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- Spieltheorie
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- Dem Glück auf der Spur oder warum ein guter Schachspieler den
- Computer schlägt
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- Die Spieltheorie ist ein relativ junger Zweig der Mathematik.
- Ihre grundlegenden Ideen stammen von dem Franzosen Emile Bo-
- rel, während die ersten fundierten mathematischen Aussagen
- 1926 von John v. Neumann ausgearbeitet wurden.
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- In der Hauptsache beschäftigt sich die Spieltheorie mit Zwei-
- personen-Nullsummenspielen, das heißt zwei Personen treten in
- einem Wettbewerb gegeneinander an. Nullsummenspiel bedeutet
- nichts weiter, als daß der Gewinn des einen Spielers gleich
- dem Verlust des anderen ist. Ein solches Spiel wird vollstän-
- dig beschrieben durch eine Auszahlungstabelle, auch Spielma-
- trix genannt, in der alle Strategien der beiden Spieler A und
- B und der jeweils resultierende Gewinn/Verlust des ersten
- Spielers eingetragen werden:
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- Hat Spieler A genau m Strategien (A1,...,Am), Spieler B sei-
- nerseits n (B1,...,Bn) und ist aij der Gewinn für Spieler A,
- wenn er Ai und sein Gegner Bj gebrauchen, so ist ││aij││ die
- zu dem Spiel gehörende Matrix.
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- Beispiel:
- Der Spieler A wählt aus der Zahlengruppe -1, 0, 1 eine Zahl s,
- der Spieler B eine Zahl t aus. Nach Bekanntgabe der gewählten
- Zahlen erhält A den Betrag s(t-s)+ t(t+s) von B. Ist der
- Ausdruck negativ, so zahlt A den Betrag an B. Die Spielmatrix
- sieht wie folgt aus:
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- Repro 1 B wählt
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- │ -1 0 1
- ────┼────────────
- -1 │ 2 -1 -2
- A wählt 0 │ 1 0 1
- 1 │ -2 -1 2
- │
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- Skin-Spiel: A besitzt die Karten Karo As, Pik As und Karo
- Zwei, während B die Karten Karo As, Pik As und Pik Zwei in der
- Hand hält. Unabhängig voneinander spie~ len sie jeweils eine
- Karte aus. A gewinnt, wenn die Karten von gleicher Farbe sind,
- andernfalls gewinnt B. Der Gewinn entspricht dem Wert der
- Karte, die der Gewinner gespielt hat (As zählt 1). Aus diesen
- Regeln ergibt sich dann folgende Spielmatrix:
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- Repro 2
- │ Karo As Pik As Pik 2
- ──┼──────────────────────────────
- Karo As │ 1 -1 -2
- │
- Pik As │ -1 1 1
- │
- Karo 2 │ 2 -1 -2
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- Auf den ersten Blick scheint diese Spiel B zu übervorteilen,
- da es mehr negative als positive Matrixelemente enthält. Die
- spätere genaue Analyse wird jedoch ergeben, daß der
- durchschnittliche Gewinn gerade 0 beträgt.
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- Das Minimax-Prinzip
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- Natürlich wünscht sich Spieler A einen möglichst großen
- Gewinn, während Spieler B den kleinstmöglichen Wert anstrebt;
- man nennt A daher auch Maximum-Spieler und B wird entsprechend
- Minimum-Spieler genannt.
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- Wählt jetzt A eine Strategie Ai, so muß er damit rechnen, daß
- B mit derjenigen Strategie Bj antwortet, für die der Gewinn
- aij minimal wird. Der Wert der Strategie Ai ist also:
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- αi = min aij
- j
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- Natürlich wird A versuchen, den größten Zeilengewinn zu
- erhalten:
-
- α = max αi = max min aij
- i j
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- Der Wert α heißt kleinster Wert des Spiels oder Maximin-
- Gewinn. Die Strategie Ai, für die α=αi ist, wird optimal
- genannt. Ähnlich gilt für B:
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- ß = min ßj = min max aij.
