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Text File  |  1994-10-26  |  47.4 KB  |  846 lines

  1. =============================================================
  2. DER GANZ NORMALE WAHNSINN PART I.  1.Teil
  3. =============================================================
  4. Wunderschönen...
  5. Haben Sie nicht auch den Drang...???
  6. Fühlen Sie nicht auch diese innere Anspannung...??? Es ist warm,
  7. die Vöglein zwitschern, die Sonne scheint und nebenan verabschie-
  8. det sich gerade mit einem lustigen "Klick" der Herzschrittmacher
  9. Ihres Nachbarn....
  10. Richtig!! Zeit in Urlaub zu fahren. Endlich ausspannen, die Son-
  11. ne genießen, am Strand liegen und faulenzen, alle Sorgen verges-
  12. sen... wobei die größte Sorge leider unmittelbar neben Ihnen am
  13. Strand liegt... aber als treusorgender Familienvater kann man ja
  14. schließlich nicht einfach seine Frau und seine zwei häßlichen
  15. Bälger zuhause lassen....
  16. Doch werden plötzlich diese wundervollen Gedanken durch einen
  17. Brüll unterbrochen, der Sie seit 21 Jahren, jeden Tag auf's neue
  18. aus Ihren schönsten Träumen reißt. "Kaaaaaaaaaaaarl-Heinz...."
  19. Sie erheben sich mühsam aus Ihrem Sitz, die Hauspantinen schei-
  20. nen unter der Wucht Ihrer 120 Kilo zu bersten.
  21. Mit einer unglaublich wendigen Bewegung, die man Ihnen gar nicht
  22. zugetraut hätte, drehen Sie sich um und verlieren das Gleichge-
  23. wicht.... zitternde Hände versuchen sich im Fluge an irgendeinen
  24. Gegenstand zu klammern, Finger in panischer Bewegung umfassen ei-
  25. ne Goldkante... und mit einem lauten "Rumms", testen Sie die
  26. Haltbarkeit Ihres Fußbodens, welchen anschließend noch eine her-
  27. untergerissene Goldkante nebst Gardine, eine Gardinenstange und
  28. eine schmuckvoll gestaltete Stehlampe erreichen. Na, da haben
  29. wir uns doch wohl nicht zuviel Beweglichkeit zugetraut...??
  30. "Kaaaaaaaaaaaarl-Heinz....verdammt nochmal, wo bist Du denn...??"
  31. Sie sind fest entschlossen zu antworten, als Ihnen plötzlich
  32. klar wird, daß sich bis vor kurzem, außer Ihnen, noch ein Mitbe-
  33. wohner im hiesigen Raum befand. Waldi, ein Dackelrüde und
  34. Oberdeckel der Dackelvereinigung Grün-Weiß-Nippes e.V., stand
  35. doch gerade noch schwanzwedelnd vor Ihnen....
  36. Und nun....??? Eine mörderische Stille durchzieht den Raum, in
  37. dem Sie sich, immer noch begraben unter diversen Gardinen- und
  38. Lampenteilen, befinden.
  39. Nur das leise Surren der Mixmaschine aus der benachbarten Küche
  40. ist zu hören, in der gerade Ihr Jüngster die Belastbarkeit sei-
  41. nes Goldhamsters testet.
  42. Als Sie sich endlich entschließen können, den hellbraunen Tep-
  43. pichboden zu verlassen, wird Ihnen auf einen Schlag die ganze Un-
  44. sinnigkeit Ihres bisherigen Lebens klar. Sie gehören ab dem heu-
  45. tigen Tage nicht mehr zu den glücklichen Besitzern eines Deckel-
  46. dackels... Dieses widerliche pfannkuchenähnliche Teil, welches
  47. Sie in erschreckender Art und Weise an das Ergebnis Ihres letz-
  48. ten Besäufnisses erinnert und nun breitbeinig auf Ihrem Teppich
  49. klebt, hat beileibe keine Ähnlichkeit mehr mit einem stolzen
  50. schwanzwedelnden Deckeldackel.
  51. Und während sich gerade eine Träne aus Ihren mitternachtsblauen
  52. Augen lösen will, und ihr Juengster sein Küchen- und Mixerexperiment 
  53. mit den Worten, "Du Mami, Hamsi ist tot... ach ja: un der Mixer iss' 
  54. am Arsch...", abgeschlossen hat, dringt erneut diese keifende Stimme 
  55. hart und unerbittlich in Ihren Dunstkreis ein. "Da bist Du ja.... 
  56. Was machst Du denn da auf dem Boden...??? Was soll der Stuß mit den 
  57. Gardinen...??? Ach ja, kratz' den Mist da vom Tep- pich, wasch' Dir 
  58. die Hände und mach' hin... Ich bin mit Packen fertig....". Ihr Blick 
  59. wird starr, unerbittlich....sie öffnen die Lippen... Ja, jetzt muß 
  60. es wohl sein... einmal ist Schluß.... dieses dämliche Weib. Was 
  61. glaubt die denn, wer Sie ist.... jetzt werde ich Ihr..... "Ja, mein 
  62. Schatz...ich komme....." Und während Sie sich nun mühsam von 
  63. Gardinenstangen und ähnlichen Unwichtigkeiten des modernen Lebens 
  64. befreien, taucht erneut diese mörderische Ruhe auf. Eine Ruhe, die 
  65. nur durch den Schrei Ihrer Nachbarin unterbrochen wird, die sich 
  66. wohl just in diesem Moment ernste Gedanken um die Haltbarkeit von 
  67. Herzschritt ma- chern machen wird.... Naja, es kann ja nicht nur 
  68. glückliche Menschen geben...
  69.  
  70. =============================================================
  71. Als Sie sich endlich erhoben haben und noch einmal einen Blick
  72. auf den Matsch werfen, der dort auf Ihrem Teppich klebt und der
  73. einst Ihren treuesten aller Freunde darstellte, steht plötzlich
  74. Ihre zehnjährige Tochter vor Ihnen. "Duhu Papi...Peter hat den
  75. Hamster gemixt.... ist Hamsi jetzt tot ?? Warum klebt denn Waldi
  76. auf dem Teppich...??" Was soll man einem zehnjährigen Mädchen in
  77. solch einer Situation sagen??? Soll man Ihr die Wahrheit sa-
  78. gen...??? Soll man wirklich zugeben, daß Papi zu blöd ist, auf-
  79. recht in einem Raum zu stehen und das der völlig mißratene Sohn
  80. ein Arschloch ist...??? "Du, mein Schatz.... ähm... naja Hamsi
  81. ist jetzt im Goldhamsterhimmel... ähm... öh...dem geht es jetzt
  82. gut...der ist jetzt bei Gott. Und Waldi leistet ihm dort Gesell-
  83. schaft..." Naja, sie wird es schon verkraften, denkt man sich,
  84. wobei man sich ehrlich Gedanken um die Psyche seiner Tochter
  85. macht. Wird sie diese schweren Schicksalsschläge begreifen..??
  86. Wird sie damit fertig...????
  87. "Gott...??? Ist das nicht der, der mir zu Weihnachten immer die-
  88. se blöden Puppen schenkt...??? Kommt Waldi jetzt als Zombie wie-
  89. der... dann mußt Du Ihm in den Kopf schießen...." Wie gut, daß
  90. die Erziehung heute weitgehend von der hiesigen VideoIndustrie
  91. übernommen wird...
  92. "Kaaaaaaarl-Heinz....kommst Du jetzt endlich....??? Wir kommen
  93. doch sonst nie in Italien an....." Unendlich langsam steuern Sie
  94. der Wohnzimmertür entgegen. Und während irgendwo auf dieser gro-
  95. ßen weiten Welt ein Schrei durch die Straßen zieht, weil sich
  96. einmal mehr beweist, daß das Fahren mit einem Elektrorasenmäher
  97. über den eigenen Fuß recht schmerzhaft sein kann, betreten Sie
  98. die heimische Küche. Dort sitzen sie nun alle erwartungsvoll um
  99. den Küchentisch. Das was sich in Fachkreisen Familie nennt,
  100. blickt nun gespannt auf die Küchentür, in der sich soeben Ihre
  101. trostlose Erscheinung blicken läßt.
