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- Hi Folks!
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- Ich habe in den letzten Wochen den ganzen 'Spaß' in der deutschen BBS-Szene
- mitverfolgen müssen und ziemlich lustige Texte dazu gelesen, in denen sich
- größtenteils gefrustete Trader/Gamer über ihre Gefühle auslassen, wohl durch
- das Zusammentreffen des nochmaligen Amiga-Ausverkaufes und dem Hochgehen
- einiger der wenigen verbliebenen Amiga-BBS in Deutschland durch einen spät-
- pubertierenden Jungfamilienvater, der wohl für seine CD-Abos zu viel bezahlt
- hat und deswegen Amok läuft.
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- Wie die vernünftigen Leute unter Euch wissen, ist die Amiga-Szene nicht
- (nur) die Crack-BBS und der Trader, so daß man (diese Antworten gebe ich
- global an die Jammer-Mails zurück, die ich lesen mußte) sich vielleicht mal
- die folgenden Punkte durch den Kopf gehen lassen sollte:
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- 1. Der Amiga stirbt nicht, er ist schon tot. Schon seit 1991 zogen sich die
- letzten großen Softwarefirmen von einer Maschine zurück, auf der sie nichts
- verdienen konnten, zumal die Hardware nicht mehr den Anforderungen entsprach.
- Die Zeit der Enthusiasten war vorbei, Cross-Compiler erzeugen schlecht
- optimierten Code, der mehr Prozessorleistung verschlingt und keinen Platz
- für Anpassungen auf exotische Spezialchips sowie minderbemittelte CPU-Ratios
- läßt.
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- 2. Die Szene (falls es DIE Szene überhaupt je gab, Nostalgie läßt vieles in
- besserem Licht erscheinen) ist nicht erst seit Jüngstem die Hauptquelle
- des Überlebens und auch des Sterbens des Amiga.
- Der typische Werdegang (der auch mich einschließt) sah doch in etwa so aus:
- Man fängt an, Spiele und Anwendungen aus jedwelcher Quelle auch immer ein-
- zusammeln, kommt dabei mit vielen Leuten in Kontakt. In der Regel gehört man
- dann noch zur Liga der kein eigenes Geld Verdienenden. Die Szene macht Fun,
- Meetings, Copypartys, verbale Kraftmeierei, Scenegroups sind geil und geben
- einem ein prima Wertigkeitsgefühl. Diejenigen, die etwas in der Birne haben,
- fangen selbst an, kreativ zu werden, zu programmieren, zu komponieren etc.
- Und es wird immer fleißig weiter mit RK's rumgespielt.
- Doch irgendwann wird der Bub mal erwachsen (manche werden es spät), muß sich
- den Widernissen des Lebens frontal stellen, also Geld verdienen und sich um
- seine evt. gegründete Familie kümmern. Für fast alle endet hier das Interesse
- am Computer, für einige Wenige wird es zum Beruf.
- Auf der Strecke bleibt der Amiga, denn wenn sich unser fiktiver Szenemensch
- dann noch (beruflich wahrscheinlich) mit Computern abgibt, kauft er auf dem
- Rechnersystem, welches er früher als Ekelrechner ansah, die Software, welche
- er in der Preislage seinem Amiga nie spendierte, und wundert sich dann noch,
- Gleichartiges auf einem Amigamonitor nie zu Gesicht bekommen zu haben.
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- 3. Da jammern doch tatsächlich einige den 'bösen Crackern' die Ohren voll, sie
- hätten die Amiga-Szene wegen des Erzfeindes Intel-PC verlassen und deswegen
- gäbe es in den 'Boards keinen Stuff mehr'.
- Was, bitte schön, gibt es denn noch zu cracken derzeit? Bis auf einige
- Kleinsoftwarefirmen wie Silltunna und der Demoszene entwachsene Leute bei
- Team 17 codet keiner mehr Spiele, und lt. Auskunft von Digita/Softlogic
- wäre auch eine der letzten Standbeine der Amigaanwendungssoftware nicht mehr
- existent, wenn es die Softwarebundles mit Amiga Technologies nicht gegeben
- hätte. Die Verkaufszahlen der Amiga-Produktlinie ist deprimierend, und nur
- das Bewußtsein, daß ein Umstieg in den Intel-Bereich sowieso chancenlos ist,
- läßt einige Amiga-Firmen noch weiterarbeiten. Major-Produkte erfordern
- Mannjahre an Arbeit, und dies tut man nur in den wenigsten Fällen aus Idea-
- lismus (die Liste der Dahingeschiedenen spare ich mir hier).
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- 4. Durchhalteparolen gehören insbesondere im Computergeschäft zum Handwerk.
- Es ist nur ziemlich lächerlich, wenn aus der maroden Situation, daß ein
- Computersystem innerhalb von 2 Jahren mehrmals den Besitzer und auch die
- Entwickler wechselt, nun von irgendwelchen Kleinfirmen gerettet werden soll,
- wenn das Mammutunternehmen Commodore dies nicht fertigbrachte.
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- Ein paar Denkanstöße:
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- - an dem revolutionärem Konzept, daß Jay Miner mit Dale, Sassenrath etc.
- vorstellten (keine festen Adressen, Mehrprozessorsystem, getrennte
- Systembusse u.a.) ist nichts Grundlegendes seit 1984 mehr serienreif
- geworden. Wir arbeiten an einem Rechner von 1983. Im Wintel-Lager ist
- der Zustand kongruent, aber die Chipevolution schlägt sich hier wenigstens
- (Masse statt Klasse) in schneller arbeitenden CPU- und Grafiksystemen
- nieder.
