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- DER GANZ NORMALE WAHNSINN PART I. 1.Teil
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- Wunderschönen...
- Haben Sie nicht auch den Drang...???
- Fühlen Sie nicht auch diese innere Anspannung...??? Es ist warm,
- die Vöglein zwitschern, die Sonne scheint und nebenan verabschie-
- det sich gerade mit einem lustigen "Klick" der Herzschrittmacher
- Ihres Nachbarn....
- Richtig!! Zeit in Urlaub zu fahren. Endlich ausspannen, die Son-
- ne genießen, am Strand liegen und faulenzen, alle Sorgen verges-
- sen... wobei die größte Sorge leider unmittelbar neben Ihnen am
- Strand liegt... aber als treusorgender Familienvater kann man ja
- schließlich nicht einfach seine Frau und seine zwei häßlichen
- Bälger zuhause lassen....
- Doch werden plötzlich diese wundervollen Gedanken durch einen
- Brüll unterbrochen, der Sie seit 21 Jahren, jeden Tag auf's neue
- aus Ihren schönsten Träumen reißt. "Kaaaaaaaaaaaarl-Heinz...."
- Sie erheben sich mühsam aus Ihrem Sitz, die Hauspantinen schei-
- nen unter der Wucht Ihrer 120 Kilo zu bersten.
- Mit einer unglaublich wendigen Bewegung, die man Ihnen gar nicht
- zugetraut hätte, drehen Sie sich um und verlieren das Gleichge-
- wicht.... zitternde Hände versuchen sich im Fluge an irgendeinen
- Gegenstand zu klammern, Finger in panischer Bewegung umfassen ei-
- ne Goldkante... und mit einem lauten "Rumms", testen Sie die
- Haltbarkeit Ihres Fußbodens, welchen anschließend noch eine her-
- untergerissene Goldkante nebst Gardine, eine Gardinenstange und
- eine schmuckvoll gestaltete Stehlampe erreichen. Na, da haben
- wir uns doch wohl nicht zuviel Beweglichkeit zugetraut...??
- "Kaaaaaaaaaaaarl-Heinz....verdammt nochmal, wo bist Du denn...??"
- Sie sind fest entschlossen zu antworten, als Ihnen plötzlich
- klar wird, daß sich bis vor kurzem, außer Ihnen, noch ein Mitbe-
- wohner im hiesigen Raum befand. Waldi, ein Dackelrüde und
- Oberdeckel der Dackelvereinigung Grün-Weiß-Nippes e.V., stand
- doch gerade noch schwanzwedelnd vor Ihnen....
- Und nun....??? Eine mörderische Stille durchzieht den Raum, in
- dem Sie sich, immer noch begraben unter diversen Gardinen- und
- Lampenteilen, befinden.
- Nur das leise Surren der Mixmaschine aus der benachbarten Küche
- ist zu hören, in der gerade Ihr Jüngster die Belastbarkeit sei-
- nes Goldhamsters testet.
- Als Sie sich endlich entschließen können, den hellbraunen Tep-
- pichboden zu verlassen, wird Ihnen auf einen Schlag die ganze Un-
- sinnigkeit Ihres bisherigen Lebens klar. Sie gehören ab dem heu-
- tigen Tage nicht mehr zu den glücklichen Besitzern eines Deckel-
- dackels... Dieses widerliche pfannkuchenähnliche Teil, welches
- Sie in erschreckender Art und Weise an das Ergebnis Ihres letz-
- ten Besäufnisses erinnert und nun breitbeinig auf Ihrem Teppich
- klebt, hat beileibe keine Ähnlichkeit mehr mit einem stolzen
- schwanzwedelnden Deckeldackel.
- Und während sich gerade eine Träne aus Ihren mitternachtsblauen
- Augen lösen will, und ihr Juengster sein Küchen- und Mixerexperiment
- mit den Worten, "Du Mami, Hamsi ist tot... ach ja: un der Mixer iss'
- am Arsch...", abgeschlossen hat, dringt erneut diese keifende Stimme
- hart und unerbittlich in Ihren Dunstkreis ein. "Da bist Du ja....
- Was machst Du denn da auf dem Boden...??? Was soll der Stuß mit den
- Gardinen...??? Ach ja, kratz' den Mist da vom Tep- pich, wasch' Dir
- die Hände und mach' hin... Ich bin mit Packen fertig....". Ihr Blick
- wird starr, unerbittlich....sie öffnen die Lippen... Ja, jetzt muß
- es wohl sein... einmal ist Schluß.... dieses dämliche Weib. Was
- glaubt die denn, wer Sie ist.... jetzt werde ich Ihr..... "Ja, mein
- Schatz...ich komme....." Und während Sie sich nun mühsam von
- Gardinenstangen und ähnlichen Unwichtigkeiten des modernen Lebens
- befreien, taucht erneut diese mörderische Ruhe auf. Eine Ruhe, die
- nur durch den Schrei Ihrer Nachbarin unterbrochen wird, die sich
- wohl just in diesem Moment ernste Gedanken um die Haltbarkeit von
- Herzschritt ma- chern machen wird.... Naja, es kann ja nicht nur
- glückliche Menschen geben...
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- Als Sie sich endlich erhoben haben und noch einmal einen Blick
- auf den Matsch werfen, der dort auf Ihrem Teppich klebt und der
- einst Ihren treuesten aller Freunde darstellte, steht plötzlich
- Ihre zehnjährige Tochter vor Ihnen. "Duhu Papi...Peter hat den
- Hamster gemixt.... ist Hamsi jetzt tot ?? Warum klebt denn Waldi
- auf dem Teppich...??" Was soll man einem zehnjährigen Mädchen in
- solch einer Situation sagen??? Soll man Ihr die Wahrheit sa-
- gen...??? Soll man wirklich zugeben, daß Papi zu blöd ist, auf-
- recht in einem Raum zu stehen und das der völlig mißratene Sohn
- ein Arschloch ist...??? "Du, mein Schatz.... ähm... naja Hamsi
- ist jetzt im Goldhamsterhimmel... ähm... öh...dem geht es jetzt
- gut...der ist jetzt bei Gott. Und Waldi leistet ihm dort Gesell-
- schaft..." Naja, sie wird es schon verkraften, denkt man sich,
- wobei man sich ehrlich Gedanken um die Psyche seiner Tochter
- macht. Wird sie diese schweren Schicksalsschläge begreifen..??
- Wird sie damit fertig...????
- "Gott...??? Ist das nicht der, der mir zu Weihnachten immer die-
- se blöden Puppen schenkt...??? Kommt Waldi jetzt als Zombie wie-
- der... dann mußt Du Ihm in den Kopf schießen...." Wie gut, daß
- die Erziehung heute weitgehend von der hiesigen VideoIndustrie
- übernommen wird...
- "Kaaaaaaarl-Heinz....kommst Du jetzt endlich....??? Wir kommen
- doch sonst nie in Italien an....." Unendlich langsam steuern Sie
- der Wohnzimmertür entgegen. Und während irgendwo auf dieser gro-
- ßen weiten Welt ein Schrei durch die Straßen zieht, weil sich
- einmal mehr beweist, daß das Fahren mit einem Elektrorasenmäher
- über den eigenen Fuß recht schmerzhaft sein kann, betreten Sie
- die heimische Küche. Dort sitzen sie nun alle erwartungsvoll um
- den Küchentisch. Das was sich in Fachkreisen Familie nennt,
- blickt nun gespannt auf die Küchentür, in der sich soeben Ihre
- trostlose Erscheinung blicken läßt.
