Gregor erfuhr nun zur Genⁿge - denn der Vater pflegte sich in seinen ErklΣrungen ÷fters zu wiederholen, teils, weil er selbst sich mit diesen Dingen schon lange nicht beschΣftigt hatte, teils auch, weil die Mutter nicht alles gleich beim ersten Mal verstand - , da▀ trotz allen Unglⁿcks ein allerdings ganz kleines Verm÷gen aus der alten Zeit noch vorhanden war, das die nicht angerⁿhrten Zinsen in der Zwischenzeit ein wenig hatten anwachsen lassen. Au▀erdem aber war das Geld, das Gregor allmonatlich nach Hause gebracht hatte - er selbst hatte nur ein paar Gulden fⁿr sich behalten - , nicht vollstΣndig aufgebraucht worden und hatte sich zu einem kleinen Kapital angesammelt. Gregor, hinter seiner Tⁿre, nickte eifrig, erfreut ⁿber diese unerwartete Vorsicht und Sparsamkeit. Eigentlich hΣtte er ja mit diesen ⁿberschⁿssigen Geldern die Schuld des Vaters gegenⁿber dem Chef weiter abgetragen haben k÷nnen, und jener Tag, an dem er diesen Posten hΣtte loswerden k÷nnen, wΣre weit nΣher gewesen, aber jetzt war es zweifellos besser so, wie es der Vater eingerichtet hatte.
Nun genⁿgte dieses Geld aber ganz und gar nicht, um die Familie etwa von den Zinsen leben zu lassen; es genⁿgte vielleicht, um die Familie ein, h÷chstens zwei Jahre zu erhalten, mehr war es nicht. Es war also blo▀ eine Summe, die man eigentlich nicht angreifen durfte, und die fⁿr den Notfall zurⁿckgelegt werden mu▀te; das Geld zum Leben aber mu▀te man verdienen. Nun war aber der Vater ein zwar gesunder, aber alter Mann, der schon fⁿnf Jahre nichts gearbeitet hatte und sich jedenfalls nicht viel zutrauen durfte; er hatte in diesen fⁿnf Jahren, welche die ersten Ferien seines mⁿhevollen und doch erfolglosen Lebens waren, viel Fett angesetzt und war dadurch recht schwerfΣllig geworden. Und die alte Mutter sollte nun vielleicht Geld verdienen, die an Asthma litt, der eine Wanderung durch die Wohnung schon Anstrengung verursachte, und die jeden zweiten Tag in Atembeschwerden auf dem Sopha beim offenen Fenster verbrachte? Und die Schwester sollte Geld verdienen, die noch ein Kind war mit ihren siebzehn Jahren, und der ihre bisherige Lebensweise so sehr zu g÷nnen war, die daraus bestanden hatte, sich nett zu kleiden, lange zu schlafen, in der Wirtschaft mitzuhelfen, an ein paar bescheidenen Vergnⁿgungen sich zu beteiligen und vor allem Violine zu spielen? Wenn die Rede auf diese Notwendigkeit des Geldverdienens kam, lie▀ zuerst immer Gregor die Tⁿre los und warf sich auf das neben der Tⁿr befindliche kⁿhle Ledersofa, denn ihm war ganz hei▀ vor BeschΣmung und Trauer.
Oft lag er dort die ganzen langen NΣchte ⁿber, schlief keinen Augenblick und scharrte nur stundenlang auf dem Leder. Oder er scheute nicht die gro▀e Mⁿhe, einen Sessel zum Fenster zu schieben, dann die Fensterbrⁿstung hinaufzukriechen und, in den Sessel gestemmt, sich ans Fenster zu lehnen, offenbar nur in irgendeiner Erinnerung an das Befreiende, das frⁿher fⁿr ihn darin gelegen war, aus dem Fenster zu schauen. Denn tatsΣchlich sah er von Tag zu Tag die auch nur ein wenig entfernten Dinge immer undeutlicher; das gegenⁿberliegende Krankenhaus, dessen nur allzu hΣufigen Anblick er frⁿher verflucht hatte, bekam er ⁿberhaupt nicht mehr zu Gesicht, und wenn er nicht genau gewu▀t hΣtte, da▀ er in der stillen, aber v÷llig stΣdtischen Charlottenstra▀e wohnte, hΣtte er glauben k÷nnen, von seinem Fenster aus in eine Ein÷de zu schauen, in welcher der graue Himmel und die graue Erde ununterscheidbar sich vereinigten. Nur zweimal hatte die aufmerksame Schwester sehen mⁿssen, da▀ der Sessel beim Fenster stand, als sie schon jedesmal, nachdem sie das Zimmer aufgerΣumt hatte, den Sessel wieder genau zum Fenster hinschob, ja sogar von nun ab den inneren Fensterflⁿgel offen lie▀.