  102. Eine Ehefrau, die sie nur deshalb geheiratet haben, weil Ihnen
  103. nie eine der Schönheiten bei ALDI begegnete, die sie tagtäglich
  104. im neuen Farbfernseher betrachten dürfen und die noch vor fünf
  105. Jahren den einzigen, an Ihr festzu stellenden Vorteil besaß, ein-
  106. mal ein Schreibwarengeschäft zu erben, welches exakt vor besag-
  107. ten fünf Jahren bis auf die Grundmauern abbrannte und sich hin-
  108. terher herausstellte, daß dieser vertrottelte Depp, der sich als
  109. Ihr Vater bezeichnete nie eine Feuerversicherung abgeschlossen
  110. hatte.
  111. Einen offensichtlich völlig perversen Sohn, der die Eigenart be-
  112. sitzt, alles irgendwie Zuckende in Mixer, Kaffeemaschinen, To-
  113. aster und Kühlschränken unterzubringen. Was war das letztes Jahr
  114. für eine Überraschung, als Sie beim Öffnen des Eisschrankes fest-
  115. stellen mußten, daß sich neben diversen Joghurtbechern und Bier-
  116. flaschen auch Ihre Tochter in einem leicht eingefrorenen Zustand
  117. in selbigem befand....
  118. Ach ja, Ihre Tochter...sie ist der ganze Stolz der Familie. Ein
  119. zehnjähriges Mädchen, welches überzeugt davon ist, daß es sich
  120. bei dem Tankwart um die Ecke in Wirklichkeit um Freddie Krüger
  121. handelt, daß der Papst früher eine Eishockeymaske trug und mor-
  122. dend durch acht Folgen der "Freitag der 13."-Serie zog und daß
  123. Helmut Kohl eigentlich RoboCop heißt.
  124. "Was iss' jetzt...???...Können wir endlich fahren...oder
  125. was...???" Da sitz Sie nun und schwafelt etwas von Urlaub....ach
  126. warum macht es nicht einfach "Plopp" und sie verschwindet auf
  127. Nimmer Wiedersehen in den unendlichen Weiten der Milchstras-
  128. se...?? "Ja, mein Schatz, wir fahren jetzt....ich muß nur noch
  129. Waldi abkratzen und anschliessend würdevoll beerdigen..."
  130. Die Blicke, die auf Ihnen lasten, werden nun vorwurfsvoll. Und
  131. während auf einer beliebigen deutschen Straße, ein Mofafahrer
  132. versucht, Haltungsnoten für den freien Fall über eine Motorhaube
  133. zu bekommen, um dann festzustellen, daß das blose Aufprallen auf
  134. Asphalt keine Haltungsnoten verdient, vernehmen Sie die eindeu-
  135. tig zu identifizierende Stimme Ihres Sohnes.
  136. "Hör mal Papi...laß ihn doch kleben...das können wir doch nach
  137. dem Urlaub noch abkratzen....iss' doch cool, so'n klebriger Dac-
  138. kel auf'm Teppich". Und Ihre Tochter blickt Sie würdevoll an,
  139. "Duhu...Papi...darf ich ein Stück Waldi mit nach Italien neh-
  140. men...??"
  141. In diesem Augenblick beginnen Sie sich wieder zu fragen, ob die-
  142. se drei Gestalten, die langsam unruhig auf den Küchenstühlen hin
  143. und her rutschen, wirklich Ihre Familie darstellen sollen, oder
  144. ob nicht vielleicht ein kosmischer Unfall an ihrer Anwesenheit
  145. schuld ist... Sie begeben sich in die Diele, um Ihre Jacke zu su-
  146. chen, in welcher Ihre Frau sämtliche für die Urlaubsreise wichti-
  147. gen und unwichtigen Papiere verstaut hat, als es ganz unvermit-
  148. telt an der Haustür klingelt.
  149. "Das wird meine Mutter sein", vernehmen Sie wie durch einen dich-
  150. ten Nebel die Stimme Ihrer Frau. "Ich erwähnte doch, daß sie
  151. auch mit nach Italien kommt... oder nicht.....???" Sie fühlen
  152. sich schwach... unendlich schwach... und Gedanken durchdringen
  153. Ihren Kopf. Nein, das nicht.... nicht diese widerliche alte Berg-
  154. ziege, die nur noch auf der Welt ist, um Ihren ersten Herzin-
  155. farkt nicht zu verpassen. In all' den Jahren Ihrer Ehe lernten
  156. Sie durch Ihre Schwiegermutter 31 Männer namentlich kennen, die
  157. alle viel besser zu Ihrer Frau gepaßt hätten und denen Sie nie
  158. das Wasser hätten reichen können. Ach hätte Ihre Frau doch auf
  159. ihre Mutter gehört... dann hätten Sie jetzt drei Sorgen weni-
  160. ger....
  161.  
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  163. Und während Sie sich gerade Gedanken über die Frage machen,
  164. wieviele Jahre Sie von der deutschen Justiz für einen Doppelmord
  165. bekommen könnten, stürmt Ihre Frau auch schon an Ihnen vorbei
  166. und öffnet die Wohnungstür.
  167. "Hallo Mutter... schön das Du da bist.... wir fahren gleich
  168. los...." Sicher ist es irgendwie schön, daß Ihre Schwiegermutter
  169. da ist. Aber noch viel schöner wäre es gewesen, wenn sie statt
  170. sieben Koffern einen Sarg mitgebracht hätte, in den sie sich mit
  171. den Worten "Ich muß jetzt von euch gehen", verzogen hätte... Und
  172. während Sie sich gerade vorstellen, wie schön es wäre, eigenhän-
  173. dig die Schrauben in den Sargdeckel zu drehen, stürmen auch
  174. schon Ihre beiden Gören an Ihnen vorbei, in Richtung Wrack....
  175. "Duhu... Omi... Hamsi ist gemixt... Waldi klebt im Wohnzimmer...
  176. und weißt Du schon, daß Boris Becker Batman ist....??"
  177. Würdevoll, ganz würdevoll stolziert diese häßliche Gestalt nun
  178. an Ihnen vorbei, blickt sie an, wie ein Reh blickt, kurz bevor
  179. die Augen brechen, bewegt sich schnurstracks auf Ihre Küche zu
  180. und begrüßt ihre liebe Familie. "Guten Tag Hannelore (Ihre
  181. Frau)... schön daß wir den Urlaub gemeinsam verbringen können...
  182. guten Tag Peter.... Sabinchen, mein Schatz... Du bist aber groß
  183. geworden.... Boris Becker ist Batman.... ehrlich???...
  184. ach ja ....Tach Dingsbums...."
  185. Ich heiße nicht "Dingsbums", schießen Ihnen die Gedanken durch
  186. den Kopf... Ich habe nie "Dingsbums" geheißen... und werde auch
  187. nie...
  188. Und während Ihnen die Beweggründe eines Freddie Krüger plötzlich
  189. überhaupt nicht mehr fremd erscheinen und Sie sich lediglich dar-
  190. über ärgern, daß er nie da ist, wenn man ihn braucht, erwarten
  191. Sie in einer unglaublichen Lässigkeit die logischerweise unmit-
  192. telbar folgenden Befehle Ihrer lieben Gattin...
  193. Und siehe da... während sich im benachbarten Garten irgendein An-
  194. gestellter des städtischen Gartenbauamtes über das Verschwinden
  195. seiner Fingerkuppen wundert, die er sich beim Rosenschneiden mit
  196. einem deftigen "Hurray" auf den Lippen fachgerecht demontiert
  197. hat, können Sie die Stimme Ihrer Herrin und Meisterin verneh-
  198. men...
  199. "Ähm... bring doch schon mal das Gepäck runter.... Mutter hat ja
  200. nicht viel... ich komme gleich mit den Kindern und Mutter
  201. nach... und vergiß' Deine Jacke nicht... hast Du auch alles...??"
  202. Sie bewegen sich langsam Richtung Ausgang, streifen noch Ihre
  203. Jacke über, bei der Sie eine deutliche und unangenehme Gewichts-
  204. zunahme feststellen können, jedes Nachfragen bei Ihrer Frau aber
  205. direkt wieder aus Ihren Gedanken wischen und machen sich im Haus-
  206. flur über die Gepäckstücke dieser widerlichen Schnepfe her...
