin verbot, erhoben aber keinerlei
- Einspruch, wenn Personen ausserhalb der Organisation Gottes es
- taten, ja lieferten den Fremden unausgeblutetes Aas, da diese
- sowieso regelmssig solches assen."
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- Diese Ansicht wurde im Wachtturm vom 15. August 1957, S. 511,
- weiterdiskutiert:
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- "Dennoch sah Jehova als der hchste Gesetzgeber die Israeliten
- als Klasse fr sich an, und so auferlegte er ihnen gewisse
- Einschrnkungen, die nur ihnen galten, und liess sie entsprechen-
- de Vorteile haben, die er anderen nicht zukommen liess. So wurde
- ihnen nicht gestattet, das zu essen, was von selbst verendet war;
- "denn ein heiliges Volk bist du Jehova, deinem Gott"."
-
- In derselben Ausgabe des Wachtturm wurde die folgende Frage
- gestellt:
-
- "Wie ist es wohl zu erklren, dass der vorbergehend Ansssige
- wohl vielen Gesetzen und Vorschriften Jehovas in gleicher Weise
- wie die Israeliten gehorchen musste, jedoch irgendein "Aas" essen
- konnte, whrend die Israeliten dies nicht tun durften, ferner
- dass "Aas" einem Fremden verkauft werden durfte, wie es in 5.
- Mose 14:21 erwhnt wird? Wenn es fr die Israeliten unrein war,
- weshalb nicht auch fr den Fremden?"
-
- Die Wachtturmgesellschaft antwortete, dass das Verbot von Blut,
- oder zumindest des Essens von Blut, welches in Tieren vorhanden
- war, die eingegangen waren, bzw. in Tieren, die nicht richtig
- ausgeblutet waren, nur Bestandteil des Gesetzes der Israeliten
- (mosaisches Gesetz) war und nicht des Gesetzes, welches "den
- anderen" (Nichtisraeliten) gegeben worden war. Der Text aus 5.
- Mose 14:21 ist entscheidend fr unsere Betrachtung, da er die
- Wachtturm-Interpretation von 1. Mose 9:4 widerlegt. Wie erwhnt,
- erkennt die Gesellschaft aufgrund 5. Mose 14:21 an, dass ein Jude
- einem Nichtjuden nicht richtig ausgeblutetes Fleisch verkaufen
- durfte. Davon leitet sie dann ab, dass ein Zeuge einem Nicht-
- zeugen Blut geben darf. Im Wachtturm vom 15. Januar 1965, S.
- 40-43, wird 5. Mose 14:21 zitiert und dann gesagt:
-
- "Wenn also ein Christ, der in einem Geschft arbeitet, das
- Blutwurst oder andere bluthaltige Artikel fhrt, weltlichen
- Kunden, die solche Waren kaufen mchten, diese verkauft, so ist
- das seine Sache. Ein anderer Christ arbeitet vielleicht in einer
- Drogerie und verkauft Weltmenschen Prparate, die Blutbestand-
- teile enthalten, oder er streut vielleicht auf Wunsch seines
- weltlichen Arbeitgebers bluthaltige Dngemittel. ... Ein Christ
- darf einen anderen Christen in dieser Beziehung ebensowenig
- kritisieren, wie ein Israelit einen anderen Israeliten kritisie-
- ren durfte, wenn dieser einem Auslnder ein verendetes, nicht
- richtig ausgeblutetes Tier verkaufte. ... Manche rzte, die
- Zeugen Jehovas sind, haben bei weltlichen Patienten auf deren
- Wunsch schon Blutbertragungen vorgenommen. Bei einem Gott
- hingegebenen Zeugen Jehovas wrden sie das jedoch nicht tun. Nach
- 5. Mose 14:21 bleibt es dem Gewissen des christlichen Arztes
- berlassen, ob er bei einem weltlichen Patienten eine Blutber-
- tragung vornehmen mchte oder nicht. Er befindet sich in einer
- hnlichen Lage wie ein christlicher Fleischer oder Lebensmit-
- telhndler, der sich entscheiden muss, ob er es mit seinem Gewis-
- sen vereinbaren kann, weltlichen Kunden Blutwurst zu verkaufen."
-
- Das Hilfe-Buch fgt hinzu: "Bei dem als Fremdling Ansssigen, dem
- der Krper eines eingegangenen Tieres gegeben werden konnte,
- handelte es sich offensichtlich um jemanden, der kein vollwerti-
- ger Anbeter Jehovas geworden war (5. Mo. 14:21)." (Seite 425,
- Stichwort: "Fremdling"). Auf der Seite 593 (engl. Ausgabe!,
- Stichwort: "Foreigner") wird hinzugefgt: "In wirtschaftlichen
- Angelegenheiten war es legal, ein verendetes Tier, welches nicht
- ausgeblutet war, an einen Auslnder zu verkaufen (5. Mo. 14:21)."
- Auf der Seite 517 (Stichwort: "Gesetz") wird bemerkt: "Ein
- verendetes Tier durfte einem unbeschnittenen ansssigen Fremdling
- oder einem Auslnder gegeben werden, da ein solcher kein Anbeter
- Jehovas war; sein Gewissen wurde daher nicht verletzt, wenn er
- davon ass." Zusammengefasst kann man sagen, dass die Wachtturmge-
- sellschaft den Text aus 5. Mose 14:21 konsequent wie folgt
- interpretiert: Das Verbot Blut zu essen findet keine Anwendung
- auf Nichtjuden.
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- Die Seele und das Blut: Inwiefern das Leben im Blut ist
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- Die Gesellschaft vertritt keine klare Aussage, inwiefern die
- Seele "im" Blut ist (1. Mose 9:4). Auf der Seite 1341 wird im
- Hilfe-Buch gesagt (Stichwort: "Seele"):
-
- Die Bibel spricht "...davon, dass die nphesch ("Seele") "im
- Blut" ist (1. Mo. 9:4; 3. Mo. 17:11,14; 5. Mo. 12:23). Dies ist
- offensichtlich nicht buchstblich zu verstehen, da die Bibel auch
- vom "Blut ... eurer Seelen" spricht (1. Mo. 9:5; vgl. Jeremia
- 2:34) und die vielen bereits besprochenen Punkte logischerweise
- nicht ausschliesslich auf das Blut oder seine lebenerhaltenden
- Eigenschaften angewendet werden knnen."
-
- Die hauptschliche Funktion des Blutes ist, Nahrung zu den Zellen
- des Krpers zu transportieren und Abfallprodukte von ihnen
- wegzunehmen, die durch den Stoffwechsel der Zellen entstehen.
- Alle 23 Sekunden bringen ungefhr 5,7 Liter Blut Nhrstoffe und
- Sauerstoff zu jeder Zelle des menschlichen Krpers und trans-
- portieren die Abfallprodukte jeder einzelnen Zelle hinweg. Wenn
- eine Zelle lnger als eine Minute kein Blut bekommt, stirbt sie
- ab. Die hufigste Todesursache bei Mensch und Tier ist das Ab-
- schneiden einer bestimmten Anzahl von Krperzellen (insbesondere
- lebenswichtiger Zellen, wie Gehirnzellen) vom Blutkreislauf ber
- eine bestimmte Zeitspanne.
-
- Knnte sich 1. Mose 9:4, wo gesagt wird, dass das "Leben in dem
- Blut ist", auf die lebenerhaltenden Eigenschaften des Blutes
- (Transport von Nhrstoffen und Sauerstoff) beziehen? Man beachte,
- dass nicht gesagt wird, dass das Blut das Leben ist, sondern dass
- das Leben im Blut ist. Tatschlich machen Nahrung und Sauerstoff
- das Leben einer Person aus (siehe den Ausdruck in 1. Mose 2:7:
- "Odem des Lebens"), und diese sind im Blut. Daher ist nicht das
- Blut das "Leben", sondern Nhrstoffe und Sauerstoff. Dieser
- Gedanke ist in bereinstimmung mit dem jdischen Glauben, dass
- das Verbot aus 1. Mose 9:4 gegeben wurde, um sicherzustel-
- len, dass jemand, der Fleisch isst, nicht ein lebendiges Tier
- isst. Die Bedingung, das Blut auslaufen zu lassen, garantiert,
- dass das Tier tot ist.
