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Text File  |  1996-10-04  |  28KB  |  54 lines

  1.  Freilich waren es nicht mehr die lebhaften Unterhaltungen der frⁿheren Zeiten, an die Gregor in  den kleinen Hotelzimmern stets mit einigem Verlangen gedacht hatte, wenn er sich mⁿde in das  feuchte Bettzeug hatte werfen mⁿssen. Es ging jetzt meist nur sehr still zu. Der Vater schlief  bald nach dem Nachtessen in seinem Sessel ein; die Mutter und Schwester ermahnten einander  zur Stille; die Mutter nΣhte, weit unter das Licht vorgebeugt, feine WΣsche fⁿr ein  ModengeschΣft; die Schwester, die eine Stellung als VerkΣuferin angenommen hatte, lernte am  Abend Stenographie und Franz÷sisch, um vielleicht spΣter einmal einen besseren Posten zu  erreichen. Manchmal wachte der Vater auf, und als wisse er gar nicht, da▀ er geschlafen habe,  sagte er zur Mutter: ╗Wie lange du heute schon wieder nΣhst!½ und schlief sofort wieder ein,  wΣhrend Mutter und Schwester einander mⁿde zulΣchelten. 
  2.  
  3. Mit einer Art Eigensinn weigerte sich der Vater, auch zu Hause seine Dieneruniform  abzulegen; und wΣhrend der Schlafrock nutzlos am Kleiderhaken hing, schlummerte der Vater  vollstΣndig angezogen auf seinem Platz, als sei er immer zu seinem Dienste bereit und warte  auch hier auf die Stimme des Vorgesetzten. Infolgedessen verlor die gleich anfangs nicht neue  Uniform trotz aller Sorgfalt von Mutter und Schwester an Reinlichkeit, und Gregor sah oft  ganze Abende lang auf dieses ⁿber und ⁿber fleckige, mit seinen stets geputzte Goldkn÷pfen  leuchtende Kleid, in dem der alte Mann h÷chst unbequem und doch ruhig schlief. 
  4.  
  5. Sobald die Uhr zehn schlug, suchte die Mutter durch leise Zusprache den Vater zu wecken und  dann zu ⁿberreden, ins Bett zu gehen, denn hier war es doch kein richtiger Schlaf und diesen  hatte der Vater, der um sechs Uhr seinen Dienst antreten mu▀te, Σu▀erst n÷tig. Aber in dem  Eigensinn, der ihn, seitdem er Diener war, ergriffen hatte, bestand er immer darauf noch lΣnger  bei Tisch zu bleiben, trotzdem er regelmΣ▀ig einschlief, und war dann ⁿberdies nur mit der  gr÷▀ten Mⁿhe zu bewegen, den Sessel mit dem Bett zu vertauschen. Da mochten Mutter und  Schwester mit kleinen Ermahnungen noch so sehr auf ihn eindringen, viertelstundenlang  schⁿttelte er langsam den Kopf hielt, die Augen geschlossen und stand nicht auf. Die Mutter  zupfte ihn am ─rmel, sagte ihm Schmeichelworte ins Ohr, die Schwester verlie▀ ihre Aufgabe,  um der Mutter zu helfen, aber beim Vater verfing das nicht. Er versank nur noch tiefer in  seinen Sessel. Erst bis ihn die Frauen unter den Achseln fa▀ten, schlug er die Augen auf, sah  abwechselnd die Mutter und die Schwester an und pflegte zu sagen: ╗Das ist ein Leben. Das ist  die Ruhe meiner alten Tage.½ Und auf die beiden Frauen gestⁿtzt, erhob er sich, umstΣndlich,  als sei er fⁿr sich selbst die gr÷▀te Last, lie▀ sich von den Frauen bis zur Tⁿre fⁿhren, winkte  ihnen dort ab und ging nun selbstΣndig weiter, wΣhrend die Mutter ihr NΣhzeug, die Schwester  ihre Feder eiligst hinwarfen, um hinter dem Vater zu laufen und ihm weiter behilflich zu sein. 
  6.  
