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Text File  |  1993-05-18  |  12.0 KB  |  228 lines

  1.                          Marja und das Ichwil
  2.  
  3.  
  4.  
  5. Es  war einmal  eine junge  Frau, die  von ihrer  Umwelt als  sehr angenehm
  6. erlebt wurde.  Das war schon immer  so gewesen mit Marja.  Als Kind gab sie
  7. stets  das sch”ne  H„ndchen, machte  einen Knicks,  wenn sie Leute begráen
  8. sollte, gab den Eltern keine Widerworte und gehorchte ihnen aufs Wort.
  9.  
  10. "Wenn du  nur immer brav und  fgsam bist, dann werden  wir und die anderen
  11. Menschen dich liebhaben", sagten die Eltern  oft. Auch sp„ter in der Schule
  12. wurde Marja von den Lehrern gelobt, weil sie fleiáig und still war und sich
  13. nicht an dem Unfug der anderen Kinder beteiligte.
  14. "Das darf man nicht, das tut man nicht", flsterten ihr die Angstgespenster
  15. zu, "nur wenn du gehorsam bist, werden  die Leute dich m”gen." Und da Marja
  16. ganz viel Sehnsucht  nach Liebe hatte, band sie ihrer  Neugier die Augen zu
  17. und legte ihre Tr„ume in Ketten.
  18.  
  19. Die Eltern erzogen Marja nach ihren  Normen und Werten und vermittelten ihr
  20. unabl„ssig, daá sie selbstlos immer nur  das Beste fr ihre Tochter im Sinn
  21. h„tten.  Marjas Dankbarkeit  und das  Gefhl, in  der Schuld  der Eltern zu
  22. stehen, drcktsn sich in Anpassung und Lenkbarkeit aus.
  23.  
  24. Da  Marja ein  hbsches M„dchen  war, gab  es auch  einige junge M„nner, di
  25. esich sehr fr sie interessierten. Die  wollten sie kssen und ihren K”rper
  26. berhrnen.   Marja   war   sehr   erschrocken   darber,   weil   sich  die
  27. beschw”rerische Formel ihrer Eltern fest  in ihr eingenistet hatte: das tut
  28. man nicht, das geh”rt sich nicht!
  29. Aber die  Eltern hatten auch  gesagt: du muát  es den anderen  rechtmachen,
  30. damit du  ihr Wohlwollen nicht  verlierst. Und wenn  Marja sich kssen  und
  31. anfassen lieá, hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht unter-
  32. scheiden konnte, ob sie nun durfte, was man nicht tat oder ob dies zu ihrer
  33. Freundlichkeit geh”ren muáte. Und auch  die jungen M„nner sagten jeweils zu
  34. ihr: "Wenn du so bist oder so, dann  hab ich dich lieb." Und das war es ja,
  35. was Marja sich so sehr wnschte.
  36.  
  37. So  kam es,  daá sie  immer  aufmerksamer  wurde, was  die Erwartungen  der
  38. anderen anbelangte und  versuchte, diese zu erfllen. Sie  merkte gar nicht
  39. mehr, daá  dies zum Teil ganz  unterschiedliche Dinge waren. Sie  sollte so
  40. sein oder so, das lassen und jenes tun, hier nein und dort ja sagen.
  41. Und  Marja gab  sich atemlos  Mhe, alle  zufriedenzustellen. Sie hatte ein
  42. feines Gespr dafr entwickelt, welches Verhalten bei den anderen Miáfallen
  43. ausl”ste, und  sie sorgte „ngstlich  dafr, Unerwnschtes zu  vermeiden. So
  44. erhoffte sie sich Wohlwollen und Zuneigung zu sichern.
  45. Wenn sie einmal traurig war,  zwang sie sich zu unverbindlicher Heiterkeit.
  46. Schlieálich hatten die anderen genug  eigene Probleme. Wenn sich, wenn auch
  47. nur ganz leise,  Žrger in ihr regte, schickte sie  ihn schuldbewuát in ihre
  48. innere Verbannung,  weil die anderen  mit Sicherheit eher  Recht hatten als
  49. sie. Ja, und  ganz kleine, schon ein wenig blasse  Wnsche hatte sie damals
  50. auch noch, doch die der anderen waren so selbstverst„ndlich wichtiger.
  51.  
  52.  
  53.  
  54.  
  55.  
  56.  