HΣtte Gregor nur mit der Schwester sprechen und ihr fⁿr alles danken k÷nnen, was sie fⁿr ihn machen mu▀te, er hΣtte ihre Dienste leichter ertragen; so aber litt er darunter. Die Schwester suchte freilich die Peinlichkeit des Ganzen m÷glichst zu verwischen, und je lΣngere Zeit verging, desto besser gelang es ihr natⁿrlich auch, aber auch Gregor durchschaute mit der Zeit alles viel genauer. Schon ihr Eintritt war fⁿr ihn schrecklich. Kaum war sie eingetreten, lief sie, ohne sich Zeit zu nehmen, die Tⁿre zu schlie▀en, so sehr sie sonst darauf achtete, jedem den Anblick von Gregors Zimmer zu ersparen, geradewegs zum Fenster und ri▀ es, als ersticke sie fast, mit hastigen HΣnden auf, blieb auch, selbst wenn es noch so kalt war, ein Weilchen beim Fenster und atmete tief. Mit diesem Laufen und LΣrmen erschreckte sie Gregor tΣglich zweimal; die ganze Zeit ⁿber zitterte er unter dem Kanapee und wu▀te doch sehr gut, da▀ sie ihn gewi▀ gerne damit verschont hΣtte, wenn es ihr nur m÷glich gewesen wΣre, sich in einem Zimmer, in dem sich Gregor befand, bei geschlossenem Fenster aufzuhalten.
Einmal, es war wohl schon ein Monat seit Gregors Verwandlung vergangen, und es war doch schon fⁿr die Schwester kein besonderer Grund mehr, ⁿber Gregors Aussehen in Erstaunen zu geraten, kam sie ein wenig frⁿher als sonst und traf Gregor noch an, wie er, unbeweglich und so recht zum Erschrecken aufgestellt, aus dem Fenster schaute. Es wΣre fⁿr Gregor nicht unerwartet gewesen, wenn sie nicht eingetreten wΣre, da er sie durch seine Stellung verhinderte, sofort das Fenster zu ÷ffnen, aber sie trat nicht nur nicht ein, sie fuhr sogar zurⁿck und schlo▀ die Tⁿr; ein Fremder hΣtte geradezu denken k÷nnen, Gregor habe ihr aufgelauert und habe sie bei▀en wollen. Gregor versteckte sich natⁿrlich sofort unter dem Kanapee, aber er mu▀te bis zum Mittag warten, ehe die Schwester wiederkam, und sie schien viel unruhiger als sonst. Er erkannte daraus, da▀ ihr sein Anblick noch immer unertrΣglich war und ihr auch weiterhin unertrΣglich bleiben mⁿsse, und da▀ sie sich wohl sehr ⁿberwinden mu▀te, vor dem Anblick auch nur der kleinen Partie seines K÷rpers nicht davonzulaufen, mit der er unter dem Kanapee hervorragte. Um ihr auch diesen Anblick zu ersparen, trug er eines Tages auf seinem Rⁿcken - er brauchte zu dieser Arbeit vier Stunden - das Leintuch auf das Kanapee und ordnete es in einer solchen Weise an, da▀ er nun gΣnzlich verdeckt war, und da▀ die Schwester, selbst wenn sie sich bⁿckte, ihn nicht sehen konnte. WΣre dieses Leintuch ihrer Meinung nach nicht n÷tig gewesen, dann hΣtte sie es ja entfernen k÷nnen, denn da▀ es nicht zum Vergnⁿgen Gregors geh÷ren konnte, sich so ganz und gar abzusperren, war doch klar genug, aber sie lie▀ das Leintuch, so wie es war, und Gregor glaubte sogar einen dankbaren Blick erhascht zu haben, als er einmal mit dem Kopf vorsichtig das Leintuch ein wenig lⁿftete, um nachzusehen, wie die Schwester die neue Einrichtung aufnahm.