  7. Wer hatte in dieser abgearbeiteten und ⁿbermⁿdeten Familie Zeit, sich um Gregor mehr zu  kⁿmmern, als unbedingt n÷tig war? Der Haushalt wurde immer mehr eingeschrΣnkt; das  DienstmΣdchen wurde nun doch entlassen; eine riesige knochige Bedienerin mit wei▀em, den  Kopf umflatterndem Haar kam des Morgens und des Abends, um die schwerste Arbeit zu  leisten; alles andere besorgte die Mutter neben ihrer vielen NΣharbeit. Es geschah sogar, da▀  verschiedene Familienschmuckstⁿcke, welche frⁿher die Mutter und die Schwester  ⁿberglⁿcklich bei Unterhaltungen und Feierlichkeiten getragen hatten, verkauft wurden, wie  Gregor am Abend aus der allgemeinen Besprechung der erzielten Preise erfuhr. Die gr÷▀te  Klage war aber stets, da▀ man diese fⁿr die gegenwΣrtigen VerhΣltnisse allzu gro▀e Wohnung  nicht verlassen konnte, da es nicht auszudenken war, wie man Gregor ⁿbersiedeln sollte. Aber  Gregor sah wohl ein, da▀ es nicht nur die Rⁿcksicht auf ihn war, welche eine ▄bersiedlung  verhinderte, denn ihn hΣtte man doch in einer passenden Kiste mit ein paar Luftl÷chern leicht  transportieren k÷nnen; was die Familie hauptsΣchlich vom Wohnungswechsel abhielt, war  vielmehr die v÷llige Hoffnungslosigkeit und der Gedanke daran, da▀ sie mit einem Unglⁿck  geschlagen war, wie niemand sonst im ganzen Verwandten- und Bekanntenkreis. 
  8.  
  9. Was die Welt von armen Leuten verlangt, erfⁿllten sie bis zum Σu▀ersten, der Vater holte den  kleinen Bankbeamten das Frⁿhstⁿck, die Mutter opferte sich fⁿr die WΣsche fremder Leute, die  Schwester lief nach dem Befehl der Kunden hinter dem Pulte hin und her, aber weiter reichten  die KrΣfte der Familie schon nicht. Und die Wunde im Rⁿcken fing Gregor wie neu zu  schmerzen an, wenn Mutter und Schwester, nachdem sie den Vater zu Bett gebracht hatten,  nun zurⁿckkehrten, die Arbeit liegen lie▀en, nahe zusammenrⁿckten, schon Wange an Wange  sa▀en; wenn jetzt die Mutter, auf Gregors Zimmer zeigend, sagte: ╗Mach' dort die Tⁿr zu,  Grete½, und wenn nun Gregor wieder im Dunkel war, wΣhrend nebenan die Frauen ihre TrΣnen  vermischten oder gar trΣnenlos den Tisch anstarrten. 
  10.  
  11. Die NΣchte und Tage verbrachte Gregor fast ganz ohne Schlaf. Manchmal dachte er daran,  beim nΣchsten ╓ffnen der Tⁿr die Angelegenheiten der Familie ganz so wie frⁿher wieder in die  Hand zu nehmen; in seinen Gedanken erschienen wieder nach langer Zeit der Chef und der  Prokurist, die Kommis und die Lehrjungen, der so begriffstⁿtzige Hausknecht, zwei, drei  Freunde aus anderen GeschΣften, ein StubenmΣdchen aus einem Hotel in der Provinz, eine  liebe, flⁿchtige Erinnerung, eine Kassiererin aus einem HutgeschΣft, um die er sich ernsthaft,  aber zu langsam beworben hatte - sie alle erschienen untermischt mit Fremden oder schon  Vergessenen, aber statt ihm und seiner Familie zu helfen, waren sie sΣmtlich unzugΣnglich, und  er war froh, wenn sie verschwanden. 
  12.  
  13. Dann aber war er wieder gar nicht in der Laune, sich um seine Familie zu sorgen, blo▀ Wut  ⁿber die schlechte Wartung erfⁿllte ihn, und trotzdem er sich nichts vorstellen konnte, worauf  er Appetit gehabt hΣtte, machte er doch PlΣne, wie er in die Speisekammer gelangen k÷nnte,  um dort zu nehmen, was ihm, auch wenn er keinen Hunger hatte, immerhin gebⁿhrte. Ohne  jetzt mehr nachzudenken, womit man Gregor einen besonderen Gefallen machen k÷nnte, schob  die Schwester eiligst, ehe sie morgens und mittags ins GeschΣft lief, mit dem Fu▀ irgendeine  beliebige Speise in Gregors Zimmer hinein, um sie am Abend, gleichgⁿltig dagegen, ob die  Speise vielleicht nur verkostet oder - der hΣufigste Fall - gΣnzlich unberⁿhrt war, mit einem  Schwenken des Besens hinauszukehren. Das AufrΣumen des Zimmers, das sie nun immer  abends besorgte, konnte gar nicht mehr schneller getan sein. Schmutzstreifen zogen sich die  WΣnde entlang, hie und da lagen KnΣuel von Staub und Unrat. In der ersten Zeit stellte sich  Gregor bei der Ankunft der Schwester in derartige besonders bezeichnende Winkel, um ihr  durch diese Stellung gewisserma▀en einen Vorwurf zu machen. Aber er hΣtte wohl  wochenlang dort bleiben k÷nnen, ohne da▀ sich die Schwester gebessert hΣtte; sie sah ja den  Schmutz genau so wie er, aber sie hatte sich eben entschlossen, ihn zu lassen. 