- j j i
-
- Entsprechend wird ß größter Wert des Spiels bzw. Minimax-
- Gewinn genannt. In dem obengenannten Zahlenspiel ergibt sich:
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- Repro3
- │ B1 │ B2 │ B2 │ α
- ───┼────┼─────┼─────┼─────
- A1 │ 2 │ -1 │ -2 │ -2
- ───┼────┼─────┼─────┼─────
- A2 │ 1 │ 0 │ 1 │ 0
- ───┼────┼─────┼─────┼─────
- A3 │-2 │ -1 │ 2 │ -2
- ───┼────┼─────┼─────┼─────
- ß │ 2 │ 0 │ 2 │
-
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- Gilt α=ß, so ist der Wert des Spiels ▓=α=ß. Der Matrixeintrag
- aij, der den beiden optimalen Strategien Ai und Bj entspricht,
- heißt Sattelpunkt. Er ist zugleich Zeilenminimum als auch
- Spaltenmaximum. Spiele, bei denen ein Sattelpunkt existiert,
- bei denen also der Maximin- Gewinn gleich dem Minimax-Gewinn
- ist, haben folgende Eigenschaft:
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- Wählen beide Spieler ihre optimalen Strategien, so ist der
- Gewinn gleich dem Wert des Sattelpunktes. Weicht einer der
- beiden Spieler von seiner optimalen Strategie ab, so kann er
- dabei nur verlieren und niemals seinen Gewinn vergrößern.
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- Unser Zahlenspiel gehört in diese Kategorie:
- a22 = 0 ist der Sattelpunkt, A2 und B2 sind die optimalen
- Strategien und der Wert des Spiels ist ▓=α=ß=0. Wählt A die
- Zahl 0, so muß B ebenfalls 0 wählen, um den Wert ▓ zu er-
- reichen. Weicht er ab, so wird er garantiert ein schlechteres
- Ergebnis erzielen. Das aber bedeutet ebenso, daß A auch nach
- Bekanntgabe der von B gewählten Zahl seine Wahl nicht bereuen
- wird; verlieren kann er mit 0 nie. Ebenso wird natürlich auch
- B argumentieren und stets seiner optimalen Strategie folgen.
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- Damit ist klar, daß ein Zweipersonen-Nullsummenspiel mit
- Sattelpunkt seinen Reiz verliert, sobald es einmal vollständig
- analysiert worden ist.
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- Interessanterweise besitzt auch das Schachspiel einen solchen
- Sattelpunkt; vom theoretischen Standpunkt aus wäre es daher
- als trivial zu bezeichnen. Mithin dürfte es jedoch kaum
- gelingen, eine vollständige Matrix zu erstellen und daraus die
- (vollständige) Lösung des Schachspiels abzulesen.
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- Gemischte Strategien
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- Weitaus interessanter sind Matrix-Spiele ohne Sattelpunkt, wie
- zum Beispiel das bekannte Knobelspiel: Unabhängig voneinander
- wählen beide Spieler ein Symbol aus der Menge "Stein",
- "Schere" und "Papier". Die folgende Matrix entspricht den
- gängigen Regeln (1 entspricht Gewinn A, -1 entspricht Verlust
- A, 0 entspricht Unentschieden):
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- Repro 4
- │ Stein │ Schere │ Papier
- ─────────┼───────┼────────┼────────
- Stein │ 0 │ 1 │ -1
- Schere │ -1 │ 0 │ 1
- Papier │ 1 │ -1 │ 0
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- Es ergibt sich: α=-1╪ß=1. Offensichtlich läßt sich bei diesem
- Spiel keine optimale Strategie angeben. Um dennoch sowohl den
- Wert des Spiels als auch doch ein Verhaltensempfehlung
- ermitteln zu können, wird der Begriff der gemischten Strategie
- eingeführt:
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- Eine gemischte Strategie ist ein m-Tupel (p1,...,pm), wobei
- der Wert pi die Häufigkeit angibt, mit der die Strategie Ai
- angewendet wird:
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- Repro 5
- m
- A* = (p1,...,pm), wobei Σ pi =1.