In den ersten vierzehn Tagen konnten es die Eltern nicht ⁿber sich bringen, zu ihm hereinzukommen, und er h÷rte oft, wie sie die jetzige Arbeit der Schwester v÷llig erkannten, wΣhrend sie sich bisher hΣufig ⁿber die Schwester geΣrgert hatten, weil sie ihnen als ein etwas nutzloses MΣdchen erschienen war. Nun aber warteten oft beide, der Vater und die Mutter, vor Gregors Zimmer, wΣhrend die Schwester dort aufrΣumte, und kaum war sie herausgekommen, mu▀te sie ganz genau erzΣhlen, wie es in dem Zimmer aussah, was Gregor gegessen hatte, wie er sich diesmal benommen hatte, und ob vielleicht eine kleine Besserung zu bemerken war. Die Mutter ⁿbrigens wollte verhΣltnismΣ▀ig bald Gregor besuchen, aber der Vater und die Schwester hielten sie zuerst mit Vernunftgrⁿnden zurⁿck, denen Gregor sehr aufmerksam zuh÷rte, und die er vollstΣndig billigte. SpΣter aber mu▀te man sie mit Gewalt zurⁿckhalten, und wenn sie dann rief: ╗La▀t mich doch zu Gregor, er ist ja mein unglⁿcklicher Sohn! Begreift ihr es denn nicht, da▀ ich zu ihm mu▀?½, dann dachte Gregor, da▀ es vielleicht doch gut wΣre, wenn die Mutter hereinkΣme, nicht jeden Tag natⁿrlich, aber vielleicht einmal in der Woche; sie verstand doch alles viel besser als die Schwester, die trotz all ihrem Mute doch nur ein Kind war und im letzten Grunde vielleicht nur aus kindlichem Leichtsinn eine so schwere Aufgabe ⁿbernommen hatte.
Der Wunsch Gregors, die Mutter zu sehen, ging bald in Erfⁿllung. WΣhrend des Tages wollte Gregor schon aus Rⁿcksicht auf seine Eltern sich nicht beim Fenster zeigen, kriechen konnte er aber auf den paar Quadratmetern des Fu▀bodens auch nicht viel, das ruhige Liegen ertrug er schon wΣhrend der Nacht schwer, das Essen machte ihm bald nicht mehr das geringste Vergnⁿgen, und so nahm er zur Zerstreuung die Gewohnheit an, kreuz und quer ⁿber WΣnde und Plafond zu kriechen. Besonders oben auf der Decke hing er gern; es war ganz anders, als das Liegen auf dem Fu▀boden; man atmete freier; ein leichtes Schwingen ging durch den K÷rper; und in der fast glⁿcklichen Zerstreutheit, in der sich Gregor dort oben befand, konnte es geschehen, da▀ er zu seiner eigenen ▄berraschung sich loslie▀ und auf den Boden klatschte. Aber nun hatte er natⁿrlich seinen K÷rper ganz anders in der Gewalt als frⁿher und beschΣdigte sich selbst bei einem so gro▀en Falle nicht. Die Schwester nun bemerkte sofort die neue Unterhaltung, die Gregor fⁿr sich gefunden hatte - er hinterlie▀ ja auch beim Kriechen hie und da Spuren seines Klebstoffes - , und da setzte sie es sich in den Kopf, Gregor das Kriechen in gr÷▀tem Ausma▀e zu erm÷glichen und die M÷bel, die es verhinderten, also vor allem den Kasten und den Schreibtisch, wegzuschaffen.