  14.  
  15. Dabei wachte sie mit einer an ihr ganz neuen Empfindlichkeit, die ⁿberhaupt die ganze Familie  ergriffen hatte, darⁿber, da▀ das AufrΣumen von Gregors Zimmer ihr vorbehalten blieb. Einmal  hatte die Mutter Gregors Zimmer einer gro▀en Reinigung unterzogen, die ihr nur nach  Verbrauch einiger Kⁿbel Wasser gelungen war - die viele Feuchtigkeit krΣnkte allerdings  Gregor auch und er lag breit, verbittert und unbeweglich auf dem Kanapee -, aber die Strafe  blieb fⁿr die Mutter nicht aus. Denn kaum hatte am Abend die Schwester die VerΣnderung in  Gregors Zimmer bemerkt, als sie, aufs h÷chste beleidigt, ins Wohnzimmer lief und, trotz der  beschw÷rend erhobenen HΣnde der Mutter, in einen Weinkrampf ausbrach, dem die Eltern -  der Vater war natⁿrlich aus seinem Sessel aufgeschreckt worden - zuerst erstaunt und hilflos  zusahen; bis auch sie sich zu rⁿhren anfingen; der Vater rechts der Mutter Vorwⁿrfe machte,  da▀ sie Gregors Zimmer nicht der Schwester zur Reinigung ⁿberlie▀; links dagegen die  Schwester anschrie, sie werde niemals mehr Gregors Zimmer reinigen dⁿrfen; wΣhrend die  Mutter den Vater, der sich vor Erregung nicht mehr kannte, ins Schlafzimmer zu schleppen  suchte; die Schwester, von Schluchzen geschⁿttelt, mit ihren kleinen FΣusten den Tisch  bearbeitete; und Gregor laut vor Wut darⁿber zischte, da▀ es keinem einfiel, die Tⁿr zu  schlie▀en und ihm diesen Anblick und LΣrm zu ersparen. 
  16.  
  17. Aber selbst wenn die Schwester, ersch÷pft von ihrer Berufsarbeit, dessen ⁿberdrⁿssig  geworden war, fⁿr Gregor, wie frⁿher, zu sorgen, so hΣtte noch keineswegs die Mutter fⁿr sie  eintreten mⁿssen und Gregor hΣtte doch nicht vernachlΣssigt werden brauchen. Denn nun war  die Bedienerin da. Diese alte Witwe, die in ihrem langen Leben mit Hilfe ihres starken  Knochenbaues das ─rgste ⁿberstanden haben mochte, hatte keinen eigentlichen Abscheu vor  Gregor. Ohne irgendwie neugierig zu sein, hatte sie zufΣllig einmal die Tⁿr von Gregors  Zimmer aufgemacht und war im Anblick Gregors, der, gΣnzlich ⁿberrascht, trotzdem ihn  niemand jagte, hin und herzulaufen begann, die HΣnde im Scho▀ gefaltet staunend stehen  geblieben. Seitdem versΣumte sie nicht, stets flⁿchtig morgens und abends die Tⁿr ein wenig zu  ÷ffnen und zu Gregor hineinzuschauen. Anfangs rief sie ihn auch zu sich herbei, mit Worten,  die sie wahrscheinlich fⁿr freundlich hielt, wie ╗Komm mal herⁿber, alter MistkΣfer!½ oder  ╗Seht mal den alten MistkΣfer!½ Auf solche Ansprachen antwortete Gregor mit nichts, sondern  blieb unbeweglich auf seinem Platz, als sei die Tⁿr gar nicht ge÷ffnet worden. HΣtte man doch  dieser Bedienerin, statt sie nach ihrer Laune ihn nutzlos st÷ren zu lassen, lieber den Befehl  gegeben, sein Zimmer tΣglich zu reinigen! Einmal am frⁿhen Morgen - ein heftiger Regen,  vielleicht schon ein Zeichen des kommenden Frⁿhjahrs, schlug an die Scheiben - war Gregor,  als die Bedienerin mit ihren Redensarten wieder begann, derartig erbittert, da▀ er, wie zum  Angriff, allerdings langsam und hinfΣllig, sich gegen sie wendete. Die Bedienerin aber, statt  sich zu fⁿrchten, hob blo▀ einen in der NΣhe der Tⁿr befindlichen Stuhl hoch einpor, und wie  sie mit gro▀ ge÷ffnetem Munde dastand, war ihre Absicht klar, den Mund erst zu schlie▀en,  wenn der Sessel in ihrer Hand auf Gregors Rⁿcken niederschlagen wⁿrde. ╗Also weiter geht es  nicht?½ fragte sie, als Gregor sich wieder umdrehte, und stellte den Sessel ruhig in die Ecke  zurⁿck. 
