home *** CD-ROM | disk | FTP | other *** search
/ Chip Hitware 7 / Chip_Hitware_Vol_07.iso / chiphit7 / freizeit / orthog / verwan2.tx_ / verwan2.tx
Text File  |  1996-10-04  |  27KB  |  46 lines

  1. Gregor trat nun gar nicht in das Zimmer, sondern lehnte sich von innen an den festgeriegelten  Tⁿrflⁿgel, so a▀ sein Leib nur zur HΣlfte und darⁿber der seitlich geneigte Kopf zu sehen war,  mit dem er zu den anderen hinⁿberlugte. Es war inzwischen viel heller geworden; klar stand auf  der anderen Stra▀enseite ein Ausschnitt des gegenⁿberliegenden, endlosen, grauschwarzen  Hauses - es war ein Krankenhaus - mit seinen hart die Front durchbrechenden regelmΣ▀igen  Fenstern; der Regen fiel noch nieder, aber nur mit gro▀en, einzeln sichtbaren und f÷rmlich auch  einzelnweise auf die Erde hinuntergeworfenen Tropfen. Das Frⁿhstⁿcksgeschirr stand in  ⁿberreicher Zahl auf dem Tisch, denn fⁿr den Vater war das Frⁿhstⁿck die wichtigste Mahlzeit  des Tages, die er bei der Lektⁿre verschiedener Zeitungen stundenlang hinzog. Gerade an der  gegenⁿberliegenden Wand hing eine Photographie Gregors aus seiner MilitΣrzeit, die ihn als  Leutnant darstellte, wie er, die Hand am Degen, sorglos lΣchelnd, Respekt fⁿr seine Haltung  und Uniform verlangte. Die Tⁿr zum Vorzimmer war ge÷ffnet, und man sah, da auch die  Wohnungstⁿr offen war, auf den Vorplatz der Wohnung hinaus und auf den Beginn der  abwΣrts fⁿhrenden Treppe. 
  2.  
  3. ╗Nun½, sagte Gregor und war sich dessen wohl bewu▀t, da▀ er der einzige war, der die Ruhe  bewahrt hatte, ╗ich werde mich gleich anziehen, die Kollektion zusammenpacken und  wegfahren. Wollt Ihr, wollt Ihr mich wegfahren lassen? Nun, Herr Prokurist, Sie sehen, ich bin  nicht starrk÷pfig und ich arbeite gern; das Reisen ist beschwerlich, aber ich k÷nnte ohne das  Reisen nicht leben. Wohin gehen Sie denn, Herr Prokurist? Ins GeschΣft? Ja? Werden Sie alles  wahrheitsgetreu berichten? Man kann im Augenblick unfΣhig sein zu arbeiten, aber dann ist  gerade der richtige Zeitpunkt, sich an die frⁿheren Leistungen zu erinnern und zu bedenken,  da▀ man spΣter, nach Beseitigung des Hindernisses, gewi▀ desto flei▀iger und gesammelter  arbeiten wird. Ich bin ja dem Herrn Chef so sehr verpflichtet, das wissen Sie doch recht gut.  Andererseits habe ich die Sorge um meine Eltern und die Schwester. Ich bin in der Klemme,  ich werde mich aber auch wieder herausarbeiten. Machen Sie es mir aber nicht schwieriger, als  es schon ist. Halten Sie im GeschΣft meine Partei! Man liebt den Reisenden nicht, ich wei▀.  Man denkt, er verdient ein Heidengeld und fⁿhrt dabei ein sch÷nes Leben. Man hat eben keine  besondere Veranlassung, dieses Vorurteil besser zu durchdenken. Sie aber, Herr Prokurist, Sie  haben einen besseren ▄berblick ⁿber die VerhΣltnisse als das sonstige Personal, ja sogar, ganz  im Vertrauen gesagt, einen besseren ▄berblick als der Herr Chef selbst, der in seiner  Eigenschaft als Unternehmer sich in seinem Urteil leicht zu Ungunsten eines Angestellten  beirren lΣ▀t. Sie wissen auch sehr wohl, da▀ der Reisende, der fast das ganze Jahr au▀erhalb  des GeschΣfts ist, so leicht ein Opfer von Klatschereien, ZufΣlligkeiten und grundlosen  Beschwerden werden kann, gegen die sich zu wehren ihm ganz unm÷glich ist, da er von ihnen  meistens gar nichts erfΣhrt und nur dann, wenn er ersch÷pft eine Reise beendet hat, zu Hause  die schlimmen, auf ihre Ursachen hin nicht mehr zu durchschauenden Folgen am eigenen Leibe  zu spⁿren bekommt. Herr Prokurist, gehen Sie nicht weg, ohne mir ein Wort gesagt zu haben,  das mir zeigt, da▀ Sie mir wenigstens zu einem kleinen Teil recht geben!½ 
  4.  