  57. Doch obwohl  sie sich so schrecklich  viel Mhe gab, fhlte  sie sich immer
  58. unzul„nglicher.
  59.  
  60. Wen sie etwas sagte, sollte sie es anders sagen. Hier die Meinung des einen
  61. und dort die Meinung des anderen.
  62. Wenn sie etwas tat, sollte sie es  anders tun. Mal wie es dem einen gefiel,
  63. mal wie es der andere fr wnschenswert hielt.
  64.  
  65. Marja verteilte ihr Ich wie  einen gesprungenen Spiegel, in dessen Scherben
  66. sie ihr  Bild nur noch  ganz zersplittert sehen  konnte. Und immer  saá sie
  67. zwischen den Sthlen. Entt„uscht und mit unvermindertem Hunger nach Liebe.
  68.  
  69. Eines  Tages jedoch  ging gar  nichts mehr.  Marja wurde  krank. Sie konnte
  70. nicht mehr sprechen,  sie konnte sich nicht mehr bewegen.  Sie lag nur noch
  71. in  ihrem Bett,  gefesselt von  einer l„hmenden  Traurigkeit. Bekam Fieber.
  72. Kein Arzt  konnte ihr helfen,  keine Medizin. Sie  war stumm und  blaá, und
  73. manchmal weinte sie.  Hin und wieder hatte sie wirre  Tr„ume, die sie nicht
  74. zu deuten wuáte. Sie fhlte sich unendlich allein.
  75.  
  76. Da geschah es,  daá sie in einer jener N„chte,  in denen sie nicht schlafen
  77. konnte, einen Schatten  am Fenster wahrnahm. Žngstlich starrte  sie auf die
  78. Umrisse eines bizarren Etwas, das  sich auf dem Fensterbrett niedergelassen
  79. hatte.
  80. "Mach das  Fenster auf, Marja", vernahm  sie eine leise Stimmt.  Auch jetzt
  81. war ihr Gehorsam  noch st„rker als die Angst, und  sie sammelte ihr biáchen
  82. Kraft,  um  aufzustehen  und  dieses  seltsame  Ding  einzulassen.  Es flog
  83. geradewegs auf ihre Bettkante. Marja  setzte sich furchtsam ans Fuáende und
  84. wartete ergeben auf weitere Geschehnisse.
  85. "Das  war wohl  allerh”chste Zeit,  daá ich  zurckkomme", sagte die Stimme
  86. atemlos. "Du hast mich ja ganz sch”n weit fortgeschickt!"
  87.  
  88. Marja blickte das  Ding verst„ndnislos an. Sie konnte  sich nicht erinnern,
  89. es schon jemals  gesehen zu haben. Merkwrdig sahe es  aus. Ein biáchen wie
  90. eine Wurzel, aber  es hatte auch Ecken und  Kanten, wie ein ungeschliffener
  91. Stein.
  92.  
  93. "Nein, Marja,  so hast du mich  wirklich noch nicht gesehen",  erkl„rte das
  94. Wesen nachsichtig.  "Ich habe mcih nur  fr dich sichtbar gemacht,  weil du
  95. ein  deutliches   Signal  brauchst.  Sonst  h„ttest   du  mich  nicht  mehr
  96. wahrgenommen.  Ich bin  sicher, daá  du dich  kaum noch  an mich erinnerst,
  97. nicht wahr?"
  98. Marja schttelte stumm den Kopf.
  99. "Ich bin dein Ichwill", sagte das eigenwillige Ding.
  100. "Mein Ich-will?" Das Wort lag sperrig in Marjas Mund.
  101. "Ja, dein  Ichwill", antwortete dieses,  "mit all deinen  Tr„umen, Wnschen
  102. und Vorstellungen."
  103. Marja schluckte. Diese Worte waren ihr  nicht gel„ufig, und sie lagen jetzt
  104. fremd und zugeschnrt auf ihrer Bettdecke.
  105.  
  106.  
  107.  
  108.  
  109.  
  110.  
  111.  
  112. Das Ichwill begann wieder zu sprechen.
  113. "Eigentlich war  ich schon immer bei  dir, aber man hat  dir den Umgang mit
  114. mir  verboten.  Erinnerst  du  dich,  wie  wir  uns  eine Zeitlang heimlich
  115. getroffen haben?"