- Eine Ehefrau, die sie nur deshalb geheiratet haben, weil Ihnen
- nie eine der Schönheiten bei ALDI begegnete, die sie tagtäglich
- im neuen Farbfernseher betrachten dürfen und die noch vor fünf
- Jahren den einzigen, an Ihr festzu stellenden Vorteil besaß, ein-
- mal ein Schreibwarengeschäft zu erben, welches exakt vor besag-
- ten fünf Jahren bis auf die Grundmauern abbrannte und sich hin-
- terher herausstellte, daß dieser vertrottelte Depp, der sich als
- Ihr Vater bezeichnete nie eine Feuerversicherung abgeschlossen
- hatte.
- Einen offensichtlich völlig perversen Sohn, der die Eigenart be-
- sitzt, alles irgendwie Zuckende in Mixer, Kaffeemaschinen, To-
- aster und Kühlschränken unterzubringen. Was war das letztes Jahr
- für eine Überraschung, als Sie beim Öffnen des Eisschrankes fest-
- stellen mußten, daß sich neben diversen Joghurtbechern und Bier-
- flaschen auch Ihre Tochter in einem leicht eingefrorenen Zustand
- in selbigem befand....
- Ach ja, Ihre Tochter...sie ist der ganze Stolz der Familie. Ein
- zehnjähriges Mädchen, welches überzeugt davon ist, daß es sich
- bei dem Tankwart um die Ecke in Wirklichkeit um Freddie Krüger
- handelt, daß der Papst früher eine Eishockeymaske trug und mor-
- dend durch acht Folgen der "Freitag der 13."-Serie zog und daß
- Helmut Kohl eigentlich RoboCop heißt.
- "Was iss' jetzt...???...Können wir endlich fahren...oder
- was...???" Da sitz Sie nun und schwafelt etwas von Urlaub....ach
- warum macht es nicht einfach "Plopp" und sie verschwindet auf
- Nimmer Wiedersehen in den unendlichen Weiten der Milchstras-
- se...?? "Ja, mein Schatz, wir fahren jetzt....ich muß nur noch
- Waldi abkratzen und anschliessend würdevoll beerdigen..."
- Die Blicke, die auf Ihnen lasten, werden nun vorwurfsvoll. Und
- während auf einer beliebigen deutschen Straße, ein Mofafahrer
- versucht, Haltungsnoten für den freien Fall über eine Motorhaube
- zu bekommen, um dann festzustellen, daß das blose Aufprallen auf
- Asphalt keine Haltungsnoten verdient, vernehmen Sie die eindeu-
- tig zu identifizierende Stimme Ihres Sohnes.
- "Hör mal Papi...laß ihn doch kleben...das können wir doch nach
- dem Urlaub noch abkratzen....iss' doch cool, so'n klebriger Dac-
- kel auf'm Teppich". Und Ihre Tochter blickt Sie würdevoll an,
- "Duhu...Papi...darf ich ein Stück Waldi mit nach Italien neh-
- men...??"
- In diesem Augenblick beginnen Sie sich wieder zu fragen, ob die-
- se drei Gestalten, die langsam unruhig auf den Küchenstühlen hin
- und her rutschen, wirklich Ihre Familie darstellen sollen, oder
- ob nicht vielleicht ein kosmischer Unfall an ihrer Anwesenheit
- schuld ist... Sie begeben sich in die Diele, um Ihre Jacke zu su-
- chen, in welcher Ihre Frau sämtliche für die Urlaubsreise wichti-
- gen und unwichtigen Papiere verstaut hat, als es ganz unvermit-
- telt an der Haustür klingelt.
- "Das wird meine Mutter sein", vernehmen Sie wie durch einen dich-
- ten Nebel die Stimme Ihrer Frau. "Ich erwähnte doch, daß sie
- auch mit nach Italien kommt... oder nicht.....???" Sie fühlen
- sich schwach... unendlich schwach... und Gedanken durchdringen
- Ihren Kopf. Nein, das nicht.... nicht diese widerliche alte Berg-
- ziege, die nur noch auf der Welt ist, um Ihren ersten Herzin-
- farkt nicht zu verpassen. In all' den Jahren Ihrer Ehe lernten
- Sie durch Ihre Schwiegermutter 31 Männer namentlich kennen, die
- alle viel besser zu Ihrer Frau gepaßt hätten und denen Sie nie
- das Wasser hätten reichen können. Ach hätte Ihre Frau doch auf
- ihre Mutter gehört... dann hätten Sie jetzt drei Sorgen weni-
- ger....
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- Und während Sie sich gerade Gedanken über die Frage machen,
- wieviele Jahre Sie von der deutschen Justiz für einen Doppelmord
- bekommen könnten, stürmt Ihre Frau auch schon an Ihnen vorbei
- und öffnet die Wohnungstür.
- "Hallo Mutter... schön das Du da bist.... wir fahren gleich
- los...." Sicher ist es irgendwie schön, daß Ihre Schwiegermutter
- da ist. Aber noch viel schöner wäre es gewesen, wenn sie statt
- sieben Koffern einen Sarg mitgebracht hätte, in den sie sich mit
- den Worten "Ich muß jetzt von euch gehen", verzogen hätte... Und
- während Sie sich gerade vorstellen, wie schön es wäre, eigenhän-
- dig die Schrauben in den Sargdeckel zu drehen, stürmen auch
- schon Ihre beiden Gören an Ihnen vorbei, in Richtung Wrack....
- "Duhu... Omi... Hamsi ist gemixt... Waldi klebt im Wohnzimmer...
- und weißt Du schon, daß Boris Becker Batman ist....??"
- Würdevoll, ganz würdevoll stolziert diese häßliche Gestalt nun
- an Ihnen vorbei, blickt sie an, wie ein Reh blickt, kurz bevor
- die Augen brechen, bewegt sich schnurstracks auf Ihre Küche zu
- und begrüßt ihre liebe Familie. "Guten Tag Hannelore (Ihre
- Frau)... schön daß wir den Urlaub gemeinsam verbringen können...
- guten Tag Peter.... Sabinchen, mein Schatz... Du bist aber groß
- geworden.... Boris Becker ist Batman.... ehrlich???...
- ach ja ....Tach Dingsbums...."
- Ich heiße nicht "Dingsbums", schießen Ihnen die Gedanken durch
- den Kopf... Ich habe nie "Dingsbums" geheißen... und werde auch
- nie...
- Und während Ihnen die Beweggründe eines Freddie Krüger plötzlich
- überhaupt nicht mehr fremd erscheinen und Sie sich lediglich dar-
- über ärgern, daß er nie da ist, wenn man ihn braucht, erwarten
- Sie in einer unglaublichen Lässigkeit die logischerweise unmit-
- telbar folgenden Befehle Ihrer lieben Gattin...
- Und siehe da... während sich im benachbarten Garten irgendein An-
- gestellter des städtischen Gartenbauamtes über das Verschwinden
- seiner Fingerkuppen wundert, die er sich beim Rosenschneiden mit
- einem deftigen "Hurray" auf den Lippen fachgerecht demontiert
- hat, können Sie die Stimme Ihrer Herrin und Meisterin verneh-
- men...
- "Ähm... bring doch schon mal das Gepäck runter.... Mutter hat ja
- nicht viel... ich komme gleich mit den Kindern und Mutter
- nach... und vergiß' Deine Jacke nicht... hast Du auch alles...??"
- Sie bewegen sich langsam Richtung Ausgang, streifen noch Ihre
- Jacke über, bei der Sie eine deutliche und unangenehme Gewichts-
- zunahme feststellen können, jedes Nachfragen bei Ihrer Frau aber
- direkt wieder aus Ihren Gedanken wischen und machen sich im Haus-
- flur über die Gepäckstücke dieser widerlichen Schnepfe her...
- Schon beim Anheben des ersten Gepäckstuecks stellen Sie unweiger-
- lich fest, daß der gesamte Inhalt lediglich aus Pflastersteinen
- zu bestehen scheint und steuern nun zielstrebig auf den hauseige-
- nen Aufzug zu.
