home *** CD-ROM | disk | FTP | other *** search
/ Amiga ISO Collection / AmigaDemoCD2.iso / ASCII / TEXTE / JOKES / GERMAN / Modemabhängigkeit.txt < prev    next >
Encoding:
Text File  |  1994-06-24  |  6.8 KB  |  117 lines

  1. Die Tragödie einer Modem-Abhängigkeit
  2.  
  3. von Steve King
  4.  
  5. "Weißt du eigentlich, daß wir diesen Monat eine [Kraftausdruck] Telefonrechnung
  6. von über 900 DM haben?" fuhr mich meine Frau in ihrer strengsten
  7. "Mein-Mann-das-Kind"-Stimme an. "Das ist mehr als das Dreifache als die Rate
  8. für diesen [Kraftausdruck] Computer!" fuhr sie fort und steigerte sich zum
  9. Schreien. "Ich geb's ja zu, ich geb's ja zu" schluchzte ich. "Ich bin halt ein
  10. Online-Junkie. Ich bin süchtig nach meinem Modem. Ich vermute, ich muß zu den
  11. 'Anonymen Modembetreibern', damit ich meine Seele nicht der Post verkaufe."
  12.  
  13.  
  14. Als Seelsorger bei den 'Aonymen Modembetreibern' höre ich jeden Tag zahlreiche
  15. Geschichten wie diese. Das Modem-Fieber, diese heimtückische Krankeit, fordert
  16. von den Besten unserer Computergesellschaft einen Tribut von tragischem Ausmaß.
  17. Die Modem-Manie nagt an den Fundamenten unserer Gesellschaft, und es scheint
  18. kein Halten zu geben. Diese Krankheit (denn es ist tatsächlich eine soziale
  19. Krankheit von fast epidemischem Ausmaß) wird zu einem derartigen Unglück, daß
  20. es bald eine Seifen-Oper namens "Alle meine Modems" über die Modem-Abhängigkeit
  21. geben wird.
  22.  
  23. Wenn Sie noch keines dieser Werkzeuge des Bösen, Modem genannt, haben - lassen
  24. Sie sich warnen! Denken Sie nicht im Traum daran, eines zu kaufen. Das
  25. Modemfieber setzt still und leise ein; es schleicht sich an und ergreift dann
  26. Ihren Geldbeutel, Ihr Scheckbuch oder - bewahre! - Ihre Kreditkarten.
  27.  
  28. Wenn Sie aber ein Modem kaufen, geraten Sie in die heimtückische Fall der
  29. Abhängigkeit, wenn Sie einen Freund "anwählen", der auch ein Modem besitzt. Aus
  30. irgend einem seltsamen Grund, fasziniert es Sie, sich gegenseitig Mitteilungen
  31. einzutippen (auch wenn Sie das nur mit 10% der Geschwindigkeit tun können, die
  32. Sie mündlich bei einem normalen Telefongespräch erreichen würden). Natürlich
  33. steht die Verbindung erst, nachdem Sie schließlich feststelen, daß mindestens
  34. einer von Ihnen beiden im Halb-Duplex-Modus sein muß; diese Entdeckung kitzelt
  35. Sie wirklich (das kling unmöglich, ist aber wahr).
  36.  
  37. Dann sät Ihr Modem-Kumpel ("Freund" wäre ein zu beschönigender Ausdruck)
  38. weitern Samen auf Ihrem Weg in die Modem-Abhängigkeit, indem er Ihnen die
  39. Nummer einer Mailbox in Ihrer Nahzone gibt. Wenn Sie einmal die Nummer einer
  40. Mailbox haben, haben Sie den ersten Schritt auf einem Weg gemacht, der nur in
  41. die Modem-Abhängigkeit füren kann.
  42.  
  43. Sie tun den zweiten Schritt, indem Sie die Mailbox anwählen, von der Ihr Modem-
  44. Kumpel Ihnen erzählt hat, und Sie stellen fest, daß es ganz einfach ist, sich
  45. "einzuloggen". Diese sonderbare Form der Kommunikation mit einem unbesetzten
  46. Computer ist merkwürdig aufregend, noch viel mehr, als wenn Sie bei Ihrem
  47. Modem-Kumpel "online" sind. Die Eingangsbildschirme rollen vor Ihnen ab und
  48. informieren Sie über die Box, aber in Ihrer Hochstimmung verstehen Sie kaum
  49. etwas davon. Dann lesen Sie einige Mitteilungen im Nachrichtenbreich und tippen
  50. vielleicht versuchsweise selber die ein oder andere. Das macht Spaß, aber die
  51. Begeisterung beginnt nachzulassen; Sie werden ruhiger. Sie denken, daß es
  52. lohnend wäre, die Eingangsbildschirme nochmal zu lesen und gehen rück zum
  53. Hauptmenü der Box.
  54.  