-
- Das Tier ausbluten zu lassen, war nahezu die einzige erlaubte
- Mglichkeit fr die Israeliten, ein Tier zu tten. Die meisten
- Arten des Schlachtens verursachten entweder innere Blutungen oder
- stoppten bzw. verlangsamten die Blutzirkulation, was eine Gehirn-
- schdigung hervorrief. Asphyxie (= drohende Erstickung infolge
- Lhmung des Atemzentrums) beispielsweise, eine bliche Ttungs-
- methode, macht das Blut nutzlos, da es den Transport von Nhr-
- stoffen zu den Krperzellen beeintrchtigt. Das Blut zirkuliert,
- aber es ist kein Sauerstoff im Blut, um die Zellen am Leben zu
- erhalten.
-
- Das Blutverbot unter dem mosaischen Gesetz - wie strikt?
-
- Jehovas Zeugen glauben, dass es falsch ist, jemandem das Leben zu
- nehmen, und auch, dass es falsch ist, einer Bluttransfusion
- zuzustimmen. Man verlangt von ihnen, in einer Situation, in der
- die Ablehnung einer Transfusion den Verlust des Lebens bedeutet,
- das Verbot von Bluttransfusionen sogar ber das Gesetz bezglich
- der Heiligkeit des Lebens zu stellen.
-
- In der Broschre Jehovas Zeugen und die Blutfrage (1977, Wacht-
- turm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, Seiten 22-25) fasst die
- Organisation ihre Position zusammen:
-
- "Verstndlicherweise sind einige Personen schockiert darber,
- dass jemand Blut verweigert, wenn dies doch gefhrlich sein oder
- sogar tdliche Folgen haben kann. Viele sind der Ansicht, das
- Leben sei das Wichtigste; es msse um jeden Preis bewahrt werden.
- Es stimmt: Die Bewahrung des Lebens ist eine der wichtigsten Auf-
- gaben der Gesellschaft. Doch sollte das bedeuten, dass die
- "Bewahrung des Lebens" hher steht als alle anderen Grundstze?"
-
- Danach zitiert die Wachtturmgesellschaft Norman Canto, Juristi-
- sche Fakultt der Rutgers-Universitt (New Jersey), der sagte:
-
- "Die Menschenwrde wird dadurch erhht, dass man den einzelnen
- fr sich entscheiden lsst, fr welche berzeugungen es sich
- lohnt zu sterben. Im Laufe der Jahrhunderte ist so manche edle
- Sache, sowohl auf religisem als auch auf weltlichem Gebiet,
- eines Selbstopfers fr wert erachtet worden. Gewiss halten die
- meisten Regierungen und Gesellschaften, einschliesslich unserer
- eigenen, die Heiligkeit des Lebens nicht fr den hchsten Wert."
-
- Dann schlussfolgert die Gesellschaft:
-
- "Ist es daher nicht offensichtlich, dass Jehovas Zeugen und die
- ersten Christen nicht als einzige bereit gewesen sind, um gewis-
- ser Ideale willen Gefahren auf sich zu nehmen? Tatsache ist, dass
- eine solche Grundsatztreue von vielen Personen hochgeachtet
- wird."
-
- Da der Wachtturm impliziert, dass das "gttliche Verbot" von
- Bluttransfusionen bindender ist als das Gesetz der Heiligkeit des
- Lebens, verhalten sich die meisten Zeugen in einer Weise, die den
- Verlust des Lebens bedeuten kann. Die Zeugen werden argumentie-
- ren, dass sie nicht des Selbstmordes oder (im Falle von Eltern,
- die eine Bluttransfusion fr ihre Kinder ablehnen) des Mordes
- beschuldigt werden knnen, da der Verlust des Lebens lediglich
- die Folge des Gehorsams gegenber dem gttlichen Blutverbot ist.
- Doch viele Personen in den westlichen Lndern sehen dies als
- unvernnftig und sehr wohl gleichbedeutend mit Selbstmord oder
- Mord bzw. Totschlag an.
-
- Die Wachtturmgesellschaft versucht ihren Standpunkt mit 1.
- Chronika 11:17-19 zu verteidigen. In diesen Versen wird davon
- berichtet, dass drei von Davids Mnnern ihr Leben riskierten, um
- David einen Trunk aus der Zisterne von Bethlehem zu bringen.
- David lehnte diesen Trunk ab, indem er erklrte: "Es ist im
- Hinblick auf meinen Gott fr mich undenkbar, dies zu tun! Sollte
- ich das Blut dieser Mnner trinken, die ihre Seele eingesetzt
- haben? Denn unter Einsatz ihrer Seele haben sie es gebracht. Und
- er wollte es nicht trinken." Das Argument der Wachtturmgesell-
- schaft ist, dass das Leben der Menschen fr David weniger wichtig
- war als sein Gehorsam gegenber dem Verbot, Blut zu essen.
-
- Freilich ist diese Interpretation unter Bercksichtigung des
- Kontextes nicht einleuchtend. David demonstrierte lediglich das
- Prinzip, dass das Leben - in diesem Fall das Leben seiner Freunde
- und Soldaten - fr ihn wichtiger war als sein eigenes Wohlbefin-
- den. David zeigte aufrichtig, dass er diese Art von Opfer (das
- Riskieren des Lebens) nicht wollte. Der Bericht bezieht sich
- nicht auf das Essen von Blut oder auf Bluttransfusionen.
-
- Strafen des Judentums fr das Essen von Blut
-
- Dass die Behauptung, das Verbot des Blutessens sei wichtiger
- gewesen als das Verbot zu tten, unrichtig ist, erkennt man, wenn
- man die Texte des Alten Testaments untersucht, die sich auf beide
- Gesetze beziehen. Die Israeliten sahen das Essen von Blut nicht
- als eine schwerwiegende Snde an, ausser in Verbindung mit
- Tieren, die fr Opferzwecke bestimmt waren. In 1. Samuel 14:31
- ff. wird beschrieben, dass die Israeliten nichtausgeblutetes
- Fleisch einfach deshalb assen, weil sie mde waren. Obwohl Saul
- dies auch als falsch ansah, wird in der Schrift nicht berichtet,
- dass diejenigen, die dieses Fleisch gegessen hatten, in irgend-
- einer Weise bestraft worden seien. Es ist schwierig, den Stand-
- punkt des Wachtturms in Bezug auf Blut zu verstehen, da er sogar
- noch schrfer ist als der des strengen jdischen Gesetzes. Im
- mosaischen Gesetz bestand die Strafe fr die Verletzung des
- Blutverbotes einfach darin, sich zu baden und dann bis zur Nacht
- zu warten, wodurch man wieder "rein" war. In 3. Mose 17:15 wird
- diese Strafe aufgefhrt: "Was irgendeine Seele betrifft, ob
- Einheimischer oder ansssiger Fremdling, der einen (bereits)
- toten Krper oder etwas von einem wilden Tier Zerissenes isst, er
- soll in diesem Fall seine Kleider waschen und sich im Wasser
- baden und unrein sein bis zum Abend; und er soll rein sein."
-
- Falls das Essen von Blut ein schwerwiegender und nicht zu ver-
- gebender Fehler ist (welcher immerwhrende Abschneidung nach sich
- zieht), wie es die Wachtturmgesellschaft behauptet, warum war
- dann die Bestrafung von Juden, die Blut assen, wenn dies nicht in
- Verbindung mit Opfern geschah, so geringfgig? Wenn die Bestra-
- fung selbst unter dem jdischen Gesetz so geringfgig war, wie
- kann dann der Wachtturm eine solch harte Strafe rechtfertigen,
- wenn doch den Glubigen gleichzeitig gesagt wird, sie seien
- befreit von dem Gesetz? Das Argument des Wachtturms, dass sich 3.
- Mose 17:15 nur auf einen Menschen bezieht, der versehentlich Blut
- isst, wird durch den Kontext nicht untersttzt. Nichts in dem
- Kontext unterscheidet zwischen jemand, der das Gesetz versehent-
- lich bricht und jemand, der vorstzlich dagegen verstsst. Der
- Vers sagt aus, dass die Bestrafung jeden betrifft, der dieses
- Gesetz bricht.
-
- Die Wachtturmgesellschaft bezieht sich bei keiner ihrer Betrach-
- tungen von 3. Mose auf das Blutverbot. Dieser Text wird erwhnt
- im Hilfe-Buch auf den Seiten 525, 1229 und 1341. Doch in keiner
- dieser Bezugnahmen wird versucht, das obige Argument zu erklren.