  5. Aber der Prokurist hatte sich schon bei den ersten Worten Gregors abgewendet, und nur ⁿber  die zuckende Schulter hinweg sah er mit aufgeworfenen Lippen nach Gregor zurⁿck. Und  wΣhrend Gregors Rede stand er keinen Augenblick still, sondern verzog sich, ohne Gregor aus  den Augen zu lassen, gegen die Tⁿr, aber ganz allmΣhlich, als bestehe ein geheimes Verbot, das  Zimmer zu verlassen. Schon war er im Vorzimmer, und nach der pl÷tzlichen Bewegung, mit  der er zum letztenmal den Fu▀ aus dem Wohnzimmer zog, hΣtte man glauben k÷nnen, er habe  sich soeben die Sohle verbrannt. Im Vorzimmer aber streckte er die rechte Hand weit von sich  zur Treppe hin, als warte dort auf ihn eine geradezu ⁿberirdische Erl÷sung. 
  6.  
  7. Gregor sah ein, da▀ er den Prokuristen in dieser Stimmung auf keinen Fall weggehen lassen  dⁿrfe, wenn dadurch seine Stellung im GeschΣft nicht aufs Σu▀erste gefΣhrdet werden sollte.  Die Eltern verstanden das alles nicht so gut; sie hatten sich in den langen Jahren die  ▄berzeugung gebildet, da▀ Gregor in diesem GeschΣft fⁿr sein Leben versorgt war, und hatten  au▀erdem jetzt mit den augenblicklichen Sorgen so viel zu tun, da▀ ihnen jede Voraussicht  abhanden gekommen war. Aber Gregor hatte diese Voraussicht. Der Prokurist mu▀te gehalten,  beruhigt, ⁿberzeugt und schlie▀lich gewonnen werden; die Zukunft Gregors und seiner Familie  hing doch davon ab! WΣre doch die Schwester hier gewesen! Sie war klug; sie hatte schon  geweint, als Gregor noch ruhig auf dem Rⁿcken lag. Und gewi▀ hΣtte der Prokurist, dieser  Damenfreund, sich von ihr lenken lassen; sie hΣtte die Wohnungstⁿr zugemacht und ihm im  Vorzimmer den Schrecken ausgeredet. Aber die Schwester war eben nicht da, Gregor selbst  mu▀te handeln. 
  8.  
  9. Und ohne daran zu denken, da▀ er seine gegenwΣrtigen FΣhigkeiten, sich zu bewegen, noch  gar nicht kannte, ohne auch daran zu denken, da▀ seine Rede m÷glicher- ja  wahrscheinlicherweise wieder nicht verstanden worden war, verlie▀ er den Tⁿrflⁿgel; schob  sich durch die ╓ffnung; wollte zum Prokuristen hingehen, der sich schon am GelΣnder des  Vorplatzes lΣcherlicherweise mit beiden HΣnden festhielt; fiel aber sofort, nach einem Halt  suchend, mit einem kleinen Schrei auf seine vielen Beinchen nieder. Kaum war das geschehen,  fⁿhlte er zum erstenmal an diesem Morgen ein k÷rperliches Wohlbehagen; die Beinchen hatten  festen Boden unter sich; sie gehorchten vollkommen, wie er zu seiner Freude merkte; strebten  sogar darnach, ihn fortzutragen, wohin er wollte; und schon glaubte er, die endgⁿltige  Besserung alles Leidens stehe unmittelbar bevor. Aber im gleichen Augenblick, als er da  schaukelnd vor verhaltener Bewegung, gar nicht weit von seiner Mutter entfernt, ihr gerade  gegenⁿber auf dem Boden lag, sprang diese, die doch so ganz in sich versunken schien, mit  einem Male in die H÷he, die Arme weit ausgestreckt, die Finger gespreizt, rief: ╗Hilfe, um  Gottes willen Hilfe!½, hielt den Kopf geneigt, als wolle sie Gregor besser sehen, lief aber, im  Widerspruch dazu, sinnlos zurⁿck; hatte vergessen, da▀ hinter ihr der gedeckte Tisch stand;  setzte sich, als sie bei ihm angekommen war, wie in Zerstreutheit, eilig auf ihn; und schien gar  nicht zu merken, da▀ neben ihr aus der umgeworfenen gro▀en Kanne der Kaffee in vollem  Strome auf den Teppich sich ergo▀. 