- i=1
-
- Wählt nun B beispielsweise stets die Strategie Bj, so ist der
- mittlere Erwartungswert für A:
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- Repro 6
- m
- = Σ pi aij
- i=1
-
- Arbeitet B ebenfalls mit einer gemischten Strategie,
- B*=(q1,...,qn), so gilt:
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- repro 7
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- n m m n
- = Σ qj Σ pi aij = Σ Σ pi qj aij.
- j=1 i=1 i=1 j=1
-
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- Offensichtlich gilt für das Knobelspiel: A* =(1/3,1/3,1/3) und
- B* =(1/3,1/3,1/3) und damit ist ░=0, das heißt für beide Spie-
- ler ist es am günstigsten, jedes der drei Symbole mit der
- gleichen Wahrscheinlichkeit zu wählen. Der mittlere
- Erwartungswert beträgt dann 0.
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- Wie können nun solche optimalen gemischten Strategien
- allgemein ermittelt werden?
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- Graphische Lösung
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- Es sei zunächst die Matrix dahingehend beschränkt, daß einer
- der beiden Spieler, zum Beispiel A, nur zwei Strategien zur
- Auswahl hat.
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- Wählt man in einem Koordinatensystem als Abszisse die
- (gemischte) Strategie von A und als Ordinate die jeweilige
- Auszahlung, so kann jede Spalte der Spielmatrix durch eine
- Strecke repräsentiert werden, die den Gewinn abhängig von dem
- Mischungsverhältnis (p1 /p2) wiedergibt.
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- Spieler B wird, da er der Minimum-Spieler ist, einen möglichst
- niedrigen Punkt in dem Diagramm anstreben. Da A maximiert, ist
- diejenige gemischte Strategie die Lösung, für die der
- niedrigste Strategiepunkt von B am höchsten liegt.
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- Beispiel:
- Für ein nicht näher differenziertes Spiel mit der
- Matrix
-
- 2 -1 -1
- 0 2 1
-
- stellt das Pascal-Programm Spieltheorie-Grafik (Listing 1) das
- Diagramm in Abbildung 1 auf.
-
- Das "maximierte Minimum" liegt hier bei p1 =0.25. Damit ist
- die optimale Strategie für A: A* =(0.25,0.75). Der Wert des
- Spiels ist auf der Ordinate abzulesen: ▒= 0.5.
-
- Leider lassen sich mit diesem Verfahren nur Spiele lösen, die
- eine 2xn-Matrix besitzen. Für eine 3xn-Matrix kann noch ein
- dreidimensionales Diagramm erstellt werden, wobei jedoch das
- Eintragen und Ablesen schon sehr unübersichtlich wird. Daher
- wird jetzt eine Methode vorgestellt, mit der beliebige nxn-
- Matrizen mit Hilfe der linearen Optimierung gelöst werden
- können. Damit läßt sich zum Beispiel zeigen, daß das oben
- genannte Skin-Spiel tatsächlich fair ist.
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- Lineare Optimierung
-
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- Die lineare Optimierung befaßt sich allgemein mit der
- Maximierung (bzw. Minimierung) einer von mehreren Variablen
- abhängigen Gleichung, wobei die Variablen durch ein System von
- Ungleichungen eingeschränkt werden. Diese Aufgaben spielen
- besonders im kaufmännischen Bereich eine entscheidende Rolle.
- Bereits das folgende, aus nur zwei Variablen bestehende
- Problem macht deutlich, wie aufwendig der Lösungsweg gestaltet
- ist. Daher ist die lineare Optimierung in der Praxis erst im
- Computerzeitalter anwendbar geworden.
