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Text File  |  1995-01-16  |  9.4 KB  |  142 lines

  1. Die Amiga-User. Nun, was unterscheidet diese Menschen von ganz normalen
  2. Menschen ? Die Antwort ist einfach: Sie sind auf die Werbesprüche von
  3. Commodore hereingefallen. Das allein wäre ja noch verzeihlich. Sie hätten
  4. ja das Recht, dieses 'Ding' (die Bezeichnung Computer wäre hier unangebracht)
  5. innerhalb von 24 Stunden in den Laden zurückzubringen wegen unlauteren
  6. Wettbewerbs, weil das Ding nicht tut, was angepriesen worden war. Da spricht
  7. man vom Einstieg in die MS-DOS Welt. Nun, man will sich ja nicht lumpen
  8. lassen, und kauft gleich einen Amiga 2000, der sieht ja schon fast aus, wie
  9. ein MS-DOS Rechner. Gleich den MS-DOS Emulator besorgt, und schon sieht
  10. man im nicht entspiegelten Monitor ein Gesicht von bestechender grafischer
  11. Auflösung. Hat die Werbung doch nicht zuviel versprochen ? Nein, es ist das
  12. eigene Gesicht, und es wird immer länger, weil der Emulator nicht läuft.
  13. Er stürzt einfach ab. Kein Guru, kein nichts. Nach einiger Nachforschung
  14. kommt der Grund heraus: er läuft nur auf dem 500 und 1000 Modellen.
  15. Sind sie also doch inkompatibel ? Nein, der 2000er hat Slots, und man
  16. soll sich doch als Amiga 2000 Besitzer gefälligst die PC-Karte kaufen.
  17. Aber die kostet ja nochmal 1000 DM für einen läppischen PC. Für das Geld
  18. der PC-Karte allein kann man sich ja einen PC kaufen. Der Emulator wäre
  19. theoretisch auch auf dem Amiga 2000 lauffähig, aber da ist eine Software
  20. Sperre eingebaut. Und es findet sich kein Amiga User, der
  21. Programmierkenntnisse genug hat, um die Sperre rauszubauen, ja es findet
  22. sich kein Amigo, der ÜBERHAUPT Programmierkenntnisse hat. Aber was soll's,
  23. sagt sich der frustrierte Amigo, ich will meine Kiste jetzt mit einer
  24. billigen PC Harddisk ausrüsten, wozu habe ich einen PC-Bus, damit ist
  25. ja auch geworben worden. Karte eingesteckt und: ... Nichts. Warum klappt
  26. das denn auch nicht ? Der Grund ist auch hier einfach: Der PC-Bus ist zwar
  27. da, aber nicht angeschlossen. Zwar werden die Karten mit Strom versorgt,
  28. aber das ist auch schon alles. Keine Daten, keine Adressen, kein nichts.
  29. Die kommen von der PC-Karten, die daher auch wohlweislich Brückenkarte
  30. heißt. Sie überbrückt nämlich nicht die Kluft zwischen PC und Amiga,
  31. sondern nur zwischen PC-Bus und Amiga-Bus.
  32. Aber das macht ja nichts, dafür ist die Power LED vorne softwaremässig
  33. programmierbar. Ist das etwa nichts ? Und daneben ist noch die Harddisk
  34. LED. Sie ist aber nicht angeschlossen. Erst wenn man sich eine Harddisk
  35. kauft, wird sie angeschlossen.
  36. Um also seinen Rechner (...) bis zum Limit ausnutzen zu können, wird
  37. eine Harddisk gekauft. Um von vornherein keine Probleme heraufzubeschwören,
  38. muß eine Original Commoodore Harddisk her. Aber der Einbau gestaltet sich
  39. als nicht so einfach. Nicht nur, daß die Betriebssystem ROMs ausgewechselt
  40. werden müssen, nein nach Zusammenbau nach der Anleitung geht nichts.
  41. Also, alles nochmal geprüft, aber immer noch nichts. Jetzt geht's ans
  42. raten. Strom ist da. Bleibt der Verbindungsstecker. Drehen wir ihn mal um.
