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- Die Tragödie einer Modem-Abhängigkeit
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- von Steve King
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- "Weißt du eigentlich, daß wir diesen Monat eine [Kraftausdruck] Telefonrechnung
- von über 900 DM haben?" fuhr mich meine Frau in ihrer strengsten
- "Mein-Mann-das-Kind"-Stimme an. "Das ist mehr als das Dreifache als die Rate
- für diesen [Kraftausdruck] Computer!" fuhr sie fort und steigerte sich zum
- Schreien. "Ich geb's ja zu, ich geb's ja zu" schluchzte ich. "Ich bin halt ein
- Online-Junkie. Ich bin süchtig nach meinem Modem. Ich vermute, ich muß zu den
- 'Anonymen Modembetreibern', damit ich meine Seele nicht der Post verkaufe."
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- Als Seelsorger bei den 'Aonymen Modembetreibern' höre ich jeden Tag zahlreiche
- Geschichten wie diese. Das Modem-Fieber, diese heimtückische Krankeit, fordert
- von den Besten unserer Computergesellschaft einen Tribut von tragischem Ausmaß.
- Die Modem-Manie nagt an den Fundamenten unserer Gesellschaft, und es scheint
- kein Halten zu geben. Diese Krankheit (denn es ist tatsächlich eine soziale
- Krankheit von fast epidemischem Ausmaß) wird zu einem derartigen Unglück, daß
- es bald eine Seifen-Oper namens "Alle meine Modems" über die Modem-Abhängigkeit
- geben wird.
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- Wenn Sie noch keines dieser Werkzeuge des Bösen, Modem genannt, haben - lassen
- Sie sich warnen! Denken Sie nicht im Traum daran, eines zu kaufen. Das
- Modemfieber setzt still und leise ein; es schleicht sich an und ergreift dann
- Ihren Geldbeutel, Ihr Scheckbuch oder - bewahre! - Ihre Kreditkarten.
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- Wenn Sie aber ein Modem kaufen, geraten Sie in die heimtückische Fall der
- Abhängigkeit, wenn Sie einen Freund "anwählen", der auch ein Modem besitzt. Aus
- irgend einem seltsamen Grund, fasziniert es Sie, sich gegenseitig Mitteilungen
- einzutippen (auch wenn Sie das nur mit 10% der Geschwindigkeit tun können, die
- Sie mündlich bei einem normalen Telefongespräch erreichen würden). Natürlich
- steht die Verbindung erst, nachdem Sie schließlich feststelen, daß mindestens
- einer von Ihnen beiden im Halb-Duplex-Modus sein muß; diese Entdeckung kitzelt
- Sie wirklich (das kling unmöglich, ist aber wahr).
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- Dann sät Ihr Modem-Kumpel ("Freund" wäre ein zu beschönigender Ausdruck)
- weitern Samen auf Ihrem Weg in die Modem-Abhängigkeit, indem er Ihnen die
- Nummer einer Mailbox in Ihrer Nahzone gibt. Wenn Sie einmal die Nummer einer
- Mailbox haben, haben Sie den ersten Schritt auf einem Weg gemacht, der nur in
- die Modem-Abhängigkeit füren kann.
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- Sie tun den zweiten Schritt, indem Sie die Mailbox anwählen, von der Ihr Modem-
- Kumpel Ihnen erzählt hat, und Sie stellen fest, daß es ganz einfach ist, sich
- "einzuloggen". Diese sonderbare Form der Kommunikation mit einem unbesetzten
- Computer ist merkwürdig aufregend, noch viel mehr, als wenn Sie bei Ihrem
- Modem-Kumpel "online" sind. Die Eingangsbildschirme rollen vor Ihnen ab und
- informieren Sie über die Box, aber in Ihrer Hochstimmung verstehen Sie kaum
- etwas davon. Dann lesen Sie einige Mitteilungen im Nachrichtenbreich und tippen
- vielleicht versuchsweise selber die ein oder andere. Das macht Spaß, aber die
- Begeisterung beginnt nachzulassen; Sie werden ruhiger. Sie denken, daß es
- lohnend wäre, die Eingangsbildschirme nochmal zu lesen und gehen rück zum
- Hauptmenü der Box.