  10.  
  11. ╗Mutter, Mutter½, sagte Gregor leise, und sah zu ihr hinauf. Der Prokurist war ihm fⁿr einen  Augenblick ganz aus dem Sinn gekommen; dagegen konnte er sich nicht versagen, im Anblick  des flie▀enden Kaffees mehrmals mit den Kiefern ins Leere zu schnappen. Darⁿber schrie die  Mutter neuerdings auf, flⁿchtete vom Tisch und fiel dem ihr entgegeneilenden Vater in die  Arme. Aber Gregor hatte jetzt keine Zeit fⁿr seine Eltern; der Prokurist war schon auf der  Treppe; das Kinn auf dem GelΣnder, sah er noch zum letzten Male zurⁿck. Gregor nahm einen  Anlauf, um ihn m÷glichst sicher einzuholen; der Prokurist mu▀te etwas ahnen, denn er machte  einen Sprung ⁿber mehrere Stufen und verschwand; ╗Huh!½ aber schrie er noch, es klang  durchs ganze Treppenhaus. Leider schien nun auch diese Flucht des Prokuristen den Vater, der  bisher verhΣltnismΣ▀ig gefa▀t gewesen war, v÷llig zu verwirren, denn statt selbst dem  Prokuristen nachzulaufen oder wenigstens Gregor in der Verfolgung nicht zu hindern, packte  er mit der Rechten den Stock des Prokuristen, den dieser mit Hut und ▄berzieher auf einem  Sessel zurⁿckgelassen hatte, holte mit der Linken eine gro▀e Zeitung vom Tisch und machte  sich unter Fⁿ▀estampfen daran, Gregor durch Schwenken des Stockes und der Zeitung in sein  Zimmer zurⁿckzutreiben. Kein Bitten Gregors half, kein Bitten wurde auch verstanden, er  mochte den Kopf noch so demⁿtig drehen, der Vater stampfte nur stΣrker mit den Fⁿ▀en. 
  12.  
  13. Drⁿben hatte die Mutter trotz des kⁿhlen Wetters ein Fenster aufgerissen, und hinausgelehnt  drⁿckte sie ihr Gesicht weit au▀erhalb des Fensters in ihre HΣnde. Zwischen Gasse und  Treppenhaus entstand eine starke Zugluft, die FenstervorhΣnge flogen auf, die Zeitungen auf  dem Tische rauschten, einzelne BlΣtter wehten ⁿber den Boden hin. Unerbittlich drΣngte der  Vater und stie▀ Zischlaute aus, wie ein Wilder. Nun hatte aber Gregor noch gar keine ▄bung  im RⁿckwΣrtsgehen, es ging wirklich sehr langsam. Wenn sich Gregor nur hΣtte umdrehen  dⁿrfen, er wΣre gleich in seinem Zimmer gewesen, aber er fⁿrchtete sich, den Vater durch die  zeitraubende Umdrehung ungeduldig zu machen, und jeden Augenblick drohte ihm doch von  dem Stock in des Vaters Hand der t÷dliche Schlag auf den Rⁿcken oder auf den Kopf. Endlich  aber blieb Gregor doch nichts anderes ⁿbrig, denn er merkte mit Entsetzen, da▀ er im  RⁿckwΣrtsgehen nicht einmal die Richtung einzuhalten verstand; und so begann er, unter  unaufh÷rlichen Σngstlichen Seitenblicken nach dem Vater, sich nach M÷glichkeit rasch, in  Wirklichkeit aber doch nur sehr langsam umzudrehen. Vielleicht merkte der Vater seinen guten  Willen, denn er st÷rte ihn hierbei nicht, sondern dirigierte sogar hie und da die Drehbewegung  von der Ferne mit der Spitze seines Stockes. 
  14.  