  18.  
  19. Gregor a▀ nun fast gar nichts mehr. Nur wenn er zufΣllig an der vorbereiteten Speise  vorⁿberkam, nahm er zum Spiel einen Bissen in den Mund, hielt ihn dort stundenlang und spie  ihn dann meist wieder aus. Zuerst dachte er, es sei die Trauer ⁿber den Zustand seines  Zimmers, die ihn vom Essen abhalte, aber gerade mit den VerΣnderungen des Zimmers s÷hnte  er sich sehr bald aus. Man hatte sich angew÷hnt, Dinge, die man anderswo nicht unterbringen  konnte, in dieses Zimmer hineinzustellen, und solcher Dinge gab es nun viele, da man ein  Zimmer der Wohnung an drei Zimmerherren vermietet hatte. Diese ernsten Herren - alle drei  hatten VollbΣrte, wie Gregor einmal durch eine Tⁿrspalte feststellte - waren peinlich auf  Ordnung, nicht nur in ihrem Ziminer, sondern, da sie sich nun einmal hier eingemietet hatten, in  der ganzen Wirtschaft, also insbesondere in der Kⁿche, bedacht. Unnⁿtzen oder gar  schmutzigen Kram ertrugen sie nicht. ▄berdies hatten sie zum gr÷▀ten Teil ihre eigenen  Einrichtungsstⁿcke mitgebracht. Aus diesem Grunde waren viele Dinge ⁿberflⁿssig geworden,  die zwar nicht verkΣuflich waren, die man aber auch nicht wegwerfen wollte. Alle diese  wanderten in Gregors Zimmer. Ebenso auch die Aschenkiste und die Abfallkiste aus der  Kⁿche. Was nur im Augenblick unbrauchbar war, schleuderte die Bedienerin, die es immer sehr  eilig hatte, einfach in Gregors Zimmer; Gregor sah glⁿcklicherweise meist nur den betreffenden  Gegenstand und die Hand, die ihn hielt. Die Bedienerin hatte vielleicht die Absicht, bei Zeit  und Gelegenheit die Dinge wieder zu holen oder alle insgesamt mit einemmal hinauszuwerfen,  tatsΣchlich aber blieben sie dort liegen, wohin sie durch den ersten Wurf gekommen waren,  wenn nicht Gregor sich durch das Rumpelzeug wand und es in Bewegung brachte, zuerst  gezwungen, weil kein sonstiger Platz zum Kriechen frei war, spΣter aber mit wachsendem  Vergnⁿgen, obwohl er nach solchen Wanderungen, zum Sterben mⁿde und traurig, wieder  stundenlang sich nicht rⁿhrte. 
  20.  
  21. Da die Zimmerherren manchmal auch ihr Abendessen zu Hause im gemeinsamen Wohnzimmer  einnahmen, blieb die Wohnzimmertⁿr an manchen Abenden geschlossen, aber Gregor  verzichtete ganz leicht auf das ╓ffnen der Tⁿr, hatte er doch schon manche Abende, an denen  sie ge÷ffnet war, nicht ausgenutzt, sondern war, ohne da▀ es die Familie merkte, im dunkelsten  Winkel seines Zimmers gelegen. Einmal aber hatte die Bedienerin die Tⁿr zum Wohnzimmer  ein wenig offen gelassen, und sie blieb so offen, auch als die Zimmerherren am Abend eintraten  und Licht gemacht wurde. Sie setzten sich oben an den Tisch, wo in frⁿheren Zeiten der Vater,  die Mutter und Gregor gegessen hatten, entfalteten die Servietten und nahmen Messer und  Gabel in die Hand. Sofort erschien in der Tⁿr die Mutter mit einer Schⁿssel Fleisch und knapp  hinter ihr die Schwester mit einer Schⁿssel hochgeschichteter Kartoffeln. Das Essen dampfte  mit starkem Rauch. Die Zimmerherren beugten sich ⁿber die vor sie hingestellten Schⁿsseln, als  wollten sie sie vor dem Essen prⁿfen, und tatsΣchlich zerschnitt der, welcher in der Mitte sa▀  und den anderen zwei als AutoritΣt zu gelten schien, ein Stⁿck Fleisch noch auf der Schⁿssel,  offenbar um festzustellen, ob es mⁿrbe genug sei und ob es nicht etwa in die Kⁿche  zurⁿckgeschickt werden solle. Er war befriedigt, und Mutter und Schwester, die gespannt  zugesehen hatten, begannen aufatmend zu lΣcheln. 
