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- JOSH, DAS VIRUS
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- Von Markus Jentsch
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- I.
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- In einem kleinen AMIGA 2000 lebte einst ein kleines Virus, genannt "Josh".
- Es verbrachte seine Zeit damit, dem Anwender Bootbloecke zu loeschen,
- Dateien zu verunstalten und von Zeit zu Zeit eine kleine Meldung auf dem
- Bildschirm anzuzeigen: "Hallo, ich bin Josh, und du kriegst mich NIE!"
- Der Eigentuemer des AMIGA 2000, Tim, hatte Josh natuerlich schon lange
- bemerkt und versuchte mit vielen Mitteln, ihm ein Ende zu bereiten. Doch
- das war gar nicht so einfach, denn Josh war ein Link-Virus, und die wollen
- ersteinmal gefunden werden. So besorgte sich Tim das neueste Virenschutz-
- programm, das es gab und fing an, seine Festplatte nach Josh abzusuchen.
- Josh, der das sofort bemerkte, handelte blitzschnell und clonte sich, wobei
- er sich mutierte. Der alte Josh wurde vom Virenschutzprogramm erkannt und
- gelöscht, den neuen Josh bemerkte es aber nicht.
- Tim freute sich natuerlich, als er die Meldung sah: "Josh-Virus found and
- deleted." "Endlich habe ich ihn!" freute er sich, "Von wegen, 'du kriegst
- mich nie'!"
- Aber er hatte sich zu früh gefreut. Der geclonte Josh schwirrte frei in
- seinem Speicher herum und freute sich des Virendaseins.
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- II.
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- Eines Tages wurde es Josh langweilig. Das Virenschutzprogramm hatte ihn
- schon mehrere Male wieder gesucht und nicht gefunden. Also lief er im
- Speicher und in den Chips herum und wusste nicht, was er tun sollte.
- Ploetzlich traf er auf Paula, die unter anderem fuer Musik zustaendig war.
- Ploezlich bemerkte Paula das Virus. "He, wo kommst du denn her? Wer bist
- du?" - "Ich bin Josh!", bemerkte das Virus. "Und -aeh- WAS bist du?" - "Ich
- bin ein Virus. Ich laufe hier herum und mache dies und das, dieses und
- jenes, ab und zu mal ein paar Dateien kaputtmachen..." Paula wurde
- neugierig. "Was heisst 'dies und das' noch?" - "Na ja, den Benutzer aegern,
- dafuer wurde ich ja geschaffen. Aber was machst DU hier?" Jetzt wurde Paula
- warm. Es kam selten vor, dass sich jemand zu ihr verirrte, der nichts mit
- Musik zu tun hatte. "Ich bin Paula, ich bin zum groessten Teil fuer Musik
- zustaendig." - "Ah, Musik. Kenne ich gar nicht. Was hast Du denn so zu
- tun?" - "Moment mal - oh, ich habe jetzt keine Zeit mehr, der Benutzer will
- Autorennen spielen, da muss ich wieder diese graesslichen Motorengeraeusche
- imitieren. Komm' doch ein anderes Mal wieder vorbei!" Josh verabschiedete
- sich und ging weiter. "Hmm, Autorennen, so so! Mal sehen, was wir da so
- anstellen koennen!" Er grinste haemisch und ging in Richtung CPU.
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- III.
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- Als Josh in die Naehe der CPU, einem Motorola 68000, kam, bemerkte er, dass
- es recht laut war, jedenfalls lauter als sonst. Ueberall flitzen einzelne
- Daten umher, in einem Ausmass, das Josh noch nie gesehen hatte. Er ging
- trotz dem weiter, um mit der CPU zu reden.
- "Hallo, CPU!" - "Stoer mich nicht, Virus! Du bist hier sowieso uner-
- wuenscht!" rief die CPU forsch. "Was ist denn hier los, dass alles so
- verrueckt spielt?" - "Ach, der Benutzer spielt so ein bloedes Autorennen,
- da muss ich die ganze Vektorgrafik berechnen. Das kostet viel Zeit und
- Kraft!" Josh bekam eine Idee: "Wer ist denn fuer die Grafik zustaendig?" -
- "Agnus, sein Blitter zeichnet die Grafik. Wieso?" - "Ach nur so..."