Nun war sie aber nicht imstande, dies allein zu tun; den Vater wagte sie nicht um Hilfe zu bitten; das DienstmΣdchen hΣtte ihr ganz gewi▀ nicht geholfen, denn dieses etwa sechzehnjΣhrige MΣdchen harrte zwar tapfer seit Entlassung der frⁿheren K÷chin aus, hatte aber um die Vergⁿnstigung gebeten, die Kⁿche unaufh÷rlich versperrt halten zu dⁿrfen und nur auf besonderen Anruf ÷ffnen zu mⁿssen; so blieb der Schwester also nichts ⁿbrig, als einmal in Abwesenheit des Vaters die Mutter zu holen. Mit Ausrufen erregter Freude kam die Mutter auch heran, verstummte aber an der Tⁿr vor Gregors Zimmer. Zuerst sah natⁿrlich die Schwester nach, ob alles im Zimmer in Ordnung war; dann erst lie▀ sie die Mutter eintreten. Gregor hatte in gr÷▀ter Eile das Leintuch noch tiefer und mehr in Falten gezogen, das Ganze sah wirklich nur wie ein zufΣllig ⁿber das Kanapee geworfenes Leintuch aus. Gregor unterlie▀ auch diesmal, unter dem Leintuch zu spionieren; er verzichtete darauf, die Mutter schon diesmal zu sehen, und war nur froh, da▀ sie nun doch gekommen war. ╗Komm nur, man sieht ihn nicht½, sagte die Schwester, und offenbar fⁿhrte sie die Mutter an der Hand. Gregor h÷rte nun, wie die zwei schwachen Frauen den immerhin schweren alten Kasten von seinem Platze rⁿckten, und wie die Schwester immerfort den gr÷▀ten Teil der Arbeit fⁿr sich beanspruchte, ohne auf die Warnungen der Mutter zu h÷ren, welche fⁿrchtete, da▀ sie sich ⁿberanstrengen werde. Es dauerte sehr lange. Wohl nach schon viertelstⁿndiger Arbeit sagte die Mutter, man solle den Kasten doch lieber hier lassen, denn erstens sei er zu schwer, sie wⁿrden vor Ankunft des Vaters nicht fertig werden und mit dem Kasten in der Mitte des Zimmers Gregor jeden Weg verrammeln, zweitens aber sei es doch gar nicht sicher, da▀ Gregor mit der Entfernung der M÷bel ein Gefallen geschehe. Ihr scheine das Gegenteil der Fall zu sein; ihr bedrⁿcke der Anblick der leeren Wand geradezu das Herz; und warum solle nicht auch Gregor diese Empfindung haben, da er doch an die Zimmerm÷bel lΣngst gew÷hnt sei und sich deshalb im leeren Zimmer verlassen fⁿhlen werde.
╗Und ist es dann nicht so½, schlo▀ die Mutter ganz leise, wie sie ⁿberhaupt fast flⁿsterte, als wolle sie vermeiden, da▀ Gregor, dessen genauen Aufenthalt sie ja nicht kannte, auch nur den Klang der Stimme h÷re, denn da▀ er die Worte nicht verstand, davon war sie ⁿberzeugt, ╗und ist es nicht so, als ob wir durch die Entfernung der M÷bel zeigten, da▀ wir jede Hoffnung auf Besserung aufgeben und ihn rⁿcksichtslos sich selbst ⁿberlassen? Ich glaube, es wΣre das beste, wir suchen das Zimmer genau in dem Zustand zu erhalten, in dem es frⁿher war, damit Gregor, wenn er wieder zu uns zurⁿckkommt, alles unverΣndert findet und umso leichter die Zwischenzeit vergessen kann.½
Beim Anh÷ren dieser Worte der Mutter erkannte Gregor, da▀ der Mangel jeder unmittelbaren menschlichen Ansprache, verbunden mit dem einf÷rmigen Leben inmitten der Familie, im Laufe dieser zwei Monate seinen Verstand hatte verwirren mⁿssen, denn anders konnte er es sich nicht erklΣren, da▀ er ernsthaft danach hatte verlangen k÷nne, da▀ sein Zimmer ausgeleert wⁿrde. Hatte er wirklich Lust, das warme, mit ererbten M÷beln gemⁿtlich ausgestattete Zimmer in eine H÷hle verwandeln zu lassen, in der er dann freilich nach allen Richtungen ungest÷rt wⁿrde kriechen k÷nnen, jedoch auch unter gleichzeitigem schnellen, gΣnzlichen Vergessen seiner menschlichen Vergangenheit? War er doch jetzt schon nahe daran, zu vergessen, und nur die seit langem nicht geh÷rte Stimme der Mutter hatte ihn aufgerⁿttelt. Nichts sollte entfernt werden; alles mu▀te bleiben; die guten Einwirkungen der M÷bel auf seinen Zustand konnte er nicht entbehren; und wenn die M÷bel ihn hinderten, das sinnlose Herumkriechen zu betreiben, so war es kein Schaden, sondern ein gro▀er Vorteil.
Aber die Schwester war leider anderer Meinung; sie hatte sich, allerdings nicht ganz unberechtigt, angew÷hnt, bei Besprechung der Angelegenheiten Gregors als besonders SachverstΣndige gegenⁿber den Eltern aufzutreten, und so war auch jetzt der Rat der Mutter fⁿr die Schwester Grund genug, auf der Entfernung nicht nur des Kastens und des Schreibtisches, an die sie zuerst allein gedacht hatte, sondern auf der Entfernung sΣmtlicher M÷bel, mit Ausnahme des unentbehrlichen Kanapees, zu bestehen. Es war natⁿrlich nicht nur kindlicher Trotz und das in der letzten Zeit so unerwartet und schwer erworbene Selbstvertrauen, das sie zu dieser Forderung bestimmte; sie hatte doch auch tatsΣchlich beobachtet, da▀ Gregor viel Raum zum Kriechen brauchte, dagegen die M÷bel, soweit man sehen konnte, nicht im geringsten benⁿtzte.