  207. Schon beim Anheben des ersten Gepäckstuecks stellen Sie unweiger-
  208. lich fest, daß der gesamte Inhalt lediglich aus Pflastersteinen
  209. zu bestehen scheint und steuern nun zielstrebig auf den hauseige-
  210. nen Aufzug zu.
  211. Unterwegs begegnet Ihnen noch dieser dumme Schnösel aus dem drit-
  212. ten Stock, dessen ausschließliche Interessen im Abspielen von
  213. HardRock-Platten in über menschlicher Lautstärke zu liegen schei-
  214. nen und der Sie auch gleich mit den Worten... "Na Meister...
  215. geht's inne Ferien... geil wa... ach der Aufzug iss' übrigens
  216. platt... also machet juut Meister... wa eh...", begrüßt.
  217. Hatten Sie eben noch über einen Doppelmord nachgedacht, gehen Ih-
  218. re Gedanken nun unweigerlich in Worte wie Massaker, Overkill
  219. oder Amoklauf über. Aber da man sich natürlich die schöne Urlaub-
  220. stimmung nicht verderben will, nimmt man auch vier Etagen mit
  221. pflastersteinbepackten Koffern in Kauf.
  222. Und als Sie nach einer halben Stunde, dem Exodus nahe, die Tief-
  223. garage erreicht haben, alle Koffer irgendwie hähmisch grinsend
  224. neben Ihnen zu stehen scheinen, wird Ihnen auch schon wieder
  225. warm um's Herz.
  226. Da steht er also. Der nagelneue Mercedes 200 D, den Sie mit vie-
  227. len Überstunden und einem Bankkredit fast bar bezahlen konnten
  228. und der Ihnen in diesem Augenblick als das Wichtigste auf dieser
  229. Welt... zumindest innerhalb der Tiefgarage, vorkommt.
  230. Seine windschnittige Form strahlt eine ungeheure Sicherheit aus,
  231. sein blank polierter Stern funkelt durch den Raum und scheint
  232. die gesamte Garage zu erhellen. Seine silberfarbenen Radkappen
  233. erinnern Sie unweigerlich an das Gefühl von Macht und Überlegen-
  234. heit. Sein eingeschlagenes Seitenfenster scheint Sie freudestrah-
  235. lend anzulächeln und die verkratzte Beifahertür weist auf ty-
  236. pisch deutsche Qualität hin...
  237. Moment.... eingeschlagene Fensterscheibe....???? Kratzer auf der
  238. Tür...
  239.  
  240. Ihnen wird schwarz vor Augen. Sie denken an Charles Bronson und
  241. könnten sich in diesem Moment keinen besseren Partner für jenen
  242. begnadeten Schauspieler vorstellen, wenn es wieder einmal heißt,
  243. "Zwei Männer sehen rot.." Sie wollen gerade in Tränen ausbre-
  244. chen, als Sie hinter sich viele Ihnen bekannte Stimmen wahrneh-
  245. men können.
  246. "Da wartet man extra eine halbe Stunde und der Mann hat die Kof-
  247. fer immer noch nicht verstaut.... ach was soll man mit so einem
  248. Trödler nur machen..." "Ich habe Dir ja schon immer gesagt, daß
  249. Klaus-Peter besser für Dich gewesen wäre.... aber Du wolltest ja
  250. nicht auf mich hören..."
  251. "Duhu.... Mami... wird die Maus, die Peter eben totgemacht hat,
  252. jetzt ein Zombie....???"
  253. "Eh geil eh.... die Ratte hat noch gezuckt... Papa... kann ich
  254. in Italien auch 'ne Ratte haben...??"
  255. Jetzt ist es soweit. Sie drehen sich einfach um, ziehen einen
  256. Trommelrevolver Kaliber 45 aus Ihrer Tasche und sind vier Sorgen
  257. auf einen Schlag los. Aber erstens heißen Sie nicht Charles Bron-
  258. son und zweitens will die Familie ja in Urlaub....
  259. "Setzt Euch schonmal rein... ich verstaue noch die Koffer im An-
  260. hänger...." Und während sich der Rest der Sippschaft um die Fen-
  261. sterplätze streitet, Sabinchen schließlich mit der Begründung,
  262. sie könne sonst die vielen tollen Toten auf der Autobahn gar
  263. nicht sehen, einen Fensterplatz erkämpft hat, Peter mit dem Mit-
  264. telplatz vorlieb nehmen muß, die Schwiegermutter keifbereit hin-
  265. ter dem Fahrersitz kauert, Ihre Frau in diversen Straßenkarten
  266. stöbert... als wenn sie schon einmal im Leben eine Ausfahrt ge-
  267. funden hätte...., Sie nun endlich die Koffer verstaut haben, auf
  268. Ihrem Fahrersitz platz nehmen und irgendwo eine Ente erkennen
  269. muß, daß Motorboote doch stabiler sind, als vermutet, kann die
  270. Fahrt in's Glück...sprich in den wohlverdienten Urlaub, endlich
  271. starten....
  272. "Hast Du auch wirklich alle Papiere...??? Habe ich das Bügelei-
  273. sen ausgestellt....?? Warum liegen hier denn lauter Scherben
  274. rum...??? Wo ist denn das Radio....???... "
  275. "Duhu...Papi....ich muß mal Pipi...."
  276. Und erneut scheint alles um Sie herum so unwirklich, nicht
  277. existent... einfach ein böser, dummer Traum, der gleich zerplat-
  278. zen wird, wie eine Seifenblase. Das einzige, was innerhalb der
  279. nächsten Sekunden zerplatzt, ist die Blase Ihrer kleinen Toch-
  280. ter. Und da Sie sowieso den Autoschlüssel auf dem Anhänger lie-
  281. gen gelassen haben, beschließt man für eine frische Unterhose Ih-
  282. rer Tochter, sowie einen scherbenfreien Beifahersitz zu sorgen
  283. und verschiebt die Fahrt um zehn Minuten nach dem ursprünglich
  284. geplanten ersten Versuch zu verlegen. Und während Sie sich mit
  285. gefundenem Autoschlüssel erleichtert ein zweites Mal hinter das
  286. Steuerrad begeben, die Pipigeschichte Ihrer Tochter zur Legende
  287. geworden ist, hören Sie, unmittelbar hinter sich, erneut diese
  288. Stimme, die Sie unweigerlich aus Ihren Träumen vom gemütlichen
  289. Urlaub reißt und wieder diese merkwürdigen Gedanken in Ihnen auf-
  290. keimen läßt.
  291. "Hör mal Dingsbums... kannst Du überhaupt Autofahren....???"
  292. Einen Augenblick lang müssen Sie an James Bond und sein Wunderau-
  293. to denken, welches doch diesen herrlichen Knopf besitzt, auf des-
  294. sen Druck sich alles Übel gen Himmel verflüchtigt.
  295. Ach hätten Sie sich bei der Anschaffung Ihres Traumwagens, des-
  296. sen Traum nun durch ein Loch in der Seitenscheibe und einer zer-
  297. kratzten Tür ein wenig getrübt wird und dessen Traumtrübung auch
  298. durch die Insassen ganz gehörig beeinflußt wird, doch nach diver-
  299. sen Sonderausstattungen erkundigt. Eine an die Decke der Tiefga-
  300. rage klatschende Schwiegermutter würde Ihr Urlaubsglück mit ei-
  301. nem "Klatsch" um mindestens fünfzig Prozent steigern. Nichts de-
  302. sto trotz war es nun endlich soweit.
  303. Die Fahrt konnte beginnen...
  304. Lässig, ungeheuer lässig und vor allem cool drehen Sie den
  305. Schlüssel im dazu vorgesehenen Schloß um. Und nach kurzer Zeit
  306. können Sie dieses herrliche Geräusch vernehmen, welches eine
  307. 200D Powermaschine so zu erzeugen pflegt.
  308. "Macht die Karre jetzt den ganzen Weg über so einen Lärm... ???
  309. Ach wir hatten ja damals einen Opel... der war leise... ach könn-
  310. te das alles mein Mann noch miterleben... geht es jetzt endlich
  311. los...???"
  312. Ob ich meinen Zigarettenanzünder stark verschmutze, wenn ich
  313. mich jetzt ein fach umdrehe und ihn gegen ihre Nasenspitze drüc-
  314. ke....???