- Die einzigen anderen Erwhnungen von 3. Mose 17:15 sind auf der
- Seite 142 des Buches Dinge, in denen es unmglich ist, dass Gott
- lgt, dem Wachtturm vom 15.Januar 1965 auf der Seite 41 und im
- Anhang der Grossdruckbibel (engl. Ausgabe; 1963, S. 3555), sowie
- in der deutschen Bibelausgabe von 1971, S. 1574. In keiner dieser
- Bezugnahmen werden die Folgen dieses Textes fr das Blutverbot
- erklrt. In den meisten Fllen wird der Vers angefhrt, weil
- daran gezeigt werden kann, wie im Hebrischen das Wort "nephesch"
- gebraucht wurde.
-
- Sogar unter dem mosaischen Gesetz war es einem Juden unter
- bestimmten Umstnden erlaubt, religise Verordnungen zu ver-
- letzen, ausgenommen die folgenden drei: die Verbote von Mord,
- Gotteslsterung und Inzest. Selbst wenn Bluttransfusionen als
- Essen von Blut interpretiert werden knnten, wrde das strenge
- jdische Gesetz daher Transfusionen zur Rettung von Leben erlau-
- ben. Ethisch gesehen war den Juden das Retten von Leben wichtiger
- als der Gehorsam gegenber dem Blutverbot.
-
- Mit dem Verbot von Bluttransfusionen hat die Wachtturmgesell-
- schaft viele Zeugen in ethische und moralische Probleme gestrzt.
- Zum Beispiel: Was soll man in einem Fall tun, in dem man sich
- entscheiden muss, entweder ein oder zwei "Gesetze" zu brechen?
- Die folgende Situationsbeschreibung soll das Problem illustrie-
- ren. Bei einer Zeugin wurde Krebs diagnostiziert. Die Behandlung
- der Krankheit erforderte umfassende chirurgische Eingriffe: eine
- Ileostomie, eine Kolostomie und eine Hysterektomie. Nachdem die
- Patientin viele Doktoren, die Zeugen sind, konsultiert hatte, war
- deutlich geworden, dass diese Eingriffe ohne Transfusionen un-
- mglich sind. Nun sah sie sich der Entscheidung gegenberge-
- stellt, entweder das Blut und damit die Erhaltung des Lebens zu
- akzeptieren (ihre Chancen, falls sie die Operation berleben
- wrde, wieder zu gesunden, waren sehr hoch, wie ihr sowohl
- Doktoren, die Zeugen waren, als auch solche, die keine Zeugen
- waren, sagten) oder das Blut abzulehnen und sicher zu sterben.
- Sie war seit einiger Zeit schon in Behandlung bei einem Psycholo-
- gen, da sie selbstmordgefhrdet war und nur geringen Lebenswillen
- hatte. Sie sah den Tod durch Krebs als einen Weg an, sich ihre
- Todeswnsche zu erfllen. Die ltesten erklrten ihr jedoch, dass
- sie, falls sie die Transfusion ablehnen wrde, um ihren eigenen
- Tod zu bewirken (mit anderen Worten: Selbstmord begehen wrde),
- nur geringe Chancen htte, aufzuerstehen. Um Gottes Zorn zu
- vermeiden, entschied sie sich dann fr das Leben. Aber um leben
- zu knnen, musste sie eine Bluttransfusion haben, was nach der
- Lehre der Wachtturmgesellschaft ebenfalls ein Grund ist, fr ewig
- vernichtet zu werden. Sie befand sich in einem Konflikt.
- Schliesslich akzeptierte sie eine "Eigenbluttransfusion", eine
- Transfusionsart, von der die ltesten ihrer Versammlung nicht
- wussten, dass sie ebenfalls von der Wachtturmgesellschaft ver-
- boten war. Diejenigen, die von diesem Verbot wussten, schwiegen,
- weil sie mit ihr fhlten.
-
- Fr die Juden konnte es die Verdammnis bedeuten, wenn sie am
- Passahfest Sauerteig assen. Das Essen von Blut war nach dem
- jdischen Gesetz ein Vergehen, aber es wurde nicht als so schwer-
- wiegend angesehen, dass es mit ewiger Verdammnis geahndet wrde.
-
- Blut als Nahrung
-
- Die Wachtturmgesellschaft verbietet in erster Linie Blut als
- Nahrungsmittel. Der Wachtturm vom 15. November 1958 sagt auf der
- Seite 703: "Jedes Mal, da in der Schrift ein Verbot gegen den
- Blutgenuss erwhnt wird, geschieht es in Verbindung mit dem
- Genuss des Blutes als Speise, und somit interessieren wir uns fr
- dessen Verbot als Nhrstoff." (Siehe auch Wachtturm vom 1.
- September 1974, S. 541, 542).
-
- Blut, welches fr eine Transfusion benutzt wird, wird gewhnlich
- aus den Venen des Spenders genommen und enthlt daher sehr wenig
- Sauerstoff oder Nhrstoffe. Anstelle dessen enthlt es in erster
- Linie Abfallprodukte wie Kohlendioxid, Harnstoff etc. Durch eine
- normale Bluttransfusion werden dem Empfnger nur sehr wenige
- Nhrstoffe bertragen, da dies nicht ihr Zweck ist. Vielmehr ist
- der Sinn einer Transfusion, fehlende Flssigkeit und sauerstoff-
- transportierende Bestandteile zu ersetzen, so dass das krper-
- eigene System den Krperzellen durch die transfundierten Flssig-
- keiten weiterhin Nhrstoffe und Sauerstoff zufhren kann. Daher
- ist das Wachtturm-Argument gegen Bluttransfusionen als "Essen von
- Blut", also Nahrungsaufnahme, nicht passend.
-
- Die Wachtturmgesellschaft berlsst die Frage der Injektion
- bestimmter Blutbestandteile dem Gewissen jedes einzelnen Zeugen.
- Wenn dies zulssig ist, knnte man dann nicht die wesentlichen
- Blutflssigkeiten und -bestandteile separat in den Krper trans-
- fundieren? Wann ist Blut "kein Blut zu Nahrungszweken"? Da Blut
- in der Hauptsache aus Wasser besteht, ist Wasser dann die Sub-
- stanz, die wir Blut nennen? Falls die weissen und roten Zellen
- das Blut sind, wie knnen sie dann mit Billigung der Wachtturmge-
- sellschaft injiziert werden? Falls es - wie offiziell gelehrt
- wird - dem eigenen Gewissen berlassen ist, ob man sich Antikr-
- per und andere Blutderivate injizieren lsst, um Krankheiten zu
- bekmpfen (Wachtturm, 15. Januar 1962, S. 63), wie kann es dann
- verkehrt sein, sich rote Blutbestandteile injizieren zu lassen,
- um Sauerstoff zu den Krperzellen zu transportieren? Wre es
- richtig, alle wesentlichen Bestandteile des Blutes zu trennen und
- diese dann gleichzeitig dem Krper zuzufhren? Falls dies erlaubt
- ist, ist dann der ganze Prozess nicht lediglich ein bedeutungs-
- loses Ritual? Wenn nmlich die Bestandteile des Blutes dem Krper
- separat transfundiert werden, erhlt er dennoch richtiges Blut,
- da sie im Krper des Empfngers zusammengefhrt werden.
-
- Apostelgeschichte 15:20, 29
-
- Die einzige andere Schriftstelle, die die Wachtturmgesellschaft
- legitimerweise anfhren kann, um ihren Standpunkt zu verteidigen
- (da sie erklrt, dass Christen nicht dem mosaischen Gesetz unter-
- liegen), ist Apostelgeschichte 15:20, 29. Dieser Text, der die
- Christen auffordert, sich "frei" von Blut zu halten(#3#),
- fordert ebenfalls dazu auf, sich "von Dingen zu enthalten, die
- Gtzen geopfert wurden." Die Wachtturmgesellschaft argumentiert,
- dass diese Verse ein Rechtsspruch fr alle Christen sind, damit
- sie u.a. nicht Blut in irgendeiner Form zu sich nhmen, auch
- nicht durch eine Bluttransfusion. Jedoch erkannte sogar Paulus
- an, dass es Ausnahmen fr diese Verordnungen gab (siehe zum
- Beispiel 1. Korinther 8:4,7,8). In 1. Korinther 10:25-30 erklrt
- er, dass es nicht wichtig ist, woher das Fleisch, welches man zu
- Nahrungszwecken verwendet, kommt, sondern ob das Essen von
- Fleisch jemand anderen verletzen wrde:
-
- "Alles, was auf dem Fleischmarkt verkauft wird, esst weiterhin,
- ohne um eures Gewissens willen nachzuforschen; denn Jehova gehrt
- die Erde und das, was sie erfllt. Wenn euch jemand von den
- Unglubigen einldt und ihr hingehen mchtet, dann esst alles,
- was euch vorgesetzt wird, ohne um eures Gewissens willen nachzu-
- forschen. Wenn aber jemand zu euch sagen sollte: "Dies ist etwas,
- was als Opfer dargebracht worden ist", so esst nicht um dess-
- entwillen, der es enthllt hat, und um des Gewissens willen.