-
- Ein Beispiel:
- Ein landwirtschaftlicher Betrieb möchte Kühe- und Schafhaltung
- einführen. Für diesen Betrieb gelten folgende Bedingungen:
-
- Der Platz für die Tiere ist beschränkt; es stehen Ställe für
- maximal 50 Kühe sowie für 200 Schafe zur Verfügung. Von den
- vorhandenen 72 Morgen Weideland fallen auf eine Kuh genau 1
- Morgen, während pro Schaf 0.2 Morgen benötigt werden. Es
- können in einem Jahr höchstens 10000 Arbeitsstunden geleistet
- werden; auf eine Kuh fallen jährlich 150, auf ein Schaf 25
- Stunden. Der jährliche Gewinn beträgt für eine Kuh 250 DM, für
- ein Schaf dagegen 45 DM. Die Aufgabe lautet, den jährlichen
- Gewinn zu maximieren.
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- Die zu lösende Gleichung ist:
-
- Q(x1,x2) = 250x1 + 45x2.
-
- Das System der zu berücksichtigenden Ungleichungen
- stellt sich wie folgt dar:
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- Repro 8
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- x1 ≤ 50
-
- x2 ≤ 200
-
- x1 + 0.2 x2 ≤ 72
-
- 150 x1 + 25 x2 ≤ 10000
-
- x1 ≥ 0, x2 ≥ 0.
-
-
-
- Die Simplex-Methode
-
-
- Alle Aufgaben dieser Art werden mit Hilfe der sog. Simplex-
- Methode gelöst:
- Gegeben sei eine Zielfunktion Q mit n Variablen x1,...,xn und
- ein Ungleichungssystem mit m Ungleichungen.
-
- Die Simplex-Methode ermittelt das Minimum der jeweiligen
- Zielfunktion. Um auch eine Maximierungsforderung lösen zu
- können, muß die Gleichung mit (-1) multipliziert werden:
-
- Q(x1,x2) = -250x1 -45x2 = Min! .
-
- Gearbeitet wird im Simplex-Verfahren mit folgendem
- Schema:
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- repro 9
- │... i ... │
- ────┼──────────────┼─────┬───────
- ... │... ... ... │ ... │ ...
- │ │ │
- k │... aki ... │ bk │ bk/aki
- │ │ │
- ... │... ... ... │ ... │ ...
- ────┼──────────────┼─────┼───────
- │... zi ... │ Q │
-
-
- Zu Beginn wird das Ungleichungssystem in Form der Matrix ║a║
- und dem Vektor │b│ in das Schema eingetragen. Die letzte Zeile
- erhält die -zi, das heißt die negativen(!) Komponenten der xi
- (i=1,...,n). Die Zielfunktion Q hat zunächst den Wert 0. Die
- Spalten und Zeilen werden der Reihe nach durchnumeriert
- (1,...,i,...,n, n+1,...,k,...,n+m).
-
- Für unser Problem ergibt sich damit die folgende
- Anfangsbelegung:
-
- repro 10
- │ 1 2 │
- ─────┼──────────────┼───────┬──
- 3 │ 1 0 │ 50 │
- 4 │ 0 1 │ 200 │
- 5 │ 1 0.2 │ 72 │
- 6 │ 150 25 │ 10000 │
- ─────┼──────────────┼───────┼──
- │ 250 45 │ 0 │
-
-
- Für jeden weiteren Schritt ist nun ein neues Schema
- anzulegen.
-
- Jeder Schritt besteht aus der Auswahl eines Pivotelements aus
- der Matrix ║a║ und dem darauffolgenden Spalten- und
- Zeilentausch der durch das Pivotelement festgelegten
- Spalte/Zeile:
-
- I. Auswahl des Pivotelements:
- 1.) Zunächst wird ein zi >0 gesucht. Ist
- keins mehr vorhanden, so ist der Algorithmus be-
- endet und die Lösung aus dem Schema ablesbar.
- Andern falls ist durch den Index i die Pivotspal-
- te bestimmt.
-
- 2.) In die zu Beginn freigehaltene Spalte wird
- für alle bk der Quotient bk/aki
- (i entspricht der Pivotspalte) eingetragen, wenn
- das Element aki >0 ist. Wird kein solches
- Element gefunden, so ist der Algorithmus an die-
- ser Stelle zu unterbrechen.