- antwortete Josh und verschwand. Er wusste, wo sich Agnus befand; er war
- schon mehrere Male dran vorbeigelaufen.
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- IV.
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- Kaum war er angekommen, schleuste er sich in die Unmassen von Daten ein,
- die auch hier herumflitzten. Er wollte dem Benutzer, der ihm immer
- nachstellte, eine Lektion erteilen.
- Tim, der sich mitten im Spielen befand, traute seinen Augen kaum, als
- Josh' Manipulationen sichtbar wurden. Auf dem Bildschirm erschien:
- "JOSH!JOSH!JOSH!" und war nach ein paar Zehntelsekunden wieder
- verschwunden. Tim fuhr vor Schreck sein Auto gegen einen Brückenpfeiler.
- Und wieder erschien "JOSH!JOSH!JOSH!" fuer zwei, vielleicht drei
- Zehntelsekunden. Dann wurde der Bildschirm ploetzlich schwarz, dann
- wieder hell, dann rot, orange, gruen, dann zitterte das Bild, halt alles,
- was man bei einem MS-DOS-PC beim Absturz zu sehen bekommt. Tim schaltete
- den AMIGA sofort ab und wieder ein. Er lud sein Virenschutzprogramm.
- Es hatte natuerlich keinen Erfolg.
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- V.
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- Nun bemerkte Tim, dass schon wieder einige wichtige Quellcodes seiner
- Programme fehlten und machte Josh dafuer verantwortlich - er war's ja auch.
- Er schwor sich Rache. Zusammen mit einem Freund, der von Elektronik mehr
- verstand als von Deutscher Sprache, machte er sich daran, einen
- elektronischen Anti-Virus-Roboter zu konstruieren, der sich in
- elektronischer Form in den Speicher setzte und ihn nach Viren absuchte. Es
- sollte der leistungsfaehigste Virenkiller aller Zeiten werden. Nach drei
- anstrengenden Monaten, vielen Josh-verantwortlichen Systemabstuerzen und
- Dateiverlusten und vier neuen, erfolglosen Virenschutzprogramm-Versionen
- war es geschafft. VIRUSROBOT 1.0 war einsatzbereit. Der erste Test fand
- sofort statt.
- Christoph, Tim's Freund, schaltete die kompliziert aussehende Elektronik
- ein, die direkt mit dem AMIGA 2000 verbunden war. Parallel dazu startete
- Tim das Steuerprogramm auf einem anderen AMIGA. Jetzt kam es drauf an, wie
- gut die beiden gearbeitet hatten.
- Sie sassen vor den Computern und beobachteten gespannt den Bildschirm.
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- VI.
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- Josh sass auf einer Speicherzelle und kaute genuesslich auf einem Stueck
- Quellcode, als er das seltsame Geraeusch hoerte. Neugierig, wie ein Virus
- nunmal ist, versuchte er herauszufinden, woher es kam. Er lugte hinter
- einer grossen Speicherzelle hervor und traute seinen Augen nicht.
- Ihm kam eine riesige Gestalt, die wie ein Marsmensch aussah, entgegen.
- Josh versteckte sich sofort hinter der grossen Speicherzelle und wartete,
- dass die Gestalt an ihm vorbeiginge. Ploetzlich verstummte das Geraeusch.
- Josh traute sich, hervorzulugen.
- Die Gestalt stand genau vor ihm.
- "BZZZZ - WER-BIST-DU" schnarrte die Gestalt. Josh stotterte: "I-I-Ich
- b-bin J-Jo-Josh!"
- "BZZ - J-O-S-H" schnarrte die Gestalt.
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- Auf dem Bildschirm erschien "Unknown Program found: JOSH". Tim rief: "Da
- ist er! Es klappt! Es klappt!!!" "Nun mal langsam" sagte Christoph. "Er hat
- es zwar gefunden, aber ob er es schafft, es zu vernichten, wird sich gleich
- erst zeigen."