  15. Wenn nur nicht dieses unertrΣgliche Zischen des Vaters gewesen wΣre! Gregor verlor darⁿber  ganz den Kopf. Er war schon fast ganz umgedreht, als er sich, immer auf dieses Zischen  horchend, sogar irrte und sich wieder ein Stⁿck zurⁿckdrehte. Als er aber endlich glⁿcklich mit  dem Kopf vor der Tⁿr÷ffnung war, zeigte es sich, da▀ sein K÷rper zu breit war, um ohne  weiteres durchzukommen. Dem Vater fiel es natⁿrlich in seiner gegenwΣrtigen Verfassung  auch nicht entfernt ein, etwa den anderen Tⁿrflⁿgel zu ÷ffnen, um fⁿr Gregor einen  genⁿgenden Durchgang zu schaffen. Seine fixe Idee war blo▀, da▀ Gregor so rasch als m÷glich  in sein Zimmer mⁿsse. Niemals hΣtte er auch die umstΣndlichen Vorbereitungen gestattet, die  Gregor brauchte, um sich aufzurichten und vielleicht auf diese Weise durch die Tⁿr zu  kommen. Vielmehr trieb er, als gΣbe es kein Hindernis, Gregor jetzt unter besonderem LΣrm  vorwΣrts; es klang schon hinter Gregor gar nicht mehr wie die Stimme blo▀ eines einzigen  Vaters; nun gab es wirklich keinen Spa▀ mehr, und Gregor drΣngte sich - geschehe was wolle -  in die Tⁿr. Die eine Seite seines K÷rpers hob sich, er lag schief in der Tⁿr÷ffnung, seine eine  Flanke war ganz wundgerieben, an der wei▀en Tⁿr blieben hΣ▀liche Flecken, bald steckte er  fest und hΣtte sich allein nicht mehr rⁿhren k÷nnen, die Beinchen auf der einen Seite hingen  zitternd oben in der Luft, die auf der anderen waren schmerzhaft zu Boden gedrⁿckt - da gab  ihm der Vater von hinten einen jetzt wahrhaftig erl÷senden starken Sto▀, und er flog, heftig  blutend, weit in sein Zimmer hinein. Die Tⁿr wurde noch mit dem Stock zugeschlagen, dann  war es endlich still. 
  16.  
  17. Erst in der AbenddΣmmerung erwachte Gregor aus seinem schweren ohnmachtsΣhnlichen  Schlaf. Er wΣre gewi▀ nicht viel spΣter auch ohne St÷rung erwacht, denn er fⁿhlte sich  genⁿgend ausgeruht und ausgeschlafen, doch schien es ihm, als hΣtte ihn ein flⁿchtiger Schritt  und ein vorsichtiges Schlie▀en der zum Vorzimmer fⁿhrenden Tⁿr geweckt. Der Schein der  elektrischen Stra▀enlampen lag bleich hier und da auf der Zimmerdecke und auf den h÷heren  Teilen der M÷bel, aber unten bei Gregor war es finster. Langsam schob er sich, noch  ungeschickt mit seinen Fⁿhlern tastend, die er erst jetzt schΣtzen lernte, zur Tⁿre hin, um  nachzusehen, was dort geschehen war. Seine linke Seite schien eine einzige lange, unangenehm  spannende Narbe und er mu▀te auf seinen zwei Beinreihen regelrecht hinken. Ein Beinchen  war ⁿbrigens im Laufe der vormittΣgigen VorfΣlle schwer verletzt worden - es war fast ein  Wunder, da▀ nur eines verletzt worden war - und schleppte leblos nach. 
  18.  
  19. Erst bei der Tⁿr merkte er, was ihn dorthin eigentlich gelockt hatte; es war der Geruch von  etwas E▀barem gewesen. Denn dort stand ein Napf mit sⁿ▀er Milch gefⁿllt, in der kleine  Schnitten von Wei▀brot schwammen. Fast hΣtte er vor Freude gelacht, denn er hatte noch  gr÷▀eren Hunger, als am Morgen, und gleich tauchte er seinen Kopf fast bis ⁿber die Augen in  die Milch hinein. Aber bald zog er ihn enttΣuscht wieder zurⁿck; nicht nur, da▀ ihm das Essen  wegen seiner heiklen linken Seite Schwierigkeiten machte - und er konnte nur essen, wenn der  ganze K÷rper schnaufend mitarbeitete - , so schmeckte ihm ⁿberdies die Milch, die sonst sein  LieblingsgetrΣnk war, und die ihm gewi▀ die Schwester deshalb hereingestellt hatte, gar nicht,  ja er wandte sich fast mit Widerwillen von dem Napf ab und kroch in die Zimmermitte zurⁿck. 
  20.  