-
- 3.) Unter diesen Quotienten bestimmt der kleinste
- die Pivotzeile k.
-
- II. Tausch.
- 1.) An die Stelle des Pivotelements aki
- tritt 1/aki.
-
- 2.) Alle Zahlen der Pivotzeile (auch das
- bk) werden ersetzt durch ihr 1/aki
- -faches, alle Zahlen der Pivotspalte (auch das
- zi) durch ihr -1/aki -faches.
-
- 3.) Alle übrigen Zahlen (auch das Q) werden nach
- folgender Regel (dersog. Rechteckregel) ersetzt:
-
- repro 11
-
- P.-spalte
-
- P.-zeile aki ... x
-
- ... ...
-
- y ... z
-
- z wird ersetzt durch: z-(xy)/aki
-
- (so gilt z.B. für Q: Q -> Q - (bk zi )/aki)
-
- 4.)Die Indizes i und k sind zu vertauschen.
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- Bei allen Ersetzungen ist übrigens zu beachten, daß nie die
- neuen, bereits ermittelten Zahlen verwendet werden; es sind
- stets die Zahlen aus dem alten Schema zu verwenden!
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- Mit dem Pascal-Programm "Simplex" (Listing 2) kann jeder
- Lösungsschritt genau verfolgt werden. Das Verfahren endet,
- wenn in I.1) kein zi >0 oder in I.2) kein aki >0 mehr gefunden
- werden kann. In unserem Beispiel ergibt sich als letztes
- Schema:
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- repro 12
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- │ 5 6 │
- ────┼───────────────┼────────┬──
- 1 │ -5 0.04 │ 40 │
- 4 │ -30 0.2 │ 40 │
- 3 │ 5 -0.04 │ 10 │
- 2 │ 30 -0.2 │ 160 │
- ────┼───────────────┼────────┼──
- │-100 -1 │ -17200 │
-
- Die Lösungen stehen am Ende der Zeilen, die die anfänglichen
- Indizes der Spalten beinhalten, das heißt:
-
- x1 = 40, x2 =160
-
- Die Zielfunktion Q hat den Wert: Q(x1,x2)=-17200. Der Betrieb
- sollte sich also 40 Kühe und 160 Schafe anschaffen, um in
- einem Jahr den Maximalgewinn von 17200 DM zu erzielen.
-
- Besteht in der Aufgabenstellung das Ungleichungssystem aus den
- Zeichen "≥", so ist das Schema zu Beginn zu stürzen:
-
- Die Ungleichungen werden in die Spalten der Matrix
- eingetragen, der Vektor b und die Komponenten der Zielfunktion
- tauschen ebenso ihre Plätze wie die Indizes (erst werden die
- Zeilen, dann die Spalten numeriert). Die Lösungen sind in
- diesem Fall natürlich am Ende der jeweiligen Spalte ablesbar.
- Die Forderung für die Zielfunktion besteht hierbei in der
- Maximierung; gegebenenfalls ist diese wieder mit (-1) zu
- multiplizieren.
-
-
- Umformung von Matrix-Spielen
- in Aufgaben der linearen Optimierung
-
-
- Ziel dieser Einführung in die lineare Optimierung war ja, eine
- Möglichkeit zu finden, für beliebige nxn-Matrizen eine
- gemischte Strategie als Lösung anzugeben. Diese Matrix-Spiele
- lassen sich nämlich ohne Schwierigkeiten in Probleme der line-
- aren Optimierung umsetzen. Dazu ist es zunächst notwendig, den
- sogenannten Hauptsatz der Spieltheorie, der 1926 von J. v.
- Neumann bewiesen wurde, anzugeben:
-
- Es seien eine Auszahlungsmatrix (aij) und die gemisch ten
- Strategien A* =(p1 ,...,pm) und B* =(q1,...,qn) gegeben. Der
- für A zu erwartende Durchschnittsgewinn beträgt dann minde-
- stens:
-
-
- m
- min Σ pi aij.