  315. Doch auch solche Gedanken kommen Ihnen in diesem bedeutungswürdi-
  316. gen Moment vor wie Schall und Rauch. Und während in irgendeinem
  317. Kaltwasserbecken ein Goldfisch sein letztes "Blub" haucht, um
  318. dann auf der Seite liegend Stunden später in irgendeiner Müllton-
  319. ne zu verschwinden, setzt sich der Wagen nebst Anhänger, sowie
  320. vier fröhlichen und einem suizidgefährdeten Insassen in Bewe-
  321. gung...
  322.  
  323. ===============================================================
  324. "Warum überholst Du nicht endlich mal irgendjemanden....???
  325. schließlich fahren wir doch einen Mercedes....." Sicher sind Sie
  326. stolzer Besitzer eines Mercedes... wenn auch mit eingeschlagenem
  327. Seitenfenster, welches mit rotem Klebestreifen kunstvoll zu-
  328. sammengehalten wird. Und sicher würden Sie auch ganz gerne ein-
  329. mal irgendwann irgendjemanden über holen.... Nur hat die Sache
  330. einen entscheidenden Haken.
  331. Sie stehen seit der Überschreitung des Leverkusener Kreuzes in
  332. einem typischen Fünfzig-Kilometer-Urlaubsstau.... wen um Gottes
  333. Willen sollen Sie denn da bitte überholen....???
  334. Sie wollen sich gerade zur Seite drehen, um Ihrer Frau fachmän-
  335. nisch zu erklären, daß dies aus Gründen der Nichtbenutzbarkeit
  336. des Seitenstreifens und aus stautechnischen Gründen momentan lei-
  337. der nicht möglich ist, als Sie mit einem kurzem Blick auf Ihre
  338. Weltallerliebste feststellen, daß diese, wie auch schon bei Be-
  339. ginn der Fahrt unaufhörlich mit dem Studieren irgendwelcher Stra-
  340. ßenkarten beschäftigt ist.
  341. Jetzt heißt es Interesse heucheln... Ihre Lippen, durch die seit
  342. ca. einer Stunde, mit der Begründung "Vitamine steigern das
  343. Konzentrationsvermögen", unnachgiebig, ständig irgendwelche
  344. Fruchtbonbons geschoben werden, öffnen sich...
  345. Und während irgendwo in Deutschland ein fröhlicher Heimwerker
  346. mit der Hand an irgendeiner Wand klebt, weil das Zielen mit Nä-
  347. geln in Band 1 seiner Heimwerkerbrochüre nicht erklärt wurde,
  348. drehen Sie sich gewichtig zur Seite...
  349. "Du, Liebling.... schau' doch mal gerade nach, wo wir uns jetzt
  350. befinden..." Jaja, Sie befinden sich, exakt dreihundertfünfzig
  351. Meter vom Leverkusener Kreuz entfernt.... auf einer Autobahn.
  352. Aber Ihre Frau wird nun denken, daß man sie dringend benötigt
  353. und wird mit einem wichtigen Lächeln auf ihren Lippen antwor-
  354. ten... "Ja da siehst Du mal, wie wichtig es ist, sich mit Karten-
  355. material auszukennen..."
  356. Und Sie werden die nächsten zwanzig Minuten von weiteren Bonbo-
  357. nattacken verschont bleiben.... alles Taktik....
  358. Aber anstatt einer Antwort, herrscht nun völlige Stille in Ihrem
  359. Fahrzeug... Nur leise, ganz leise, hören Sie das undeutliche Ge-
  360. murmel Ihrer lieben Gattin. "....hmmmmm.... Kiel.... hmmmm....
  361. hier muß doch irgendwo Köln sein..... hmmmm" Waren wirklich Sie
  362. es, der in einem Anfall von geistiger Umnachtung, dieses dümmli-
  363. che Wesen, welches jetzt Lübeck gefunden zu haben scheint und
  364. dies mit einem kräftigen "In Lübeck gibt's doch das leckere Mar-
  365. zipan..." kundtut, geheiratet haben...??? Müssen Sie denn immer
  366. Pech im Leben haben....???
  367. "Duhu.... Papi... haste gesehen.... da ist grade Dirty Harry vor-
  368. beigefahren... tut der jetzt einen erschießen....???" Wer um al-
  369. les in der Welt ist Dirty Harry...???
  370. Die Gedanken scheinen nur so an Ihnen vorbeizufliegen. Sie sit-
  371. zen wirklich in Ihrem Auto, um eine Schar verwirrter Geister
  372. nach Italien zu transportieren. Sie spielen gerade mit dem Gedan-
  373. ken, sich von Ihrer Tochter über einen gewissen Harry Sowieso
  374. aufklären zu lassen, als Ihre gesamte Konzentration durch einen
  375. markerschütternden Schrei unterbrochen wird.....
  376. "Daaaaaaaaaaaaaaaaa......... da hinten....."
  377. InÅxÜSsjÖ Áhaare stehen Spalier. Ihr ganzer Körper bildet eine
  378. Einheit, die nur noch aus Muskeln zu bestehen scheint.... Jeden
  379. Moment erwarten Sie einen Knall. Den Knall.... der das Ende Ih-
  380. res Lebens bedeuten muß.... doch wieder herrscht, eine diesmal
  381. unbehagliche Ruhe um sie herum.
  382. Sie wagen kaum zu atmen. Schweißperlen bilden sich auf Ihrer
  383. Stirn. Sie drehen sich unendlich langsam zur Seite. Zögernd ver-
  384. formt sich Ihre Gesichtsmuskulatur. Und während in irgendeinem
  385. deutschen Kinderzimmer, ein beliebiger deutscher vorpubertärer
  386. schwachsinniger Jüngling feststellen muß, daß sich sein Meer-
  387. schweinchen im Aquarium des Vaters als nicht wassertauglich er-
  388. weist, stellen Sie zögernd die Frage, deren Antwort als garan-
  389. tiert herzinfarktgefährdend eingestuft werden muß...
  390. "Was ist...... gulp.... da....???"
  391. Ihr Blick gleitet an einem ernsten Gesicht herunter. Herunter
  392. auf ein Meer von Straßenkarten. Immer weiter herunter, bis sich
  393. Ihr Blick an einer Tüte Vitaminbonbons verfängt, die fröhlich ra-
  394. schelnd zwischen den Stempeln Ihrer holden Gattin herumliegt.
  395. "Ich glaube..... da hätten wir rausgemußt.... das war, nehme ich
  396. an, unsere Ausfahrt... da hinten die..... hmmmm.... ich kann
  397. mich natürlich auch irren...." Und während Sie sich langsam
  398. ernsthaft für die Schießfähigkeiten des von Ihrer Tochter als be-
  399. sonders treffsicher beschriebenen Dirty Harry zu interessieren
  400. beginnen, vernehmen Sie hinter sich die gefürchteste Stimme der
  401. Cologne West-River-Side.....
  402. "Ich kann mir vorstellen, was Dingsbums da wieder für einen Kar-
  403. tenmüll gekauft hat... wieder so billige Dinger auf denen man
  404. nichts erkennt.... jaja, ich habe ja immer gesagt... der Jür-
  405. gen... ja... der war mal Pfadfinder... der hätte uns auch blind
  406. nach Italien gefahren...."
  407.  
  408. Es vergehen Stunden... Stunden der behaglichen Konversation.
  409. Stunden in denen Sie neben Dirty Harry noch einundzwanzig weite-
  410. re Killer kennenlernen, die allesamt, fröhlich winkend, an Ihnen
  411. vorbeifahren...
  412. Stunden, in denen Sie etwas über die Umgehungs- und Landstraßen
  413. von Flensburg erfahren dürfen.... und Stunden in denen Sie ler-
  414. nen, Bonbons zu hassen.... Das Leverkusener Kreuz befindet sich
  415. mittlerweile weit hinter Ihnen. Der Stau gehört der Vergangen-
  416. heit an.... und nur die Stimme Ihrer Tochter liegt Ihnen noch im
  417. Ohr, als Sie den Grund des Staus, einen wundervollen Auffahrun-
  418. fall, endlich kennenlernen durften...
  419.  
  420. "Duhu.... Mami.... guck mal... da iss' ja ein Zermatschter.....