- Unterwegs begegnet Ihnen noch dieser dumme Schnösel aus dem drit-
- ten Stock, dessen ausschließliche Interessen im Abspielen von
- HardRock-Platten in über menschlicher Lautstärke zu liegen schei-
- nen und der Sie auch gleich mit den Worten... "Na Meister...
- geht's inne Ferien... geil wa... ach der Aufzug iss' übrigens
- platt... also machet juut Meister... wa eh...", begrüßt.
- Hatten Sie eben noch über einen Doppelmord nachgedacht, gehen Ih-
- re Gedanken nun unweigerlich in Worte wie Massaker, Overkill
- oder Amoklauf über. Aber da man sich natürlich die schöne Urlaub-
- stimmung nicht verderben will, nimmt man auch vier Etagen mit
- pflastersteinbepackten Koffern in Kauf.
- Und als Sie nach einer halben Stunde, dem Exodus nahe, die Tief-
- garage erreicht haben, alle Koffer irgendwie hähmisch grinsend
- neben Ihnen zu stehen scheinen, wird Ihnen auch schon wieder
- warm um's Herz.
- Da steht er also. Der nagelneue Mercedes 200 D, den Sie mit vie-
- len Überstunden und einem Bankkredit fast bar bezahlen konnten
- und der Ihnen in diesem Augenblick als das Wichtigste auf dieser
- Welt... zumindest innerhalb der Tiefgarage, vorkommt.
- Seine windschnittige Form strahlt eine ungeheure Sicherheit aus,
- sein blank polierter Stern funkelt durch den Raum und scheint
- die gesamte Garage zu erhellen. Seine silberfarbenen Radkappen
- erinnern Sie unweigerlich an das Gefühl von Macht und Überlegen-
- heit. Sein eingeschlagenes Seitenfenster scheint Sie freudestrah-
- lend anzulächeln und die verkratzte Beifahertür weist auf ty-
- pisch deutsche Qualität hin...
- Moment.... eingeschlagene Fensterscheibe....???? Kratzer auf der
- Tür...
-
- Ihnen wird schwarz vor Augen. Sie denken an Charles Bronson und
- könnten sich in diesem Moment keinen besseren Partner für jenen
- begnadeten Schauspieler vorstellen, wenn es wieder einmal heißt,
- "Zwei Männer sehen rot.." Sie wollen gerade in Tränen ausbre-
- chen, als Sie hinter sich viele Ihnen bekannte Stimmen wahrneh-
- men können.
- "Da wartet man extra eine halbe Stunde und der Mann hat die Kof-
- fer immer noch nicht verstaut.... ach was soll man mit so einem
- Trödler nur machen..." "Ich habe Dir ja schon immer gesagt, daß
- Klaus-Peter besser für Dich gewesen wäre.... aber Du wolltest ja
- nicht auf mich hören..."
- "Duhu.... Mami... wird die Maus, die Peter eben totgemacht hat,
- jetzt ein Zombie....???"
- "Eh geil eh.... die Ratte hat noch gezuckt... Papa... kann ich
- in Italien auch 'ne Ratte haben...??"
- Jetzt ist es soweit. Sie drehen sich einfach um, ziehen einen
- Trommelrevolver Kaliber 45 aus Ihrer Tasche und sind vier Sorgen
- auf einen Schlag los. Aber erstens heißen Sie nicht Charles Bron-
- son und zweitens will die Familie ja in Urlaub....
- "Setzt Euch schonmal rein... ich verstaue noch die Koffer im An-
- hänger...." Und während sich der Rest der Sippschaft um die Fen-
- sterplätze streitet, Sabinchen schließlich mit der Begründung,
- sie könne sonst die vielen tollen Toten auf der Autobahn gar
- nicht sehen, einen Fensterplatz erkämpft hat, Peter mit dem Mit-
- telplatz vorlieb nehmen muß, die Schwiegermutter keifbereit hin-
- ter dem Fahrersitz kauert, Ihre Frau in diversen Straßenkarten
- stöbert... als wenn sie schon einmal im Leben eine Ausfahrt ge-
- funden hätte...., Sie nun endlich die Koffer verstaut haben, auf
- Ihrem Fahrersitz platz nehmen und irgendwo eine Ente erkennen
- muß, daß Motorboote doch stabiler sind, als vermutet, kann die
- Fahrt in's Glück...sprich in den wohlverdienten Urlaub, endlich
- starten....
- "Hast Du auch wirklich alle Papiere...??? Habe ich das Bügelei-
- sen ausgestellt....?? Warum liegen hier denn lauter Scherben
- rum...??? Wo ist denn das Radio....???... "
- "Duhu...Papi....ich muß mal Pipi...."
- Und erneut scheint alles um Sie herum so unwirklich, nicht
- existent... einfach ein böser, dummer Traum, der gleich zerplat-
- zen wird, wie eine Seifenblase. Das einzige, was innerhalb der
- nächsten Sekunden zerplatzt, ist die Blase Ihrer kleinen Toch-
- ter. Und da Sie sowieso den Autoschlüssel auf dem Anhänger lie-
- gen gelassen haben, beschließt man für eine frische Unterhose Ih-
- rer Tochter, sowie einen scherbenfreien Beifahersitz zu sorgen
- und verschiebt die Fahrt um zehn Minuten nach dem ursprünglich
- geplanten ersten Versuch zu verlegen. Und während Sie sich mit
- gefundenem Autoschlüssel erleichtert ein zweites Mal hinter das
- Steuerrad begeben, die Pipigeschichte Ihrer Tochter zur Legende
- geworden ist, hören Sie, unmittelbar hinter sich, erneut diese
- Stimme, die Sie unweigerlich aus Ihren Träumen vom gemütlichen
- Urlaub reißt und wieder diese merkwürdigen Gedanken in Ihnen auf-
- keimen läßt.
- "Hör mal Dingsbums... kannst Du überhaupt Autofahren....???"
- Einen Augenblick lang müssen Sie an James Bond und sein Wunderau-
- to denken, welches doch diesen herrlichen Knopf besitzt, auf des-
- sen Druck sich alles Übel gen Himmel verflüchtigt.
- Ach hätten Sie sich bei der Anschaffung Ihres Traumwagens, des-
- sen Traum nun durch ein Loch in der Seitenscheibe und einer zer-
- kratzten Tür ein wenig getrübt wird und dessen Traumtrübung auch
- durch die Insassen ganz gehörig beeinflußt wird, doch nach diver-
- sen Sonderausstattungen erkundigt. Eine an die Decke der Tiefga-
- rage klatschende Schwiegermutter würde Ihr Urlaubsglück mit ei-
- nem "Klatsch" um mindestens fünfzig Prozent steigern. Nichts de-
- sto trotz war es nun endlich soweit.
- Die Fahrt konnte beginnen...
- Lässig, ungeheuer lässig und vor allem cool drehen Sie den
- Schlüssel im dazu vorgesehenen Schloß um. Und nach kurzer Zeit
- können Sie dieses herrliche Geräusch vernehmen, welches eine
- 200D Powermaschine so zu erzeugen pflegt.
- "Macht die Karre jetzt den ganzen Weg über so einen Lärm... ???
- Ach wir hatten ja damals einen Opel... der war leise... ach könn-
- te das alles mein Mann noch miterleben... geht es jetzt endlich
- los...???"
- Ob ich meinen Zigarettenanzünder stark verschmutze, wenn ich
- mich jetzt ein fach umdrehe und ihn gegen ihre Nasenspitze drüc-
- ke....???