  21. Im Wohnzimmer war, wie Gregor durch die Tⁿrspalte sah, das Gas angezⁿndet, aber wΣhrend  sonst zu dieser Tageszeit der Vater seine nachmittags erscheinende Zeitung der Mutter und  manchmal auch der Schwester mit erhobener Stimme vorzulegen pflegte, h÷rte man jetzt  keinen Laut. Nun vielleicht war dieses Vorlesen, von dem ihm die Schwester immer erzΣhlte  und schrieb, in der letzten Zeit ⁿberhaupt aus der ▄bung gekommen. Aber auch ringsherum  war es so still, trotzdem doch gewi▀ die Wohnung nicht leer war. ╗Was fⁿr ein stilles Leben  die Familie doch fⁿhrte½, sagte sich Gregor und fⁿhlte, wΣhrend er starr vor sich ins Dunkle  sah, einen gro▀en Stolz darⁿber, da▀ er seinen Eltern und seiner Schwester ein solches Leben  in einer so sch÷nen Wohnung hatte verschaffen k÷nnen. Wie aber, wenn jetzt alle Ruhe, aller  Wohlstand, alle Zufriedenheit ein Ende mit Schrecken nehmen sollte? Um sich nicht in solche  Gedanken zu verlieren, setzte sich Gregor lieber in Bewegung und kroch im Zimmer auf und  ab. 
  22.  
  23. Einmal wΣhrend des langen Abends wurde die eine Seitentⁿre und einmal die andere bis zu  einer kleinen Spalte ge÷ffnet und rasch wieder geschlossen; jemand hatte wohl das Bedⁿrfnis  hereinzukommen, aber auch wieder zuviele Bedenken. Gregor machte nun unmittelbar bei der  Wohnzimmertⁿr halt, entschlossen, den z÷gernden Besucher doch irgendwie hereinzubringen  oder doch wenigstens zu erfahren, wer es sei; aber nun wurde die Tⁿr nicht mehr ge÷ffnet und  Gregor wartete vergebens. Frⁿh, als die Tⁿren versperrt waren, hatten alle zu ihm  hereinkommen wollen, jetzt, da er die eine Tⁿr ge÷ffnet hatte und die anderen offenbar  wΣhrend des Tages ge÷ffnet worden waren, kam keiner mehr, und die Schlⁿssel steckten nun  auch von au▀en. 
  24.  
  25. SpΣt erst in der Nacht wurde das Licht im Wohnzimmer ausgel÷scht, und nun war leicht  festzustellen, da▀ die Eltern und die Schwester so lange wachgeblieben waren, denn wie man  genau h÷ren konnte, entfernten sich jetzt alle drei auf den Fu▀spitzen. Nun kam gewi▀ bis zum  Morgen niemand mehr zu Gregor herein; er hatte also eine lange Zeit, um ungest÷rt zu  ⁿberlegen, wie er sein Leben jetzt neu ordnen sollte. Aber das hohe freie Zimmer, in dem er  gezwungen war, flach auf dem Boden zu liegen, Σngstigte ihn, ohne da▀ er die Ursache  herausfinden konnte, denn es war ja sein seit fⁿnf Jahren von ihm bewohntes Zimmer - und mit  einer halb unbewu▀ten Wendung und nicht ohne eine leichte Scham eilte er unter das Kanapee,  wo er sich, trotzdem sein Rⁿcken ein wenig gedrⁿckt wurde und trotzdem er den Kopf nicht  mehr erheben konnte, gleich sehr behaglich fⁿhlte und nur bedauerte, da▀ sein K÷rper zu breit  war, um vollstΣndig unter dem Kanapee untergebracht zu werden. 
  26.  
  27. Dort blieb er die ganze Nacht, die er zum Teil im Halbschlaf, aus dem ihn der Hunger immer  wieder aufschreckte, verbrachte, zum Teil aber in Sorgen und undeutlichen Hoffnungen, die  aber alle zu dem Schlusse fⁿhrten, da▀ er sich vorlΣufig ruhig verhalten und durch Geduld und  gr÷▀te Rⁿcksichtnahme der Familie die Unannehmlichkeiten ertrΣglich machen mⁿsse, die er  ihr in seinem gegenwΣrtigen Zustand nun einmal zu verursachen gezwungen war. 
  28.  