  116. Nein, Marja erinnerte sich nicht.
  117. "Oh,  du hattest  groáe Angst,  daá sie  mich entdecken  k”nnten", fr  das
  118. Ichwill fort. "Erst  hast du mich immer versteckt, wenn  jemand in der N„he
  119. war. Hast mich  nur zugelassen, wenn du dir sicher  warst, alleine zu sein.
  120. Sp„ter dann  hast du versuct, mich  glatt und rund zu  schleifen, damit ich
  121. nirgendwo mehr anecke. Als du merktest, daá das nicht m”glich war, wolltest
  122. du mich ersticken, mich ausl”schen. Ich war zwar schon sehr still geworden,
  123. aber ich war noch da. Ja, und dann hast du dir sehr viel Mhe gegeben, mich
  124. einfach  nicht  mehr  zu  beachten,  mich  zu  verleugnen. Du wolltest mich
  125. loswerden, da ich  dir nur hinderlich war. Du  glaubtest, ohne mich endlich
  126. die ganze Liebe der anderen zu bekommen,  nach der du dich so gesehnt hast.
  127. Diese  Sehnsucht, Marja,  hatte mich  gerhrt. Und  ich zog  mich ganz  aus
  128. deinem Fhlen zurck. Heute weiá ich, daá das ein Fehler war."
  129. Das Ichwill schwieg nachdenklich.
  130. Marja  hatte atemlos  zugeh”rt. Zun„chst  saá sie  wie versteinert da. Dann
  131. versprte sie einen Schmerz in sich,  scharf wie ein Messerschnitt, der ihr
  132. Tr„nen in die Augen trief. Was hatte sie diesem armen Ding alles angetan!
  133. "Du tust  mir so leid", flsterte  sie erstickt. Das Ichwill  lachte lachte
  134. liebevoll.
  135. "Das ist gut",  sagte es nachsichtig. "Denn immerhin bin  ich ein Stck von
  136. dir.  Und endlich,  Kleines, endlich  empfindest du  einmal Mitleid mit dir
  137. selber. Doch h”re mir weiter zu, Marja, ich habe dir noch mehr zu sagen.
  138.  
  139. Nach  meinem Rckzug  hast du  dich bedingungslos  den Ichwills der anderen
  140. unterworfen.  Warst formbar  wie Wachs  und hast  dich verformen lassen. So
  141. oder so oder  auch so und so. Du warst  ein pflegeleichtes Ding. Bequem und
  142. biegsam  zu  handhaben.  Ganz  verfgbar  fr  die jeweilige Willkr deines
  143. Gegenbers.  Man  hatte  leichtes  Spiel  mit  dir.  Zu  leicht, Marja. Ein
  144. Spielzeug  ohne  Widerstand,  ohne   eigene  Impulse,  was  keine  Spannung
  145. erzeugte, keine Anregung bot zu lebendiger Auseinandersetzung.
  146. So warst  du den einen Sklavin  - sie konnten mhelos  m„chtig werden neben
  147. dir -  und den anderen  eher eine Last  mit deiner klammernden  Angst, ihre
  148. Zuneigung zu  verlieren. Und jetzt,  jetzt hast du  dich v”llig verausgabt,
  149. ohne etwas zurckbekommen  zu haben. Jedenfalls nichts von  dem, was du dir
  150. so sehr gewnscht hast.
  151. Deine  Seele blutet  schon lange,  Marja. Doch  du warst  dir nicht  einmal
  152. so viel  wert, daá du diese  Wunden gepflegt h„ttest. Nun  liegst du da und
  153. bist krank. Stumm und reglos.
  154. Die  Verweigerung  deines  K”rpers  spricht  eine  deutliche  Sprache.  Die
  155. Botschaft heiát Kapitulation. So geht  nichts mehr, aber vielleicht geht es
  156. anders. Dein Fieber ist eine Form von  Rebellion. Da glht etwas in dir. So
  157. als ob sich ein Funke entzndet h„tte."
  158.  
  159.  
  160.  
  161.  
  162.  
  163.  
  164.  
  165.  
  166.  
  167. Marja faáte  sich an die  heiáe Stirn. Sie  war sich auf  einmal nicht mehr
  168. sicher, ob  diese ganzen Geschehnisse  nicht Ausgeburten eines  Fieberwahns
  169. waren. Abe das offene Fenster und auch das bizarre Ding neben ihr schlossen
  170. ihre Zweifel aus.
  171. "Warum bist du zurckgekommen", fragte sie fast tonlos.
  172. "Weil du mich gerufen hast, Marja", antwortete das Ichwill.