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- "W-Wer bist d-du d-denn?" fragte Josh die Gestalt.
- "BZZZ - VIRUSROBOT-1.0 - ELEKTRONISCHE-VIRUSVERNICHTUNGSEINHEIT -
- DU-BIST-EIN-VIRUS - MEIN-PROGRAMM-HAT-MIR-DEN-BEFEHL-GEGEBEN-DICH-ZU-
- VERNICHTEN - BZZZZZZZZZ - JAWOHL - VERNICHTEN"
- Josh schluckte. "Ich -aeh- bin kein Virus! Ich bin ein -aeh- *Scheisse,
- wie hiessen die?* Commodity!"
- "BZZ - COMMODITY - WELCHE-FUNKTION"
- Josh wusste nicht, was er jetzt sagen sollte. "Ich -aeh- bin ein
- Programm, dass den Bildschirm schont. Ja genau, ich bin ein
- Bildschirmschoner."
- "BZZ - DEINE-VERSION"
- "-Aeh- 2.043."
- Virusrobot schnarrte wieder: "BZZZZZZZ - JOSH-2.043 - BILDSCHIRMSCHONER -
- COMMODITY"
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- Auf dem Bildschirm erschien jetzt "Identified - Josh 2.043, Screen-Saver.
- Type: Commodity"
- "Haeh? Was soll das denn?" wunderte sich Tim. "Das Virus scheint schlauer
- zu sein als wir dachten" fuegte Cristoph hinzu. "Wir muessen Virusrobot
- optimieren." Er beendete das Steuerprogramm und schaltete die Elektronik
- aus.
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- "BZZZZ - IN-ORDNUNG" sagte Virusrobot und verschwand.
- Josh schlug das kleine, programmierte Herz bis zum Hals. Wie hatte er es
- bloss geschafft, den Roboter auszutricksen? Er hoerte lange Zeit nichts
- mehr von ihm, genau gesagt, drei Wochen...
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- VII.
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- "So, geschafft" sagte Christoph. "Die Elektronik aus dem Schachcomputer
- meines Vaters sollte es tun, dass Virusrobot ein bisschen intelligenter
- wird." - "Das Programm ist auch angepasst" meldete Tim aus der anderen Ecke
- des Zimmers. VIRUSROBOT 1.1 war fertig. Die letzten drei Wochen hatten Tim
- und Christoph damit verbracht, VIRUSROBOT zu optimieren. Sie hatten jetzt
- unter anderem einen Algorithmus eingearbeitet, der das verdaechtige Programm
- in seiner Struktur untersuchte. Sie hatten aber auch noch ein paar kleinere
- Unebenheiten beseitigt.
- "Hast du den Huffman-Algorithmus endlich eingearbeitet?" fragte
- Christoph. "Natuerlich!" entgegnete ihm Tim. "Und das gesamte XPK-Paket?" -
- "Ja! Schon letzte Woche!" - "Guuut!" saeuselte Christoph. "Dann kann ja
- nichts mehr schiefgehen!" Er schaltete die Elektronik ein, und Tim startete
- das Steuerprogramm. Wieder setzten sich beide gespannt vor den Bildschirm.
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- Josh wollte gerade wieder eine seiner Bildschirmmeldungen loslassen, als
- er Virusrobot sah. Er erinnerte sich an die letzte Begegnung und wollte
- sich verstecken, aber Virusrobot hatte ihn schon gesehen und bewegte sich
- mit seinen Roboterhaften Bewegungen auf ihn zu.
- "BZZZZZZ - WER-BIST-DU" schnarrte er wieder.
- "Na, Josh 2.043! Weisst du doch!"
- "BZZZ - J-O-S-H"
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- Auf dem Bildschirm erschien wiederum: "Unknown Program found: JOSH".
- "Hoffentlich klappt es jetzt" meinte Tim zu Christoph, der zustimmend
- nickte.
