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- From: dimo@postwar.abg.sub.org (Dimo)
- Newsgroups: de.talk.jokes
- Subject: Jahreswende
- Message-ID: <2b439b1bwnr062@postwar.abg.sub.org>
- Date: Thu, 31 Dec 92 18:15:08 MEZ
- Organization: TRASHWARE Inc.
- Lines: 103
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- Hi all
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- Ich hab hier noch eine Nette Geschichte, schon etwas aelter, aber immer
- noch passend (stammt aus der Zeitung PRINZ):
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- D I E S I L V E S T E R S T O R Y 1 9 9 2
-
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- A L L E J A H R E W I E D E R . . .
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- DAS JAHR HAT 12 MONATE, 52 WOCHEN, 365 TAGE. VON STUNDEN WOLLEN WIR ERST GAR
- NICHT REDEN. AM ENDE GEHT ALLES WIEDER VON VORNE LOS.
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- Kein Grund zum Feiern, findet Jensefleisch.
-
- Der Tag X näherte sich bedrohlich, und die zunehmende Emsigkeit der Menschen
- war nicht mehr länger zu übersehen. Sie hamsterten (hallo Lars) bunte
- Einladungskarten, plünderten die Sektvorräte der Supermärkte und verstecken
- ihre Haustiere in schalldichten Kisten.
-
- Das alles macht mich nervös, und meine Tiefschlaf-Phasen wurden merklich
- oberflächlicher. Ein aufgeweckter Alptraum nach dem anderen suchte mich in
- meiner nächtlichen Erlebnislandschaft heim: Einmal bekam ich im tiefsten
- Schlummer Besuch von einer gut gebauten Silvester-Rakete. Sie hatte einen stark
- geschminkten Mund und hielt Neujahrsansprachen im Pfälzer Dialekt. Zum Abschluß
- quälte sie mich unaufhörlich mit der grausamen Frage: "Was machst du dieses
- Silvester, Jense?"
-
- Schweißgebadet wachte ich auf und stammelte wirres Zeug: "Weiß nicht, weiß
- nicht, Kater Silvester, bewahr' die Welt vor einem unnötigen Bleivergießen,
- weiß nicht warum, weiß nicht wohin."
-
- Die pure Silvesterpanik.
-
- Es ist jedesmal das Gleiche: Ich hab's mir im alten Jahr grade so richtig
- bequem gemacht, und plötzlich kommt der Befehl zum Abschied feiern - das Neue
- Jahr steht schon vor der Tür. Verdammt, ich will das alte doch gar nicht
- loswerden. Also, wo ist der Grund zum Lustigsein? Aber Kneifen ist sowieso
- zwecklos.
-
- Letztes Jahr z.B. fiel die erste Einladung pünktlich mit dem ersten
- Herbstlaub in den Briefschlitz. Bis Mitte Dezember war der vorsorglich
- gekaufte Wäschekorb voll. Eine eitelkeitsbedingte Urangst - nämlich ein
- einsames Silvester mit mir und meiner Wunderkerze zu verbringen - hatte sich
- in Schall und Rauch aufgelöst. Doch auch wer die Wahl hat, hat die Qual. In
- jeder Hinsicht, denn egal für welches der 1000 Feste man sich entscheidet, es
- ist garantiert das falsche: Die Typen eine Ansammlung uhrenvergleichender
- Pedanten, die Mädels schon besetzt, und zum Trinken gibt's nur Cocktails auf
- Bommerlunder-Basis. Hinzu kommt noch der stimmungstötende Brauch, sich um
- Mitternacht mit sogenannten guten Vorsätzen von den Freuden des Lebens
- loszusagen. Aber diesmal werde ich um punkt Mitternacht wieder mit dem Rauchen
- anfangen, sofort alle sportlichen Aktivitäten einstellen, dafür versuchen,
- mindestens zwei Freundinnen gleichzeitig in meinen Besitz zu bringen.
-
- Alternativen zu all diesen Parties gibt es kaum. Sich zu Hause
- einzuschließen und fernzusehen ist was für Lebensmüde! Das alljährliche
- Silvesterprogramm ist seit Jahren Garant dafür, daß der 31. der Tag mit der
- höchsten Selbstmordrate bleibt. Aber auch für die innerlich Gefestigten hat das
- Angebot seine Tücken: Letztes Jahr bin ich beim traditionellen
- "Dinner for One"-Sketch gegen den Butler und die Gräfin gleichzeitig zum
- Wettsaufen angetreten. Anschließend fühlte ich mich noch stark genug, um
- Harald Juhnke im Ersten herauszufordern.
-
- Das konnte nicht gutgehen. Als gegen drei meine Mitbewohnerin nach Hause
- kam, kämpfte ich gerade mit einem vollgekotzten Flokati-Teppich und brüllte
- immerzu: "Dir Raubtier werde ich austreiben, jedes Jahr auf's neue den armen
- Butler zu ärgern."
-
- Als ich noch kleiner war, war die Neujahrsfeier noch ein spaßiges
- Unterfangen. Während die Erwachsenen sich die Birne zuschütteten, trafen sich
- auf der Straße alle Kinder aus der Nachbarschaft und protzten, wie sie mit
- Hilfe von falschen Bärten dem Feuerwerksverkäufer einen "Schinken"
- Chinakracher aus dem Kreuz geleiert hatten. Anschließend zogen wir
- brandschatzend durch die Straßen und testeten so ziemlich alles von
- Menschenhand Gefertigte auf seine Explosionsfestigkeit: Briefkästen,
- Telefonzellen, Einfamilienhäuser. Kurz vor Ultimo ging's dann heim zum
- Tischfeuerwerk, danach zwei Gläser Sekt und ab in die Kiste...
-
- Heute als Erwachsener sieht die Sache schon anders aus. Das der 365. Tag im
- Jahr überhaupt nicht planbar ist, wurde mir spätestens vor drei Jahren klar.
- Kurz nach elf, ich war grade im Begriff auf eine Party zu verschwinden, als
- mein Telefon klingelte. Es war Tom. Er war mit seinem Auto irgendwo an der
- Peripherie der Stadt liegengeblieben und suchte einen Blöden - "Das dauert
- nur 'ne halbe Stunde" - der ihn zurück nach München schleppen würde. Ich war
- damals sogar mächtig blöd und machte mich mit Auto und Abschleppseil auf den
- Weg. Es kam, wie es kommen mußte: Ich zerrte ihn in seiner Karre gerade über
- den Mittleren Ring, als ein zufälliger Blick meine Uhr streifte: Kurz vor
- zwölf! Auf Bayern 3 lief die Ramba-Zamba-Party, und ein mittelstarker Anfall
- von Melancholie ergriff von meinem Körper Besitz. Mit der Rechten befreite ich
- eine Dose Bier aus dem Handschuhfach und prostete meinem Hintermann über den
- Rückspiegel zu. Zeit zum Anstoßen, Tom, sagte ich mir und stieg volle Kanne
- auf die Bremse. Krachend schrammte sein Volvo ins Heck meiner Kiste. Er
- kurbelte das Fenster herunter und brüllte nach vorne: "Was is'n los?"
- Verträumt bohrte ich mit meinem Finger in den illuminierten Himmel:
- "Na Silvester..."
- (c) PRINZ
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- So long... DIMO
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- dimo@postwar.abg.sub.org "Planung ist das Ersetzen
- Udo Wiemers (eAUmamV) des Zufalls durch den Irrtum"
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