  22.  
  23. Die Familie selbst a▀ in der Kⁿche. Trotzdem kam der Vater, ehe er in die Kⁿche ging, in  dieses Zimmer herein und machte mit einer einzigen Verbeugung, die Kappe in der Hand, einen  Rundgang um den Tisch. Die Zimmerherren erhoben sich sΣmtlich und murmelten etwas in ihre  BΣrte. Als sie dann allein waren, a▀en sie fast unter vollkommenem Stillschweigen. Sonderbar  schien es Gregor, da▀ man aus allen mannigfachen GerΣuschen des Essens immer wieder ihre  kauenden ZΣhne heraush÷rte, als ob damit Gregor gezeigt werden sollte, da▀ man ZΣhne  brauche, um zu essen, und da▀ man auch mit den sch÷nsten zahnlosen Kiefern nichts  ausrichten k÷nne. ╗Ich habe ja Appetit½, sagte sich Gregor sorgenvoll, ╗aber nicht auf diese  Dinge. Wie sich diese Zimmerherren nΣhren, und ich komme um!½ 
  24.  
  25. Gerade an diesem Abend - Gregor erinnerte sich nicht, wΣhrend der ganzen Zeit die Violine  geh÷rt zu haben - ert÷nte sie von der Kⁿche her. Die Zimmerherren hatten schon ihr  Nachtmahl beendet, der mittlere hatte eine Zeitung hervorgezogen, den zwei anderen je ein  Blatt gegeben, und nun lasen sie zurⁿckgelehnt und rauchten. Als die Violine zu spielen  begann, wurden sie aufmerksam, erhoben sich und gingen auf den Fu▀spitzen zur  Vorzimmertⁿr, in der sie aneinandergedrΣngt stehen blieben. Man mu▀te sie von der Kⁿche aus  geh÷rt haben, denn der Vater rief: ╗Ist den Herren das Spiel vielleicht unangenehm? Es kann  sofort eingestellt werden.½ ╗Im Gegenteil½, sagte der mittlere der Herren, ╗m÷chte das  FrΣulein nicht zu uns hereinkommen und hier im Zimmer spielen, wo es doch viel bequemer  und gemⁿtlicher ist?½ ╗O bitte½, rief der Vater, als sei er der Violinspieler. Die Herren traten  ins Zimmer zurⁿck und warteten. Bald kam der Vater mit dem Notenpult, die Mutter mit den  Noten und die Schwester mit der Violine. Die Schwester bereitete alles ruhig zum Spiele vor;  die Eltern, die niemals frⁿher Zimmer vermietet hatten und deshalb die H÷flichkeit gegen die  Zimmerherren ⁿbertrieben, wagten gar nicht, sich auf ihre eigenen Sessel zu setzen; der Vater  lehnte an der Tⁿr, die rechte Hand zwischen zwei Kn÷pfe des geschlossenen Livreerockes  gesteckt; die Mutter aber erhielt von einem Herrn einen Sessel angeboten und sa▀, da sie den  Sessel dort lie▀, wohin ihn der Herr zufΣllig gestellt hatte, abseits in einem Winkel. 
  26.  
  27. Die Schwester begann zu spielen; Vater und Mutter verfolgten, jeder von seiner Seite,  aufmerksam die Bewegungen ihrer HΣnde. Gregor hatte, von dem Spiele angezogen, sich ein  wenig weiter vorgewagt und war schon mit dem Kopf im Wohnzimmer. Er wunderte sich  kaum darⁿber, da▀ er in letzter Zeit so wenig Rⁿcksicht auf die andern nahm; frⁿher war diese  Rⁿcksichtnahme sein Stolz gewesen. Und dabei hΣtte er gerade jetzt mehr Grund gehabt, sich  zu verstecken, denn infolge des Staubes, der in seinem Zimmer ⁿberall lag und bei der kleinsten  Bewegung umherflog, war auch er ganz staubbedeckt; FΣden, Haare, Speiseⁿberreste  schleppte er auf seinem Rⁿcken und an den Seiten mit sich herum; seine Gleichgⁿltigkeit gegen  alles war viel zu gro▀, als da▀ er sich, wie frⁿher mehrmals wΣhrend des Tages, auf den  Rⁿcken gelegt und am Teppich gescheuert hΣtte. Und trotz dieses Zustandes hatte er keine  Scheu, ein Stⁿck auf dem makellosen Fu▀boden des Wohnzimmers vorzurⁿcken. 