  43. Wohlgemerkt, jetzt ist er laut Handbuch verkehrtrum, aber weniger als
  44. nichts kann nicht gehen. Den Netzschalter geschaltet, und siehe da:
  45. jetzt geht sie. Haben wir vielleicht ein Merkblatt übersehen, das auf den
  46. Fehler hinweist ? Nein. Aber egal jetzt geht's. Fast. Die grüne Harddisk LED
  47. wegen derer wir die Harddisk hautsächlich gekauft haben (von außen sieht
  48. man die HD nicht) bleibt dunkel. Vielleicht auch hier der Stecker falschrum?
  49. Nein, auch andersherum geht's nicht. Vielleicht ist die LED kaputt ?
  50. Nein, nach vertauschen mit der (programmierbaren) Power-LED, leuchtet's
  51. vorne grün. Fazit: das Kabel ist sinnlos, es liegt nix an. Vielleicht
  52. dient es ja auch als Antenne für eine spätere Erweiterung zum Empfang
  53. von Fernsehprogrammen. Die Entwickler haben sich halt ein Hintertürchen
  54. offengehalten.
  55. Daß das Formatieren der Festplatte eine halbe Stunde dauert, fällt nach
  56. diesen Mißerfolgen überhaupt nicht ins Gewicht.
  57. Da geht eine frohe Kunde übers Land: das neue Kickstart ist da. Woher
  58. der Name Kickstart ? Nun, es geht das Gerücht, daß die Entwickler den
  59. Prototyp immer treten mußten, damit Leben in die Kiste kam, eine
  60. Eigenschaft, von der böse Zungen behaupten, daß sie einige seiner Nachfahren
  61. geerbt haben. Doch zum neuen Kickstart:
  62. Der neue Amigo ist begeistert, und besorgt sich dies, bootet, und alles
  63. scheint zu klappen. Doch plötzlich erscheinen garstige Worte auf dem
  64. Rasierspiegel, Worte wie Medium nicht ansprechbar, oder Datenverlust.
  65. Ist das neuerworbene Prunkstück etwa schon defekt ? Schnell zum Händler
  66. gefahren, doch der kennt das Problem: Das neue Kickstart arbeitet noch
  67. nicht mit der Harddisk zusammen, man solle doch abwarten, die Harddisk
  68. formatieren, und wieder das alte Kickstart benutzen. Gottseidank sind
  69. ja keine wertvollen Daten auf der Harddisk, was uns zur Frage führt:
  70. Gibt es überhaupt wertvolle Daten auf dem Amiga ? Die Antwort führt
  71. uns zu einem klaren Jein.
  72. Denn es gibt ja so viele, tolle, Grafikdemos. Das will der neue
  73. Amigo auch gerne können. Wozu hat er denn eine so tolle Grafikmaschine
  74. (ich vermeide hier bewußt den Term Computer) wenn nicht für Grafik.
  75. Aber wie bringe ich die Bilder auf den Bildschirm ?
  76. Ein Digitizer ist zu teuer, die Harddisk hat das Taschengeldkonto zu
  77. stark strapaziert. Aber wozu wird mit jedem Gerät ein Digitizer mitgeliefert?
  78. Er besteht aus zwei Teilen: 1. der Maus, und 2. dem Monitor.
  79. Und wie soll das gehen ? Man bringt den zu digitalisierenden Gegenstand
  80. in die Nähe des Monitors, und sobald man ihn auf der Mattscheibe, äh,
  81. Spiegelscheibe sieht, fährt man einfach die Umrisse nach. Es empfiehlt
  82. sich aber, zunächst 'Malen nach Zahlen' zu üben, man tut sich dann leichter.
  83. Bei dem Amigo kommen erste Zweifel auf, hat er vielleicht doch den falschen
  84. Rechner gewählt ?
  85. Nein, hat er nicht, denn sogar SAT 1 hat sich einen Amiga zugelegt. Damit
  86. wird jetzt der 'Goldene Schuß' Nachfolger 'Superball' durchgeführt.
  87. Und dabei kommen auch die überlegenen Grafikfähigkeiten des Amiga voll
  88. zur Geltung. Das Spiel geht so: Ein Ball (Sprite) rollt nach Norden, und muss
  89. dabei Autos überholen (auch Sprite). Aber der Ball könnte einem 8 Bitter
  90. entsprungen sein, und er rollt nicht mal, sondern er scheint zu gleiten.