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- - Wenn man schon ein Nischenprodukt abseits vom Mainstreammarkt erfolgreich
- etablieren (und verkaufen) will, muß man entweder etwas Einzigartiges
- bieten oder/und ein Produkt, daß etwas kann, was der Konkurrent nicht
- zu bieten hat.
- Genau diesen Punkt erfüllte der Amiga am Anfang seines Daseins im Grafik-
- bereich und später im Massenmarkt bei Spielen. Heute sind seine Vorteile
- nicht mehr existent, das Produkt ist also überaltert. Einzig das bis heute
- beste existierende Betriebssystem läßt dem Amiga noch ein wenig Luft zum
- Atmen. Seit 1992 jedoch praktisch in der Entwicklung eingestellt und die
- daran entwickelnden Leute in alle Winde zerstreut, ist es nicht mehr
- supportfähig. Nachdem verschiedene Firmen die Sinnlosigkeit eingesehen
- haben, es ohne die Hilfe der alten Programmierer zu updaten, kocht jetzt
- jeder sein eigenes Süppchen, ProDad mit ProDOS, Phase5 mit MultiDOS ...
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- - Die einzig kompetente Crew, Viscorp, die Einige der alten Los-Gatos-Leute
- und viele ehemalige Commodore-Entwickler beschäftigen, wollen einen
- neuen Markt erschließen wie auch damals, 1983. Derzeit boomte der Markt
- der Homecomputer, verschiedene System harmonierten nebeneinander und
- verkauften sich alle. Heute bei veränderten Verkaufsverhalten wird
- ein neuer Amiga sich nur bei grundlegend verbesserter Architektur
- noch absetzen lassen (RISC, mind. 24Bit-GFX, Steckkarten für alle Amigas
- etc). Auch ein Steve Jobs ist mit seiner Next-Cube gescheitert, obwohl
- diese Maschine all das bot, was man uns heute verspricht.
- Meiner Ansicht wird Viscorp die Amigagemeinde neben dem Prioritätsfaktor
- ED (Settop-Bereich) 'nebenbei' mit einem modernisierten OS (Carl sei Dank),
- Abfallprodukt des ED, und einigen Amigatypen mit 68K CPUs, etwas opti-
- mierten Systembussen und in einigen Monaten mit erweiterten Customchips
- im GFX/Soundbereich 'beglücken', die wiederum nicht für die älteren
- Amigas kompatibel (aufrüstbar) sein werden, denn man will ja schließlich
- verkaufen und nicht Samariter spielen. Bis dahin werden die letzten paar
- hundert Leute, die auch Software KAUFEN, abgewandert sein, und der Amiga
- praktisch am PD/Sharewaretropf hängen.
- Randkuriositäten wie andere Betriebssysteme werden entweder nur die
- Platte sinnlos verstopfen (ProDOS), um ein bestimmtes Produkt lauffähig
- zu halten, oder genauso schnell in der Bedeutungslosigkeit versinken
- wie andere Ansätze (siehe Repro Studio).
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- 5. Die Szene
- Was ist Szene? Jeder sieht etwas anderes darin. Als ich 1979 begann, be-
- stand Szene aus Leuten mit Lötkolben und Schaltkreisen, die sich ihre
- Minirechner selbst zusammenbauten und ein 'OS' dazustrickten, jeden
- zweiten Tag auf der Post auftauchten mit Päckchen, mittels derer
- man sich mit Enthusiasten in der ganzen Republik Software austauschte.
- Ab und zu gab es Treffen (nennt man heute Partys), um sich persönlich
- kennenzulernen (was heute zu Besäufnissen und Klauorgien ausartet).
- Mitte der Achziger änderte sich das Klima: Leute tauchten auf, die
- mehr Interesse an Copyfeten denn an Erfahrungsübermittlungen hatten,
- und heute muß man kompetente Leute nicht nur mit der Lupe suchen, sondern
- gezielt überreden, überhaupt noch zu erscheinen.
- Fazit: Für mich ist die 'Szene', die ich kenne schon lange tot, ich suche
- mir aus, mit wem ich mich abgebe und globalisiere nicht.
- (OK, 'Deine Zeit ist abgelaufen', hat man mir mal gesagt, aber dann
- jammert nicht selbst den alten Zeiten hinterher).
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- Leute, die 'Eliteboards' betreiben und aus Geldgeilheit noch CD's brennen,
- sollten sich über überhaupt nichts mehr wundern, am Wenigsten über
- geistige Volltrottel, die Anzeigen schreiben.
- Laxity hats schon 1987 gesagt: Geld und Scene passen nicht zusammen.
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- Wir haben also praktisch dieselbe Situation wie 1986, als sich einen Amiga nur
- der kaufte, der sich seine Software selber schrieb in dem Bewußtsein, auf seinem
- Schreibtisch einen liebenswerten Außenseiter stehen zu haben. Die Fronten klären
- sich, und ich habe sogar den Vorteil, in Zukunft von spielesüchtigen Teenagern
- verschont zu bleiben.
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- Wen die obigen Zeilen deprimieren, der kaufe sich doch bitte etwas 'Zukunfts-
- kompatibles', denn er hat sich aufgrund eines kurzzeitigen Booms Anfang der
- 90ger verleiten lassen, etwas zu kaufen, was seine Erwartungen nicht erfüllt
- hat.
- Mit Leuten ohne Visionen und dem Bewußtsein, das Monopole tödlich für
- Kreativität sind, wird auch der Amiga sterben.
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- Mein erster Amiga kostete mich 1985 24.000 Mark (ich bin gelernter DDR-Bürger
- und habe 3 Jahresgehälter gelöhnt, wer würde dies heute noch tun von Euch :-) )
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- I have this vision, have YOU never hasn't it ?
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- RD10
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