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- Die Scientology-Kirche - Facetten einer Weltanschauung (Teil IV)
- Phantasien werden Wirklichkeit
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- Hinter dem Ziel von Hubbards Scientology-Kirche, jeden einzelnen zu
- "befreien", steckt der universale Anspruch, die ganze Welt zu
- "befreien", das heiát "eine Welt ohne Krieg, Wahnsinn und Krimi-
- nalitt" zu schaffen. Zweifel sind angebracht, ob hier wirklich ein
- Paradies beschrieben wird, wenn man bedenkt, wie gegen Kritiker und
- als "Feinde" geltende Personen vorgegangen wird. Was aber macht die
- besondere Attraktivitt der Scientology-Kirche mglicherweise
- aus?
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- Schon seit Menschengedenken hat das Weltall, der Kosmos den Menschen
- fasziniert, seine Phantasie angeregt. Ob die Erde als flache
- Scheibe mit darber sich wlbender Himmelsglocke oder als Kugel, als
- im Zentrum des Universums stehend oder als um die Sonne kreisend
- gedacht wurde, wer die Mythen der Vlker liest, merkt die Ambivalenz
- dieser Faszination: die Furcht vor dem Unbekannten, vielleicht
- Zerstrerischen, das Gefhl der Einsamkeit angesichts des
- unendlichen Kosmos, aber auch das verwunderte Staunen ber dessen
- Gráe und Erhabenheit.
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- Berichte in Tageszeitungen und Zeitschriften ber riesige Kreise und
- andere geometrische Muster in Kornfeldern in bis dato ungekann-
- tem Ausmaá - offenbar ber Nacht erschienen - erregten vor kurzem
- das Interesse der breiten Offentlichkeit. Die Wissenschaft sah
- sich herausgefordert, beeilte sich, das Phnomen in allen Dimensionen
- zu ermessen, stellte Theorien auf, Bcher widmeten sich dem Thema.
- Derweil witterten einige Zeitgenossen ein eintrgliches - Geschft
- und lieáen sich den Eintritt ins Kornfeld mit barer Mnze bezahlen.
- Ebenso publikumswirksam demonstrierten ein paar stelzenbewehrte
- Studenten, wie man im Korn unbemerkt seine Kreise ziehen kann.
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- Also alles nur ein publicitytrchtiger Bluff? Oder erhielten Erich
- von Dnikens Thesen vom Besuch auáerirdischer Wesen auf der Erde
- hier neue Nahrung? Auch er versuchte seinerzeit mit Dokumentationen
- ber "Landebahnen" und Reisereportagen zu belegen, daá unserer
- Mutter Erde schon in grauer Vorzeit Wesenheiten fremder Planeten mit
- Raumschiffen oder vergleichbaren Flugobjekten einen Besuch
- abgestattet haben.
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- Die amerikanische Weltraumsonde Voyager II stieá in bisher fremde
- Weiten vor, funkte sensationelles Datenmaterial zur Erde. Wre es da
- nicht denkbar, daá fremde Intelligenzen auf dieselbe Weise unseren
- Planeten erkunden? "Augenzeugenberichte" ber unbekannte
- Flugobjekte (UFO) fllen ganze Karteien.
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- Science-fiction-Romane wie die berhmten "Perry Rhodan"-Hefte brin-
- gen diese Phantasien zu Papier, Femsehsendungen wie "Orion" oder
- "Raumschiff Enterprise", Filme wie "E.T." verleihen ihnen Gestalt.
- Es scheint so, als erflle dieses Genre die Funk- tion, die in der
- Menschheitsgeschichte auch Mythen hatten und haben: religise Ur-
- Erfahrungen des Menschen in Bildern und Symbolen auszudrcken. Hier
- sind es berhhungen des technisch Machbaren, projiziert in eine
- fernere Zukunft, wo sie zur Perfektion gereift sind.
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- Der Glaube an einen alles knnenden Supermann (das weibliche Pendant
- eingeschlossen) oder an fremde Intelligenzen, in dem solche Wnsche
- Gestalt gewinnen, als wissenschaftliche Tatsache behauptet werden,
- ist ungebrochen. Es knnte ja sein, daá in jedem von uns ein solcher
- Supermann, eine solche Superfrau steckte ...