  28.  
  29. Allerdings achtete auch niemand auf ihn. Die Familie war gΣnzlich vom Violinspiel in Anspruch  genommen; die Zimmerherren dagegen, die zunΣchst, die HΣnde in den Hosentaschen, viel zu  nahe hinter dem Notenpult der Schwester sich aufgestellt hatten, so da▀ sie alle in die Noten  hΣtten sehen k÷nnen, was sicher die Schwester st÷ren mu▀te, zogen sich bald unter halblauten  GesprΣchen mit gesenkten K÷pfen zum Fenster zurⁿck, wo sie, vom Vater besorgt beobachtet,  auch blieben. Es hatte nun wirklich den ⁿberdeutlichen Anschein, als wΣren sie in ihrer  Annahme, ein sch÷nes oder unterhaltendes Violinspiel zu h÷ren, enttΣuscht, hΣtten die ganze  Vorfⁿhrung satt und lie▀en sich nur aus H÷flichkeit noch in ihrer Ruhe st÷ren. Besonders die  Art, wie sie alle aus Nase und Mund den Rauch ihrer Zigarren in die H÷he bliesen, lie▀ auf  gro▀e NervositΣt schlie▀en. Und doch spielte die Schwester so sch÷n. Ihr Gesicht war zur  Seite geneigt, prⁿfend und traurig folgten ihre Blicke den Notenzeilen. Gregor kroch noch ein  Stⁿck vorwΣrts und hielt den Kopf eng an den Boden, um m÷glicherweise ihren Blicken  begegnen zu k÷nnen. War er ein Tier, da ihn Musik so ergriff ? Ihm war, als zeige sich ihm der  Weg zu der ersehnten unbekannten Nahrung. Er war entschlossen, bis zur Schwester  vorzudringen, sie am Rock zu zupfen und ihr dadurch anzudeuten, sie m÷ge doch mit ihrer  Violine in sein Zimmer kommen, denn niemand lohnte hier das Spiel so, wie er es lohnen  wollte. Er wollte sie nicht mehr aus seinem Zimmer lassen, wenigstens nicht, solange er lebte;  seine Schreckgestalt sollte ihm zum erstenmal nⁿtzlich werden; an allen Tⁿren seines Zimmers  wollte er gleichzeitig sein und den Angreifern entgegenfauchen; die Schwester aber sollte nicht  gezwungen, sondern freiwillig bei ihm bleiben; sie sollte neben ihm auf dem Kanapee sitzen,  das Ohr zu ihm herunterneigen, und er wollte ihr dann anvertrauen, da▀ er die feste Absicht  gehabt habe, sie auf das Konservatorium zu schicken, und da▀ er dies, wenn nicht das Unglⁿck  dazwischen gekommen wΣre, vergangene Weihnachten - Weihnachten war doch wohl schon  vorⁿber? - allen gesagt hΣtte, ohne sich um irgendwelche Widerreden zu kⁿmmern. Nach  dieser ErklΣrung wⁿrde die Schwester in TrΣnen der Rⁿhrung ausbrechen, und Gregor wⁿrde  sich bis zu ihrer Achsel erheben und ihren Hals kⁿssen, den sie, seitdem sie ins GeschΣft ging,  frei ohne Band oder Kragen trug. 
  30.  
