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/ NetNews Usenet Archive 1992 #31 / NN_1992_31.iso / spool / de / talk / jokes / 3690 < prev    next >
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Text File  |  1993-01-02  |  6.1 KB  |  113 lines

  1. Path: sparky!uunet!spool.mu.edu!sol.ctr.columbia.edu!ira.uka.de!Germany.EU.net!rz.uni-hildesheim.de!agsc!nadia!delos!mubo!postwar.abg.sub.org!dimo
  2. From: dimo@postwar.abg.sub.org (Dimo)
  3. Newsgroups: de.talk.jokes
  4. Subject: Jahreswende
  5. Message-ID: <2b439b1bwnr062@postwar.abg.sub.org>
  6. Date: Thu, 31 Dec 92 18:15:08 MEZ
  7. Organization: TRASHWARE Inc.
  8. Lines: 103
  9.  
  10.  Hi all
  11. --------
  12. Ich hab hier noch eine Nette Geschichte, schon etwas aelter, aber immer
  13. noch passend (stammt aus der Zeitung PRINZ):
  14.  
  15.                  D I E    S I L V E S T E R S T O R Y    1 9 9 2
  16.  
  17.  
  18.                     A L L E    J A H R E    W I E D E R . . .
  19.  
  20. DAS JAHR HAT 12 MONATE, 52 WOCHEN, 365 TAGE.  VON STUNDEN WOLLEN WIR ERST GAR
  21.           NICHT REDEN.  AM ENDE GEHT ALLES WIEDER VON VORNE LOS.
  22.  
  23.                Kein Grund zum Feiern, findet Jensefleisch.
  24.  
  25. Der Tag X näherte sich bedrohlich, und die zunehmende Emsigkeit der Menschen
  26. war nicht mehr länger zu übersehen. Sie hamsterten (hallo Lars) bunte
  27. Einladungskarten, plünderten die Sektvorräte der Supermärkte und verstecken
  28. ihre Haustiere in schalldichten Kisten.
  29.  
  30.    Das alles macht mich nervös, und meine Tiefschlaf-Phasen wurden merklich
  31. oberflächlicher. Ein aufgeweckter Alptraum nach dem anderen suchte mich in
  32. meiner nächtlichen Erlebnislandschaft heim: Einmal bekam ich im tiefsten
  33. Schlummer Besuch von einer gut gebauten Silvester-Rakete. Sie hatte einen stark
  34. geschminkten Mund und hielt Neujahrsansprachen im Pfälzer Dialekt. Zum Abschluß
  35. quälte sie mich unaufhörlich mit der grausamen Frage: "Was machst du dieses
  36. Silvester, Jense?"
  37.  
  38.    Schweißgebadet wachte ich auf und stammelte wirres Zeug: "Weiß nicht, weiß
  39. nicht, Kater Silvester, bewahr' die Welt vor einem unnötigen Bleivergießen,
  40. weiß nicht warum, weiß nicht wohin."
  41.  
  42.    Die pure Silvesterpanik.
  43.  
  44.    Es ist jedesmal das Gleiche: Ich hab's mir im alten Jahr grade so richtig
  45. bequem gemacht, und plötzlich kommt der Befehl zum Abschied feiern - das Neue
  46. Jahr steht schon vor der Tür. Verdammt, ich will das alte doch gar nicht
  47. loswerden. Also, wo ist der Grund zum Lustigsein? Aber Kneifen ist sowieso
  48. zwecklos.
  49.  
  50.    Letztes Jahr z.B. fiel die erste Einladung pünktlich mit dem ersten
  51. Herbstlaub in den Briefschlitz. Bis Mitte Dezember war der vorsorglich
  52. gekaufte Wäschekorb voll. Eine eitelkeitsbedingte Urangst - nämlich ein
  53. einsames Silvester mit mir und meiner Wunderkerze zu verbringen - hatte sich
  54. in Schall und Rauch aufgelöst. Doch auch wer die Wahl hat, hat die Qual. In
  55. jeder Hinsicht, denn egal für welches der 1000 Feste man sich entscheidet, es
  56. ist garantiert das falsche: Die Typen eine Ansammlung uhrenvergleichender
  57. Pedanten, die Mädels schon besetzt, und zum Trinken gibt's nur Cocktails auf
  58. Bommerlunder-Basis. Hinzu kommt noch der stimmungstötende Brauch, sich um
  59. Mitternacht mit sogenannten guten Vorsätzen von den Freuden des Lebens
  60. loszusagen. Aber diesmal werde ich um punkt Mitternacht wieder mit dem Rauchen
  61. anfangen, sofort alle sportlichen Aktivitäten einstellen, dafür versuchen,
  62. mindestens zwei Freundinnen gleichzeitig in meinen Besitz zu bringen.