- "Gewissen", sage ich (und meine) nicht dein eigenes, sondern das
- des anderen. Denn warum sollte meine Freiheit von dem Gewissen
- eines anderen gerichtet werden? Wenn ich mit Danksagung teilhabe,
- warum soll bezglich dessen, wofr ich Dank sage, ber mich
- lsterlich geredet werden?"
-
- Hier erklrt Paulus den Zweck der Verordnungen aus Apostelge-
- schichte 15. Diese Dinge wurden nicht wegen des Alten Testaments
- oder aus religisen Grnden verboten, sondern um zu demonstrie-
- ren, dass sich die Christen von Gtzendienst fernhielten. Alle
- Verbote aus Apostelgeschichte 15 betreffen offensichtlich gtzen-
- dienerische Praktiken der Heiden. Diese boten die Dienste von
- Prostituierten in den heidnischen Tempeln an, verwendeten das
- Blut von Tieren bei bestimmten Ritualen, und selbst das Erwrgen
- war ein religiser Ritus. Deshalb gebot das Konzil Enthaltsamkeit
- "von Dingen ..., die Gtzen geopfert wurden, sowie von Blut und
- von Erwrgtem und von Hurerei" (Apostelgeschichte 15:29). An
- solchen Aktivitten teilzuhaben, htte bedeutet, sich des Gtzen-
- dienstes schuldig zu machen.
-
- In der Zeitschrift Erwachet! vom 22. Juni 1976, S. 27, wird
- deutlich, dass die Wachtturmgesellschaft glaubt, die Verse aus
- Apostelgeschichte 15 seien dem mosaischen Gesetz zuzuordnen. Wir
- haben schon erwhnt, dass die Gesellschaft bekrftigt, das mosai-
- sche Gesetz sei nicht fr die Zeugen bindend. Demnach ist es aber
- ein Widerspruch, zu sagen, dass Apostelgeschichte 15 fr Zeugen
- bindend ist. Im Erwachet! wird erklrt: "Aber die grundlegende
- Frage war, ob nichtjdische Bekehrte das ganze "Gesetz Mose"
- halten mssten." Der Ausdruck "Mose" wird von den Schreibern des
- Neuen Testaments gebraucht, um das mosaische Gesetz zu bezeich-
- nen. Dies scheint auch in Apostelgeschichte 15:20, 29 der Fall zu
- sein. Ein weiteres deutliches Beispiel dafr findet sich in
- Apostelgeschichte 21:21.
-
- Blut zu Nahrungszwecken nicht verboten
-
- Die frhen Christen verboten das Essen keiner Nahrung. Jesus
- sagte: "Nicht was in (seinen) Mund hineingeht, verunreinigt einen
- Menschen; sondern was aus (seinem) Mund herauskommt, das ver-
- unreinigt einen Menschen" (Matthus 15:11). Jesus fgte in den
- Versen 17 und 18 hinzu:
-
- "Merkt ihr nicht, dass alles, was in den Mund hineingeht, in die
- Eingeweide wandert und in den Abort ausgeschieden wird? Was
- dagegen aus dem Mund herauskommt, kommt aus dem Herzen, und
- dieses verunreinigt einen Menschen."
-
- Jesus sorgte sich also nicht um die Ernhrung eines Menschen,
- sondern um dessen Herzenseinstellung. Paulus bezog sich ausfhr-
- lich auf dieses Problem in Rmer 14. Nachdem er gesagt hatte,
- dass es falsch fr einen Christen sei, in Hurerei, Streit und
- Eifersucht zu wandeln, wandte er sich denjenigen Dingen zu, die
- nicht an sich falsch sind, sondern die vom Gewissen jedes einzel-
- nen Glubigen abhngen:
-
- "Der eine hat den Glauben, alles essen zu knnen, der Schwache
- aber isst vegetarische Kost. Der Essende blicke nicht auf den
- Nichtessenden herab, und der Nichtessende richte den nicht, der
- isst, denn Gott hat diesen willkommen geheissen. Wer bist du, das
- du den Hausknecht eines anderen richtest? ... Warum aber richtest
- du deinen Bruder? Oder warum blickst du auch auf deinen Bruder
- hinab? Denn wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen;
- ... Darum lasst uns nicht mehr einander richten, sondern vielmehr
- sei dies eure Entscheidung: ... dass nichts an sich verunreinigt
- ist; ... Denn das Knigreich Gottes bedeutet nicht Essen und
- Trinken, sondern (bedeutet) Gerechtigkeit und Frieden und Freude
- mit heiligem Geist. ... Hrt auf, das Werk Gottes bloss der
- Speise wegen niederzureissen. Allerdings sind alle Dinge rein."
- (Rm. 14).
-
- Da also sowohl Paulus als auch Jesus erklrten, dass alle Nahrung
- rein sei, scheint es damit unvereinbar, das "Essen" von Blut zu
- verbieten.
-
- Jemand mag die Ansicht vertreten, in dem Begriff "Nahrungsmit-
- tel", den Jesus und Paulus benutzten, sei Blut nicht enthalten,
- und dass das alttestamentliche Verbot, Blut zu essen, davon nicht
- betroffen sei. In den betreffenden Versen wird Blut jedoch nicht
- ausgeschlossen, obwohl es doch zu der blichen Nahrung von
- Nomadenvlkern gehrte. Tannahill (Food in History), die mehr als
- zehn Jahre lang die Essgewohnheiten der Erdbevlkerung studierte,
- erluterte: "Eines der charakteristischsten Nahrungsmittel von
- Nomaden (und semitische Vlker waren unbestreitbar Nomaden, schon
- seit ihrer frhen Geschichte) war ... Blut." Der Vorteil bei der
- Verwendung von Blut als Nahrungsmittel war fr viele nicht-
- sesshafte Vlker, "dass es keinen speziellen Transport, Zuberei-
- tung oder Kochen erforderlich machte. Es war oft schwierig fr
- die Menschen der Steppe, Feuer zu machen, entweder weil das
- Brennmaterial rar war, oder weil die Flammen der Kochstellen
- viele Meilen weit gesehen werden konnten." Sie sagt weiter, dass
- "das Trinken von Blut in der einen oder anderen Form bei Hirten-
- gemeinschaften die ganze dokumentierte Geschichte hindurch blich
- gewesen zu sein scheint."
-
- Gibt es in den Schriften eine spezielle Billigung von Bluttrans-
- fusionen?
-
- Einige Zeugen haben argumentiert, dass man keine Bluttransfusio-
- nen akzeptieren sollte, da die Bibel - obwohl sie Transfusionen
- nicht verurteile - sie nicht billige. Eine kurze Untersuchung der
- Bibel und der Schriftstellen, die sich auf Blut beziehen, best-
- tigt, dass in ihr weder ein Verbot noch eine Billigung von
- Transfusionen zu finden ist. Heisst das, dass wir alle Dinge
- vermeiden sollten, die nicht ausdrcklich in der Bibel gebilligt
- werden? Es gibt in der Bibel keine direkte Billigung von Automo-
- bilen, Radios, Druckerpressen, Elektrizitt, Telefonen und den
- meisten anderen modernen Neuerungen. Sogar Zeugen Jehovas benut-
- zen diese Hilfsmittel des modernen Lebens fr gewhnlich, wenn
- nicht tglich.
-
- Die Geschichte des Verbotes von Bluttransfusionen bei den Zeugen
- Jehovas
-
- In den frhen Jahren der Wachtturmgesellschaft glaubte man, das
- Verbot des Essens von Blut finde nur auf die Juden und ersten
- Christen Anwendung, um eine Beleidigung der Judenchristen zu
- vermeiden (siehe Zion's Wachtower vom 15. November 1892, S. 351).