- Doch auch solche Gedanken kommen Ihnen in diesem bedeutungswürdi-
- gen Moment vor wie Schall und Rauch. Und während in irgendeinem
- Kaltwasserbecken ein Goldfisch sein letztes "Blub" haucht, um
- dann auf der Seite liegend Stunden später in irgendeiner Müllton-
- ne zu verschwinden, setzt sich der Wagen nebst Anhänger, sowie
- vier fröhlichen und einem suizidgefährdeten Insassen in Bewe-
- gung...
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- "Warum überholst Du nicht endlich mal irgendjemanden....???
- schließlich fahren wir doch einen Mercedes....." Sicher sind Sie
- stolzer Besitzer eines Mercedes... wenn auch mit eingeschlagenem
- Seitenfenster, welches mit rotem Klebestreifen kunstvoll zu-
- sammengehalten wird. Und sicher würden Sie auch ganz gerne ein-
- mal irgendwann irgendjemanden über holen.... Nur hat die Sache
- einen entscheidenden Haken.
- Sie stehen seit der Überschreitung des Leverkusener Kreuzes in
- einem typischen Fünfzig-Kilometer-Urlaubsstau.... wen um Gottes
- Willen sollen Sie denn da bitte überholen....???
- Sie wollen sich gerade zur Seite drehen, um Ihrer Frau fachmän-
- nisch zu erklären, daß dies aus Gründen der Nichtbenutzbarkeit
- des Seitenstreifens und aus stautechnischen Gründen momentan lei-
- der nicht möglich ist, als Sie mit einem kurzem Blick auf Ihre
- Weltallerliebste feststellen, daß diese, wie auch schon bei Be-
- ginn der Fahrt unaufhörlich mit dem Studieren irgendwelcher Stra-
- ßenkarten beschäftigt ist.
- Jetzt heißt es Interesse heucheln... Ihre Lippen, durch die seit
- ca. einer Stunde, mit der Begründung "Vitamine steigern das
- Konzentrationsvermögen", unnachgiebig, ständig irgendwelche
- Fruchtbonbons geschoben werden, öffnen sich...
- Und während irgendwo in Deutschland ein fröhlicher Heimwerker
- mit der Hand an irgendeiner Wand klebt, weil das Zielen mit Nä-
- geln in Band 1 seiner Heimwerkerbrochüre nicht erklärt wurde,
- drehen Sie sich gewichtig zur Seite...
- "Du, Liebling.... schau' doch mal gerade nach, wo wir uns jetzt
- befinden..." Jaja, Sie befinden sich, exakt dreihundertfünfzig
- Meter vom Leverkusener Kreuz entfernt.... auf einer Autobahn.
- Aber Ihre Frau wird nun denken, daß man sie dringend benötigt
- und wird mit einem wichtigen Lächeln auf ihren Lippen antwor-
- ten... "Ja da siehst Du mal, wie wichtig es ist, sich mit Karten-
- material auszukennen..."
- Und Sie werden die nächsten zwanzig Minuten von weiteren Bonbo-
- nattacken verschont bleiben.... alles Taktik....
- Aber anstatt einer Antwort, herrscht nun völlige Stille in Ihrem
- Fahrzeug... Nur leise, ganz leise, hören Sie das undeutliche Ge-
- murmel Ihrer lieben Gattin. "....hmmmmm.... Kiel.... hmmmm....
- hier muß doch irgendwo Köln sein..... hmmmm" Waren wirklich Sie
- es, der in einem Anfall von geistiger Umnachtung, dieses dümmli-
- che Wesen, welches jetzt Lübeck gefunden zu haben scheint und
- dies mit einem kräftigen "In Lübeck gibt's doch das leckere Mar-
- zipan..." kundtut, geheiratet haben...??? Müssen Sie denn immer
- Pech im Leben haben....???
- "Duhu.... Papi... haste gesehen.... da ist grade Dirty Harry vor-
- beigefahren... tut der jetzt einen erschießen....???" Wer um al-
- les in der Welt ist Dirty Harry...???
- Die Gedanken scheinen nur so an Ihnen vorbeizufliegen. Sie sit-
- zen wirklich in Ihrem Auto, um eine Schar verwirrter Geister
- nach Italien zu transportieren. Sie spielen gerade mit dem Gedan-
- ken, sich von Ihrer Tochter über einen gewissen Harry Sowieso
- aufklären zu lassen, als Ihre gesamte Konzentration durch einen
- markerschütternden Schrei unterbrochen wird.....
- "Daaaaaaaaaaaaaaaaa......... da hinten....."
- InÅxÜSsjÖ Áhaare stehen Spalier. Ihr ganzer Körper bildet eine
- Einheit, die nur noch aus Muskeln zu bestehen scheint.... Jeden
- Moment erwarten Sie einen Knall. Den Knall.... der das Ende Ih-
- res Lebens bedeuten muß.... doch wieder herrscht, eine diesmal
- unbehagliche Ruhe um sie herum.
- Sie wagen kaum zu atmen. Schweißperlen bilden sich auf Ihrer
- Stirn. Sie drehen sich unendlich langsam zur Seite. Zögernd ver-
- formt sich Ihre Gesichtsmuskulatur. Und während in irgendeinem
- deutschen Kinderzimmer, ein beliebiger deutscher vorpubertärer
- schwachsinniger Jüngling feststellen muß, daß sich sein Meer-
- schweinchen im Aquarium des Vaters als nicht wassertauglich er-
- weist, stellen Sie zögernd die Frage, deren Antwort als garan-
- tiert herzinfarktgefährdend eingestuft werden muß...
- "Was ist...... gulp.... da....???"
- Ihr Blick gleitet an einem ernsten Gesicht herunter. Herunter
- auf ein Meer von Straßenkarten. Immer weiter herunter, bis sich
- Ihr Blick an einer Tüte Vitaminbonbons verfängt, die fröhlich ra-
- schelnd zwischen den Stempeln Ihrer holden Gattin herumliegt.
- "Ich glaube..... da hätten wir rausgemußt.... das war, nehme ich
- an, unsere Ausfahrt... da hinten die..... hmmmm.... ich kann
- mich natürlich auch irren...." Und während Sie sich langsam
- ernsthaft für die Schießfähigkeiten des von Ihrer Tochter als be-
- sonders treffsicher beschriebenen Dirty Harry zu interessieren
- beginnen, vernehmen Sie hinter sich die gefürchteste Stimme der
- Cologne West-River-Side.....
- "Ich kann mir vorstellen, was Dingsbums da wieder für einen Kar-
- tenmüll gekauft hat... wieder so billige Dinger auf denen man
- nichts erkennt.... jaja, ich habe ja immer gesagt... der Jür-
- gen... ja... der war mal Pfadfinder... der hätte uns auch blind
- nach Italien gefahren...."
-
- Es vergehen Stunden... Stunden der behaglichen Konversation.
- Stunden in denen Sie neben Dirty Harry noch einundzwanzig weite-
- re Killer kennenlernen, die allesamt, fröhlich winkend, an Ihnen
- vorbeifahren...
- Stunden, in denen Sie etwas über die Umgehungs- und Landstraßen
- von Flensburg erfahren dürfen.... und Stunden in denen Sie ler-
- nen, Bonbons zu hassen.... Das Leverkusener Kreuz befindet sich
- mittlerweile weit hinter Ihnen. Der Stau gehört der Vergangen-
- heit an.... und nur die Stimme Ihrer Tochter liegt Ihnen noch im
- Ohr, als Sie den Grund des Staus, einen wundervollen Auffahrun-
- fall, endlich kennenlernen durften...
-
- "Duhu.... Mami.... guck mal... da iss' ja ein Zermatschter.....