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- "BZZ - WAS-BIST-DU"
- Josh wunderte sich. Das musste er doch noch wissen.
- "WAS-BIST-DU" wiederholte Virusrobot schnarrrend.
- "Ich bin ein Bildschirmschoner-Commodity."
- Virusrobot schaute sich um und dachte sich, dass ein Bildschirmschoner-
- Commodity sehr gut in den Grafikchip passte. Trotzdem musste er weiter
- seinem Programmablauf folgen, und der sah als naechsten Punkt "Untersuchen"
- vor.
- "BZZ - ICH-MUSS-DICH-UNTERSUCHEN - HALTE-STILL"
- Jetzt wurde es Josh mulmig. Das hat er letztes Mal doch nicht gemacht,
- dachte er sich. Er spuerte die elektrischen Ladungen, die - von Virusrobot
- ausgehend - durch seinen Koerper gingen. Virusrobot fand die Routine mit
- den Diskettenzugriffen.
- "BZZZZZ - BZZZZZZ - WAS-MACHST-DU-MIT-DEN-DISKETTEN-ROUTINEN"
- Jetzt musste Josh sich was einfallen lassen. "-Aeh- Ich -aeh- mache ein
- Logfile, wie oft ich den Bildschirm abgeschaltet habe, aeh, und wann, und
- so."
- "BZZ - BILDSCHIRMSCHONER-COMMODITY"
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- Auf dem Bildschirm erschien wiederum: "Identified - Josh 2.043, Screensaver-
- Commodity"
- "Das kann nicht sein!" Tim konnte es nicht fassen. Christoph schuettelte
- nur den Kopf.
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- VIII.
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- Vier Monate und viele Versionsnummern spaeter war VIRUSROBOT inzwischen zur
- Lebensaufgabe geworden. VIRUSROBOT, mittlerweile bei der Version 1.5
- angelangt, hatte es nie geschafft, Josh als Virus zu identifizieren. Jetzt
- sollte der entscheidende Schlag gelingen. Christoph hatte sich ueber seine
- Verbindungen eine Fuzzy-Logic-Schaltung organisiert, die neben "Ja" und
- "Nein" auch noch unter "Vielleicht" und "Wahrscheinlich" entscheiden
- konnte. Christophs einfacher, aber irgendwie genialer Plan war, dass sich
- Virusrobot nicht nur von einfachen Antworten, sondern auch von Intuition
- leiten lassen sollte.
- Sie nahmen Virusrobot in Betrieb.
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- Josh liess sich von Virusrobot schon gar nicht mehr stoeren. Laengst hatte
- er die richtigen Antorten gefunden, um ihn sich vom Hals zu halten. Doch
- jetzt sollte es anders kommen.
- "BZZ - WER-BIST-DU"
- "Josh 2.043, ein Bildschirmschoner-Commodity mit Logfile-Unterstuetzung.
- Noch Fragen?"
- "BZZ - JOSH-2.043-BILDSCHIRMSCHONER-COMMODITY"
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- Der Bildschirm zeigte das uebliche.
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- "BZZ - WARUM-BIST-DU-BILDSCHIRMSCHONER"
- Josh war verwirrt. Damit hatte er nicht gerechnet. "Aeh- um den
- Bildschirm zu schonen."
- "BZZZZZZZZZZZZZZ - WIE-MACHST-DU-DAS"
- Josh war schockiert. Mit solchen Fragen hatte er absolut nicht gerechnet.
- "Oeh- aeh- Ich schalte ihn ab!"
- Virusrobot erkannte, dass mit Josh etwas nicht stimmte.
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- Dann geschah das, womit keiner gerechnet hatte.
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- Virusrobot loeschte Josh, bevor er sich clonen konnte.
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- IX.
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- VIRUSROBOT 1.5 wurde das meistverkaufte Virenschutzpaket.
- Tim und Christoph erlangten Weltruhm.
- Josh und seine Gefaehrten wurden ausgerottet.
- Und warum?
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- Weil irgendjemand mal einen Josh programmiert hatte...
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- Wahre Begebenheit! ;-)
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