- Dies blieb die Einstellung der Wachtturmgesellschaft die meiste
- Zeit ihrer Geschichte hindurch, wie es auch von Timothy White
- aufgezeigt wird (A People for His Name, New York 1968):
-
- "Pastor Russell wusste natrlich von dem Befehl (aus Apostelge-
- schichte), und dennoch htte er kein schlechtes Gewissen beim
- Essen einer Blutwurst gehabt. Er sah die betreffende Verordnung
- lediglich als vorlufigen Behelf an, dem die Heiden nachzukommen
- hatten, um Gemeinschaft mit Juden haben zu knnen, die gerade
- erst Christen geworden waren; als einen Behelf wegen der starken
- Vorurteile, die in jdischen Gemeinden gegen solche Gemeinschaft
- vorherrschten. In Bezug auf den Erlass ber Gtzen und ber das
- Blut sagte er: "Es wre fast unmglich fr Menschen gewesen, die
- als Juden grossgezogen worden waren, diese drei Punkte zu igno-
- rieren, und falls bekehrte Heiden sie nicht beachtet htten, wre
- dies eine stndige Barriere fr ihren sozialen Umgang gewesen.
- ... Es war zu dieser Zeit unter Heiden blich, dass das Fleisch,
- welches auf ihren Mrkten verkauft wurde, zuerst irgendwelchen
- Gtzen als Opfer dargebracht wurde. Der Apostel Paulus zeigt
- jedoch, (1. Korinther 8:4) dass, da ein Gtze eigentlich ein
- "Nichts" ist, das Darbringen von Fleisch in Gegenwart von diesem
- "Nichts" fr diejenigen, die in der Lage waren, die Situation
- richtig zu verstehen, nichts Bses darstellen konnte; anderen mag
- es jedoch als Gotteslsterung erschienen sein.
-
- Das Zitat aus Korinther war der Schlssel fr seine Sichtweise,
- da dies zeigt, dass einer der Befehle, nmlich der bezglich des
- Essens von Gtzen geopfertem Fleisch, vom heiligen Paulus nicht
- als bindend fr alle angesehen wurde. Er wies die Christen nur
- an, solches Fleisch zu vermeiden, wenn ein anderer Christ mit
- einem "schwachen" und "befleckten" Gewissen dies mglicherweise
- gesehen htte (1. Korinther 8). Die leitende Krperschaft ist nie
- auf diese Argumentation eingegangen, sondern hat sie nur barsch
- mit den Worten abgewiesen: "Es ist nicht richtig, dieses Dekret
- als nur von zeitlich begrenzter Gltigkeit anzusehen, um zu
- vermeiden, dass die bekehrten Juden des ersten Jahrhunderts zum
- Straucheln gebracht wrden, wie einige spekuliert haben.""
-
- Die erste Bezugnahme auf das Blutverbot nach Russell ist im
- Wachtturm vom 15. Januar 1928 auf der Seite 20 erschienen, wo 1.
- Mose 9:4 zitiert wird und man dann folgendes erklrt: "Gott sagte
- Noah, dass jedes lebende Wesen Speise fr ihn sein sollte, dass
- er jedoch nicht das Blut essen drfe, weil das Leben in dem Blut
- ist." Die Organisation gibt hier den Text aus 1. Mose 9:2-6 frei
- wieder, wobei sie sich nebenbei auf das Essen von Blut bezieht.
- Der Artikel behandelte aber nicht das Verbot des Blutes oder des
- Essens von Blut, sondern hatte das Tten zum Thema. Die Gesell-
- schaft fasst darin ihren diesbezglichen Standpunkt wie folgt
- zusammen: "Noah weist deutlich darauf hin, dass niemand unter-
- schiedslos Tiere oder irgendwelche anderen Geschpfe schlachten
- darf, nur weil er eine Laune zu tten befriedigen mag. Er darf
- jedoch einem Tier auf anstndige Weise das Leben nehmen, fr
- notwendige Nahrung und fr die Erhaltung des Lebens seiner
- Familie."
-
- Einige mgen sich auf diesen frhen Artikel als auf einen Beweis
- beziehen, dass die Wachtturmgesellschaft Bluttransfusionen schon
- 1927 verboten hat, obwohl in diesem Artikel Bluttransfusionen
- noch nicht einmal erwhnt werden. Es wird zwar erklrt, dass 1.
- Mose das "Essen von Blut" verbietet, doch wurde dies nur deshalb
- erwhnt, weil 1. Mose 9:4 Teil der betrachteten Verse war, nicht
- weil es das Thema des Aufsatzes war. Die Zeugen haben aus der
- damaligen Errterung jedenfalls nicht mehr herausgelesen, als
- dass das Leben heilig ist und nur im Rahmen der Verordnungen
- Gottes genommen werden darf.
-
- Die nchste Bezugnahme auf Blut in den Publikationen der Wacht-
- turmgesellschaft ist im Watchtower vom 15. Mrz 1939 auf der
- Seite 94 zu finden. Die Gesellschaft sagt dort, indem sie auf die
- Frage antwortet, ob man als Zeuge Schweinefleisch essen darf, und
- in diesem Zusammenhang einen Bezug zu 3. Mose 22:3,8,9 herstellt:
- "...es wird darin ausdrcklich gesagt, dass ein Tier, das von
- sich aus verendet ist oder von einem anderen zerrissen wird,
- nicht gegessen werden soll, aus dem offenkundigen Grunde, dass
- sein Blut nicht ausgegossen worden ist. Das Gewicht bei der
- Errterung dieser Texte liegt darauf, dass das Leben im Blute ist
- und dass das Blut nicht gegessen werden darf." Die Person, der
- die Wachtturmgesellschaft antwortete, hatte offensichtlich ver-
- sucht, den Gesetzesbund auf heutige Glubige anzuwenden. Um
- diesen Standpunkt zu widerlegen, zitierte Rutherford Kolosser
- 2:14,16 und 17. Dann sagte er, dass es einen Unterschied zwischen
- diesen beiden Geboten gibt. Das eine, welches das Essen von
- Schweinefleisch verbietet, war den Juden gegeben worden, whrend
- das Verbot des Essens von Blut der ganzen Welt gegeben worden
- war. Um dies zu untersttzen, zitierte die Wachtturmgesellschaft
- 3. Mose 17:11 und 12 und kommentierte dies wie folgt: "Du wirst
- sehen, dass, whrend die Fremdlinge zu keiner Zeit unter dem
- Gesetzesbunde standen, ihnen doch verboten war, Blut zu essen,
- und das macht den Unterschied klar zwischen den Juden unter dem
- Gesetzesbund und der Welt im allgemeinen. Blut zu geniessen oder
- Schweinefleisch zu essen ist etwas durchaus Verschiedenes."
-
- Unglcklicherweise unterschied Rutherford nicht klar zwischen
- einem Nichtjuden, der in Israel stndig ansssig war, und einem,
- der Israel einfach nur besuchte. Wie wir zuvor gesehen hatten,
- war ein stndig als Fremdling ansssiger Nichtjude in Israel
- verpflichtet, viele, aber nicht alle Gesetze der Juden "wie ein
- Jude" zu befolgen, und Besucher waren lediglich verpflichtet, den
- zivilgesetzlichen Bestimmungen nachzukommen, wie dem Verbot zu
- morden.
-
- Rutherford besttigte, dass es einem Zeugen nicht erlaubt sei,
- Blut zu essen, erwhnte aber Bluttransfusionen in diesem Zu-
- sammenhang nicht; zu diesem Zeitpunkt akzeptierten die Zeugen
- Bluttransfusionen.
-
- Die erste Verurteilung von Bluttransfusionen in den Publikationen
- der Wachtturmgesellschaft ist in der Ausgabe der Zeitschrift
- Consolation vom 22. Dezember 1943, S. 23, zu finden. Jedoch
- wurden sie nur in Verbindung mit Impfstoffen verdammt, als ein
- Teil der Kampagne der Wachtturmgesellschaft gegen das Impfen.
-
- Die erste direkte Erwhnung von Transfusionen und Blut im Wacht-
- turm findet sich in der Ausgabe vom 1. Februar 1947, S.
- 63(#4#). Zitat:
-
- "Nicht allein als Nachkommen Noahs, sondern auch als einem, der
- durch Gottes dem Volke Israel gegebenes Gesetz gebunden ist, das
- den ewigen Bund der Heiligkeit des lebenserhaltenden Blutes
- einschloss, war dem Fremdling verboten, Blut zu sich zu nehmen,
- sei es durch Blutbertragung oder durch den Genuss von Speisen
- (1. Mo. 9:4; 3. Mo. 17:10-14). Auch das Berhren und Essen eines
- Aases, das von einem Menschen nicht der Ernhrung halber gettet
- wurde, machte es erforderlich, dass er sich dem Gesetz Gottes
- gemss einer Reinigung unterzog (3. Mo. 17:15,16; 4. Mo.
- 19:10-12)."