  421. uhhh doll.... der, der da hinten an der Leitplanke hängt, ist ja
  422. noch viel zermatschter....." Und Ihr Sohn, ohne den die Batte-
  423. rienindustrie schon lange pleite gegangen wäre, befreite sich
  424. endlich einmal von den Kopfhörern seines Walkmans und fügte fröh-
  425. lich grinsend hinzu... "Eh Mann eh... kommt ja geil... die sehen
  426. ja fast wie Waldi aus.... wann halten wir denn mal an....??  Ich
  427. habe Hunger...."
  428. Irgendwo in einem Kinderzimmer überprüft gerade ein beliebiger
  429. grosser Bruder mit freundlicher Unterstüzung seiner kleinen
  430. Schwester die Wirkungsweise von Domestos, um dann feststellen zu
  431. müssen, daß seine besagte Schwester nach der Einnahme einer hal-
  432. ben Flasche dieser Wundermedizin so drollige Röchelgeräusche
  433. von sich gibt, während Sie sich mit Ihrer Familie staufrei gen
  434. Italien bewegen....
  435. Die Stimmung im Inneren Ihres Wagens ist deutlich gestiegen. Ih-
  436. re Frau informiert Sie ständig über mögliche Ausweichmöglichkei-
  437. ten bei Staus westlich von Pretoria. Ihr Sohn belehrt Sie über
  438. die Endstehungsgeschichte des Big Mac, ohne auf den Hinweis zu
  439. verzichten, daß die Toten Hosen bei der nächsten Bundestagswahl
  440. Chancen hätten, Könige von Deutschland zu werden. Ihre Tochter
  441. ist nun der festen Überzeugung, daß ihre Lehrerin in Wirklich-
  442. keit ein mutantenähnliches Alien ist, welches nur mit Hilfe von
  443. atomgalaktischen Hyperstrahlen vernichtet werden kann... und Sie
  444. kennen nun, dank der gütigen Mithilfe Ihrer Schwiegermutter, die
  445. Lebensgeschichten von einem gewissen Dieter Fröhn und Karl-Au-
  446. gust Bolopp....
  447. Italien geht Ihnen durch den Kopf.... Strand, Sonne.... gött-
  448. lich.....
  449. Sie blicken verträumt in den Rückspiegel.... und erkennen sche-
  450. menhaft einen Schriftzug mit der deutlich lesbaren Buchstabenkom-
  451. bination.... "Fahren Sie bitte rechts ran..."
  452. "Eh Mann... die Bullen sind hinter Dir her.... geil Papi...
  453. häng' sie ab...." "Duhu... Papi.... sachste denen, daß die aufa-
  454. passen sollen.... da vorne hat uns grade der Terminator über-
  455. holt.... der ballert doch sonst alles platt....."
  456. "Ich wußte ja schon immer, daß Dingsbums nicht Auto fahren
  457. kann... was hat er denn jetzt wieder angestellt.....??? der
  458. Franz... ja der war ein guter Autofahrer....."
  459. Sie können es immer noch nicht fassen. Millionen und Abermillio-
  460. nen deutscher Autofahrer sind an diesem Tag auf den hiesigen Au-
  461. tobahnen unterwegs.... und ausgerechnet Sie werden von der Au-
  462. tobahnpolizei rechts rangewunken.... Sie beginnen mit dem Gedan-
  463. ken zu spielen, daß der kurze Knall vor fünfzehn Minuten ein Reh
  464. hätte sein können, welches jetzt verklärt lächelnd an Ihrem
  465. Kühlergrill klebt...
  466. Und während just in diesem Moment das Nasenbein irgendeines Knei-
  467. penhelden feststellen muß, daß die Faust eines Skinheads rein
  468. gar nichts von gemütlicher Kneipenidylle besitzt, betätigen Sie
  469. Ihren Blinker und folgen der Aufforderung der Gesetzeshüter.
  470. Acht Augenpaare sind vorwurfsvoll auf Sie gerichtet, als Sie
  471. kühl lächelnd das Fenster Ihres Prachtwagens herunterkurbeln, um
  472. dann wahscheinlich festzustellen, daß sich die Herrn Polizisten
  473. lediglich im Fahrzeug geirrt haben. "Eh Papi.... wenn die blöd
  474. kommen, mach' sie platt...."
  475. Sie versuchen Ihre Gedanken zu ordnen, als Sie jenseits der Fen-
  476. sterumrahmung eine Ihnen bis dahin völlig unbekannte Stimme wah-
  477. nehmen können... "Guten Tag.... Sie wissen, warum wir sie ange-
  478. halten haben...???"
  479. Mein Gott... wenn Sie das wüßten, würden sie jetzt nicht schweiß-
  480. gebadet in Ihrem Sitz kleben...
  481. "Duhu... Papi.... pass' auf... das ist nicht RoboCop.... der ist
  482. gar kein Polizist.... soll ich den Highlander rufen....???"
  483. Sie versuchen den Gefühlsausbruch Ihrer Tochter durch ein gewinn-
  484. bringendes Lächeln vergessen zu machen und blicken den Herrn Po-
  485. lizeiwachtmeister nun fragend an...
  486. "Ähm.... hüstel..... nein... warum denn....???" "Wir haben Sie
  487. beim Bremsen beobachtet.... Ihre Rücklichter sind beide defekt.
  488. Ihre Papiere bitte....." Ein Schauer läuft Ihnen über den Rüc-
  489. ken. Sichtlich verstört blicken Sie in eine verspiegelte Sonnen-
  490. brille.... Ihre Lippen scheinen verklebt.... Ihre Augen nur noch
  491. ängstlich blickende Schlitze....
  492. Und während ein fröhlicher Teen, der gerade seine erste Rasur
  493. vollendet hat, feststellen muß, daß in keiner Ausgabe der "Bra-
  494. vo" erwähnt wurde, daß sich nach der ersten Naßrasur das linke
  495. Ohrläppchen, die Unterlippe und die halbe Nase im Waschbecken be-
  496. finden, blicken Sie dem Herrn Gesetzeshüter nun sichtlich ern-
  497. ster und mit einem panikartigen Ausdruck auf Ihrem Gesicht in
  498. die bereits erwähnte Sonnenbrille..
  499. "Scheiß' auf die Rücklichter...... wo ist mein Anhänger...???"
  500.  
  501. ============================================================
  502. Ein Loch in der Seitenscheibe, das nagelneue Radio gestohlen,
  503. den Anhänger irgendwo zwischen Köln und Leverkusen verloren...
  504. und die Herrn von der Autobahnpolizei hatten nichts besseres zu
  505. tun, als den Verlust des Anhängers, aufgrund Freilegung der nun
  506. gut sichtbaren, kaputten Rücklichter mit zwanzig Mark zu beloh-
  507. nen...
  508. Eine ausweglose Situation...???
  509. Aber bei weitem nicht. Schließlich sind es bis Italien nur noch
  510. schlappe zweitausend Kilometer und Sie befinden sich mit Ihrem
  511. Anhang immerhin schon an der Autobahnraststätte Wanne-Eikel-
  512. Süd...
  513. Und das nach lächerlichen sieben Stunden. "Hör mal... ich gehe
  514. mit den Kindern schnell zur Toilette... Mutter schläft ja und Du
  515. kannst ja in der Zwischenzeit auf das Auto aufpassen...."
  516. Die Stimme Ihrer Frau, die nun fröhlich watschelnd, mit zwei of-
  517. fensichtlich geistesgestörten Kindern, Richtung Autobahntoilette
  518. zieht, erinnert Sie an die gute alte Bundeswehrzeit...
  519. Ach waren das doch herrliche Zeiten. Nicht denken, nicht han-
  520. deln, nichts tun... Und das Ganze für das für damalige Verhält-
  521. nisse einmalige Gehalt von einhundertdrei Mark und vierundacht-
  522. zig Pfennigen...
  523. Und was ist Heute...???
  524. Sie stehen einsam und verlassen vor einem ehemals neuen Mercedes,
  525. blicken verträumt auf den übervollen Mülleimer, der neben Ihnen
  526. auseinander zu fallen scheint, haben die Möglichkeit, Ihren
  527. Blick auf eine wundervoll häßliche alte Dame, die gerade schla-
  528. fend Ihr Auto vollsabbert, zu lenken und fragen sich ernsthaft,
  529. ob Sie Italien je erreichen werden...