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- Wie anders ist es zu erklren, daá Hubbard ganz in der Manier eines
- Sciene-fiction-Autors, der er war, seinen Anhngem folgende
- phantastische Geschichte als reales weltanschauliches Er-
- klrungsmodell auftischen kann:
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- Thetans - so nennt Hubbard die Geistwesen - lebten einst glcklich
- und vollbewuát auf dem Planeten Heletrobus unter der Herrschaft
- ihres Frsten, Xenn. Dieser Planet war berbevlkert. Als Folge
- eines intergalaktischen Krieges schickte er vor 35 Billionen Jahren
- zwei Millionen Thetans auf die Erde. Sie vergaáen ihre Herkunft
- und daá sie eigentlich von Materie, Raum und Zeit unabhngige,
- unsterbliche, geistige, also krperlose Wesen sind. Verloren haben sie
- darum auch ihre Fhigkeit, Schpfer des ganzen Universums, welches
- aus Materie, Energie, Raum und Zeit besteht, zu sein.
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- Ob das Ziel, die ursprnglichen Fhigkeiten wiederzugewinnen, ein,
- wie es heiát, "Thetan in voller Aktion" zu werden, so ehrwrdig ist,
- wie es zuerst scheint, ist also mehr als fraglich. War es nicht einst
- ein intergalaktischer Krieg, der zur heutigen Situation fhrte, wie
- Hubbard glauben machen will? Die Thetans, ob nun noch im Krper
- gefangen oder schon frei operierend, machen keinen friedlichen Ein-
- druck. So versprechen Hub-, bards Visionen nicht eben eine friedliche
- Zukunft.
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- Ob die Opernsngerin Julia Miguenes, Schauspieler John Travolta,
- Rockmusiker Chick Corea oder Priscilla Presley - schon immer waren
- berhmte Namen (hier als Galionsfiguren der Scientology-Kirche)
- geeignet, die ffentlichkeit fr sich einzunehmen und ein positives
- Image zu schaffen. In der Scientology-Kirche sind sie gleichsam Symbol
- fr Erfolg, wie ihn die Scientology- Kirche und eben auch unsere
- Gesellschaft versteht. Erfolg - Geld - Macht. Das sind drei
- wesentliche Pfeiler, auf denen die Scientology-Kirche auch
- hierzulande aufbauen kann.
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- Erfolg und Macht haben in einem kapitalistischen System durchaus
- etwas mit Geld zu tun. Calvinistische Denkweisen, daá
- wirtschaftlicher Erfolg uáerlich sichtbares Zeichen besonderer
- gttlicher Gnade sei, sind auch heute noch verbreitet. So wundert es
- nicht, daá eine Organisation wie die Scientology-Kirche mit ihrem
- Streben nach wirtschaftlichem Erfolg, nach allumfassender Macht als
- wesentlicher Voraussetzung, "totale Freiheit" zu erlangen, auf
- offene Ohren stát.
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- Die Ellbogenmentalitt unserer Gesellschaft, die Aufrechnung
- jeglicher Leistungen in Geldeswert ist hier in bersteigerter Form
- verbrmt mit einem ideologisch untermauerten Elitedenken. Die
- Ideologie von der Herrenrasse lebt in neuer Gestalt wieder auf.
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- "Kirche im Kapitalismus" ist das Thema der nchsten EKD-Synode. Eine
- Thematik, die vor diesem Hintergrund besondere Brisanz erhlt.
- In der Auseinandersetzung mit der Scientology- Kirche muá unsere
- gesellschaftliche Situation, mssen Werte, wie sie durch ein Streben
- nach Anerkennung in Wirtschaft, Politik, Gesellschaft gesetzt
- wurden, kritisch hinterfragt werden. Informationen ber die Ziele
- der Scientology-Kirche und insbesondere ber ihre Anwerbemethoden -
- namentlich der "Persnlichkeitstest" ist hier zu nennen - geben
- hier Aufschluá. Weiter muá eine Beschftigung mit dieser
- Organisation reflektieren inwieweit sie Erkenntnisse aus Psychologie
- und Psychotherapie in ihrer populistischen Aufbereitung
- vereinfacht und verflscht und welche Gefahren daraus erwachsen. Ein
- nicht nur fr die therapeutische, sondern auch fr die seelsor-
- gerliche Aufarbeitung der Folgen sehr wichtiger Aspekt.
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