Vielleicht aber spielte auch der schwΣrmerische Sinn der MΣdchen ihres Alters mit, der bei jeder Gelegenheit seine Befriedigung sucht, und durch den Grete jetzt sich dazu verlocken lie▀, die Lage Gregors noch schreckenerregender machen zu wollen, um dann noch mehr als bis jetzt fⁿr ihn leisten zu k÷nnen. Denn in einen Raum, in dem Gregor ganz allein die leeren WΣnde beherrschte, wⁿrde wohl kein Mensch au▀er Grete jemals einzutreten sich getrauen. Und so lie▀ sie sich von ihrem Entschlusse durch die Mutter nicht abbringen, die auch in diesem Zimmer vor lauter Unruhe unsicher schien, bald verstummte und der Schwester nach KrΣften beim Hinausschaffen des Kastens half. Nun, den Kasten konnte Gregor im Notfall noch entbehren, aber schon der Schreibtisch mu▀te bleiben. Und kaum hatten die Frauen mit dem Kasten, an den sie sich Σchzend drⁿckten, das Zimmer verlassen, als Gregor den Kopf unter dem Kanapee hervorstie▀, um zu sehen, wie er vorsichtig und m÷glichst rⁿcksichtsvoll eingreifen k÷nnte. Aber zum Unglⁿck war es gerade die Mutter, welche zuerst zurⁿckkehrte, wΣhrend Grete im Nebenzimmer den Kasten umfangen hielt und ihn allein hin und her schwang, ohne ihn natⁿrlich von der Stelle zu bringen. Die Mutter aber war Gregors Anblick nicht gew÷hnt, er hΣtte sie krank machen k÷nnen, und so eilte Gregor erschrocken im RⁿckwΣrtslauf bis an das andere Ende des Kanapees, konnte es aber nicht mehr verhindern, da▀ das Leintuch vorne ein wenig sich bewegte. Das genⁿgte, um die Mutter aufmerksam zu machen. Sie stockte, stand einen Augenblick still und ging dann zu Grete zurⁿck.
Trotzdem sich Gregor immer wieder sagte, da▀ ja nichts Au▀ergew÷hnliches geschehe, sondern nur ein paar M÷bel umgestellt wⁿrden, wirkte doch, wie er sich bald eingestehen mu▀te, dieses Hin- und Hergehen der Frauen, ihre kleinen Zurufe, das Kratzen der M÷bel auf dem Boden, wie ein gro▀er, von allen Seiten genΣhrter Trubel auf ihn, und er mu▀te sich, so fest er Kopf und Beine an sich zog und den Leib bis an den Boden drⁿckte, unweigerlich sagen, da▀ er das Ganze nicht lange aushalten werde. Sie rΣumten ihm sein Zimmer aus; nahmen ihm alles, was ihm lieb war; den Kasten, in dem die LaubsΣge und andere Werkzeuge lagen, hatten sie schon hinausgetragen; lockerten jetzt den schon im Boden fest eingegrabenen Schreibtisch, an dem er als Handelsakademiker, als Bⁿrgerschⁿler, ja sogar schon als Volksschⁿler seine Aufgaben geschrieben hatte, - da hatte er wirklich keine Zeit mehr, die guten Absichten zu prⁿfen, welche die zwei Frauen hatten, deren Existenz er ⁿbrigens fast vergessen hatte, denn vor Ersch÷pfung arbeiteten sie schon stumm, und man h÷rte nur das schwere Tappen ihrer Fⁿ▀e.
Und so brach er denn hervor - die Frauen stⁿtzten sich gerade im Nebenzimmer an den Schreibtisch, um ein wenig zu verschnaufen - , wechselte viermal die Richtung des Laufes, er wu▀te wirklich nicht, was er zuerst retten sollte, da sah er an der im ⁿbrigen schon leeren Wand auffallend das Bild der in lauter Pelzwerk gekleideten Dame hΣngen, kroch eilends hinauf und pre▀te sich an das Glas, das ihn festhielt und seinem hei▀en Bauch wohltat. Dieses Bild wenigstens, das Gregor jetzt ganz verdeckte, wⁿrde nun gewi▀ niemand wegnehmen. Er verdrehte den Kopf nach der Tⁿr des Wohnzimmers, um die Frauen bei ihrer Rⁿckkehr zu beobachten.