-
- Die nchste Bezugnahme auf Blut erschien in der Ausgabe der
- Zeitschrift Watchtower vom 1. Juli 1945 auf den Seiten
- 198-201(#5#). Dieser Watchtower verweist den Leser zuerst auf
- den Watchtower vom 15. Dezember 1927(#6#) und behandelt dann
- das Thema Blutschuld. Spter macht der Schreiber einen pltzli-
- chen Wechsel hin zum Thema "Essen von Blut", einem vllig anderen
- Gegenstand. Obwohl man sich Mhe gibt, den Leser denken zu
- machen, dass das Verbot von Bluttransfusionen schon alt ist,
- behandelt der Artikel von 1927 nicht das Thema Bluttransfusionen,
- sondern er spricht vielmehr vom Tten. Dann findet man in der
- Ausgabe vom 1. Juli 1945 einen Verweis auf den Watchtower vom 15.
- Februar 1939(#7#), der sich auch nicht mit Bluttransfusionen
- beschftigt. Im Artikel von 1945 wird geschlussfolgert: "Indem
- sie sich darauf bezogen, haben einige Wachtturmleser gesagt, dass
- ein solches Verbot des Essens und Trinkens von Blut nur fr die
- Juden unter dem mosaischen Gesetzesbund gilt, nicht aber fr
- Christen, die unter dem Neuen Bund stehen." In dem Artikel heisst
- es dann aber weiter, dass das Blutverbot Gltigkeit fr Christen
- hat und dies bedeutet, dass niemand, der Zeuge Jehovas ist, Blut
- essen darf. Jedenfalls findet sich bis 1945 keine direkte Aus-
- sage, dass es verkehrt sei, eine Bluttransfusion zu erhalten.
-
- Die gleiche Ausgabe des Watchtower erwhnte auch Apostelgeschich-
- te 10, wo Petrus befohlen wurde, "alle Arten vierfssiger und
- kriechender Tiere der Erde und Vgel des Himmels" zu tten und zu
- essen. Auf den Einwand, Petrus sei nicht befohlen worden, die
- Tiere vor dem Essen ausbluten zu lassen, erwiderte die Wacht-
- turmgesellschaft, dass Petrus ein Christ war und somit wusste,
- dass das Essen von Blut falsch war und dies daher nie getan
- htte. Dies ist ein klassischer Zirkelschluss: Man will hier
- beweisen, dass Christen kein Blut essen drfen, und erklrt dies
- damit, dass Petrus auch kein Blut essen durfte, weil er ja Christ
- war! Ob er nun das Blut der Tiere ass oder nicht (und da es sich
- hierbei lediglich um eine Vision handelte, ist diese Frage so-
- wieso irrelevant), jedenfalls hat dieser Text nichts mit dem
- Essen von Blut oder mit Bluttransfusionen zu tun.
-
- Der Artikel fhrt weiterhin Apostelgeschichte 15:6-20 an, wobei
- die Worte "von Blut" in Grossbuchstaben geschrieben sind, um
- ihnen Nachdruck zu verleihen. Apostelgeschichte 15:22-29 und
- Apostelgeschichte 21:25 werden ebenfalls zitiert, wiederum indem
- die Worte "von Blut" grossgeschrieben sind. Fr den Ausdruck "von
- erwrgten Dingen" fhrt die Wachtturmgesellschaft als gleichbe-
- rechtigte bersetzung "nicht beim Schlachten ausgeblutet" an.
- Dann wird in dem Artikel die Bedeutung von 1. Chronika 11:17-19
- (siehe oben) hervorgehoben, wo David das Wasser ablehnte. Wie wir
- schon gesehen haben, hat dieser Text nichts mit dem Trinken von
- Blut zu tun.
-
- Danach wird 1. Samuel 14:32-34 zitiert, um zu zeigen, dass Saul
- das Essen von Blut oder von Tieren, die nicht richtig ausgeblutet
- waren, missbilligte. Der Watchtower erwhnt jedoch mit keinem
- Wort, dass die Konsequenzen fr diejenigen, die das Gebot bra-
- chen, sehr geringfgig waren, jedenfalls sicher nicht so schwer-
- wiegend wie die Strafe der Wachtturmgesellschaft heute, d.h. der
- Gemeinschaftsentzug.
-
- Schlussfolgernd wird in dem Artikel gesagt (Seite 200): "Falls
- das Blut in Verbindung mit seinem Fleisch gegessen oder getrunken
- wurde, wurde derjenige, der das Blut zu sich genommen hatte, von
- Gott als jemand angesehen, der mutwillig das Leben solcher
- Geschpfe nahm, und als solcher brach er den Bund." Und da es den
- Menschen erlaubt war, Fleisch zu essen, machte man sich nicht
- schuldig, `mutwillig Leben zu nehmen', wenn man das Blut heraus-
- laufen liess. Dies war eine neue Lehre, die in den Wachtturm-
- verffentlichungen nie mehr auftauchte. Ins Extreme weitergefhrt
- hiesse das, dass jemand sich des absichtlichen Totschlags schul-
- dig machte, wenn er einen Menschen tten wrde und sein Blut
- nicht herauslaufen liesse, dass er aber unschuldig wre, wenn er
- das Blut auslaufen liesse!
-
- Als nchstes wird eine Verbindung zwischen dem Blut von Tieren
- und dem von Menschen hergestellt: "Diese Bestimmung findet
- Anwendung auf das Blut von Tieren, die geringer als der Mensch
- sind, ... dann wurde das Blut des hherstehenden Geschpfes, des
- Menschen, sicher nicht als weniger kostbar angesehen. ... Unter
- den barbarischen, wilden und grausamen Vlkern, wie z. B. den
- Skythen, Tartaren, den in der Wste lebenden Araber, den Wikinger
- etc., die hauptschlich von tierischem Blut lebten, gab es
- einige, die sogar das Blut ihrer Feinde tranken, nachdem sie
- deren Schdel zu Tassen gemacht hatten." Schliesslich stellt man
- einen Bezug zu Bluttransfusionen her, wobei jedoch immer noch
- kein ausdrckliches Verbot ausgesprochen wird. Der Watchtower
- zitiert eine Errterung ber Bluttransfusionen aus dem 4. Band
- der Encyclopedia Americana (Ausgabe 1929). Dieses Zitat wird in
- keiner Weise kommentiert. Daran anschliessend wechselt er abrupt
- das Thema und wendet sich dem Shnopfer Christi zu. Obwohl man
- aufgrund dessen, dass das Zitat der Encyclopedia Americana in der
- Betrachtung enthalten ist, folgern mag, dass die Wachturmgesell-
- schaft somit Bluttransfusionen verboten hat, wurde doch kein
- direktes Verbot ausgesprochen. Die meisten Zeugen sahen dies
- damals auch nicht als ein solches an. Folglich wurde dieses Thema
- bis zu den fnfziger und sechziger Jahren nie zu einem Problem.
-
- Die erste klare Verurteilung von Bluttransfusionen erschien in
- der Erwachet!-Ausgabe vom 22. Dezember 1948 (Seite 13). Dieser
- kurze Artikel sagt mit bestimmten Worten aus, dass "Gemss dem
- gttlichen Gesetz [die Menschen] nicht das Blut von anderen in
- ihren Krper aufnehmen" sollen. Dann zitiert man 3. Mose 7:27 und
- 5. Mose 12:25 (beide Schriftstellen sind Bestandteil des mosai-
- schen Gesetzes), und danach wird gesagt: "Ausser der Gefahr,
- Gottes Gesetz zu bertreten, bestehen bei der Blutbertragung
- auch gesundheitliche Risiken." Die Augustnummer (1948?) von
- Science Illustrated wird herangezogen, um auszusagen, dass
- Hepatitis "ein sehr ernstes Problem" bei Bluttransfusionen
- darstellt. Die Gesellschaft leitet also ber zu einer vlligen
- Verurteilung von Bluttransfusionen und Menschen, die sie sich
- geben lassen. Aber es wird noch immer nicht gesagt, dass jemand,
- der sich eine Bluttransfusion verabreichen lsst, in der Gefahr
- steht, ausgeschlossen zu werden und das ewige Leben zu verlieren.
- Der gesamte Prozess vollzog sich sehr langsam. Es dauerte ber 20
- Jahre von der anfnglichen Verurteilung des Essens von Blut bis
- zur Verurteilung von Transfusionen und dann, wie wir unten sehen
- werden, bis zur Verurteilung derjenigen, die solche Transfusionen
- nehmen.