  530. Herz, was willst Du mehr....???
  531. In irgendeinem deutschen Kinderzimmer, leuchtet gerade ein belie-
  532. biges Kleinkind, bei dem Versuch, den angefeuchteten Zeigefinger
  533. aus der Steckdose zu ziehen, freudestrahlend auf, die Vögel über
  534. Ihnen scheinen ein Liebeslied zu tällern... und Sie stehen
  535. staunend vor Ihrer Schwiegermutter und fragen sich, warum diese
  536. Schabracke die Ruhe besitzt, so tief und fest zu schlafen...
  537. "Hey Kumpel... ist das hier Castrop-Rauxel-Nord....???..."
  538. Sie zucken zusammen... ein Schauer läuft über ihren Rücken...
  539. Warum kann man mich nicht einfach einmal in Ruhe träumen lassen,
  540. denken Sie sich, als Sie sich um Ihre eigene Achse drehen und
  541. auf einen etwa vierzig Jahre alten Mann blicken, der in gelb-ro-
  542. ten Bermudashorts, kartenwedelnd und armschwingend auf Sie zuge-
  543. stapft kommt.
  544. Eine feuchte Halbglatze funkelt unter den Strahlen der sich über
  545. die Erde ergießenden Sonne. Ein schwammiger Bierbauch wippt fröh-
  546. lich unter einem farbenfrohen Hawaii-Hemd bei jedem Schritt rauf
  547. und runter.
  548. "Mensch... da hab' ich mich doch total verfranst.... ist das hier
  549. jetzt Catrop Rauxel-Nord....??? wir wollen unseren Onkel in Dort-
  550. mund-LüDo besuchen... siebzig isser geworden, der alte Sack...
  551. wir sind vor 'ner Stunde aus Aachen losgefahren.... ach mein Na-
  552. me ist übrigens Heiner Kowalski......"
  553. Sie könnten jetzt schon laengst am Strand der wundervollen Adria
  554. liegen. Irgend ein Luigi bringt Ihnen ein kühles Bier, welches
  555. Sie mit genüßlichen Zügen unter Ihrem Sonnenschirm leeren....
  556. Doch stattdessen haben Sie nun die Ehre einem gewissen Heiner Ko-
  557. walski aus Aachen erklären zu müssen, daß man sich hier an der
  558. berühmten Autobahnraststätte Wanne-Eikel-Süd befindet....
  559. "Das ist aber auch ein Mist.... die Autobahnabfahrten sind hier
  560. ja kaum zu erkennen... da sind wir Deutschen schon so nett und
  561. bieten den Attas Arbeit an... und die faulen Säcke spielen über-
  562. all Arbeiterdenkmahl.... und die Autobahnschilder wachsen mit Ge-
  563. strüpp zu...."
  564. Während Sie versuchen, die Worte des offensichtlich extrem aus-
  565. länderfreundlichen Heiner Kowalski zu ordnen, ist dieser auch
  566. schon an Ihnen vorbeigetappt und breitet nun, merkwürdig grun-
  567. zend, eine dieser verhaßten Straßenkarten auf Ihrem Autodach
  568. aus...
  569. "Wo wollen Sie denn hin... auch innen Pott...??? Wahrscheinlich
  570. Camping.... jaja... die Campingplätze in Wanne-Eikel sind ja
  571. auch nicht übel... fahren Sie 'ne Leiche spazieren...?? Ich hof-
  572. fe, ich habe die alte Dame nicht geweckt..." Und während in ir-
  573. gendeiner deutschen Küche eine Brotschneidemaschine gerade unter
  574. Beweis gestellt hat, daß es manchmal recht drollig aussehen
  575. kann, wenn Fingerkuppen an der Tapete kleben, beugen Sie sich,
  576. immernoch sichtlich sprachlos, über Ihr Autodach und die darauf
  577. befindliche Straßenkarte.
  578. "Ähm.... hmmmm.... sie befinden sich hier in Wanne-Eikel-Süd...
  579. hmmm.... Castrop Rauxel.... hmmmm.... das muß doch auch irgendwo
  580. sein...."
  581.  
  582. Sie versuchen gerade, zwischen Kaffeeflecken und zermatschten
  583. Fliegen die richtige Autobahn zu finden, von der aus man unwei-
  584. gerlich nach Dortmund gelangt, als Ihr Gegenüber, nun sichtlich
  585. erleichtert, das Kartenmaterial, mitsamt Fliegen und Kaffee, hek-
  586. tisch zusammenrafft und Ihnen sein Abschiedsstoßgebet lautstark
  587. in's linke Ohr brüllt....
  588. "Danke Chef..... meine blöde Alte ist aber auch zu dumm, vernünf-
  589. tig 'ne Karte zu lesen... ich sehe gerade.... sie sind nach Ita-
  590. lien unterwegs.... dann fahren sie in die falsche Richtung...
  591. ach und wecken sie mal die Schachtel in ihrem Auto auf... die
  592. kriegt sonst noch 'nen Hitzeschlag... also machen sie es gut...
  593. und schöne Grüße an die werte Gemahlin... wenn Sie mal 'ne Du-
  594. sche einrichten wollen... hier meine Karte... Kowalski Duschvor-
  595. hangringe.... alles klar.. tschüß"
  596. Sie kommen sich vor wie im Rausch... Und während Heiner Kowalski
  597. nun armwedelnd auf seinen Wagen zustapft, hinter dem, ebenfalls
  598. armeschwingend, eine dieser Zweizentner-Kühe auf ihn zu warten
  599. scheint, die man nur deshalb heiratet, weil sie die Gabe besit-
  600. zen, kochen zu können... und weil einem Freunde und Kollegen nur
  601. Verständnis entgegenbringen, wenn man mit einer Geliebten
  602. prahlt, stehen Sie fragend mit einer goldumrandeten Visitenkarte
  603. in der Hand, neben einem nun auch noch deftig stinkendem Müllei-
  604. mer.....
  605. Die Sonne scheint in diesem so wundervollen Augenblick nur für
  606. Sie zu scheinen. Und während in irgendeinem deutschen Backofen,
  607. ein Kleinkind von innen durch die Scheibe seinem hämisch grinsen-
  608. den Bruder dabei zuschaut, wie dieser gerade besagten Backofen
  609. auf zweihundertfünzig Grad erhitzt, denken Sie über die Warnung
  610. Heiner Kowalskis nach und spielen ernsthaft mit dem Gedanken, Ih-
  611. re ach so geliebte Schwiegermutter zu wecken.
  612. "...Hallo.... wach' auf.... es ist doch viel zu warm..."
  613. Nichts regt sich. Nur der Wind bläst Ihnen einen Hauch von Küh-
  614. lung in Ihr leicht errötetes Gesicht.
  615. "Hey.... hallo.... aufwachen.... Du mußt aufwachen... du gehst
  616. doch kaputt im Wagen....."
  617. Wieder rührt sich nichts. Sie blicken ein wenig traurig auf Ihre
  618. sichtbar vollgesabberte Rückbank und stellen ganz nebenbei fest,
  619. daß Ihr lieber Sohn die gesamte Fahrt über auf einem Frosch ge-
  620. sessen hat, der Sie nun unweigerlich an den immer noch auf Ihrem
  621. Teppich im heimischen Wohnzimmer klebenden Deckeldackel erin-
  622. nert...
  623. Langsam beginnen Sie nun an jener Frau zu zerren, die eindeutig
  624. der Grund für die vollgesabberte Rückbank zu sein scheint.
  625. Haaaaalllllooooo..... aufwachen..... mein Gott... hörst du mich
  626. icht...???..." Das Zerren verstärkt sich. Aber irgendwie
  627. scheint Ihr Zerren keine Wirkung zu zeigen.
  628. Ihnen wird warm und kalt zugleich. Die unmöglichsten Gedanken
  629. schießen Ihnen durch den Kopf.... sollte es wirklich wahr
  630. sein... es wäre zu schön, um wahr zu sein....
  631. Während Sie gerade versuchen, darüber nachzudenken, ob sich be-
  632. sagte Schlabberin immer schon so kalt anfühlte, kippt diese,
  633. durch Ihr Schütteln und Zerren sichtlich aus ihrer ursprüngli-
  634. chen Sitzposition gebracht, langsam aber um so sicherer zur Sei-
  635. te...