- uhhh doll.... der, der da hinten an der Leitplanke hängt, ist ja
- noch viel zermatschter....." Und Ihr Sohn, ohne den die Batte-
- rienindustrie schon lange pleite gegangen wäre, befreite sich
- endlich einmal von den Kopfhörern seines Walkmans und fügte fröh-
- lich grinsend hinzu... "Eh Mann eh... kommt ja geil... die sehen
- ja fast wie Waldi aus.... wann halten wir denn mal an....?? Ich
- habe Hunger...."
- Irgendwo in einem Kinderzimmer überprüft gerade ein beliebiger
- grosser Bruder mit freundlicher Unterstüzung seiner kleinen
- Schwester die Wirkungsweise von Domestos, um dann feststellen zu
- müssen, daß seine besagte Schwester nach der Einnahme einer hal-
- ben Flasche dieser Wundermedizin so drollige Röchelgeräusche
- von sich gibt, während Sie sich mit Ihrer Familie staufrei gen
- Italien bewegen....
- Die Stimmung im Inneren Ihres Wagens ist deutlich gestiegen. Ih-
- re Frau informiert Sie ständig über mögliche Ausweichmöglichkei-
- ten bei Staus westlich von Pretoria. Ihr Sohn belehrt Sie über
- die Endstehungsgeschichte des Big Mac, ohne auf den Hinweis zu
- verzichten, daß die Toten Hosen bei der nächsten Bundestagswahl
- Chancen hätten, Könige von Deutschland zu werden. Ihre Tochter
- ist nun der festen Überzeugung, daß ihre Lehrerin in Wirklich-
- keit ein mutantenähnliches Alien ist, welches nur mit Hilfe von
- atomgalaktischen Hyperstrahlen vernichtet werden kann... und Sie
- kennen nun, dank der gütigen Mithilfe Ihrer Schwiegermutter, die
- Lebensgeschichten von einem gewissen Dieter Fröhn und Karl-Au-
- gust Bolopp....
- Italien geht Ihnen durch den Kopf.... Strand, Sonne.... gött-
- lich.....
- Sie blicken verträumt in den Rückspiegel.... und erkennen sche-
- menhaft einen Schriftzug mit der deutlich lesbaren Buchstabenkom-
- bination.... "Fahren Sie bitte rechts ran..."
- "Eh Mann... die Bullen sind hinter Dir her.... geil Papi...
- häng' sie ab...." "Duhu... Papi.... sachste denen, daß die aufa-
- passen sollen.... da vorne hat uns grade der Terminator über-
- holt.... der ballert doch sonst alles platt....."
- "Ich wußte ja schon immer, daß Dingsbums nicht Auto fahren
- kann... was hat er denn jetzt wieder angestellt.....??? der
- Franz... ja der war ein guter Autofahrer....."
- Sie können es immer noch nicht fassen. Millionen und Abermillio-
- nen deutscher Autofahrer sind an diesem Tag auf den hiesigen Au-
- tobahnen unterwegs.... und ausgerechnet Sie werden von der Au-
- tobahnpolizei rechts rangewunken.... Sie beginnen mit dem Gedan-
- ken zu spielen, daß der kurze Knall vor fünfzehn Minuten ein Reh
- hätte sein können, welches jetzt verklärt lächelnd an Ihrem
- Kühlergrill klebt...
- Und während just in diesem Moment das Nasenbein irgendeines Knei-
- penhelden feststellen muß, daß die Faust eines Skinheads rein
- gar nichts von gemütlicher Kneipenidylle besitzt, betätigen Sie
- Ihren Blinker und folgen der Aufforderung der Gesetzeshüter.
- Acht Augenpaare sind vorwurfsvoll auf Sie gerichtet, als Sie
- kühl lächelnd das Fenster Ihres Prachtwagens herunterkurbeln, um
- dann wahscheinlich festzustellen, daß sich die Herrn Polizisten
- lediglich im Fahrzeug geirrt haben. "Eh Papi.... wenn die blöd
- kommen, mach' sie platt...."
- Sie versuchen Ihre Gedanken zu ordnen, als Sie jenseits der Fen-
- sterumrahmung eine Ihnen bis dahin völlig unbekannte Stimme wah-
- nehmen können... "Guten Tag.... Sie wissen, warum wir sie ange-
- halten haben...???"
- Mein Gott... wenn Sie das wüßten, würden sie jetzt nicht schweiß-
- gebadet in Ihrem Sitz kleben...
- "Duhu... Papi.... pass' auf... das ist nicht RoboCop.... der ist
- gar kein Polizist.... soll ich den Highlander rufen....???"
- Sie versuchen den Gefühlsausbruch Ihrer Tochter durch ein gewinn-
- bringendes Lächeln vergessen zu machen und blicken den Herrn Po-
- lizeiwachtmeister nun fragend an...
- "Ähm.... hüstel..... nein... warum denn....???" "Wir haben Sie
- beim Bremsen beobachtet.... Ihre Rücklichter sind beide defekt.
- Ihre Papiere bitte....." Ein Schauer läuft Ihnen über den Rüc-
- ken. Sichtlich verstört blicken Sie in eine verspiegelte Sonnen-
- brille.... Ihre Lippen scheinen verklebt.... Ihre Augen nur noch
- ängstlich blickende Schlitze....
- Und während ein fröhlicher Teen, der gerade seine erste Rasur
- vollendet hat, feststellen muß, daß in keiner Ausgabe der "Bra-
- vo" erwähnt wurde, daß sich nach der ersten Naßrasur das linke
- Ohrläppchen, die Unterlippe und die halbe Nase im Waschbecken be-
- finden, blicken Sie dem Herrn Gesetzeshüter nun sichtlich ern-
- ster und mit einem panikartigen Ausdruck auf Ihrem Gesicht in
- die bereits erwähnte Sonnenbrille..
- "Scheiß' auf die Rücklichter...... wo ist mein Anhänger...???"
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- Ein Loch in der Seitenscheibe, das nagelneue Radio gestohlen,
- den Anhänger irgendwo zwischen Köln und Leverkusen verloren...
- und die Herrn von der Autobahnpolizei hatten nichts besseres zu
- tun, als den Verlust des Anhängers, aufgrund Freilegung der nun
- gut sichtbaren, kaputten Rücklichter mit zwanzig Mark zu beloh-
- nen...
- Eine ausweglose Situation...???
- Aber bei weitem nicht. Schließlich sind es bis Italien nur noch
- schlappe zweitausend Kilometer und Sie befinden sich mit Ihrem
- Anhang immerhin schon an der Autobahnraststätte Wanne-Eikel-
- Süd...
- Und das nach lächerlichen sieben Stunden. "Hör mal... ich gehe
- mit den Kindern schnell zur Toilette... Mutter schläft ja und Du
- kannst ja in der Zwischenzeit auf das Auto aufpassen...."
- Die Stimme Ihrer Frau, die nun fröhlich watschelnd, mit zwei of-
- fensichtlich geistesgestörten Kindern, Richtung Autobahntoilette
- zieht, erinnert Sie an die gute alte Bundeswehrzeit...
- Ach waren das doch herrliche Zeiten. Nicht denken, nicht han-
- deln, nichts tun... Und das Ganze für das für damalige Verhält-
- nisse einmalige Gehalt von einhundertdrei Mark und vierundacht-
- zig Pfennigen...
- Und was ist Heute...???
- Sie stehen einsam und verlassen vor einem ehemals neuen Mercedes,
- blicken verträumt auf den übervollen Mülleimer, der neben Ihnen
- auseinander zu fallen scheint, haben die Möglichkeit, Ihren
- Blick auf eine wundervoll häßliche alte Dame, die gerade schla-
- fend Ihr Auto vollsabbert, zu lenken und fragen sich ernsthaft,
- ob Sie Italien je erreichen werden...
- Herz, was willst Du mehr....???
