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- @UB M O D E M S K A N D A L
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- Hallo,
- hier ein Artikel, den ich in der Zeitschrift Telecom entdeckt habe:
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- Modemskandal: Zulassung weg,
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- Polizei im Haus
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- Modem-Zulassung ueber Nacht entzogen, ein Unternehmenskonkurs und
- Modem-Kaeufer per Hausdurchsuchung verfolgt. Alles vollkommen legal
- und ein Beispiel dafuer, wie man den Markt auch bereinigen kann.
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- Die Vorgeschichte beginnt waehrend der CeBit-Messe 1991. Roland
- Bernschein, damals noch technischer Direktor bei Commodore
- Deutschland, hatte die Idee eines "Volksmodems": Btx-tauglich,
- postzugelassen und vor allem zu einem damals sensationellen Preis von
- unter 300 Mark. Deutsche Bundesbahn und Lufthansa, die ihrerseits die
- eigenen Btx- Dienste vorantreiben wollten, sollten als
- Vertriebspartner fuer die noetigen grossen Stueckzahlen sorgen.
- PC-Anbieter wie Escom, aber auch Commodore selbst schlossen sich an.
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- Bis zum Herbst 1991 suchte Bernschein einen kompetenten Hersteller.
- Er fand ihn schliesslich im Dortmunder Unternehmen Newcom. Das Hard-
- und Softwarehaus, vertreten durch die Geschaeftsfuehrerin Waltraud
- Berg, meldete Anfang Dezember das Modem VM 2400 beim Zentralamt fuer
- Zulassungen im Fernmeldewesen (ZZF) an. Das Zertifikat mit der Nummer
- AO 14629B traegt das Datum vom 30.1.1992. Newcom lieferte die Modems
- zu Tausenden aus - kein Wunder bei einem Preis von 289 Mark. Auch der
- CHIP- Shop des Wuerzburger Vogel Verlags bewarb den Preisschlager in
- seinen Publikationen.
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- Doch am 22. 4. 1992 hatte die Herrlichkeit ein Ende: Das Bundesamt
- fuer Zulassungen in der Telekommunikation, Nachfolger der ZZF,
- widerrief die Zulassung mit sofortiger Wirkung. Aus gravierenden
- technischen Gruenden hiess es dort; wegen Messtoleranzen im
- Promillebereich, behauptet Waltraud Berg. Eine in solchen Faellen
- durchaus uebliche Nachbesserung durch den Hersteller beziehungsweise
- einen Aufschub schloss das Bundesamt aus und verwies lapidar auf den
- Rechtsweg.
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- Immerhin: Manche Kaeufer des Modems hatten sich ueber seine schlechte
- Qualitaet beklagt. Auch ein Test durch die Zeitschrift Computer
- Persoenlich hatte mangelhafte Messwerte ergeben.
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- Die Firma Newcom reagierte: Sie teilte ihren Kaeufern den Widerruf
- der Zulassung fuer das VM 2400 mit und bot den Austausch gegen ein
- anderes Modem an, sobald dieses amtlich genehmigt sei und somit zur
- Verfuegung stuende. Bundesbahn und Lufthansa tauschten ebenfalls,
- bezogen das neue Modem jedoch aus anderen, teureren Quellen.
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- Waltraud Berg, die ihrerseits kein Grossunternehmen im Ruecken hatte,
- meldete am 22. 10. 1992 Konkurs an. Sie beziffert ihren Verlust auf
- etwa 12 Millionen Mark. Die bereits zum Umtausch eingesandten Modems
- gingen an die Kunden zurueck, ihr Kaufpreis war jedoch verloren.
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- Koennte man Aufstieg und Niedergang des "Volksmodems" bis hierher noch
- als technisch begruendbare Folge der schlampigen Produktion bei Newcom
- abtun, so wird die Geschichte ab Anfang 1993 zumindest anruechig.
- Denn von diesem Zeitpunkt an sind die Kaeufer die Leidtragenden, die
- die Modems im guten Glauben erworben hatten.
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- Karteien beschlagnahmt
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- Das Verhalten einiger Beteiligter an den weiteren Vorgaengen wirft
- Fragen auf, die aber bis heute nicht schluessig beantwortet sind.
- Seit 1988 existiert in Kamen das Unternehmen NCS (New Communikation
- System). Geschaeftsfuehrer von NCS ist Hans-Dieter Berg, mit Waltraud
- Berg verheiratet, mit der Firma Newcom rechtlich jedoch in keiner
- Weise verbunden.
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- Anfang Februar weist der Dortmunder Staatsanwalt Rohde einen
- Durchsuchungsbefehl fuer die Firma NCS vor und beschlagnahmt dort
- Kundenkarteien und Briefwechsel - unter anderem der laengst
- liquidierten Newcom. Als Grund nennt sein Pressereferent: "In einem
- Zeitungsinserat der Firma NCS wurde das nicht mehr zugelassene Modem
- VM 2400 neben einem anderem mit Zertifikat angeboten." Er erklaert
- auch den Begriff "Offizialdelikt" in Verbindung mit Vergehen gegen das
- Fernmeldeanlagengesetz. "Wenn jemand Modems ohne Zulassung anbietet,
- auch mit dem Hinweis eben darauf, kann unterstellt werden, dass der
- Kaeufer das Teil rechtswidrig betreibt. Daher ist eine
- Hausdurchsuchung beim Haendler und die Beschlagnahme von Unterlagen in
- jedem Fall legal."