  173. Marja versuchte ungl„ubig sich zu erinnern.
  174. "In deinen Tr„umen hast du mich gerufen", erkl„rte das Ichwill.
  175. "Die  Botschaften  waren  verschlsselt,  weil  du  mich  so sehr verdr„ngt
  176. hattest. Und  doch waren sie  eindeutig. Deine Krankheit  ist nichts weiter
  177. als  deine Flucht  in einen  Schutzraum, in  dem du  unbedroht von  „uáeren
  178. Einflssen auf meine  Rckkehr warten wolltest. Sie ist  dein Aufb„umen vor
  179. der endgltigen Selbstaufgabe".
  180.  
  181. Marja  begann zu  zittern. Ihr  war, als  wrde ein  inneres Erdbeben  ihre
  182. Versteinerung erschttern.  Sie fhlte so  vieles in sich  br”ckeln, sprte
  183. Schwingungen  und Vibrationen.  Alles in   ihr schien  sich in  Bewegung zu
  184. setzen, und das machte ihr groáe Angst.
  185.  
  186. Das Ichwill schlug eine Brcke zu ihr und legte sich in ihre H„nde.
  187. "Hab keine Angst,  Marja", sagte es ernst. "Du r„umst  auf in dir. Schaffst
  188. Platz fr  mich, damit ich  in dir wachsen  kan. Laá dir  Zeit. Du wirst so
  189. vieles neu  kennenlernen mssen, wirst  ausprobieren und fr  dich Wagnisse
  190. eingehen. Du wirst die N„he zuz dir suchen, durch all die Irrtmer zwischen
  191. dir. Und du wirst  den Mut finden, zu dir und vor  allem zu deinen Neins zu
  192. stehen."
  193.  
  194. "Zu meinen Neins", fragte Marja z”gernd.
  195. "Ja",  sprach  das  Ichwill,  "deine  Neins  sind  dein  Widerstand,  deine
  196. Weigerungen, dein  Protest, Dinge hinzunehmen,  die dich klein  und demtig
  197. machen.
  198. Viel zu lange hast du diese Regungen in dir unterdrckt, weil die Abh„ngig-
  199. keit  vom  Wohlwollen  der  anderen  dich  glauben  lieá, durch Widerspruch
  200. Zuwendung zu verlieren. Deine Sehnsucht nach Anerkennung, nach Gemochtwer-
  201. den war so  blind und verzweifelt, daá du  bedingungslos bereit warst, dich
  202. in deinem Sosein aufzugeben. Du wolltest geliebt werden, aber da war nichts
  203. mehr erkennbar,  was man h„tte  lieben k”nnen! Du  warst ausdruckslos, ohne
  204. Pr„gung, ohne Selbstwert. Und damit auch ohne Wert fr andere.
  205.  
  206. Marja k„mpfte mhsam  um Fassung. Es tat weh, diese  Erkenntnis, daá sie in
  207. ihrem bisher gelebten Leben einem vermeintlichen Paradies hinterhergelaufen
  208. war  und  daá  niemals  die  Aussicht  bestanden  hatte,  es  berhaupt  zu
  209. erreichen, um darin  wie ein Kind Zuflucht zu  finden. Die Richtung stimmte
  210. nicht, und das Ziel war fragwrdig. Jetzt lag es an ihr, einen neuen Weg zu
  211. finden, ihren Weg. Und der war noch g„nzlich unerschlossen.
  212. "Aber ich will,  ja, ich will..." sagte Marja  aufgeregt und erschrak. Ihre
  213. H„nde waren leer, und sie konnte das Ichwill nirgendwo im Raum entdecken.
  214. "Ich  bin  da,  wo  ich  hingeh”re",  vernahm  sie  seine  Stimme.  Und das
  215. Merkwrdige war, daá Marja sie in sich wahrnahm, das heiát, es war eher wie
  216. ein Denken von ihr.
  217.  
  218.  
  219.  
  220.  
  221.  
  222. "Doch, ja" sagte  sie jetzt zu sich, "ich  will mit mir sein, mich  mit mir
  223. anfreunden.  Ich will  mit meinen  Wnschen, meinen  M”glichkeiten vertraut
  224. werden. Ich will mein Ichwill kennenlernen."
  225. Und Marja stand auf und ging aus der Tr, ihrem Abenteuer entgegen.
  226. Die Suche begann ganz vorsichtig.
  227.  
  228.  (c) J. Quirmbach