- In irgendeinem deutschen Kinderzimmer, leuchtet gerade ein belie-
- biges Kleinkind, bei dem Versuch, den angefeuchteten Zeigefinger
- aus der Steckdose zu ziehen, freudestrahlend auf, die Vögel über
- Ihnen scheinen ein Liebeslied zu tällern... und Sie stehen
- staunend vor Ihrer Schwiegermutter und fragen sich, warum diese
- Schabracke die Ruhe besitzt, so tief und fest zu schlafen...
- "Hey Kumpel... ist das hier Castrop-Rauxel-Nord....???..."
- Sie zucken zusammen... ein Schauer läuft über ihren Rücken...
- Warum kann man mich nicht einfach einmal in Ruhe träumen lassen,
- denken Sie sich, als Sie sich um Ihre eigene Achse drehen und
- auf einen etwa vierzig Jahre alten Mann blicken, der in gelb-ro-
- ten Bermudashorts, kartenwedelnd und armschwingend auf Sie zuge-
- stapft kommt.
- Eine feuchte Halbglatze funkelt unter den Strahlen der sich über
- die Erde ergießenden Sonne. Ein schwammiger Bierbauch wippt fröh-
- lich unter einem farbenfrohen Hawaii-Hemd bei jedem Schritt rauf
- und runter.
- "Mensch... da hab' ich mich doch total verfranst.... ist das hier
- jetzt Catrop Rauxel-Nord....??? wir wollen unseren Onkel in Dort-
- mund-LüDo besuchen... siebzig isser geworden, der alte Sack...
- wir sind vor 'ner Stunde aus Aachen losgefahren.... ach mein Na-
- me ist übrigens Heiner Kowalski......"
- Sie könnten jetzt schon laengst am Strand der wundervollen Adria
- liegen. Irgend ein Luigi bringt Ihnen ein kühles Bier, welches
- Sie mit genüßlichen Zügen unter Ihrem Sonnenschirm leeren....
- Doch stattdessen haben Sie nun die Ehre einem gewissen Heiner Ko-
- walski aus Aachen erklären zu müssen, daß man sich hier an der
- berühmten Autobahnraststätte Wanne-Eikel-Süd befindet....
- "Das ist aber auch ein Mist.... die Autobahnabfahrten sind hier
- ja kaum zu erkennen... da sind wir Deutschen schon so nett und
- bieten den Attas Arbeit an... und die faulen Säcke spielen über-
- all Arbeiterdenkmahl.... und die Autobahnschilder wachsen mit Ge-
- strüpp zu...."
- Während Sie versuchen, die Worte des offensichtlich extrem aus-
- länderfreundlichen Heiner Kowalski zu ordnen, ist dieser auch
- schon an Ihnen vorbeigetappt und breitet nun, merkwürdig grun-
- zend, eine dieser verhaßten Straßenkarten auf Ihrem Autodach
- aus...
- "Wo wollen Sie denn hin... auch innen Pott...??? Wahrscheinlich
- Camping.... jaja... die Campingplätze in Wanne-Eikel sind ja
- auch nicht übel... fahren Sie 'ne Leiche spazieren...?? Ich hof-
- fe, ich habe die alte Dame nicht geweckt..." Und während in ir-
- gendeiner deutschen Küche eine Brotschneidemaschine gerade unter
- Beweis gestellt hat, daß es manchmal recht drollig aussehen
- kann, wenn Fingerkuppen an der Tapete kleben, beugen Sie sich,
- immernoch sichtlich sprachlos, über Ihr Autodach und die darauf
- befindliche Straßenkarte.
- "Ähm.... hmmmm.... sie befinden sich hier in Wanne-Eikel-Süd...
- hmmm.... Castrop Rauxel.... hmmmm.... das muß doch auch irgendwo
- sein...."
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- Sie versuchen gerade, zwischen Kaffeeflecken und zermatschten
- Fliegen die richtige Autobahn zu finden, von der aus man unwei-
- gerlich nach Dortmund gelangt, als Ihr Gegenüber, nun sichtlich
- erleichtert, das Kartenmaterial, mitsamt Fliegen und Kaffee, hek-
- tisch zusammenrafft und Ihnen sein Abschiedsstoßgebet lautstark
- in's linke Ohr brüllt....
- "Danke Chef..... meine blöde Alte ist aber auch zu dumm, vernünf-
- tig 'ne Karte zu lesen... ich sehe gerade.... sie sind nach Ita-
- lien unterwegs.... dann fahren sie in die falsche Richtung...
- ach und wecken sie mal die Schachtel in ihrem Auto auf... die
- kriegt sonst noch 'nen Hitzeschlag... also machen sie es gut...
- und schöne Grüße an die werte Gemahlin... wenn Sie mal 'ne Du-
- sche einrichten wollen... hier meine Karte... Kowalski Duschvor-
- hangringe.... alles klar.. tschüß"
- Sie kommen sich vor wie im Rausch... Und während Heiner Kowalski
- nun armwedelnd auf seinen Wagen zustapft, hinter dem, ebenfalls
- armeschwingend, eine dieser Zweizentner-Kühe auf ihn zu warten
- scheint, die man nur deshalb heiratet, weil sie die Gabe besit-
- zen, kochen zu können... und weil einem Freunde und Kollegen nur
- Verständnis entgegenbringen, wenn man mit einer Geliebten
- prahlt, stehen Sie fragend mit einer goldumrandeten Visitenkarte
- in der Hand, neben einem nun auch noch deftig stinkendem Müllei-
- mer.....
- Die Sonne scheint in diesem so wundervollen Augenblick nur für
- Sie zu scheinen. Und während in irgendeinem deutschen Backofen,
- ein Kleinkind von innen durch die Scheibe seinem hämisch grinsen-
- den Bruder dabei zuschaut, wie dieser gerade besagten Backofen
- auf zweihundertfünzig Grad erhitzt, denken Sie über die Warnung
- Heiner Kowalskis nach und spielen ernsthaft mit dem Gedanken, Ih-
- re ach so geliebte Schwiegermutter zu wecken.
- "...Hallo.... wach' auf.... es ist doch viel zu warm..."
- Nichts regt sich. Nur der Wind bläst Ihnen einen Hauch von Küh-
- lung in Ihr leicht errötetes Gesicht.
- "Hey.... hallo.... aufwachen.... Du mußt aufwachen... du gehst
- doch kaputt im Wagen....."
- Wieder rührt sich nichts. Sie blicken ein wenig traurig auf Ihre
- sichtbar vollgesabberte Rückbank und stellen ganz nebenbei fest,
- daß Ihr lieber Sohn die gesamte Fahrt über auf einem Frosch ge-
- sessen hat, der Sie nun unweigerlich an den immer noch auf Ihrem
- Teppich im heimischen Wohnzimmer klebenden Deckeldackel erin-
- nert...
- Langsam beginnen Sie nun an jener Frau zu zerren, die eindeutig
- der Grund für die vollgesabberte Rückbank zu sein scheint.
- Haaaaalllllooooo..... aufwachen..... mein Gott... hörst du mich
- icht...???..." Das Zerren verstärkt sich. Aber irgendwie
- scheint Ihr Zerren keine Wirkung zu zeigen.
- Ihnen wird warm und kalt zugleich. Die unmöglichsten Gedanken
- schießen Ihnen durch den Kopf.... sollte es wirklich wahr
- sein... es wäre zu schön, um wahr zu sein....
- Während Sie gerade versuchen, darüber nachzudenken, ob sich be-
- sagte Schlabberin immer schon so kalt anfühlte, kippt diese,
- durch Ihr Schütteln und Zerren sichtlich aus ihrer ursprüngli-
- chen Sitzposition gebracht, langsam aber um so sicherer zur Sei-
- te...