  636. Ein gewisser Triumpf macht sich in Ihrem Inneren breit, während
  637. das Gesicht der offensichtlich Verstorbenen nun Kontakt mit dem
  638. auf dem Mittelsitz klebenden Frosch aufgenommen hat...
  639. Sie ist tot... schießt es Ihnen durch den Kopf.... Ich bin sie
  640. los... nie wieder die Namen anderer potentieller Heiratskandida-
  641. ten Ihrer holden Gattin kennenlernen müssen.... keine Vitaminbon-
  642. bons mehr.... Sie können Ihr Glück kaum fassen. Es fallen Ihnen
  643. die Triumpfgebärden einiger Fußballspieler ein... und Sie begin-
  644. nen mit dem Gedanken zu spielen, einen lupenreinen Lambada um
  645. die neben Ihnen stinkende Mülltonne zu tanzen...
  646. "Duhu Papi... auf dem Klo hat einer gekotzt... das war viel-
  647. leicht ekelig...." "Ey iss' das ein Scheiß... die haben die Por-
  648. nos in der Tankstelle alle eingeschweißt.... und die Batterien
  649. sind hier auch so teuer...."
  650. "So, jetzt kannst Du zur Toilette gehen.... ist was...??? Du
  651. siehst irgendwie so glücklich aus.... schläft Mutter noch....???"
  652. Sie zucken zusammen. Sie spüren deutlich, daß sich die Stimmen,
  653. die Ihnen bestens bekannt vorkommen, unmittelbar hinter Ihnen be-
  654. finden.... Jetzt blos nicht anfangen zu lachen... mein Gott...
  655. wie macht man ein ernstes Gesicht....???....
  656. Unendlich langsam drehen Sie sich um... das Gesicht auf's äußer-
  657. ste angespannt. Die Gesichtsmuskulatur zuckt, als Sie sich nun
  658. innerlich einem Lachkrampf nahe, Ihrer Frau zuwenden. Und wäh-
  659. rend irgendwo in einer Kaserne, ein Soldat, bei dem Versuch, ei-
  660. ne Kampfbahn möglichst lässig hinter sich zu lassen, mit den Oh-
  661. ren im Stacheldraht hängenbleibt, öffnet sich Ihr Mund....
  662. "Du.... ich muß Dir was schlimmes mitteilen... hüstel.... ähm...
  663. grins... sorry.. wir sind auf der falschen Autobahn.... ähm...
  664. röchel... und deine Mutter ist hin..... prust.... sie hat nicht
  665. gelitten... grööööööööhl............"
  666.  
  667. =========================================================
  668. "Sie ist was.... vom wem redest Du..?? meine Mutter.... tot...
  669. hier... jetzt.... wie unpassend...." Da steht sie nun. Ihre so heiß
  670. und innig geliebte Familie. Auf einer Autobahnraststätte, mit dem
  671. holden Namen "Wanne-Eikel-Süd".
  672. Ihr Auto wurde in einer Tiefgarage demoliert, Sie sind seit Stunden
  673. unterwegs und haben immerhin schon ca. 50 Kilometer in der falschen
  674. Richtung hinter sich gebracht, auf der Rückbank Ihres Wagens liegt
  675. ein zerquetschter Frosch... und mit dem Gesicht mittendrin, im
  676. Frosch, Ihre soeben verschiedene Schwiegermutter.
  677. Was will ein glücklicher Mensch, der nichts anderes im Sinn hat, als
  678. seinen wohlverdienten Urlaub in Italien zu verbringen, mehr vom Le-
  679. ben...??
  680. Eine mörderische Stille macht sich in Ihrer Umgebung breit. Und wäh-
  681. rend vor irgendeinem Hochhaus, ein Selbstmörder im freien Fall mit
  682. den Worten, "Ähm....ich hab's mir anders überlegt...", just in die-
  683. sem Moment damit beginnt, den Bürgersteig zu verunreinigen und Ihre
  684. Frau vor Ihnen zusammenbricht, stehen Sie dämlich grinsend, vor
  685. den Überresten Ihrer Familie und versuchen, durch gezielt plazier-
  686. ten Humor, Ihren Kindern den sicherlich in gewisser Weise vorhande-
  687. nen Ernst dieser Angelegenheit ein wenig schmackhaft zu machen.
  688. Schließlich soll dies der erste Tag Ihres wohlverdienten Urlaubs
  689. sein.
  690. "...Ähm... wisst Ihr Kinder... Omi geht jetzt im Himmel mit Waldi,
  691. der Ratte und dem Frosch Gassi.... ähm... alles halb so wild... Pa-
  692. pi hat alles im Griff... ähm... und Peter... heb' doch mal deine
  693. Mutter auf... der ganze Parkplatz guckt schon... außerdem wollte
  694. sie das Kleid in Italien noch tragen...."
  695. Ja, so geht's. Genau so und nicht anders. Sie sind das Familienober-
  696. haupt. Sie haben die Hosen an in Ihrer Familie. Ihre Kinder können
  697. stolz auf Sie sein. "Duhu... Papi... wird Omi jetzt auch grün im Ge-
  698. sicht und läuft dann schlabbernd durch die Gegend....???" Das Innen-
  699. leben Ihrer Tochter scheint nun doch langsam bedrohliche Formen an-
  700. zunehmen, denken Sie sich, als Sie plötzlich und dementsprechend un-
  701. erwartet von hinten angesprochen werden.
  702. "Tach Chef... kann isch helfe...??? dat sieht ever nit jood us...
  703. die Aal in Ihrem Waare mät so 'ne komische Eindruck... is' die
  704. duud...???"
  705. Sie verharren einen kurzen Augenblick, stellen aber dann überra-
  706. schend fest, daß Sie erstaunlich ungerührt reagieren, als Sie sich
  707. umdrehen und in die Fratze eines typischen Rheinländers, der aus ei-
  708. nem Dorf unmittelbar hinter Köln kommen muß und dessen Kennzeichen
  709. sicherlich jene legendäre Buchstabenkombination aufweist, welche
  710. man an zweiter und dreizehnter Stelle des Alphabetes wiederfindet,
  711. schauen.
  712. Und während irgendwo ein junger Spätaufsteher, der mit den Fingern
  713. gerade noch in der Öffnung seines Toasters herumgewurschtelt hatte,
  714. weil sich dieser einmal wieder weigerte, das Toastbrot auszuspuc-
  715. ken, feststellen muß, daß rotgelb glühende Fingerkuppen zwar inter-
  716. essant aussehen, aber irgendwie höllisch weh tun, schauen Sie Ih-
  717. rem Gegenüber tief in die Augen und sprechen Ihn cool und unerwar-
  718. tet überlegt an.
  719. "Wunderschönen... och ist eigentlich nur eine Baggatelle... die Al-
  720. te ist zur Seite gekippt und war weg... also alles harmlos... könn-
  721. ten Sie mir vielleicht kurz behilflich sein...?? die versaut mir
  722. sonst die ganzen Schonbezüge...."
  723. Ihr Gegenüber schaut Sie ein wenig verblüfft an. "Äh... sischer dat
  724. Chef... dat wör doch jelaach, wennemer die nit us ihrem Waaren he-
  725. ruskriejen würden... wa...." Und nachdem nun, einige Minuten spä-
  726. ter, die kläglichen Überreste Ihrer Schwiegermutter bewegungslos ne-
  727. ben der Mülltonne, unmittelbar neben Ihrem Wagen liegen, der zer-
  728. matschte Frosch, scheinbar grinsend, immer noch auf Ihrem Rücksitz
  729. klebt und Ihr Sohn nun schon zum achten Male versucht, Ihre Frau
  730. wieder auf die Beine zu stellen, stehen Sie und Ihr neuer Partner
  731. überlegend vor Ihrem Auto und schauen sich an.
  732. "Un' wat nu Chef...??? die kann ja schlech' hier lien blive...oder
  733. wat..." Nun sind Sie gefordert. Ganzer Einsatz ist gefragt. Aber
  734. Sie sind ja nicht unmsonst Dienststellenleiter beim städtichen Ver-
  735. waltungsamt zur Beseitigung von Sondermüll. Außerdem waren Sie es
  736. schon in Bundeswehrzeiten gewohnt, Entscheidungen zu treffen. Von
  737. einem Obergefreiten wurde dies in jeder Lebenslage erwartet. Brust
  738. raus, ein wichtiges und überlegenes Gesicht aufgezogen und Befehle
  739. erteilen.... ja nur so geht's....