- j i=1
-
- Da A der Maximum-Spieler ist, wird er seine Strategie A* so
- wählen, daß dieser Wert möglichst groß wird:
-
-
- m
- 1 = max min Σ pi aij .
- A* j i=1
-
- Entsprechend gilt für B:
-
- repro 15
- n
- 2 = max min Σ qj aij .
- B* i j=1
-
- Der Hauptsatz der Spieltheorie sagt nun aus, daß der
- Wert des Spiels
-
- ▒=▒1 =▒2
-
- ist.
-
- Der Beweis des Hauptsatzes ist äußerst komplex und daher an
- dieser Stelle nicht wiederzugeben; interessierte Leser können
- ihn in (1) nachlesen.
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- Betrachten wir nun noch einmal das Skin-Spiel mit der
- Auszahlungsmatrix:
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- repro 16
-
- │ B1 B2 B3
- ────┼──────────────────
- A1 │ 1 -1 -2
- │
- A2 │ -1 1 1
- │
- A3 │ 2 -1 -2
-
-
- Oben wurde bereits gesagt, daß A mit einer Strategie
- A* =(p1,p2,p3) den Gewinn
-
- repro 17
- 3
- min Σ pi aij
- j i=1
-
- erwarten darf. Daraus folgt, daß für alle j gilt:
-
- a1j p1 + a2j p2 + a3j p3 ≥ ▒.
-
- Wird jetzt x1 = pi /▒ gesetzt, so ergibt sich:
-
- a1j x1 + a2j x2 + a3j x3 ≥ 1.
-
- Außerordentlich wichtig ist natürlich, daß der Wert
- ▒ nicht 0 wird! Daher müssen zunächst alle Wert der
- Spielmatrix durch Addition einer Konstanten positiv
- werden. Nach Lösung der Optimierungs-Aufgabe muß
- diese Konstante selbstverständlich von dem ermit-
- telten Wert ▒ wieder subtrahiert werden. Damit
- steht bereits das Ungleichungssystem fest. Der
- Wert, den A maximieren will, ist natürlich ▒, das
- heißt:
-
- x1 + x2 + x3 = 1/▒ (p1 + p2 + p3) = 1/▒ = Min!.
-
- Für das Skin-Spiel gilt also (die Konstante ist 3):
-
- repro 18
- 4x1 +2x2 +5x3 ≥ 1
-
- 2x1 +4x2 +2x3 ≥ 1
-
- x1 +4x2 + x3 ≥ 1
-
- x1 +x2 + x3 =Min!
-
- Entsprechendes gilt für die gemischte Strategie von
- B. Beide Aufgaben können in ein und demselben Sche-
- ma mit dem Simplex-Verfahren gelöst werden:
-
- repro 19
- │ y1 y2 y3 │
- ────┼────────────────┼───┬──
- x1 │ 4 2 1 │ 1 │
- │ │ │
- x2 │ 2 4 4 │ 1 │
- │ │ │
- x3 │ 5 2 1 │ 1 │
- ─────┼────────────────┼───┼──
- │ 1 1 1 │ 0 │
-
- Als Lösung ermittelt unser Programm folgendes Schema:
-
- Repro 20
- │ x3 x2 y2 │
- ───┼───────────────────────┼───────┬───
- x1 │ -0.78 -0.06 0.22 │ 0.17 │
- │ │ │
- y3 │ -0.11 0.28 0.89 │ 0.17 │
- │ │ │
- y1 │ 0.22 -0.06 0.22 │ 0.17 │
- ───┼───────────────────────┼───────┼───
- │ -0.11 -0.22 -0.11 │ -0.33 │
-
-
- Der Wert der Zielfunktion ist -1/3 und damit ist ▒=3. Tritt im
- Lösungsschema eine Variable xi bzw. yj nicht wie erwartet in
- einer Zeile/Spalte auf, so bedeutet dies, daß die jeweilige
- Strategie nutzlos ist, das heißt das pi bzw. qj ist 0. Die
- gemischten Strategien lauten also:
-
- A* = ▒(x1,x2,x3) = (0,2/3,1/3)
-
- sowie
-
- B* = ▒(y1,y2,y3) =(0.5,0,0.5).
