home *** CD-ROM | disk | FTP | other *** search
-
- HAENDE WEG VOM COMPUTER
- =======================
-
- Angenommen, Ihr Computer hat nach endlosem Hin und Her die richtige
- Versorgungsspannung bekommen und er hat auch die anfaengliche Ueberlastung mit
- 220 Volt (statt der 110 V fuer die werkseitig eingestellt war) stillschweigend
- geschluckt. Sollte er bis zu diesem Zeitpunkt drei-, viermal aus Tischhoehe
- hart auf den Boden aufgeschlagen sein, so bewegt sich das durchaus noch im
- ueblichen Rahmen. Dies ist keineswegs der Grund fuer irgendwelche Mucken, die
- Ihr Liebling jetzt zeigt. Und bei irgendeinem Mangel sind Sie denkbar schlecht
- beraten, die Vetriebsfirma anzurufen und kleinlaut zu gestehen: "Er ist mir
- neulich ein paarmal runtergefallen - kann es davon kommen?" Jeder Vetriebsmann
- greift eine solche Suggestivfrage natuerlich dankbar auf und haut erbarmungs-
- los in die Pfanne: "Na klar kommt das davon; am besten bestellen Sie gleich
- einen Neuen!"
-
- In Wirklichkeit gibt es aber zu diesem Zeitpunkt nicht den geringsten Anlass,
- die Flinte ins Korn zu werfen. Gehen Sie lieber mit ruhiger Ueberlegung an die
- Sache heran; Im Grunde genommen kann ja gar nicht viel kaputt sein. Und einer
- der probaten Wege (der allerdings weder vom Computer noch vom Verkaeufer gern
- gesehen wird) besteht darin, die verplombte Verschraubung aufzukratzen und das
- Gehaeuse zu oeffnen. Dieses Vorhaben beginnt man am besten mit dem festen
- Vorsatz, im Geraet selbst nur mal nachzusehen, ohne irgendwelchen frevelnden
- Eingriffe vorzunehmen.
-
- Wenn sich dabei irgendeine Schraube im Verborgenen gegen die Gehaeuseoeffnung
- sperrt, hilft eine kleine Brechstange weiter, mit der man bekanntlich
- Baerenkraefte entwickeln kann. Sollte dabei die eine oder andere Ecke der
- Computerbehausung abbrechen, sollten Sie sich nicht irritieren lassen, denn
- fuer die elektrische Funktion ist dies hoechst bedeutungslos.Aus zwei Gruenden
- haben Sie sowohl eine rechtliche, als auch eine moralische Befungnis fuer eine
- derartige Inspektion: Erstens ist es IHR Geraet, das Sie gekauft und bezahlt
- haben (wenn auch auf abstottern); und zweitens staerkt ein solcher Kontakt das
- Zusammengehoerigkeitsgefuehl zwischen Ihnen und dem Mops kolossal, und
- mindestens darauf sollten Sie bei etwaigem Garantie-Geplaenkel hinweisen.
-
- Der direkte Weg
- ---------------
-
- Wenn Sie bis in die Tiefen des vor Ihnen liegenden, geoeffneten Computers
- vergedrungen sind, koennen Sie eigentlich nicht mehr sehr viel richtig machen.
- Fuer die eigentliche Inspektion gibt es dann prinzipiell drei verschiedene
- Arten, und Sie haben selbstverstaendlich die freie Wahl wie Sie sich in dieser
- Situation entscheiden wollen. Die primitivste Methode ist die des Dilettanten;
- der nimmt sich einen vorzugsweise plumpen Schraubenzieher (manche bevorzugen
- sogar einen Siebzehner-Schluessel) und klopft damit die einzelnen ICs ab. Er
- macht sich dabei gar nicht klar, dass er nach lose in den Fassungen sitzenden
- ICs sucht oder kalte Loetstellen aufspueren koennte; der Dilettant haut
- vielmehr wahllos drein und hofft, aehnlich dem Lotto-Tipper, auf den grossen
- Zufall. An sich ist das in beiden Faellen gar nicht so verkehrt, nur kommt
- meistens der Zufall einem erst dann zu Hilfe, wenn man laengst gestorben ist.
