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- Der letzte Raucher
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- Er sass in der Todeszelle von Stadelheim und blickte dumpf auf
- seine gelben Finger. Ja, sie hatten die Todesstrafe wieder
- eingefuehrt. Nur fuer Raucher. Es hatte, wie vor zweitausend Jahren
- die Christenverfolgung, relativ harmlos angefangen. Man hatte das
- Rauchen in der S-Bahn verboten. Spaeter mehr und mehr in Bueros und
- Restaurants, in oeffentlichen Gebaeuden. Ploetzlich war dann auch in
- Schickeria-Kreisen das Nichtrauchen "in". Das war das Todesurteil fuer
- die Zigarette. Kein Mensch konnte sich mehr mit einem Glimmstengel
- sehen lassen, ohne von der Highsosseiety eiskalt geschnitten zu
- werden. Es wurden schwarze Listen umhergereicht von Rauchern, die
- niemals mehr zu einer Party eingeladen wurden. Selbst die heimlichen
- Raucher, die ihre Sargnaegel nur noch hinter vorgehaltener Hand wie
- Knastbrueder auf der Toilette hastig inhalierten, wurden erfasst und
- gesellschaftlich ausradiert. Dann bekam das Gesundheitsministerium
- einen eigenen Staatssekretaer fuer Entnikotifizierung, einen ganz
- scharfen McCarthy-Typ. Der konnte zwar nicht verhindern, dass
- Zigaretten hergestellt und verkauft werden - schliesslich haben wir ja
- eine Art freie Marktwirtschaft - aber Rauchverbote erlassen konnte er
- jede Menge. Oeffentliche Strassen, Waelder und Gaerten, Schloesser und
- Seen, Parks und Parkplaetze - erstaunlich, was alles oeffentlich ist -
- wurden rigoros entraeuchert. Staatssekretaer Grauschleier liess
- Nikotin-Schnueffel-Hunde und -Schweine ausbilden, die jede
- Zigarettenkippe aus jeglicher Muelltonne herausspuerten. Gleichzeitig
- wurde durch amtliche Verlautbarung die Volksseele derart zum Kochen
- gebracht, dass um ein Haar ein heimlicher Raucher in einer Schwabinger
- Seitengasse gelyncht worden waere. Um solcher Art von Selbstjustiz der
- aufgebrachten Buerger vorzubeugen, erfolgte dann die gesetzliche
- Todesstrafe fuer Raucher.
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- Da sass er nun, der letzte Raucher, in der Todeszelle von
- Stadelheim, und blickte dumpf auf seine gelben Finger. Bald
- wuerden sie kommen, ihn abholen. Und man wuerde ihm vor der
- Hinrichtung noch einen letzten Wunsch gewaehren. Und sie wuerden
- haemisch wissend und grinsend die Zigarette und das Feuerzeug
- bereithalten. Da erhellten sich die Zuege des Delinquenten. "Die
- schmier i' aus", dachte er vergnuegt.
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- Und als die Stunde kam, lehnte er das verlockende Angebot
- dankend ab: "Wissen S', i' bin grad dabei, mir das Rauchen
- entgueltig abzugewoehnen."
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