  29. Schon am frⁿhen Morgen, es war fast noch Nacht, hatte Gregor Gelegenheit, die Kraft seiner  eben gefa▀ten Entschlⁿsse zu prⁿfen, denn vom Vorzimmer her ÷ffnete die Schwester, fast  v÷llig angezogen, die Tⁿr und sah mit Spannung herein. Sie fand ihn nicht gleich, aber als sie  ihn unter dem Kanapee bemerkte - Gott, er mu▀te doch irgendwo sein, er hatte doch nicht  wegfliegen k÷nnen - erschrak sie so sehr, da▀ sie, ohne sich beherrschen zu k÷nnen, die Tⁿr  von au▀en wieder zuschlug. Aber als bereue sie ihr Benehmen, ÷ffnete sie die Tⁿr sofort  wieder und trat, als sei sie bei einem Schwerkranken oder gar bei einem Fremden, auf den  Fu▀spitzen herein. Gregor hatte den Kopf bis knapp zum Rande des Kanapees vorgeschoben  und beobachtete sie. Ob sie wohl bemerken wⁿrde, da▀ er die Milch stehen gelassen hatte, und  zwar keineswegs aus Mangel an Hunger, und ob sie eine andere Speise hereinbringen wⁿrde,  die ihm besser entsprach? TΣte sie es nicht von selbst, er wollte lieber verhungern, als sie  darauf aufmerksam machen, trotzdem es ihn eigentlich ungeheuer drΣngte, unterm Kanapee  vorzuschie▀en, sich der Schwester zu Fⁿ▀en zu werfen und sie um irgendetwas Gutes zum  Essen zu bitten. Aber die Schwester bemerkte sofort mit Verwunderung den noch vollen Napf,  aus dem nur ein wenig Milch ringsherum verschⁿttet war, sie hob ihn gleich auf, zwar nicht mit  den blo▀en HΣnden, sondern mit einem Fetzen, und trug ihn hinaus. Gregor war Σu▀erst  neugierig, was sie zum Ersatz bringen wⁿrde, und er machte sich die verschiedensten  Gedanken darⁿber. Niemals aber hΣtte er erraten k÷nnen, was die Schwester in ihrer Gⁿte  wirklich tat. Sie brachte ihm, um seinen Geschmack zu prⁿfen, eine ganze Auswahl, alles auf  einer alten Zeitung ausgebreitet. Da war altes halbverfaultes Gemⁿse; Knochen vom  Nachtmahl her, die von festgewordener wei▀er Sauce umgeben waren; ein paar Rosinen und  Mandeln; ein KΣse, den Gregor vor zwei Tagen fⁿr ungenie▀bar erklΣrt hatte; ein trockenes  Brot, ein mit Butter beschmiertes und gesalzenes Brot. Au▀erdem stellte sie zu dem allen noch  den wahrscheinlich ein fⁿr allemal fⁿr Gregor bestimmten Napf, in den sie Wasser gegossen  hatte. Und aus Zartgefⁿhl, da sie wu▀te, da▀ Gregor vor ihr nicht essen wⁿrde, entfernte sich  eiligst und drehte sogar den Schlⁿssel um, damit nur Gregor merken k÷nne, da▀ er es so  behaglich machen dⁿrfe, wie er wolle. Gregors Beinchen schwirrten, als es jetzt zum Essen  ging. Seine Wunden mu▀ten ⁿbrigens auch schon vollstΣndig geheilt sein, er fⁿhlte keine  Behinderung mehr, er staunte darⁿber und dachte daran, wie er vor mehr als einem Monat sich  mit dem Messer ganz wenig in den Finger geschnitten, und wie ihm diese Wunde noch  vorgestern genug weh getan hatte. 
  30.  
  31. ╗Sollte ich jetzt weniger Feingefⁿhl haben?½, dachte er und saugte schon gierig an dem KΣse,  zu dem es ihn vor allen anderen Speisen sofort und nachdrⁿcklich gezogen hatte. Rasch  hintereinander und mit vor Befriedigung trΣnenden Augen verzehrte er den KΣse, das Gemⁿse  und die Sauce; die frischen Speisen dagegen schmeckten ihm nicht, er konnte nicht einmal  ihren Geruch vertragen und schleppte sogar die Sachen, die er essen wollte, ein Stⁿckchen  weiter weg. Er war schon lΣngst mit allem fertig und lag nun faul auf der gleichen Stelle, als die  Schwester zum Zeichen, da▀ er sich zurⁿckziehen solle, langsam den Schlⁿssel umdrehte. Das  schreckte ihn sofort auf, trotzdem er schon fast schlummerte, und er eilte wieder unter das  Kanapee. Aber es kostete ihn gro▀e Selbstⁿberwindung, auch nur die kurze Zeit, wΣhrend  welcher die Schwester im Zimmer war, unter dem Kanapee zu bleiben, denn von dem  reichlichen Essen hatte sich sein Leib ein wenig gerundet und er konnte dort in der Enge kaum  atmen. Unter kleinen ErstickungsanfΣllen sah er mit etwas hervorgequollenen Augen zu, wie  die nichtsahnende Schwester mit einem Besen nicht nur die ▄berbleibsel zusammenkehrte,  sondern selbst die von Gregor gar nicht berⁿhrten Speisen, als seien also auch diese nicht mehr  zu gebrauchen, und wie sie alles hastig in einen Kⁿbel schⁿttete, den sie mit einem Holzdeckel  schlo▀, worauf sie alles hinaustrug. Kaum hatte sie sich umgedreht, zog sich schon Gregor  unter dem Kanapee hervor und streckte und blΣhte sich. 