  740. "Hmmm.... nein... das kann sie natürlich nicht.... hmmm... gehen
  741. Sie zur Tankstelle und laßen Sie sich einen großen blauen Müllsack
  742. geben... bringen Sie noch zwei Schaufeln mit.... hmmm... eine würdi-
  743. ge Beerdigung muß sein... los, worauf warten Sie noch.... Sabin-
  744. chen... hör' sofort auf mit dem Frosch zu spielen.... Peter... laß'
  745. deine Mutter liegen... hol' das Warndreieck aus dem Auto.. ich habe
  746. keine Lust auch noch Krankenhausrechnungen zu bezahlen, wenn jemand
  747. über deine Omi... ähm... na das, was von ihr übrig ist... stol-
  748. pert....."
  749.  
  750. Sie blicken zufrieden gen Himmel. Irgendwo, ein paar Kilometer ent-
  751. fernt, muß gerade ein Manta-Fahrer feststellen, daß sich sein Fahr-
  752. zeug trotz heizbarer Heckscheibe und 2 Spoilern nicht zum Fliegen
  753. eignet, und daß Brückenpfeiler robuster sind, als man gemeinhin an-
  754. nimmt.
  755. Ihr Bergheimer Freund setzt sich in Richtung Tankstelle in Bewe-
  756. gung, Ihr Sohn kramt im Kofferraum und Ihre Tochter hat sich soeben
  757. von Fröschi verabschiedet, der nun gleichmäßig verteilt, im gesamm-
  758. ten Innenraum Ihres Wagens klebt. Ein Gefühl von Macht, unglaubli-
  759. cher Überlegenheit macht sich in Ihnen breit. Hier sind Sie der
  760. Chef.....
  761. Eine halbe Stunde später erreichen die Ereignisse auf der legendä-
  762. ren Autobahnraststätte Wanne-Eikel-Süd ihren Höhepunkt. Die Reste
  763. Ihrer Schwiegermutter liegen, in einem blauen Müllsack gut ver-
  764. schnürt und mit einem Warndreieck versehen, auf einer extra von ei-
  765. nem freundlichen Autopartner geräumten Parknische.
  766. Die halbe Autobahnraststätte hat sich, teils fröhlich feiernd, teils
  767. interessiert zuschauend um Sie versammelt. Ein junger Mann aus Es-
  768. sen und ein Rocker aus Leverkusen graben nach Ihren Anweisungen ein
  769. Loch in den Rasen, der sich unmittelbar vor den Parkplätzen befin-
  770. det... irgendwo jodelt ein fröhlicher Jüngling, der feststellen
  771. muß, daß Flaschenöffner nützlicher sind, als man glaubt, und der
  772. sich gerade überlegt, welcher Zahnarzt Kronenkorken aus dem Zahn-
  773. fleisch entfernt, weil unser Held all' seinen Freunden beweisen
  774. mußte, wie einfach es ist, eine Flasche mit den Zähnen zu öffnen.
  775. Und inmitten dieser bizarren Zeremonie stehen Sie. "Duhu... Pa-
  776. pi.... da musste jetzt aber auch 'ne Rede halten... in Platoon
  777. haben das die Soldaten auch gemacht...." Eine Rede.... eine Rede
  778. für diese Frau... warum eigentlich nicht...?? Sie sind schließlich
  779. der Mittelpunkt. Und das Publikum erwartet jetzt sicherlich eine
  780. ergreifende Rede von Ihnen... Ein Riesen Applaus wird Ihnen sicher
  781. sein.
  782. Ein paar Minuten später stehen Sie, innerlich gerührt, vor dem
  783. Loch, in welches nun ein großer blauer Müllsack geworfen wird. Men-
  784. schenmassen umringen Sie. Einige Ihrer Bewunderer versuchen verzwei-
  785. felt ein Foto von Ihnen machen zu können, während Sie, sichtlich an-
  786. gespannt, Ihre Lippen zu jener Rede öffnen, welche noch Jahre spä-
  787. ter als das größte Ereigniss von Wanne-Eikel gelten soll.
  788.  
  789. "Liebe Trauergemeinde... wir stehen hier nun und haben die Aufgabe,
  790. jener so wundervollen.... prust... alten Dame, die sich dort in dem
  791. Müllsack befindet, einen ehrenvollen Abgang zu verschaffen...."
  792. Tosender Jubel unterbricht Ihre Rede. Einige Bravo-Rufe sind deut-
  793. lich zu hören. Die Autobahnraststätte Wanne-Eikel-Süd gleicht ei-
  794. nem Rolling Stones Konzert... und Sie sind Mick Jagger..... "Dan-
  795. ke... danke... meine Freunde.... wo waren wir stehengeblieben...??
  796. achja... sie hat nur für ihre Familie gelebt... und ist bei ihrer
  797. Familie krep... ähm.. von uns gegangen... Ave Maria... Nomen est
  798. Omen... Halleluja... Oh du gnädiger Herrgott... mach' deine Pforten
  799. weit auf... und blos hinter ihr schnell wieder zu.... ähm... nimm'
  800. sie auf in's Reich, wo Mannitou und Odin leben... Halleluja. Lasset
  801. uns nun alle gemeinsam ein Lied singen... oh du froooöhliche... oh
  802. du selige....."
  803.  
  804. Der gesamte Parkplatz taucht unter in eine grandiose Weihnachtsstim-
  805. mung. Hunderte von Menschen singen das Lied, welches Sie ihnen be-
  806. fohlen haben. "Laßen sie mich doch mal durch... mein Gott gehen sie
  807. beiseite... und hören sie mit diesem Geplärre auf..." Und während
  808. der Autor dieses Wahnsinns, in diesem Moment stockbesoffen vom
  809. Stuhl zu kippen droht, drehen Sie sich um, um festzustellen, wer es
  810. wagt, Ihre so stimmungsgeladene Weihnach... äh... Totenmesse zu un-
  811. terbrechen. "Sind sie für diese Demonstration verantwortlich...???
  812. was treiben sie hier eigentlich... was soll der Müllsack da in dem
  813. Loch...???"
  814. Zwei offensichtlich völlig unwürdige Polizisten haben sich den Weg
  815. durch die Menschenmassen gebahnt und stehen nun fragend vor Ihnen.
  816. Sie blicken ebenso fragend, aber mit einem Willen, wie er stärker
  817. nicht sein kann, unmittelbar in das Augenpaar eines der Schutzmän-
  818. ner.... "Was soll ich hier treiben...?? das sehen sie doch... die
  819. Menschen feiern... und ich beerdige gerade meine Schwiegermutter...
  820. also wo ist das Problem..??.."
  821.  
  822. ===================================================================
  823. An dieser Stelle hat sich der Autor gedacht, daß man seinen Lesern
  824. nicht noch mehr abartige und völlig wahnsinnige Phantasien eines of-
  825. fensichtlich geisteskranken Alkoholikers zumuten sollte und beendet
  826. unsere kleine Familiengeschichte....nicht ohne darauf hinzuweisen,
  827. daß eine Verwechslung mit lebenden Familienmitgliedern, sowie toten
  828. Schwiegermüttern rein zufällig und nicht gewollt ist.
  829.  
  830. Und was ist aus unserer Familie geworden...???
  831. Nun, Vater durfte nach einem Zwangsaufenthalt in der Heilanstalt
  832. "Zum Blöden Grinsen" wieder zurück zu seinem, immer noch auf dem
  833. Teppich klebenden Dackel. Mutter erholte sich natürlich von dem
  834. Schock und träumt heute von dem gutaussehenden jungen Sanitäter,
  835. der während der Fahrt ins Kreiskrankenhaus von Wanne-Eikel ihre
  836. Hand hielt. Peter fand das Alles nur "echt geil" und testet heute
  837. die Reaktion von Fünf-Pfund-Hämmern auf Schildkrötenpanzer im Bezug
  838. auf Belastbarkeit. Und Sabinchen schwört seit der Reise auf Frosch-
  839. schenkelsuppe und wird nur noch gelegentlich am heimischen Fenster
  840. gesehen, wo sie erwartungsvoll auf Zombie-Omi wartet...
  841. Also doch noch ein Happy End.... warum auch nicht.....
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