  55. Dann passiert es. Die Box wirft den Köder aus, der Sie den ganzen Weg in den
  56. Alptraum der Modem-Abhängigkeit locken wird. Wenn Sie das Hauptmenü stuieren,
  57. um zu erfahren, wie Sie die Eingangsbildschirme nochmal zu sehen bekommen,
  58. finden Sie einen Eintrag namens FILES. Indem Sie diesen Eintarg anwählen,
  59. befestigen Sie den Köder am Haken des Niedergangs. Im Untermenü von FILES
  60. beißen Sie an. Sie zappeln an der Leine, wenn Sie die Dateien auflisten. Sie
  61. werden aus dem Wasser gezogen, wenn Sie all die Namen und Beschreibungen der
  62. Public-Domain-Programme vor sich abrollen sehen. Sie sind *kostenlos*!!! Alles
  63. was Sie tun müssen ist nur, der Box zu befehlen, Sie zu Ihnen zu übertragen,
  64. sie zu "downloaden". Sie "downloaden" Ihr erstes Programm und Sie sind an Land
  65. gezogen, im Kescher, geputzt und fertig für die Bratpfanne.
  66.  
  67. Nur 55 Minuten, nachdem Sie sich eingeloggt haben, haben Sie sechs Programme
  68. "downgeloaded", darunter "PC-Talk" von Andrew Fleugelmann, V.3 (wahrhaftig ein
  69. Werkzeug des Bösen).
  70.  
  71. Die Datei BBS-LIST.DOC, die Sie ebenfalls übertragen haben, enthält eine Liste
  72. von Mailboxen des ganzen Landes. (Das Böse umschleicht uns und versucht uns
  73. ständig!). Sie drucken sich die Liste mit etwa 60 Telefonnummern von Mailboxen
  74. aus. (Erbarmen!). In der Liste stehen auch Betriebszeiten, Kommunikations-
  75. parameter und Besonderheiten der jeweiligen Boxen. Sie beschließen, PC-Talk
  76. auszuprobieren und benutzen es, eine Mailbox anzuwählen, die etwa drei Bundes-
  77. länder entfernt ist. Weil der Anschluß besetzt ist, überbrücken Sie die Zeit
  78. damit, daß Sie all die Mailboxnummern ins Anwahlverzeichnis von PC-Talk
  79. eintragen.
  80.  
  81. Sie probieren die Nummer nochmal -  immer noch besetzt. Sie denken: "Oh, da
  82. gibt es eine Box speziell für Pascal-Programme. Vielleicht sollte ich da mal
  83. reinsehen. Ich muß zwar durch das halbe Land anrufen, aber es ist ja schon nach
  84. sechs und es gilt der Billigtarif. Das wird bestimmt nicht so teuer."
  85.  
  86. Die Pascal-Box ist nicht besetzt. Nach einer weiteren Dreiviertelstunde haben
  87. Sie noch fünf Programme geholt. Dann rufen Sie die nächste Box an - nur daß
  88. die ganz am anderen Ende des Landes steht. Und so geht das die ganze Nacht
  89. lang ... und die nächste Nacht ... und die nächste ...
  90.  
  91. Eines Tages wird es ihnen klar. Sie beginnen zu empfinden, wie dreckig es einem
  92. geht, wenn man modem-abhängig ist; insbesondere, wenn Sie Ihre Frau wegen Ihrer
  93. astronomisch hohen Telefonrechnungen wie ein Kind zur Rede stellt - wenn sie
  94. sich nicht sowieso schon hat scheiden lassen. Jedesmal, wenn Sie sich an Ihren
  95. PC setzen um etwas zu erledigen, rufen Sie stattdessen eine Mailbox an. Wenn
  96. die besetzt ist, rufen Sie eine andere an, und wieder eine andere, so lange,
  97. bis es klappt. Dann fühlen Sie sich gut, fast "high". Wenn Sie schließlich
  98. auflegen, können Sie immer noch nicht arbeiten; sie können nur die nächste
  99. Mailbox anrufen.
  100.  
  101. Ihr Zugrundegehen als Modem-Abhängiger ist eine der schrecklichen Tragödien
  102. unserer Gesellschaft, so wie Polygamie oder der Drang, alle Anforderungsnummern
  103. auf den Kontaktkarten in den Computerzeitschriften anzukreuzen. Möglicherweise
  104. hängt Ihr ganzes Sozialleben von den Nachrichten ab, die Sie in Mailboxen
  105. finden. Ihr einziges Glück sind die Programme, die Sie downloaden (natürlich
  106. probieren Sie keins davon aus, Sie sammeln sie nur).
  107.  
  108. Es gibt jedoch Hoffnung. Wir, das engagierte, aber unterbezahlte Personal der
  109. "Anonymen Modembetreiber", haben ausgiebig Forschung betrieben, um eine Abhilfe
  110. gegen die Modem-Manie zu finden, die schon Hunderte von Leben ruiniert hat.
  111. Und wir waren erfolgreich.
  112.  
  113. Die Lösung ist so wirksam wie einfach: betreiben Sie Ihre eigene Mailbox. Dann
  114. werden Sie von all den anderen Modem-Abhängigen angerufen, deren Frauen werden
  115. über 900-DM-Telefonrechnungen nörgeln, und Sie werden - endlich! - Frieden
  116. finden.
  117.