  32.  
  33. Auf diese Weise bekam nun Gregor tΣglich sein Essen, einmal am Morgen, wenn die Eltern  und das DienstmΣdchen noch schliefen, das zweitemal nach dem allgemeinen Mittagessen,  denn dann schliefen die Eltern gleichfalls noch ein Weilchen, und das DienstmΣdchen wurde  von der Schwester mit irgendeiner Besorgung weggeschickt. Gewi▀ wollten auch sie nicht,  da▀ Gregor verhungere, aber vielleicht hΣtten sie es nicht ertragen k÷nnen, von seinem Essen  mehr als durch H÷rensagen zu erfahren, vielleicht wollte die Schwester ihnen auch eine  m÷glicherweise nur kleine Trauer ersparen, denn tatsΣchlich litten sie ja gerade genug. 
  34.  
  35. Mit welchen Ausreden man an jenem ersten Vormittag den Arzt und den Schlosser wieder aus  der Wohnung geschafft hatte, konnte Gregor gar nicht erfahren, denn da er nicht verstanden  wurde, dachte niemand daran, auch die Schwester nicht, da▀ er die anderen verstehen k÷nne,  und so mu▀te er sich, wenn die Schwester in seinem Zimmer war, damit begnⁿgen, nur hier  und da ihre Seufzer und Anrufe der Heiligen zu h÷ren. Erst spΣter, als sie sich ein wenig an  alles gew÷hnt hatte - von vollstΣndiger Gew÷hnung konnte natⁿrlich niemals die Rede sein - ,  erhaschte Gregor manchmal eine Bemerkung, die freundlich gemeint war oder so gedeutet  werden konnte. ╗Heute hat es ihm aber geschmeckt½, sagte sie, wenn Gregor unter dem Essen  tⁿchtig aufgerΣumt hatte, wΣhrend sie im gegenteiligen Fall, der sich allmΣhlich immer hΣufiger  wiederholte, fast traurig zu sagen pflegte: ╗Nun ist wieder alles stehengeblieben.½ 
  36.  
  37. WΣhrend aber Gregor unmittelbar keine Neuigkeit erfahren konnte, erhorchte er manches aus  den Nebenzimmern, und wo er nur einmal Stimmen h÷rte, lief er gleich zu der betreffenden Tⁿr  und drⁿckte sich mit ganzem Leib an sie. Besonders in der ersten Zeit gab es kein GesprΣch,  das nicht irgendwie, wenn auch nur im geheimen, von ihm handelte. Zwei Tage lang waren bei  allen Mahlzeiten Beratungen darⁿber zu h÷ren, wie man sich jetzt verhalten solle; aber auch  zwischen den Mahlzeiten sprach man ⁿber das gleiche Thema, denn immer waren zumindest  zwei Familienmitglieder zu Hause, da wohl niemand allein zu Hause bleiben wollte und man die  Wohnung doch auf keinen Fall gΣnzlich verlassen konnte. Auch hatte das DienstmΣdchen  gleich am ersten Tag - es war nicht ganz klar, was und wieviel sie von dem Vorgefallenen  wu▀te - kniefΣllig die Mutter gebeten, sie sofort zu entlassen, und als sie sich eine  Viertelstunde danach verabschiedete, dankte sie fⁿr die Entlassung unter TrΣnen, wie fⁿr die  gr÷▀te Wohltat, die man ihr hier erwiesen hatte, und gab, ohne da▀ man es von ihr verlangte,  einen fⁿrchterlichen Schwur ab, niemandem auch nur das Geringste zu verraten. 
  38.  
  39. Nun mu▀te die Schwester im Verein mit der Mutter auch kochen; allerdings machte das nicht  viel Mⁿhe, denn man a▀ fast nichts. Immer wieder h÷rte Gregor, wie der eine den anderen  vergebens zum Essen aufforderte und keine andere Antwort bekam, als: ╗Danke, ich habe  genug½ oder etwas ─hnliches. Getrunken wurde vielleicht auch nichts. ╓fters fragte die  Schwester den Vater, ob er Bier haben wolle, und herzlich erbot sie sich, es selbst zu holen,  und als der Vater schwieg, sagte sie, um ihm jedes Bedenken zu nehmen, sie k÷nne auch die  Hausmeisterin darum schicken, aber dann sagte der Vater schlie▀lich ein gro▀es ╗Nein½, und es  wurde nicht mehr davon gesprochen. 