Sie hatten sich nicht viel Ruhe geg÷nnt und kamen schon wieder; Grete hatte den Arm um die Mutter gelegt und trug sie fast. ╗Also was nehmen wir jetzt?½, sagte Grete und sah sich um. Da kreuzten sich ihre Blicke mit denen Gregors an der Wand. Wohl nur infolge der Gegenwart der Mutter behielt sie ihre Fassung, beugte ihr Gesicht zur Mutter, um diese vom Herumschauen abzuhalten, und sagte, allerdings zitternd und unⁿberlegt: ╗Komm, wollen wir nicht lieber auf einen Augenblick noch ins Wohnzimmer zurⁿckgehen?½ Die Absicht Gretes war fⁿr Gregor klar, sie wollte die Mutter in Sicherheit bringen und dann ihn von der Wand hinunterjagen. Nun, sie konnte es ja immerhin versuchen! Er sa▀ auf seinem Bild und gab es nicht her. Lieber wⁿrde er Grete ins Gesicht springen.
Aber Gretes Worte hatten die Mutter erst recht beunruhigt, sie trat zur Seite, erblickte den riesigen braunen Fleck auf der geblⁿmten Tapete, rief, ehe ihr eigentlich zum Bewu▀tsein kam, da▀ das Gregor war, was sie sah, mit schreiender, rauher Stimme: ╗Ach Gott, ach Gott!½ und fiel mit ausgebreiteten Armen, als gebe sie alles auf, ⁿber das Kanapee hin und rⁿhrte sich nicht. ╗Du, Gregor!½ rief die Schwester mit erhobener Faust und eindringlichen Blicken. Es waren seit der Verwandlung die ersten Worte, die sie unmittelbar an ihn gerichtet hatte. Sie lief ins Nebenzimmer, um irgendeine Essenz zu holen, mit der sie die Mutter aus ihrer Ohnmacht wecken k÷nnte; Gregor wollte auch helfen - zur Rettung des Bildes war noch Zeit - , er klebte aber fest an dem Glas und mu▀te sich mit Gewalt losrei▀en; er lief dann auch ins Nebenzimmer, als k÷nne er der Schwester irgendeinen Rat geben, wie in frⁿherer Zeit; mu▀te dann aber untΣtig hinter ihr stehen; wΣhrend sie in verschiedenen FlΣschchen kramte, erschreckte sie noch, als sie sich umdrehte; eine Flasche fiel auf den Boden und zerbrach; ein Splitter verletzte Gregor im Gesicht, irgendeine Σtzende Medizin umflo▀ ihn; Grete nahm nun, ohne sich lΣnger aufzuhalten, soviel FlΣschchen, als sie nur halten konnte, und rannte mit ihnen zur Mutter hinein; die Tⁿr schlug sie mit dem Fu▀e zu. Gregor war nun von der Mutter abgeschlossen, die durch seine Schuld vielleicht dem Tod nahe war; die Tⁿr durfte er nicht ÷ffnen, wollte er die Schwester, die bei der Mutter bleiben mu▀te, nicht verjagen; er hatte jetzt nichts zu tun, als zu warten; und von Selbstvorwⁿrfen und Besorgnis bedrΣngt, begann er zu kriechen, ⁿberkroch alles, WΣnde, M÷bel und Zimmerdecke und fiel endlich in seiner Verzweiflung, als sich das ganze Zimmer schon um ihn zu drehen anfing, mitten auf den gro▀en Tisch.