-
- Die nchste Behandlung des Blutverbotes in den WachtturmPublika-
- tionen findet man im Wachtturm vom 1. November 1951. Dies ist das
- erste Mal, dass eine direkte und spezifische Aussage in der
- Wachtturm-Literatur gemacht wird, dass es einem Zeugen nicht
- gestattet ist, Bluttransfusionen zu nehmen. Diese Aussage wurde
- veranlasst durch einen `krzlichen Gerichtsfall' in "Chicago,
- welcher Jehovas Zeugen und ihre Stellungnahme zur Frage von
- Bluttransfusionen betraf". Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die
- meisten Zeugen ffentlich Bluttransfusionen akzeptiert. Der Fall
- betraf die kleine Tochter von Rhoda und Darrell LaBrenz, die seit
- einem Jahr Zeugen waren. Rhoda hatte einen positiven Rhesusfaktor
- in ihrem Blut, der ihr erstes Kind, einen Sohn namens Kit, nicht
- angegriffen hatte, wohl aber ihr zweites. Das Kind bentigte
- dringend eine Transfusion. Die Eltern lehnten diese ab und wurden
- wie folgt in der Zeitschrift Time (Ausgabe vom 30. April 1951)
- zitiert: "Die Heiligkeit des Blutes ist etwas, das wir nicht
- verletzen knnen. Jedermann weiss, dass das Blut die Lebenskraft
- ist, und auf das Leben haben wir keinen Einfluss. Nur Jehova hat
- das. Eine Transfusion, die eine Form des Trinkens oder Essens von
- Blut ist, ist uns als Zeugen Jehovas verboten." Die Eltern wurden
- wegen Fahrlssigkeit angeklagt und es wurde ihnen die Vormund-
- schaft fr ihre Tochter Cheryl entzogen, wonach sie die notwendi-
- ge Transfusion bekam. Frau LaBrenz erklrte: "Diejenigen, die das
- Verbot gebrochen haben, sind fr die Snde verantwortlich."
-
- Der Wachtturm von 1951 beantwortete die Frage "Was gibt es fr
- schriftgemsse Grnde zu einem Einwand gegen Bluttransfusionen?",
- indem er 1. Mose 9:4 zitierte (siehe oben) und entsprechende
- Teile des mosaischen Gesetzes (worauf die meisten Argumente
- basieren). Der Artikel wiederholte, dass das Verbot sich sowohl
- auf tierisches als auch auf menschliches Blut bezge, indem er
- nachdrcklich den Teil des mosaischen Gesetzes hervorhob, in dem
- es heisst, "Blut jeder Art von Fleisch" sei verboten.
-
- Obwohl die Zeitschrift von 1951 verfgte, dass es falsch fr
- einen Zeugen sei, Bluttransfusionen zu nehmen, wurde bis 1961
- kein Zeuge ausgeschlossen, wenn er es dennoch tat (Wachtturm vom
- 15. Mrz 1961, S. 190, 191). Bis dahin oblag es dem Gewissen
- jedes einzelnen Zeugen, wenngleich jemand, der eine Transfusion
- akzeptierte, oft dafr kritisiert wurde. Nach 1961 wurden jedoch
- Zeugen dafr hufig ausgeschlossen, ohne Hoffnung auf Gottes
- Gnade bis zum Zeitpunkt ihrer Wiederaufnahme.
-
- Wenn dies Gottes ewiges, fr alle Menschen gltiges Gesetz ist,
- wieso war es dann fr Tausende von Jahren fr so viele unbekannt?
- Lebten die glubigen Zeugen, die von dem Verbot nichts wussten,
- von 1850 bis 1950 in Snde, ohne es zu wissen? Wenn die ber-
- tretung des Verbotes zur gttlichen Verdammnis fhrt, warum hat
- er dies seinem Volk dann nicht eher offenbart? Warum nahmen
- Russell oder Rutherford als Gottes speziell ausgewhlte Fhrer
- diese Interpretation nicht an? Es ist eine Tatsache, dass Russell
- die Schriftstellen aus Apostelgeschichte und 1. Mose genau so
- verstanden hat, wie wir sie hier erklrt haben.
-
- Warum hat die Wachtturmgesellschaft Bluttransfusionen verboten?
-
- Es gibt keine biblische Sttze fr den Standpunkt der Wacht-
- turmgesellschaft, und ein Blick in ihre Geschichte hat gezeigt,
- dass sie ihn auch selbst viele Jahre hindurch berhaupt nicht
- vertreten hat (tatschlich wurden unterschiedliche biblische
- Interpretationen gelehrt). Warum stellt sie aber heute ein
- solches Verbot auf? Vielleicht hat dies nicht nur einen Grund. Im
- folgenden fhren wir verschiedene mgliche Hypothesen auf:
-
- 1. Das Verbot war ein Versuch, die Loyalitt der Zeugen unter dem
- neuen Prsidenten, Nathan Knorr, zu vergrssern. Um dies zu
- erreichen, ntigte man die Anhngerschaft, in bezug auf eine
- problematische Frage Stellung zu beziehen. Als Knorr nach dem Tod
- von Richter Rutherford Prsident wurde, gab es einige Mitglieder,
- die (1) nicht vllig die Glaubensinhalte der Gesellschaft ver-
- innerlicht hatten, (2) Vorbehalte gegen den neuen Prsidenten
- Knorr hatten und sich ihm als Nachfolger Rutherfords nur wider-
- willig unterordneten, und die (3) zwar die Glaubensstrukturen der
- Wachtturmgesellschaft bernommen hatten, sich ihr selbst gegen-
- ber aber nicht verpflichtet fhlten.
-
- Diejenigen Mitglieder, die schwankten, wrden sich entweder
- vllig der "Organisation Jehovas" anschliessen oder ausgeschlos-
- sen werden bzw. von sich aus gehen. Die berlegung knnte gewesen
- sein, dass es besser sei, weniger Mitglieder zu haben, die sich
- dafr aber vllig unterordnen, als viele Mitglieder mit fragwr-
- diger Loyalitt.
-
- Man muss hier jedoch bemerken, dass die Wachtturmgesellschaft
- unter Knorr zehn Jahre brauchte, bis sie Bluttransfusionen
- ffentlich verdammte. Zwar hat eine Anzahl von Zeugen die Gesell-
- schaft wegen des Verbotes von Bluttransfusionen verlassen (und
- verlsst sie noch), aber das scheint dennoch der Annahme zu
- widersprechen, dass eine Verbindung zwischen diesen Austritten
- und einer beabsichtigten Festigung der Herrschaft Knorrs besteht.
-
-
- 2. Das Verbot von Bluttransfusionen war eine Folge der Gegner-
- schaft gegen die Medizin, die sich bei den Herausgebern der
- Zeitschriften Das Goldene Zeitalter und Trost zeigte. Beide
- Herausgeber, Woodworth und Van Amberg, sowie auch viele andere
- Menschen in dieser Zeit, lehnten die Auffassung ab, dass Bakte-
- rien Krankheiten verursachen. Anstelle dessen dachten sie,
- Krankheit sei eine Folge falscher Ernhrung, ungehriger Gefhle
- oder von Snde. Die neue Theorie, dass Bakterien Krankheiten
- verursachen knnen, wurde als blasphemisch angesehen; man dachte,
- Satan wolle die Menschen irrefhren, indem er sie glauben mache,
- Snden htten nichts mit Krankheiten zu tun. Pasteur und seine
- Theorien wurden wiederholt verspottet, sowohl im Golden Age, als
- auch in der Zeitschrift Consolation (siehe z.B. Golden Age, Vol.
- 17, S. 444, 23. September 1936, S. 814)(#8#). Da Impfungen eine
- direkte Folge der "Bakterien-Theorie" waren, sahen Van Amberg und
- Woodworth sie als verkehrt an.
-
- In den dreissiger Jahren waren viele Menschen gegen das Impfen.
- Sie empfanden den Gedanken als abstossend, dass injizierte Impf-
- stoffe aus geschwchten Bakterien bestehen, und die Vorstellung,
- sich "Eiter" in den Krper spritzen zu lassen, war ekelhaft. Auf
- der Suche nach einer Mglichkeit, das Impfen anzugreifen, fand
- Van Amberg einen - wie er fand - perfekten Grund in den Schrif-
- ten. Da die Bestandteile der Impfstoffe oft aus dem Blut gewonnen
- wurden, konnten die Verbote des Alten Testaments von der Wacht-
- turmgesellschaft modifiziert und benutzt werden, Impfungen zu
- verbieten. In der Zeitschrift Golden Age (Ausgabe vom 24.April
- 1935, S. 471) wurde erklrt, dass, "... da Impfungen eine direkte
- Injektion tierischen Eiters in den Blutkreislauf sind, Impfungen
- eine direkte Verletzung des Gesetzes Jehovas sind." Die Wacht-
- turmgesellschaft benutzte dieselben Verse gegen das Impfen, die
- sie heute gegen Bluttransfusionen verwendet.