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- Staatsanwalt Rohde wurde bundesweit aktiv - ging es doch immerhin um
- ein Offizialdelikt. Er verteilte die Adressen der Modem-Besitzer,
- aber auch der Kaeufer, die das VM 2400 noch umgetauscht hatten, an die
- betreffenden Heimatstaatsanwaltschaften und bat um Amtshilfe.
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- Die Reaktion war unterschiedlich: Erledigte man in Frankfurt die
- Angelegenheit ohne Aufsehen und eroeffnete die moeglichen, jedoch kaum
- aussichtsreichen Verfahren wegen Verstoss gegen das
- Fernmeldeanlagengesetz gar nicht erst, erhielten etliche andere
- Kaeufer ungebetenen Besuch von der Kripo.
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- Hans-Karl Vent, Lingen, machte diese Erfahrung. Am 5. Maerz
- praesentierten zwei Kriminalbeamte seiner nichtsahnenden Frau eine
- Hausdurchsuchungsverfuegung sowie einen Beschlagnahmebeschluss.
- Objekt der amtlichen Begierde: das Modem VM 2400. Gleichzeitig
- kuendigten die Beamten das oben erwaehnte Strafverfahren an,
- eingeleitet von der Staatsanwaltschaft Osnabrueck. Identische
- Aktionen passieren zur Zeit im Dutzend - quer durch die Republik.
- Vent wandte sich hilfesuchend an die Telecom-Redaktion und erreichte
- dadurch immerhin, dass der Staatsanwalt zwar das Modem einzog, jedoch
- auf ein foermliches Verfahren verzichtete. Hans-Karl Vent beteuert,
- er habe in gutem Glauben gehandelt. Wie haette er wissen sollen, dass
- das Modem die Zulassung verloren hatte? Immerhin zog die Telekom brav
- jeden Monat die Gebuehren ein. Und das Geraet habe auch immer
- einwandfrei, ohne irgendwelche technische Stoerungen funktioniert.
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- Dieses Argument fuehrt zur naechsten Frage: Warum verliert ein Btx-
- Modem, praktisch ueber Nacht seine Zulassung? Zu weiteren
- Spekulationen gibt die Frage Anlass, wer den Anstoss fuer die
- Nachpruefung gab, die letztlich zum Konkurs der Newcom fuehrte.
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- Der Unterzeichner des Widerrufs der Zulassung (Name ist der Redaktion
- bekannt) aus dem Bundesamt fuer Zulassungen in der Telekommunikation
- erklaerte zunaechst, dass sein Amt des oefteren aus eigenem Antrieb
- handele. Dann jedoch gab er zu: "Sie koennen sich denken, dass wir
- solche Verstoeße in der Regel nicht selbst feststellen. Die
- Angelegenheit VM 2400 wurde von aussen an uns herangetragen." Auf die
- Frage nach Antragstellern koenne er aus Datenschutzgruenden nicht
- antworten, doch "hat es hier keinen foermlichen Antrag gegeben".
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- Was sich hier anzudeuten scheint, fasst Roland Bernschein etwas
- konkreter: "Der Verdacht draengt sich auch einem Unbeteiligten auf,
- dass der damals extrem niedrige Preis die Ursache war, die
- Zulassungsbestimmungen sehr eng zu sehen."
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- Waltraud Berg will sich ueber die naeheren Hintergruende nicht weiter
- auslassen, obwohl sie Vermutungen hegt. "Der kommende Markt fuer die
- analoge Technik ist gigantisch- Solide- Hochrechnungen sprechen von
- fast zwei Milliarden Mark fuer die naechsten drei Jahre. Jedes
- Zehntelprozent Marktanteil, das die Grossen verlieren, ist zwar nur
- ein Nadelstich, aber in der Summe tut das weh."
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- Doch egal, ob hier jemand auf dem "kleinen Dienstweg" interveniert hat
- die niedergelassene Konkurrenz duerfte ueber das Scheitern der Newcom
- nicht ungluecklich gewesen sein.
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- Eigenartig erscheint die Hartnaeckigkeit der Staatsanwaltschaft im
- Fall Volksmodem. Wuerden die Haendler und Besitzer aller anderen
- nichtzugelassenen Modems - und das Volksmodem war wenigstens zeitweise
- zugelassen in aehnlicher Weise verfolgt, dann mueßten die Schaufenster
- und Lager zahlreicher Elektroniklaeden und -versender leergeraeumt
- werden. Nach diesen Massstaeben gehoerten dann Tausende von
- Versandkatalogen eingestampft.
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- Am besten immer bar bezahIen
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- Die Geschaedigten dieses Rueckfalls ins letzte Jahrzehnt sind die
- Kaeufer des VM 2400, soweit sie es nicht noch umtauschen konnten.
- Ohne Postzulassung ist nicht nur das Modem so wertlos wie ein
- schwarzer Tischbeschwerer. Sie sind ausserdem dem Gerede ihrer
- Nachbarn ausgesetzt, wenn ihnen die Polizei ins Haus kommt.
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- Ein Tip zum Schluss: Wie die Rechtslaege zeigt, ist kein Haendler
- oder Hersteller nicht zugelassener Modems vor der Beschlagnahme seiner
- Kundendaten sicher. Und weil auch Geraete mit Zulassung diese
- ploetzlich verlieren koennen, sollte man in jedem Fall beim Kauf bar
- bezahlen. Sogar die Bezahlung mit Verrechnungsschecks ist unter den
- gegebenen Verhaeltnissen tunlichst zu unterlassen.
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- David Ullrich
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- ( aus der Zeitschrift "Telecom 4/5-93" aus dem Vogel-Verlag)
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