- Ein gewisser Triumpf macht sich in Ihrem Inneren breit, während
- das Gesicht der offensichtlich Verstorbenen nun Kontakt mit dem
- auf dem Mittelsitz klebenden Frosch aufgenommen hat...
- Sie ist tot... schießt es Ihnen durch den Kopf.... Ich bin sie
- los... nie wieder die Namen anderer potentieller Heiratskandida-
- ten Ihrer holden Gattin kennenlernen müssen.... keine Vitaminbon-
- bons mehr.... Sie können Ihr Glück kaum fassen. Es fallen Ihnen
- die Triumpfgebärden einiger Fußballspieler ein... und Sie begin-
- nen mit dem Gedanken zu spielen, einen lupenreinen Lambada um
- die neben Ihnen stinkende Mülltonne zu tanzen...
- "Duhu Papi... auf dem Klo hat einer gekotzt... das war viel-
- leicht ekelig...." "Ey iss' das ein Scheiß... die haben die Por-
- nos in der Tankstelle alle eingeschweißt.... und die Batterien
- sind hier auch so teuer...."
- "So, jetzt kannst Du zur Toilette gehen.... ist was...??? Du
- siehst irgendwie so glücklich aus.... schläft Mutter noch....???"
- Sie zucken zusammen. Sie spüren deutlich, daß sich die Stimmen,
- die Ihnen bestens bekannt vorkommen, unmittelbar hinter Ihnen be-
- finden.... Jetzt blos nicht anfangen zu lachen... mein Gott...
- wie macht man ein ernstes Gesicht....???....
- Unendlich langsam drehen Sie sich um... das Gesicht auf's äußer-
- ste angespannt. Die Gesichtsmuskulatur zuckt, als Sie sich nun
- innerlich einem Lachkrampf nahe, Ihrer Frau zuwenden. Und wäh-
- rend irgendwo in einer Kaserne, ein Soldat, bei dem Versuch, ei-
- ne Kampfbahn möglichst lässig hinter sich zu lassen, mit den Oh-
- ren im Stacheldraht hängenbleibt, öffnet sich Ihr Mund....
- "Du.... ich muß Dir was schlimmes mitteilen... hüstel.... ähm...
- grins... sorry.. wir sind auf der falschen Autobahn.... ähm...
- röchel... und deine Mutter ist hin..... prust.... sie hat nicht
- gelitten... grööööööööhl............"
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- "Sie ist was.... vom wem redest Du..?? meine Mutter.... tot...
- hier... jetzt.... wie unpassend...." Da steht sie nun. Ihre so heiß
- und innig geliebte Familie. Auf einer Autobahnraststätte, mit dem
- holden Namen "Wanne-Eikel-Süd".
- Ihr Auto wurde in einer Tiefgarage demoliert, Sie sind seit Stunden
- unterwegs und haben immerhin schon ca. 50 Kilometer in der falschen
- Richtung hinter sich gebracht, auf der Rückbank Ihres Wagens liegt
- ein zerquetschter Frosch... und mit dem Gesicht mittendrin, im
- Frosch, Ihre soeben verschiedene Schwiegermutter.
- Was will ein glücklicher Mensch, der nichts anderes im Sinn hat, als
- seinen wohlverdienten Urlaub in Italien zu verbringen, mehr vom Le-
- ben...??
- Eine mörderische Stille macht sich in Ihrer Umgebung breit. Und wäh-
- rend vor irgendeinem Hochhaus, ein Selbstmörder im freien Fall mit
- den Worten, "Ähm....ich hab's mir anders überlegt...", just in die-
- sem Moment damit beginnt, den Bürgersteig zu verunreinigen und Ihre
- Frau vor Ihnen zusammenbricht, stehen Sie dämlich grinsend, vor
- den Überresten Ihrer Familie und versuchen, durch gezielt plazier-
- ten Humor, Ihren Kindern den sicherlich in gewisser Weise vorhande-
- nen Ernst dieser Angelegenheit ein wenig schmackhaft zu machen.
- Schließlich soll dies der erste Tag Ihres wohlverdienten Urlaubs
- sein.
- "...Ähm... wisst Ihr Kinder... Omi geht jetzt im Himmel mit Waldi,
- der Ratte und dem Frosch Gassi.... ähm... alles halb so wild... Pa-
- pi hat alles im Griff... ähm... und Peter... heb' doch mal deine
- Mutter auf... der ganze Parkplatz guckt schon... außerdem wollte
- sie das Kleid in Italien noch tragen...."
- Ja, so geht's. Genau so und nicht anders. Sie sind das Familienober-
- haupt. Sie haben die Hosen an in Ihrer Familie. Ihre Kinder können
- stolz auf Sie sein. "Duhu... Papi... wird Omi jetzt auch grün im Ge-
- sicht und läuft dann schlabbernd durch die Gegend....???" Das Innen-
- leben Ihrer Tochter scheint nun doch langsam bedrohliche Formen an-
- zunehmen, denken Sie sich, als Sie plötzlich und dementsprechend un-
- erwartet von hinten angesprochen werden.
- "Tach Chef... kann isch helfe...??? dat sieht ever nit jood us...
- die Aal in Ihrem Waare mät so 'ne komische Eindruck... is' die
- duud...???"
- Sie verharren einen kurzen Augenblick, stellen aber dann überra-
- schend fest, daß Sie erstaunlich ungerührt reagieren, als Sie sich
- umdrehen und in die Fratze eines typischen Rheinländers, der aus ei-
- nem Dorf unmittelbar hinter Köln kommen muß und dessen Kennzeichen
- sicherlich jene legendäre Buchstabenkombination aufweist, welche
- man an zweiter und dreizehnter Stelle des Alphabetes wiederfindet,
- schauen.
- Und während irgendwo ein junger Spätaufsteher, der mit den Fingern
- gerade noch in der Öffnung seines Toasters herumgewurschtelt hatte,
- weil sich dieser einmal wieder weigerte, das Toastbrot auszuspuc-
- ken, feststellen muß, daß rotgelb glühende Fingerkuppen zwar inter-
- essant aussehen, aber irgendwie höllisch weh tun, schauen Sie Ih-
- rem Gegenüber tief in die Augen und sprechen Ihn cool und unerwar-
- tet überlegt an.
- "Wunderschönen... och ist eigentlich nur eine Baggatelle... die Al-
- te ist zur Seite gekippt und war weg... also alles harmlos... könn-
- ten Sie mir vielleicht kurz behilflich sein...?? die versaut mir
- sonst die ganzen Schonbezüge...."
- Ihr Gegenüber schaut Sie ein wenig verblüfft an. "Äh... sischer dat
- Chef... dat wör doch jelaach, wennemer die nit us ihrem Waaren he-
- ruskriejen würden... wa...." Und nachdem nun, einige Minuten spä-
- ter, die kläglichen Überreste Ihrer Schwiegermutter bewegungslos ne-
- ben der Mülltonne, unmittelbar neben Ihrem Wagen liegen, der zer-
- matschte Frosch, scheinbar grinsend, immer noch auf Ihrem Rücksitz
- klebt und Ihr Sohn nun schon zum achten Male versucht, Ihre Frau
- wieder auf die Beine zu stellen, stehen Sie und Ihr neuer Partner
- überlegend vor Ihrem Auto und schauen sich an.
- "Un' wat nu Chef...??? die kann ja schlech' hier lien blive...oder
- wat..." Nun sind Sie gefordert. Ganzer Einsatz ist gefragt. Aber
- Sie sind ja nicht unmsonst Dienststellenleiter beim städtichen Ver-
- waltungsamt zur Beseitigung von Sondermüll. Außerdem waren Sie es
- schon in Bundeswehrzeiten gewohnt, Entscheidungen zu treffen. Von
- einem Obergefreiten wurde dies in jeder Lebenslage erwartet. Brust
- raus, ein wichtiges und überlegenes Gesicht aufgezogen und Befehle
- erteilen.... ja nur so geht's....