Es verging eine kleine Weile, Gregor lag matt da, ringsherum war es still, vielleicht war das ein gutes Zeichen. Da lΣutete es. Das MΣdchen war natⁿrlich in ihrer Kⁿche eingesperrt und Grete mu▀te daher ÷ffnen gehen. Der Vater war gekommen. ╗Was ist geschehen?½ waren seine ersten Worte; Gretes Aussehen hatte ihm wohl alles verraten. Grete antwortete mit dumpfer Stimme, offenbar drⁿckte sie ihr Gesicht an des Vaters Brust: ╗Die Mutter war ohnmΣchtig, aber es geht ihr schon besser. Gregor ist ausgebrochen.½ ╗Ich habe es ja erwartet½, sagte der Vater, ╗ich habe es euch ja immer gesagt, aber ihr Frauen wollt nicht h÷ren.½
Gregor war es klar, da▀ der Vater Gretes allzu kurze Mitteilung schlecht gedeutet hatte und annahm, da▀ Gregor sich irgendeine Gewalttat habe zuschulden kommen lassen. Deshalb mu▀te Gregor den Vater jetzt zu besΣnftigen suchen, denn ihn aufzuklΣren hatte er weder Zeit noch M÷glichkeit. Und so flⁿchtete er sich zur Tⁿr seines Zimmers und drⁿckte sich an sie, damit der Vater beim Eintritt vom Vorzimmer her gleich sehen k÷nne, da▀ Gregor die beste Absicht habe, sofort in sein Zimmer zurⁿckzukehren, und da▀ es nicht n÷tig sei, ihn zurⁿckzutreiben, sondern da▀ man nur die Tⁿr zu ÷ffnen brauche, und gleich werde er verschwinden.
Aber der Vater war nicht in der Stimmung, solche Feinheiten zu bemerken; ╗Ah!½ rief er gleich beim Eintritt in einem Tone, als sei er gleichzeitig wⁿtend und froh. Gregor zog den Kopf von der Tⁿr zurⁿck und hob ihn gegen den Vater. So hatte er sich den Vater wirklich nicht vorgestellt, wie er jetzt dastand; allerdings hatte er in der letzten Zeit ⁿber dem neuartigen Herumkriechen versΣumt, sich so wie frⁿher um die VorgΣnge in der ⁿbrigen Wohnung zu kⁿmmern, und hΣtte eigentlich darauf gefa▀t sein mⁿssen, verΣnderte VerhΣltnisse anzutreffen. Trotzdem, trotzdem, war das noch der Vater? Der gleiche Mann, der mⁿde im Bett vergraben lag, wenn frⁿher Gregor zu einer GeschΣftsreise ausgerⁿckt war; der ihn an Abenden der Heimkehr im Schlafrock im Lehnstuhl empfangen hatte; gar nicht recht imstande war, aufzustehen, sondern zum Zeichen der Freude nur die Arme gehoben hatte, und der bei den seltenen gemeinsamen SpaziergΣngen an ein paar Sonntagen im Jahr und an den h÷chsten Feiertagen zwischen Gregor und der Mutter, die schon an und fⁿr sich langsam gingen, immer noch ein wenig langsamer, in seinen alten Mantel eingepackt, mit stets vorsichtig aufgesetztem Krⁿckstock sich vorwΣrts arbeitete und, wenn er etwas sagen wollte, fast immer stillstand und seine Begleitung um sich versammelte?
Nun aber war er recht gut aufgerichtet; in eine straffe blaue Uniform mit Goldkn÷pfen gekleidet, wie sie Diener der Bankinstitute tragen; ⁿber dem hohen steifen Kragen des Rockes entwickelte sich sein starkes Doppelkinn; unter den buschigen Augenbrauen drang der Blick der schwarzen Augen frisch und aufmerksam hervor; das sonst zerzauste wei▀e Haar war zu einer peinlich genauen, leuchtenden Scheitelfrisur niedergekΣmmt. Er warf seine Mⁿtze, auf der ein Goldmonogramm, wahrscheinlich das einer Bank, angebracht war, ⁿber das ganze Zimmer im Bogen auf das Kanapee hin und ging, die Enden seines langen Uniformrockes zurⁿckgeschlagen, die HΣnde in den Hosentaschen, mit vebissenem Gesicht auf Gregor zu.