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- Dann passiert es. Die Box wirft den Köder aus, der Sie den ganzen Weg in den
- Alptraum der Modem-Abhängigkeit locken wird. Wenn Sie das Hauptmenü stuieren,
- um zu erfahren, wie Sie die Eingangsbildschirme nochmal zu sehen bekommen,
- finden Sie einen Eintrag namens FILES. Indem Sie diesen Eintarg anwählen,
- befestigen Sie den Köder am Haken des Niedergangs. Im Untermenü von FILES
- beißen Sie an. Sie zappeln an der Leine, wenn Sie die Dateien auflisten. Sie
- werden aus dem Wasser gezogen, wenn Sie all die Namen und Beschreibungen der
- Public-Domain-Programme vor sich abrollen sehen. Sie sind *kostenlos*!!! Alles
- was Sie tun müssen ist nur, der Box zu befehlen, Sie zu Ihnen zu übertragen,
- sie zu "downloaden". Sie "downloaden" Ihr erstes Programm und Sie sind an Land
- gezogen, im Kescher, geputzt und fertig für die Bratpfanne.
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- Nur 55 Minuten, nachdem Sie sich eingeloggt haben, haben Sie sechs Programme
- "downgeloaded", darunter "PC-Talk" von Andrew Fleugelmann, V.3 (wahrhaftig ein
- Werkzeug des Bösen).
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- Die Datei BBS-LIST.DOC, die Sie ebenfalls übertragen haben, enthält eine Liste
- von Mailboxen des ganzen Landes. (Das Böse umschleicht uns und versucht uns
- ständig!). Sie drucken sich die Liste mit etwa 60 Telefonnummern von Mailboxen
- aus. (Erbarmen!). In der Liste stehen auch Betriebszeiten, Kommunikations-
- parameter und Besonderheiten der jeweiligen Boxen. Sie beschließen, PC-Talk
- auszuprobieren und benutzen es, eine Mailbox anzuwählen, die etwa drei Bundes-
- länder entfernt ist. Weil der Anschluß besetzt ist, überbrücken Sie die Zeit
- damit, daß Sie all die Mailboxnummern ins Anwahlverzeichnis von PC-Talk
- eintragen.
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- Sie probieren die Nummer nochmal - immer noch besetzt. Sie denken: "Oh, da
- gibt es eine Box speziell für Pascal-Programme. Vielleicht sollte ich da mal
- reinsehen. Ich muß zwar durch das halbe Land anrufen, aber es ist ja schon nach
- sechs und es gilt der Billigtarif. Das wird bestimmt nicht so teuer."
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- Die Pascal-Box ist nicht besetzt. Nach einer weiteren Dreiviertelstunde haben
- Sie noch fünf Programme geholt. Dann rufen Sie die nächste Box an - nur daß
- die ganz am anderen Ende des Landes steht. Und so geht das die ganze Nacht
- lang ... und die nächste Nacht ... und die nächste ...
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- Eines Tages wird es ihnen klar. Sie beginnen zu empfinden, wie dreckig es einem
- geht, wenn man modem-abhängig ist; insbesondere, wenn Sie Ihre Frau wegen Ihrer
- astronomisch hohen Telefonrechnungen wie ein Kind zur Rede stellt - wenn sie
- sich nicht sowieso schon hat scheiden lassen. Jedesmal, wenn Sie sich an Ihren
- PC setzen um etwas zu erledigen, rufen Sie stattdessen eine Mailbox an. Wenn
- die besetzt ist, rufen Sie eine andere an, und wieder eine andere, so lange,
- bis es klappt. Dann fühlen Sie sich gut, fast "high". Wenn Sie schließlich
- auflegen, können Sie immer noch nicht arbeiten; sie können nur die nächste
- Mailbox anrufen.
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- Ihr Zugrundegehen als Modem-Abhängiger ist eine der schrecklichen Tragödien
- unserer Gesellschaft, so wie Polygamie oder der Drang, alle Anforderungsnummern
- auf den Kontaktkarten in den Computerzeitschriften anzukreuzen. Möglicherweise
- hängt Ihr ganzes Sozialleben von den Nachrichten ab, die Sie in Mailboxen
- finden. Ihr einziges Glück sind die Programme, die Sie downloaden (natürlich
- probieren Sie keins davon aus, Sie sammeln sie nur).
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- Es gibt jedoch Hoffnung. Wir, das engagierte, aber unterbezahlte Personal der
- "Anonymen Modembetreiber", haben ausgiebig Forschung betrieben, um eine Abhilfe
- gegen die Modem-Manie zu finden, die schon Hunderte von Leben ruiniert hat.
- Und wir waren erfolgreich.
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- Die Lösung ist so wirksam wie einfach: betreiben Sie Ihre eigene Mailbox. Dann
- werden Sie von all den anderen Modem-Abhängigen angerufen, deren Frauen werden
- über 900-DM-Telefonrechnungen nörgeln, und Sie werden - endlich! - Frieden
- finden.
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