-
- Und so endet eine solche "Fehlersuche" meist damit, dass irgendein IC oder gar
- die Leiterplatte beleidigt entzwei geht; flugs greift man dann zum laengst
- vorgeheizten Loeteisen (Dachpfannen-Loetkolben, versteht sich) und braet den
- Schaden wieder zusammen; sollte beim unvermeidlichen Reklamationsgespraech mit
- dem Verkaeufer die Sprache auf diesen angeblich unsachgemaessen Eingriff
- kommen, stellt sich diese Gruppe von Mikrocomputer-Enthusiasten so, wie sie
- ist, naemlich ganz einfach doof und da soll der Verkaeufer einem doch erst mal
- das Gegenteil beweisen (das Gegenteil von dem unsachgemaessen Gefummel). Mit
- dem noetigen dicken Fell bekommt man sein derart unbrauchbar gewordenes Geraet
- auch umgetauscht, was zumindest den Vorteil hat, es beim zweiten Anlauf besser
- zu machen.
-
- Natuerlich tut man als Dilettant gut daran, jede weitere Reklamation bei einer
- anderen Niederlassung einzureichen.Ganz doof sind die Haendler nun auch wieder
- nicht, und den dritten verbratenen Computer innerhalb einer Woche nimmt Ihnen
- nicht einmal der Blindenhund der Computer-Schrott-Zentrale ab. Aber hierbei
- entwickelt man schnell das gewisse Mass an Fingerspitzengefuehl, das einem bei
- der eigentlichen Fehlerbehandlung gefehlt hat.
-
- Ferndiagnose
- ------------
-
- Alternativ hierzu koennen Sie sich natuerlich der Gruppe der ganz schlauen
- anschliessen. Die oeffnen ihren Mops zwar noch mehr oder weniger (meistens
- letzteres) fachgerecht, fassen aber nichts an. Das geschieht nun weniger aus
- Ehrfurcht als vielmehr aus blanker Angst, sie koennten einen gewischt kriegen.
-
- Aber mit Worten sind diese Klugscheisser ganz dick bei der Sache, was sie in
- endlosen Fachgespraechen am Telefon dokumentieren: "In meinem Geraet sind zwei
- Fassungen voellig leer, kein Wunder, dass es nicht geht!" Oder: "Hier fehlen
- mit Sicherheit ein paar Bruecken, es ist hoechstens die Haelfte der
- vorgesehenen bestueckt!" Manche wollen es ganz genau wissen und reklamieren
- energisch, dass das IC 249 auf dem Schaltplan links oben, auf der Platine aber
- mitten drin zu finden ist.
-
- Und nach diesem Schema kommen noch weitere Argumente, angefangen von einer um
- 1.5mV zu niedrigen Versorgungsspannung ueber einen Druckfehler auf dem IC
- ("Taywan" statt "Taiwan") bis hin zu ICs, die "falsch rum drin sind", weil die
- Beschriftung, von der Geraete-Vorderseite aus betrachtet auf dem Kopf steht.
-
- An sich sind dies liebe Zeitgenossen, die durch ihre sach- und fachkundigen
- Kommentare belegen,dass sie zu Recht zu den Spezialisten Ihrer Sparte gezaehlt
- werden. Aeusserlich sind sie daran zu erkennen, dass sie lauthals verkuenden:
- "Da habe ich dem Verkaeufer erst mal auf die Spruenge geholfen; der hat doch
- gar nicht gemerkt, dass im Schaltplan ein Kommafehler war!" Und wenn jemanden
- auf so einfache Art geholfen werden kann, sind meist beide Seiten zufrieden,
- der Handel auf der einen und er Spezialkunde auf der anderen.
-
- Wenn der Geist sprueht
- ----------------------
-
- Viel schwieriger gestaltet sich der Umgang mit den selbsternannten
- Spezialisten, die erst einen muerrischen Blick auf den Schaltplan werfen und
- dann triumphierend verkuenden: "Das werden wir gleich haben!" Dieser
- Siegesschrei ergeht in Richtung weiblicher Haushaltsvorstand, weil von dort
- schliesslich erkleckliche Mittel fuer die Anschaffung des sturen Computers
- bewilligt worden sind. Und nun ist man im Zugzwang, denn man muss zumindest
- beweisen, dass man das Ding anwerfen kann. Wenn es danach infolge von
- Untauglichkeit wieder weggeworfen werden muss wird das bei niemandem Erstaunen
- hervorrufen.