  63.  
  64.    Alternativen zu all diesen Parties gibt es kaum. Sich zu Hause
  65. einzuschließen und fernzusehen ist was für Lebensmüde! Das alljährliche
  66. Silvesterprogramm ist seit Jahren Garant dafür, daß der 31. der Tag mit der
  67. höchsten Selbstmordrate bleibt. Aber auch für die innerlich Gefestigten hat das
  68. Angebot seine Tücken: Letztes Jahr bin ich beim traditionellen
  69. "Dinner for One"-Sketch gegen den Butler und die Gräfin gleichzeitig zum
  70. Wettsaufen angetreten. Anschließend fühlte ich mich noch stark genug, um
  71. Harald Juhnke im Ersten herauszufordern.
  72.  
  73.    Das konnte nicht gutgehen. Als gegen drei meine Mitbewohnerin nach Hause
  74. kam, kämpfte ich gerade mit einem vollgekotzten Flokati-Teppich und brüllte
  75. immerzu: "Dir Raubtier werde ich austreiben, jedes Jahr auf's neue den armen
  76. Butler zu ärgern."
  77.  
  78.    Als ich noch kleiner war, war die Neujahrsfeier noch ein spaßiges
  79. Unterfangen. Während die Erwachsenen sich die Birne zuschütteten, trafen sich
  80. auf der Straße alle Kinder aus der Nachbarschaft und protzten, wie sie mit
  81. Hilfe von falschen Bärten dem Feuerwerksverkäufer einen "Schinken"
  82. Chinakracher aus dem Kreuz geleiert hatten. Anschließend zogen wir
  83. brandschatzend durch die Straßen und testeten so ziemlich alles von
  84. Menschenhand Gefertigte auf seine Explosionsfestigkeit: Briefkästen,
  85. Telefonzellen, Einfamilienhäuser. Kurz vor Ultimo ging's dann heim zum
  86. Tischfeuerwerk, danach zwei Gläser Sekt und ab in die Kiste...
  87.  
  88.    Heute als Erwachsener sieht die Sache schon anders aus. Das der 365. Tag im
  89. Jahr überhaupt nicht planbar ist, wurde mir spätestens vor drei Jahren klar.
  90. Kurz nach elf, ich war grade im Begriff auf eine Party zu verschwinden, als
  91. mein Telefon klingelte. Es war Tom. Er war mit seinem Auto irgendwo an der
  92. Peripherie der Stadt liegengeblieben und suchte einen Blöden - "Das dauert
  93. nur 'ne halbe Stunde" - der ihn zurück nach München schleppen würde. Ich war
  94. damals sogar mächtig blöd und machte mich mit Auto und Abschleppseil auf den
  95. Weg. Es kam, wie es kommen mußte: Ich zerrte ihn in seiner Karre gerade über
  96. den Mittleren Ring, als ein zufälliger Blick meine Uhr streifte: Kurz vor
  97. zwölf! Auf Bayern 3 lief die Ramba-Zamba-Party, und ein mittelstarker Anfall
  98. von Melancholie ergriff von meinem Körper Besitz. Mit der Rechten befreite ich
  99. eine Dose Bier aus dem Handschuhfach und prostete meinem Hintermann über den
  100. Rückspiegel zu. Zeit zum Anstoßen, Tom, sagte ich mir und stieg volle Kanne
  101. auf die Bremse. Krachend schrammte sein Volvo ins Heck meiner Kiste. Er
  102. kurbelte das Fenster herunter und brüllte nach vorne: "Was is'n los?"
  103. Verträumt bohrte ich mit meinem Finger in den illuminierten Himmel:
  104. "Na Silvester..."
  105.                                                                      (c) PRINZ
  106. --
  107. So long...                                        DIMO
  108. ------------------------------------------------------------------------------
  109.  dimo@postwar.abg.sub.org                           "Planung ist das Ersetzen
  110.  Udo Wiemers    (eAUmamV)                       des Zufalls durch den Irrtum"
  111.  Augsburg-Bavaria-Germany-Earth
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  113.