Er wu▀te wohl selbst nicht, was er vor hatte; immerhin hob er die Fⁿ▀e ungew÷hnlich hoch, und Gregor staunte ⁿber die Riesengr÷▀e seiner Stiefelsohlen. Doch hielt er sich dabei nicht auf, er wu▀te ja noch vom ersten Tage seines neuen Lebens her, da▀ der Vater ihm gegenⁿber nur die gr÷▀te Strenge fⁿr angebracht ansah. Und so lief er vor dem Vater her, stockte, wenn der Vater stehen blieb, und eilte schon wieder vorwΣrts, wenn sich der Vater nur rⁿhrte. So machten sie mehrmals die Runde um das Zimmer, ohne da▀ sich etwas Entscheidendes ereignete, ja ohne da▀ das Ganze infolge seines langsamen Tempos den Anschein einer Verfolgung gehabt hΣtte. Deshalb blieb auch Gregor vorlΣufig auf dem Fu▀boden, zumal er fⁿrchtete, der Vater k÷nnte eine Flucht auf die WΣnde oder den Plafond fⁿr besondere Bosheit halten. Allerdings mu▀te sich Gregor sagen, da▀ er sogar dieses Laufen nicht lange aushalten wⁿrde, denn wΣhrend der Vater einen Schritt machte, mu▀te er eine Unzahl von Bewegungen ausfⁿhren. Atemnot begann sich schon bemerkbar zu machen, wie er ja auch in seiner frⁿheren Zeit keine ganz vertrauenswⁿrdige Lunge besessen hatte. Als er nun so dahintorkelte, um alle KrΣfte fⁿr den Lauf zu sammeln, kaum die Augen offenhielt; in seiner Stumpfheit an eine andere Rettung als durch Laufen gar nicht dachte; und fast schon vergessen hatte, da▀ ihm die WΣnde freistanden, die hier allerdings mit sorgfΣltig geschnitzten M÷beln voll Zacken und Spitzen verstellt waren - da flog knapp neben ihm, leicht geschleudert, irgend etwas nieder und rollte vor ihm her. Es war ein Apfel; gleich flog ihm ein zweiter nach; Gregor blieb vor Schrecken stehen; ein Weiterlaufen war nutzlos, denn der Vater hatte sich entschlossen, ihn zu bombardieren.
Aus der Obstschale auf der Kredenz hatte er sich die Taschen gefⁿllt und warf nun, ohne vorlΣufig scharf zu zielen, Apfel fⁿr Apfel. Diese kleinen roten ─pfel rollten wie elektrisiert auf dem Boden herum und stie▀en aneinander. Ein schwach geworfener Apfel streifte Gregors Rⁿcken, glitt aber unschΣdlich ab. Ein ihm sofort nachfliegender drang dagegen f÷rmlich in Gregors Rⁿcken ein; Gregor wollte sich weiterschleppen, als k÷nne der ⁿberraschende unglaubliche Schmerz mit dem Ortswechsel vergehen; doch fⁿhlte er sich wie festgenagelt und streckte sich in vollstΣndiger Verwirrung aller Sinne. Nur mit dem letzten Blick sah er noch, wie die Tⁿr seines Zimmers aufgerissen wurde, und vor der schreienden Schwester die Mutter hervoreilte, im Hemd, denn die Schwester hatte sie entkleidet, um ihr in der Ohnmacht Atemfreiheit zu verschaffen, wie dann die Mutter auf den Vater zulief und ihr auf dem Weg die aufgebundenen R÷cke einer nach dem anderen zu Boden glitten, und wie sie stolpernd ⁿber die R÷cke auf den Vater eindrang und ihn umarmend, in gΣnzlicher Vereinigung mit ihm - nun versagte aber Gregors Sehkraft schon - die HΣnde an des Vaters Hinterkopf um Schonung von Gregors Leben bat.
Die schwere Verwundung Gregors, an der er ⁿber einen Monat litt - der Apfel blieb, da ihn niemand zu entfernen wagte, als sichtbares Andenken im Fleische sitzen - , schien selbst den Vater daran erinnert zu haben, da▀ Gregor trotz seiner gegenwΣrtigen traurigen und ekelhaften Gestalt ein Familienmitglied war, das man nicht wie einen Feind behandeln durfte, sondern dem gegenⁿber es das Gebot der Familienpflicht war, den Widerwillen hinunterzuschlucken und zu dulden, nichts als zu dulden. Und wenn nun auch Gregor durch seine Wunde an Beweglichkeit wahrscheinlich fⁿr immer verloren hatte und vorlΣufig zur Durchquerung seines Zimmers wie ein alter Invalide lange, lange Minuten brauchte - an das Kriechen in der H÷he war nicht zu denken - , so bekam er fⁿr diese Verschlimmerung seines Zustandes einen seiner Meinung nach vollstΣndig genⁿgenden Ersatz dadurch, da▀ immer gegen Abend die Wohnzimmertⁿr, die er schon ein bis zwei Stunden vorher scharf zu beobachten pflegte, ge÷ffnet wurde, so da▀ er, im Dunkel seines Zimmers liegend, vom Wohnzimmer aus unsichtbar, die ganze Familie beim beleuchteten Tische sehen und ihre Reden, gewisserma▀en mit allgemeiner Erlaubnis, also ganz anders als frⁿher, anh÷ren durfte.