- "Hmmm.... nein... das kann sie natürlich nicht.... hmmm... gehen
- Sie zur Tankstelle und laßen Sie sich einen großen blauen Müllsack
- geben... bringen Sie noch zwei Schaufeln mit.... hmmm... eine würdi-
- ge Beerdigung muß sein... los, worauf warten Sie noch.... Sabin-
- chen... hör' sofort auf mit dem Frosch zu spielen.... Peter... laß'
- deine Mutter liegen... hol' das Warndreieck aus dem Auto.. ich habe
- keine Lust auch noch Krankenhausrechnungen zu bezahlen, wenn jemand
- über deine Omi... ähm... na das, was von ihr übrig ist... stol-
- pert....."
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- Sie blicken zufrieden gen Himmel. Irgendwo, ein paar Kilometer ent-
- fernt, muß gerade ein Manta-Fahrer feststellen, daß sich sein Fahr-
- zeug trotz heizbarer Heckscheibe und 2 Spoilern nicht zum Fliegen
- eignet, und daß Brückenpfeiler robuster sind, als man gemeinhin an-
- nimmt.
- Ihr Bergheimer Freund setzt sich in Richtung Tankstelle in Bewe-
- gung, Ihr Sohn kramt im Kofferraum und Ihre Tochter hat sich soeben
- von Fröschi verabschiedet, der nun gleichmäßig verteilt, im gesamm-
- ten Innenraum Ihres Wagens klebt. Ein Gefühl von Macht, unglaubli-
- cher Überlegenheit macht sich in Ihnen breit. Hier sind Sie der
- Chef.....
- Eine halbe Stunde später erreichen die Ereignisse auf der legendä-
- ren Autobahnraststätte Wanne-Eikel-Süd ihren Höhepunkt. Die Reste
- Ihrer Schwiegermutter liegen, in einem blauen Müllsack gut ver-
- schnürt und mit einem Warndreieck versehen, auf einer extra von ei-
- nem freundlichen Autopartner geräumten Parknische.
- Die halbe Autobahnraststätte hat sich, teils fröhlich feiernd, teils
- interessiert zuschauend um Sie versammelt. Ein junger Mann aus Es-
- sen und ein Rocker aus Leverkusen graben nach Ihren Anweisungen ein
- Loch in den Rasen, der sich unmittelbar vor den Parkplätzen befin-
- det... irgendwo jodelt ein fröhlicher Jüngling, der feststellen
- muß, daß Flaschenöffner nützlicher sind, als man glaubt, und der
- sich gerade überlegt, welcher Zahnarzt Kronenkorken aus dem Zahn-
- fleisch entfernt, weil unser Held all' seinen Freunden beweisen
- mußte, wie einfach es ist, eine Flasche mit den Zähnen zu öffnen.
- Und inmitten dieser bizarren Zeremonie stehen Sie. "Duhu... Pa-
- pi.... da musste jetzt aber auch 'ne Rede halten... in Platoon
- haben das die Soldaten auch gemacht...." Eine Rede.... eine Rede
- für diese Frau... warum eigentlich nicht...?? Sie sind schließlich
- der Mittelpunkt. Und das Publikum erwartet jetzt sicherlich eine
- ergreifende Rede von Ihnen... Ein Riesen Applaus wird Ihnen sicher
- sein.
- Ein paar Minuten später stehen Sie, innerlich gerührt, vor dem
- Loch, in welches nun ein großer blauer Müllsack geworfen wird. Men-
- schenmassen umringen Sie. Einige Ihrer Bewunderer versuchen verzwei-
- felt ein Foto von Ihnen machen zu können, während Sie, sichtlich an-
- gespannt, Ihre Lippen zu jener Rede öffnen, welche noch Jahre spä-
- ter als das größte Ereigniss von Wanne-Eikel gelten soll.
-
- "Liebe Trauergemeinde... wir stehen hier nun und haben die Aufgabe,
- jener so wundervollen.... prust... alten Dame, die sich dort in dem
- Müllsack befindet, einen ehrenvollen Abgang zu verschaffen...."
- Tosender Jubel unterbricht Ihre Rede. Einige Bravo-Rufe sind deut-
- lich zu hören. Die Autobahnraststätte Wanne-Eikel-Süd gleicht ei-
- nem Rolling Stones Konzert... und Sie sind Mick Jagger..... "Dan-
- ke... danke... meine Freunde.... wo waren wir stehengeblieben...??
- achja... sie hat nur für ihre Familie gelebt... und ist bei ihrer
- Familie krep... ähm.. von uns gegangen... Ave Maria... Nomen est
- Omen... Halleluja... Oh du gnädiger Herrgott... mach' deine Pforten
- weit auf... und blos hinter ihr schnell wieder zu.... ähm... nimm'
- sie auf in's Reich, wo Mannitou und Odin leben... Halleluja. Lasset
- uns nun alle gemeinsam ein Lied singen... oh du froooöhliche... oh
- du selige....."
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- Der gesamte Parkplatz taucht unter in eine grandiose Weihnachtsstim-
- mung. Hunderte von Menschen singen das Lied, welches Sie ihnen be-
- fohlen haben. "Laßen sie mich doch mal durch... mein Gott gehen sie
- beiseite... und hören sie mit diesem Geplärre auf..." Und während
- der Autor dieses Wahnsinns, in diesem Moment stockbesoffen vom
- Stuhl zu kippen droht, drehen Sie sich um, um festzustellen, wer es
- wagt, Ihre so stimmungsgeladene Weihnach... äh... Totenmesse zu un-
- terbrechen. "Sind sie für diese Demonstration verantwortlich...???
- was treiben sie hier eigentlich... was soll der Müllsack da in dem
- Loch...???"
- Zwei offensichtlich völlig unwürdige Polizisten haben sich den Weg
- durch die Menschenmassen gebahnt und stehen nun fragend vor Ihnen.
- Sie blicken ebenso fragend, aber mit einem Willen, wie er stärker
- nicht sein kann, unmittelbar in das Augenpaar eines der Schutzmän-
- ner.... "Was soll ich hier treiben...?? das sehen sie doch... die
- Menschen feiern... und ich beerdige gerade meine Schwiegermutter...
- also wo ist das Problem..??.."
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- An dieser Stelle hat sich der Autor gedacht, daß man seinen Lesern
- nicht noch mehr abartige und völlig wahnsinnige Phantasien eines of-
- fensichtlich geisteskranken Alkoholikers zumuten sollte und beendet
- unsere kleine Familiengeschichte....nicht ohne darauf hinzuweisen,
- daß eine Verwechslung mit lebenden Familienmitgliedern, sowie toten
- Schwiegermüttern rein zufällig und nicht gewollt ist.
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- Und was ist aus unserer Familie geworden...???
- Nun, Vater durfte nach einem Zwangsaufenthalt in der Heilanstalt
- "Zum Blöden Grinsen" wieder zurück zu seinem, immer noch auf dem
- Teppich klebenden Dackel. Mutter erholte sich natürlich von dem
- Schock und träumt heute von dem gutaussehenden jungen Sanitäter,
- der während der Fahrt ins Kreiskrankenhaus von Wanne-Eikel ihre
- Hand hielt. Peter fand das Alles nur "echt geil" und testet heute
- die Reaktion von Fünf-Pfund-Hämmern auf Schildkrötenpanzer im Bezug
- auf Belastbarkeit. Und Sabinchen schwört seit der Reise auf Frosch-
- schenkelsuppe und wird nur noch gelegentlich am heimischen Fenster
- gesehen, wo sie erwartungsvoll auf Zombie-Omi wartet...
- Also doch noch ein Happy End.... warum auch nicht.....
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