  31. ╗Herr Samsa!½ rief der mittlere Herr dem Vater zu und zeigte, ohne ein weiteres Wort zu  verlieren, mit dem Zeigefinger auf den langsam sich vorwΣrtsbewegenden Gregor. Die Violine  verstummte, der mittlere Zimmerherr lΣchelte erst einmal kopfschⁿttelnd seinen Freunden zu  und sah dann wieder auf Gregor hin. Der Vater schien es fⁿr n÷tiger zu halten, statt Gregor zu  vertreiben, vorerst die Zimmerherren zu beruhigen, trotzdem diese gar nicht aufgeregt waren  und Gregor sie mehr als das Violinspiel zu unterhalten schien. Er eilte zu ihnen und suchte sie  mit ausgebreiteten Armen in ihr Zimmer zu drΣngen und gleichzeitig mit seinem K÷rper ihnen  den Ausblick auf Gregor zu nehmen. Sie wurden nun tatsΣchlich ein wenig b÷se, man wu▀te  nicht mehr, ob ⁿber das Benehmen des Vaters oder ⁿber die ihnen jetzt aufgehende Erkenntnis,  ohne es zu wissen, einen solchen Zimmernachbar wie Gregor besessen zu haben. Sie verlangten  vom Vater ErklΣrungen, hoben ihrerseits die Arme, zupften unruhig an ihren BΣrten und  wichen nur langsam gegen ihr Zimmer zurⁿck. Inzwischen hatte die Schwester die  Verlorenheit, in die sie nach dem pl÷tzlich abgebrochenen Spiel verfallen war, ⁿberwunden,  hatte sich, nachdem sie eine Zeit lang in den lΣssig hΣngenden HΣnden Violine und Bogen  gehalten und weiter, als spiele sie noch, in die Noten gesehen hatte, mit einem Male aufgerafft,  hatte das Instrument auf den Scho▀ der Mutter gelegt, die in Atembeschwerden mit heftig  arbeitenden Lungen noch auf ihrem Sessel sa▀, und war in das Nebenzimmer gelaufen, dem  sich die Zimmerherren unter dem DrΣngen des Vaters schon schneller nΣherten. Man sah, wie  unter den geⁿbten HΣnden der Schwester die Decken und Polster in den Betten in die H÷he  flogen und sich ordneten. Noch ehe die Herren das Zimmer erreicht hatten, war sie mit dem  Aufbetten fertig und schlⁿpfte heraus. Der Vater schien wieder von seinem Eigensinn derartig  ergriffen, da▀ er jeden Respekt verga▀, den er seinen Mietern immerhin schuldete. Er drΣngte  nur und drΣngte, bis schon in der Tⁿr des Zimmers der mittlere der Herren donnernd mit dem  Fu▀ aufstampfte und dadurch den Vater zum Stehen brachte. ╗Ich erklΣre hiermit½, sagte er,  hob die Hand und suchte mit den Blicken auch die Mutter und die Schwester, ╗da▀ ich mit  Rⁿcksicht auf die in dieser Wohnung und Familie herrschenden widerlichen VerhΣltnisse½ -  hierbei spie er kurz entschlossen auf den Boden - ╗mein Zimmer augenblicklich kⁿndige. Ich  werde natⁿrlich auch fⁿr die Tage, die ich hier gewohnt habe, nicht das Geringste bezahlen,  dagegen werde ich es mir noch ⁿberlegen, ob ich nicht mit irgendwelchen - glauben Sie mir -  sehr leicht zu begrⁿndenden Forderungen gegen Sie auftreten werde.½ Er schwieg und sah  gerade vor sich hin, als erwarte er etwas. TatsΣchlich fielen sofort seine zwei Freunde mit den  Worten ein: ╗Auch wir kⁿndigen augenblicklich.½ Darauf fa▀te er die Tⁿrklinke und schlo▀ mit  einem Krach die Tⁿr. 
  32.  
  33. Der Vater wankte mit tastenden HΣnden zu seinem Sessel und lie▀ sich in ihn fallen; es sah aus,  als strecke er sich zu seinem gew÷hnlichen AbendschlΣfchen, aber das starke Nicken seines wie  haltlosen Kopfes zeigte, da▀ er ganz und gar nicht schlief. Gregor war die ganze Zeit still auf  dem Platz gelegen, auf dem ihn die Zimmerherren ertappt hatten. Die EnttΣuschung ⁿber das  Mi▀lingen seines Planes, vielleicht aber auch die durch das viele Hungern verursachte  SchwΣche machten es ihm unm÷glich, sich zu bewegen. Er fⁿrchtete mit einer gewissen  Bestimmtheit schon fⁿr den nΣchsten Augenblick einen allgemeinen ⁿber ihn sich entladenden  Zusammensturz und wartete. Nicht einmal die Violine schreckte ihn auf, die, unter den  zitternden Fingern der Mutter hervor, ihr vom Scho▀e fiel und einen hallenden Ton von sich  gab. 
  34.  
  35. ╗Liebe Eltern½, sagte die Schwester und schlug zur Einleitung mit der Hand auf den Tisch, ╗so  geht es nicht weiter. Wenn ihr das vielleicht nicht einsehet, ich sehe es ein. Ich will vor diesem  Untier nicht den Namen meines Bruders aussprechen, und sage daher blo▀: wir mⁿssen  versuchen, es loszuwerden. Wir haben das Menschenm÷gliche versucht, es zu pflegen und zu  dulden, ich glaube, es kann uns niemand den geringsten Vorwurf machen.½ ╗Sie hat  tausendmal Recht½, sagte der Vater fⁿr sich. Die Mutter, die noch immer nicht genug Atem  finden konnte, fing in die vorgehaltene Hand mit einem irrsinnigen Ausdruck der Augen dumpf  zu husten an. 