-
- Also geht der Spezi zuerst einmal daran, die Gatterfunktionen zu optimieren,
- schliesslich hat er doch fuenf Monate lang Karnaugh-Veitch-Diagramme studiert
- und versteht etwas von seinem Fach. Die freien Gatter in einem IC werden mit
- anderen verkuepft, die Bahnen umgelegt und ueberfluessiges ausgeloetet. Nach
- dem Motto:Die direkte Verdrahtung verkuerzt die Laufzeit der Signale, was noch
- niemandem geschadet hat. Erst wenn sich nach intensivem Optimieren noch kein
- nachhaltiger Erfolg eingestellt hat und aus der Kuechentuer oefter als
- gewoehnlich ein dumm fragendes Gesicht herausschaut, beginnt die
- Re-Optimierungsphase, bei der ein dem urspruenglichen Zustand aehnlicher
- Ruestzustand hergestellt wird.
-
- Wenn dabei hin und wieder ein IC (unter Spannung) verkehrt herum eingesetzt
- wird, und es dies wuetend mit gellender Hitze quittiert, ist auch dies kein
- Grund zur Besorgnis. Seien Sie getrost, so ein Ding ist ein wahres Wunderwerk,
- das weit mehr aushaelt, als es der Hersteller in seiner bescheidenen
- Untertreibung spezifiziert hat! Sollte Ihnen der Reparatur anlaesslich der
- Garantie-Reklamation mit Ausdruecken wie "total verbraten" oder "Russ auf der
- Platine", dann fragen Sie mit Unschuldsmiene zurueck, ob er noch nie was von
- ICs gehoert habe, die bereits beim Einloeten kaputt waren.
-
- Wie sag ich es dem Verkaeufer
- -----------------------------
-
- Gleichgueltig, zu welcher der genannten Gruppen man sich hingezogen fuehlt,
- wird man nicht umhin kommen, seinen unwilligen Mops einzupacken und zum
- Verkaeufer zu traben. Man tut gut daran, sich ein paar Argumente und
- Redewendungen zurechtzulegen, denn die sind mit allen Wassern gewaschen, diese
- Spezis.Die erste Frage beim Betreten des Ladens sollte die nach einem Fachmann
- sein; es geht naemlich die Maer, dass sich in der Computer-Branche mehr
- gescheiterte Existenzen aus der Damen-Oberbekleidung tummeln als irgendwo
- anders, und diese Neu-Fachleute filtert man eben durch gezieltes Fragen von
- denen heraus, die als alte Hasen schon sechs Wochen und laenger Computer
- verkaufen. Auf ihre anfaenglich ruhig vorgetragene Reklamation, das Ding "gehe
- nicht" erhalten Sie meist die vorschnelle Antwort: "Den haben Sie ja gar nicht
- bei uns gekauft!" Damit sollen Sie abgewimmelt werden, verstehen Sie? Aber da
- muessen Sie ganz cool (Fachausdruck fuer "kaltkoepfig") bleiben und auf Ihrem
- Recht beharren. Dann kontert Ihr Gegenueber auf folgende, linke Tour: "Da sind
- ja Neck-PROMs drin, und wir setzen nur Mischibischi-Typen ein!" Es durchzuckt
- Sie heiss, weil Sie beim Rueckruesten offenbar in die falsche Kiste gegriffen
- haben, aber dennoch geben Sie schlagfertig zurueck: "Kann ich doch nichts
- dafuer, wenn Ihr in Eurem Laden so schlampert seid!" Ein anheben der Tonlage
- und eine leichte Drohgebaerde erleichtern es Ihnen, Ihr Anliegen durchzusetzen
- denn man will um keinen Preis Aufsehen im Laden haben, weil das Geschaeft
- sowieso nicht besonders geht.
-
- Zufrieden lassen Sie Ihren Liebling im Laden stehen, die (muendliche)
- Beteuerung des gesamten Personals noch im Ohr, man werde sich um schnellste
- Instandsetzung bemuehen. Wer derlei Gerede kritiklos hinnimmt, ist letzlich
- selber Schuld; denn oft ist ein solches Bemuehen genauso effektvoll als wenn
- im fernen China ein Reissack umfaellt; Man hat eben nicht viel davon.
-
- Und "schellstens" ist in diesem Zusammenhang so zu verstehen, dass es
- (eventuell) am Ende der Woche fertig ist; gemeint ist aber nicht die laufende
- Woche, sondern irgendeine Woche des Monats, und wenn es das Unglueck will,
- dann liegt dieser Monat in einem Schaltjahr - aber all das weiss zu diesem
- Zeitpunkt der Reparaturannahme noch keine Menschenseele, und wenn es eine
- wuesste, so wuerde sie schweigen!"
-