  40.  
  41. Schon im Laufe des ersten Tages legte der Vater die ganzen Verm÷gensverhΣltnisse und  Aussichten sowohl der Mutter, als auch der Schwester dar. Hie und da stand er vom Tische auf  und holte aus seiner kleinen Wertheimkassa, die er aus dem vor fⁿnf Jahren erfolgten  Zusammenbruch seines GeschΣftes gerettet hatte, irgendeinen Beleg oder irgendein  Vormerkbuch. Man h÷rte, wie er das komplizierte Schlo▀ aufsperrte und nach Entnahme des  Gesuchten wieder verschlo▀. Diese ErklΣrungen des Vaters waren zum Teil das erste  Erfreuliche, was Gregor seit seiner Gefangenschaft zu h÷ren bekam. Er war der Meinung  gewesen, da▀ dem Vater von jenem GeschΣft her nicht das Geringste ⁿbriggeblieben war,  zumindest hatte ihm der Vater nichts Gegenteiliges gesagt, und Gregor allerdings hatte ihn  auch nicht darum gefragt. Gregors Sorge war damals nur gewesen, alles daranzusetzen, um die  Familie das geschΣftliche Unglⁿck, das alle in eine vollstΣndige Hoffnungslosigkeit gebracht  hatte, m÷glichst rasch vergessen zu lassen. Und so hatte er damals mit ganz besonderem Feuer  zu arbeiten angefangen und war fast ⁿber Nacht aus einem kleinen Kommis ein Reisender  geworden, der natⁿrlich ganz andere M÷glichkeiten des Geldverdienens hatte, und dessen  Arbeitserfolge sich sofort in Form der Provision zu Bargeld verwandelten, das der erstaunten  und beglⁿckten Familie zu Hause auf den Tisch gelegt werden konnte. Es waren sch÷ne Zeiten  gewesen, und niemals nachher hatten sie sich, wenigstens in diesem Glanze, wiederholt,  trotzdem Gregor spΣter so viel Geld verdiente, da▀ er den Aufwand der ganzen Familie zu  tragen imstande war und auch trug. Man hatte sich eben daran gew÷hnt, sowohl die Familie,  als auch Gregor, man nahm das Geld dankbar an, er lieferte es gern ab, aber eine besondere  WΣrme wollte sich nicht mehr ergeben. Nur die Schwester war Gregor doch noch nahe  geblieben, und es war sein geheimer Plan, sie, die zum Unterschied von Gregor Musik sehr  liebte und rⁿhrend Violine zu spielen verstand, nΣchstes Jahr, ohne Rⁿcksicht auf die gro▀en  Kosten, die das verursachen mu▀te, und die man schon auf andere Weise hereinbringen wⁿrde,  auf das Konservatorium zu schicken. ╓fters wΣhrend der kurzen Aufenthalte Gregors in der  Stadt wurde in den GesprΣchen mit der Schwester das Konservatorium erwΣhnt, aber immer  nur als sch÷ner Traum, an dessen Verwirklichung nicht zu denken war, und die Eltern h÷rten  nicht einmal diese unschuldigen ErwΣhnungen gern; aber Gregor dachte sehr bestimmt daran  und beabsichtigte, es am Weihnachtsabend feierlich zu erklΣren. 
  42.  
  43. Solche in seinem gegenwΣrtigen Zustand ganz nutzlose Gedanken gingen ihm durch den Kopf,  wΣhrend er dort aufrecht an der Tⁿre klebte und horchte. Manchmal konnte er vor allgemeiner  Mⁿdigkeit gar nicht mehr zuh÷ren und lie▀ den Kopf nachlΣssig gegen die Tⁿr schlagen, hielt  ihn aber sofort wieder fest, denn selbst das kleine GerΣusch, das er damit verursacht hatte, war  nebenan geh÷rt worden und hatte alle verstummen lassen. ╗Was er nur wieder treibt½, sagte  der Vater nach einer Weile, offenbar zur Tⁿre hingewendet, und dann erst wurde das  unterbrochene GesprΣch allmΣhlich wieder aufgenommen. 
  44.  
  45.  
  46.