  91. Und die Autos scheinen aus der DDR zu kommen, denn es sind alles die
  92. gleichen Modelle, nur in einer anderen Farbe. Wenn er schließlich ein
  93. Auto berührt, wird das Spiel eingefroren. Kein Knall, kein Ton, keine
  94. Verformung, einfach Standbild. Und da das ganze nach Zeit
  95. geht, muß der Moderator, wenn er das Spiel startet, gleichzeitig einen
  96. Mausknopf und die Stopuhr drücken. Aber, kann man nicht dem Computer die
  97. Stopuhr anvertrauen, schließlich ist er für solche stupide Tätigkeiten
  98. geschaffen ? Der Amiga kann doch Multitasking ?
  99. Jetzt ist der Moment gekommen, wo der Amiga-User mitleidig beginnt, den
  100. Kopf zu schütteln; denn schließlich weiss ja jeder, daß dann die Rechenzeit
  101. gleichmäßig auf beide Prozesse verteilt wird. Damit wäre 'Superball' dann
  102. nur noch halb so schnell, und somit zu leicht zu schaffen. Logisch, oder ?
  103. Aber dafür ist 'Superball' Gratiswerbung für Commodore, denn bei der
  104. Erklärung des Spiels wird dick und fett 'Commodore Amiga' eingeblendet.
  105. Und das ist doch auch was. Ich hege dabei den Verdacht, daß die Werbung
  106. nicht von Commodore, sondern von Atari stammt, denn 'Superball' kann man
  107. beim besten Willen nicht als Werbung bezeichnen. Das Spiel hätte auf einem
  108. TI 99/4A besser realisiert werden können.
  109. Aber der ist ja nicht eine 'Werkbank für kreative Menschen'.
  110. Und wo sonst gibt es Kopierprogramme, die mit Digitalbildern und Digitalsound
  111. begeistern, und dabei den Arbeitsspeicher füllen, so daß man beim Kopieren
  112. andauernd Disketten wechseln muß ? Man muß eben pro und contra abwägen, und
  113. dann Prioritäten setzen.
  114. Das traurige dabei ist, daß Amiga-User uneinsichtig sind. Denn wenn der
  115. Hndler sich weigert, die verkaufte Ware zurckzunehmen, sitzt man
  116. buchstäblich alleine da. Und zum Wegwerfen ist er schließlich zu schade.
  117. (dabei fällt mir ein, ich habe auch noch irgendwo ein 2600 liegen...)
  118. Und außerdem ist es schwer, eine Fehlentscheidung einzugestehen.
  119. Da ist es verständlich, daß man die Tatsache, über's Ohr gehauen
  120. worden zu sein, damit zu verdecken versucht, seine 'Investition in die
  121. Zukunft' als das ultimate Gerät darzustellen --- Doch die Freude an den
  122. Grafikdemos ist schnell verflogen. So kommt man schnell zu der
  123. Reihenfolge: 500, 1000, 2000, 2600; Denn sie alle kommen von denselben
  124. Entwicklern, und die Zahlen müssen ja irgendwas aussagen.
  125. Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, wo man selber auch mal programmieren
  126. möchte. Alle machen Modula oder Pascal oder C. Basic ist tot.
  127. C muß her. Man tippt die ersten Beispielprogramme ein und: Hurra, es klappt.
  128. Zwei Pulldown-menüs, und sie funktionieren. Schnell auf drei erweitert, und:
  129. ... Absturz ... Guru ... Woran liegt's ? Kein Fehler zu finden. Alles
  130. richtig programmiert. Ein C-Freak wird geholt (natürlich aus der Atari
  131. Gemeinde, denn es fand sich kein Amiga-Freak, der C konnte), aber auch er
  132. befindet das Programm für fehlerfrei, und das Handbuch gibt auch keine
  133. Hinweise. So wissen wir bis heute nicht, ob der Fehler im Betriebssystem,
  134. dem Compiler, dem Linker oder beim Programmierer zu suchen ist.
  135. So ergötzt man sich weiterhin an Grafikdemos, redet sich ein, den besten
  136. Computer gekauft zu haben, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie
  137. noch heute.
  138. Diese Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten und den Erfahrungen eines
  139. Amiga Users, der auch ganz umgänglich ist, solange man nicht von seinem
  140. Computer spricht. Tut man das, bricht er in hemmungslose Weinkrämpfe aus,
  141. und soweit ich weiß, ist er noch immer in psychatrischer Behandlung.
  142.