  36.  
  37. Die Schwester eilte zur Mutter und hielt ihr die Stirn. Der Vater schien durch die Worte der  Schwester auf bestimmtere Gedanken gebracht zu sein, hatte sich aufrecht gesetzt, spielte mit  seiner Dienermⁿtze zwischen den Tellern, die noch vom Nachtmahl der Zimmerherren her auf  dem Tische lagen, und sah bisweilen auf den stillen Gregor hin. 
  38.  
  39. ╗Wir mⁿssen es loszuwerden suchen½, sagte die Schwester nun ausschlie▀lich zum Vater, denn  die Mutter h÷rte in ihrem Husten nichts, ╗es bringt euch noch beide um, ich sehe es kommen.  Wenn man schon so schwer arbeiten mu▀, wie wir alle, kann man nicht noch zu Hause diese  ewige QuΣlerei ertragen. Ich kann es auch nicht mehr.½ Und sie brach so heftig in Weinen aus,  da▀ ihre TrΣnen auf das Gesicht der Mutter niederflossen, von dem sie sie mit mechanischen  Handbewegungen wischte. 
  40.  
  41. ╗Kind½, sagte der Vater mitleidig und mit auffallendem VerstΣndnis, ╗was sollen wir aber  tun?½ 
  42.  
  43. Die Schwester zuckte nur die Achseln zum Zeichen der Ratlosigkeit, die sie nun wΣhrend des  Weinens im Gegensatz zu ihrer frⁿheren Sicherheit ergriffen hatte. 
  44.  
  45. ╗Wenn er uns verstⁿnde½, sagte der Vater halb fragend; die Schwester schⁿttelte aus dem  Weinen heraus heftig die Hand zum Zeichen, da▀ daran nicht zu denken sei. 
  46.  
  47. ╗Wenn er uns verstⁿnde½, wiederholte der Vater und nahm durch Schlie▀en der Augen die  ▄berzeugung der Schwester von der Unm÷glichkeit dessen in sich auf, ╗dann wΣre vielleicht  ein ▄bereinkommen mit ihm m÷glich. Aber so - ½ 
  48.  
  49. ╗Weg mu▀ es½, rief die Schwester, ╗das ist das einzige Mittel, Vater. Du mu▀t blo▀ den  Gedanken loszuwerden suchen, da▀ es Gregor ist. Da▀ wir es solange geglaubt haben, das ist  ja unser eigentliches Unglⁿck. Aber wie kann es denn Gregor sein? Wenn es Gregor wΣre, er  hΣtte lΣngst eingesehen, da▀ ein Zusammenleben von Menschen mit einem solchen Tier nicht  m÷glich ist, und wΣre freiwillig fortgegangen. Wir hΣtten dann keinen Bruder, aber k÷nnten  weiter leben und sein Andenken in Ehren halten. So aber verfolgt uns dieses Tier, vertreibt die  Zimmerherren, will offenbar die ganze Wohnung einnehmen und uns auf der Gasse  ⁿbernachten lassen. Sieh nur, Vater½, schrie sie pl÷tzlich auf, ╗er fΣngt schon wieder an!½ Und  in einem fⁿr Gregor gΣnzlich unverstΣndlichen Schrecken verlie▀ die Schwester sogar die  Mutter, stie▀ sich f÷rmlich von ihrem Sessel ab, als wollte sie lieber die Mutter opfern, als in  Gregors NΣhe bleiben, und eilte hinter den Vater, der, lediglich durch ihr Benehmen erregt,  auch aufstand und die Arme wie zum Schutze der Schwester vor ihr halb erhob. 
  50.  
  51. Aber Gregor fiel es doch gar nicht ein, irgend jemandem und gar seiner Schwester Angst  machen zu wollen. Er hatte blo▀ angefangen sich umzudrehen, um in sein Zimmer  zurⁿckzuwandern, und das nahm sich allerdings auffallend aus, da er infolge seines leidenden  Zustandes bei den schwierigen Umdrehungen mit seinem Kopfe nachhelfen mu▀te, den er  hierbei viele Male hob und gegen den Boden schlug. Er hielt inne und sah sich um. Seine gute  Absicht schien erkannt worden zu sein; es war nur ein augenblicklicher Schrecken gewesen.  Nun sahen ihn alle schweigend und traurig an. Die Mutter lag, die Beine ausgestreckt und  aneinandergedrⁿckt, in ihrem Sessel, die Augen fielen ihr vor Ermattung fast zu; der Vater und  die Schwester sa▀en nebeneinander, die Schwester hatte ihre Hand um des Vaters Hals gelegt. 
  52.  
  53.  
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