-
- Mit der Zeit wurde es offensichtlich, dass die Gegnerschaft
- sowohl gegen die Bakterientheorie als auch gegen das Impfen
- unbegrndet war. In den frhen Fnfzigern revidierte die Gesell-
- schaft ihren Standpunkt und bestimmte, dass es dem Gewissen jedes
- einzelnen berlassen sei zu entscheiden, ob er sich impfen lsst
- oder nicht. Da jedoch die Vorschrift gegen das "Nehmen von Blut"
- seit einigen Jahren betont worden war, konnte es nicht pltzlich
- ignoriert und das Verbot des Essens von Blut aufgehoben werden.
- Es war nur deshalb mglich, Impfungen vom Blutverbot auszunehmen,
- da fr Impfungen kein vollstndiges Blut bentigt wird. So konnte
- die Wachtturmgesellschaft argumentieren, dass das Impfen nicht
- "Zu-Sich-Nehmen von (vollstndigem) Blut" bedeute. Echte Blut-
- transfusionen mssten jedoch weiterhin verurteilt werden. Wenn
- jemand einmal einige Jahre hindurch etwas als falsch dargestellt
- hat, ist es schwer, dies ber Nacht oder sogar ber den Zeitraum
- mehrerer Jahre zu revidieren.
-
- 3. Die Haltung der Wachtturmgesellschaft bezglich des Blutes
- wurde von gutmeinenden Fhrungspersnlichkeiten in der Organisa-
- tion entwickelt bzw. angenommen, die ber nur unzureichende
- Kenntnisse der Schriften und der Medizin verfgten. Mglicherwei-
- se hat ein Wachtturm-Mitarbeiter aufgrund seines Forschens in der
- Bibel geschlussfolgert, dass, wenn das Essen von Blut falsch ist
- und Transfusionen intravense Ernhrung sind, Bluttransfusionen
- ebenfalls falsch sein mssen. Davon ausgehend knnte man zu einer
- aufrichtigen, aber naiven, oberflchlichen und falschen
- Schlussfolgerung kommen und standhaft an dieser festhalten.
-
- In gewisser Weise sind die Grnde fr den Standpunkt der Gesell-
- schaft irrelevant. Vielleicht sind einige Faktoren genannt
- worden, die Knorr veranlasst haben, seinen Standpunkt zu bezie-
- hen; vielleicht sind die wahren Grnde aber auch unerwhnt
- geblieben. Wir haben gesehen, dass die Beweise gegen die Auf-
- fassung der Wachtturmgesellschaft berwltigend sind; aber es ist
- schwer, eine einmal eingenommene Position aufzugeben. Besonders
- schwer ist es hingegen, wenn einige ihr Leben gelassen haben,
- Familien zerbrochen und Trnen vergossen worden sind wegen eines
- so kompromisslosen Standpunktes. Gbe die Gesellschaft ihre Ein-
- stellung auf, wrden viele ihrer Mitglieder erbitterte Gegner
- derjenigen werden, die sie einst als "Gottes heutigen Kanal"
- ansahen.
-
- Da die Fhrungspersnlichkeiten der Wachtturmgesellschaft trotz
- ihres prophetischen Fehlschlages im Jahre 1975 lehren, Harmagedon
- stehe "unmittelbar vor der Tr", mgen sie denken, die klgste
- Handlung sei, das Problem sich selbst zu berlassen. Sie meinen,
- dass die Zeugen, die ihr Leben in glaubensvoller Weise geopfert
- haben, im "Neuen System der Dinge" auferstehen werden, wozu auch
- die gehren, die ihr Leben verloren haben, weil sie eine Blut-
- transfusion verweigerten.
-
- Zusammengefasst kann gesagt werden, dass der Standpunkt der
- Wachtturmgesellschaft in bezug auf Bluttransfusionen biblisch
- nicht zu verteidigen ist. Die hier aufgelisteten Argumente knnen
- von der Gesellschaft nicht widerlegt werden. Ausgiebige Ausein-
- andersetzungen mit prominenten Mitgliedern der Gesellschaft haben
- keine befriedigenden Antworten auf die hier aufgefhrten Fragen
- gebracht. Weder die Gesellschaft noch ihre Publikationen knnen
- den Tod glaubensvoller Zeugen auf der Basis rechtfertigen, die
- die Gesellschaft als biblischen Beweis zu prsentieren ver-
- sucht(#9#).
-
-
- Anmerkungen:
- -------------
-
- 1. Anm. d. .: Diese Passage ist nicht in der deutschen
- Ausgabe enthalten.
-
- 2. In Popular Commentary of the Bible (Vol. 1, von Paul E.
- Kretzmann, Concordia Publishing House, 1923) wird die Inter-
- pretation von 1. Mose 9:4 wie folgt zusammengefasst: "Diese
- Bestimmung wurde hinzugefgt, um die Entartung des Menschen
- hin zu grober und brutaler Barbarei, oder sogar Wildheit, zu
- verhindern" (S. 21). Siehe auch Dr. J.H. Hertz, "The Penta-
- teuch and Haftorahs", London, 1950, S. 32.
-
- 3. Man weiss eigentlich nicht sicher, was es heisst, sich
- "frei von Blut" zu halten. Einige Bibelausleger glauben,
- dass diese Aussage sich auf das Baden in Blut oder auf Mord
- bezieht.
-
- 4. Anm. d. .: In den Jahren 1946 u. 1947 gab es drei ver-
- schiedene deutschsprachige Wachtturmausgaben mit unter-
- schiedlicher Seitenzhlung. Der zitierte Artikel stammt aus
- der Ausgabe "Magdeburg" und findet sich ebenfalls im WT vom
- 15. Dez. 1946, Ausgabe "Bern", S. 380 und im WT vom 15. Jan.
- 1947, Ausgabe "Magdeburg/Wiesbaden".
-
- 5. Anm. d. .: Dieser Artikel erschien nicht in deutscher
- Sprache. Eine kurze Bezugnahme findet sich jedoch im Jahr-
- buch von 1975 auf der Seite 222.
-
- 6. Anm.d..: Entspricht dem Wachtturm vom 15. Januar 1928.
-
- 7. Anm.d..: Entspricht dem Wachtturm vom 15. Mrz 1939.
- 8. Anm. d. .: Nicht in deutscher Sprache erschienen.
-
- 9. Anm. d. .: Die Gesellschaft erklrt in der neueren
- Broschre Wie kann Blut dein Leben retten? bezglich des
- Apostelkonzils (Apg. 15): "Das Konzil sandte seine Entschei-
- dung an alle Versammlungen..." (S. 5). Diese Aussage ist
- durch den Kontext nicht hinreichend verifizierbar. Inter-
- essanterweise ist in der Bibel aber eine Bezugnahme des
- Apostels Paulus auf dieses Konzil enthalten. Er erklrt in
- Gal. 2:6 ff. : "...mir haben die, die das Ansehen hatten
- (gemeint sind die Apostel), nichts weiter auferlegt. Im
- Gegenteil,..." (nach der Luther-bersetzung). Die Gesell-
- schaft bezieht diesen Vers ebenfalls auf das Apostelkonzil
- (siehe Hilfe, S. 442 unter II.A.), lst den offenkundigen
- Unterschied aber nicht auf. (Die Gesamtproblematik wird u.a.
- kurz erlutert in Einleitung in das Neue Testament von
- Feine, Behm, Kmmel; Heidelberg 196514)
-
-
- bersetzung: Marc W. Smith, Essen, im Frhjahr 1991
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- Anschrift des Autors:
- Jerry Bergman, Ph.D., NWT College, Route 1, Box 246A, Archbold,
- Ohio 43502, USA
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- Nachbemerkung:
- Vom selben Autor ist 1991 ein erheblich erweiterter Text zum
- gleichen Thema erschienen (ca. 90 Seiten, nur in Englisch).
- Interessenten wenden sich am besten an folgendes Spezialarchiv
- in Sachen Jehovas Zeugen:
- BETHEL-KOPIERSERVICE, POSTFACH 69, D-W-3509 MORSCHEN 1
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