-
- Als Wert des Skin-Spiels ergibt sich ▒-3 = 0, das heißt, das
- Spiel ist tatsächlich fair!
-
- Das Fallenlassen des Strategiepaares (A1,B2) bedeutet, daß die
- verkleinerte 2x2-Matrix gebildet aus den restlichen Strategien
- dieselbe Lösung liefert, wie auch das Programm aus der 1.
- Folge bestätigt, das die graphische Lösung liefert.
-
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- Weitreichende Anwendungen
-
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- Möglicherweise haben Sie den Eindruck, daß es sich bei der
- Spieltheorie um eine bloße mathematische Spielerei handelt.
- Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall: Insbesondere auf dem
- militärischen Gebiet spielt sie eine erhebliche Rolle, wenn
- verschiedene Angriffs- und Verteidigungsstrategien
- gegeneinander abgewägt werden müssen. Dementsprechend fallen
- auch die bekanntesten und weitreichendsten neuen Entwicklungen
- auf diesem Gebiet in die Zeit des zweiten Weltkriegs, nachdem
- die Spieltheorie nach ihrer ersten Erwähnung 1926 kaum
- beachtet wurde.
-
- Ein kleines, aber durchaus nicht triviales Beispiel soll
- (trotz seiner Einfachheit) einmal andeuten, wie die
- Spieltheorie in der Praxis angewendet werden kann:
-
- Neben dem Spiel zweier menschlicher Gegner spielt der
- Wettstreit Mensch gegen Natur die zweite große Rolle in der
- Anwendung der Spieltheorie. Ist das "Verhalten" der Natur
- unbekannt, so muß mit der für den menschlichen Spieler
- unangenehmsten "Strategiewahl" der Natur gerechnet werden:
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- "Ein Arzt hat eine Krankheit zu behandeln, die durch zwei
- verschiedene, von ihm nicht unterscheidbare Erreger verursacht
- wird. Er hat ebenso keinen Anhaltspunkt darüber, wie häufig
- der eine bzw. der andere Erreger die Ursache ist.
-
- Zur Behandlung stehen ihm zwei verschieden Medikamente zur
- Verfügung, wobei die Herstellerfirma ermittelt hat, daß das
- erste Medikament einen durchschnittlichen Heilungserfolg von
- 60% verspricht, falls der erste Erreger die Krankheit
- verursacht hat, ansonsten beträgt die Erfolgsquote 40%. Für
- das zweite Medikament lauten diese Werte 30% bzw. 90%. Mit
- welchen Häufigkeiten sollte der Arzt nun das erste bzw. das
- zweite Medikament anwenden, um einen maximalen Heilungserfolg
- zu gewährleisten?" Zur Lösung dieses Problems wird die
- folgende x 2 2-Spielmatrix aufgestellt und analysiert:
-
- repro 21
-
- │ E1 E2
- ───┼────────────
- M1 │ 60% 40%
- │
- M2 │ 30% 90%
-
-
- Die mit den bereits vorgestellten Methoden ermittelte Lösung
- lautet: Wenn der Arzt in 75% aller Fälle das erste Medikament
- anwendet, so beträgt sein durchschnittlicher Heilungserfolg
- mindestens 52,5%. Die "optimale Strategie" der Natur, die für
- den Arzt unangenehmste Verteilung der Erreger, lautet:
- (0.625,0.375).
-
- Diese Einführung behandelte vorwiegend die mathematische Seite
- der Spieltheorie als notwendige Grundlage. Es gibt jedoch
- erstaunlich viele praktische Anwendungen; wer sich für ein
- bestimmtes Gebiet interessiert, der sei auf die folgende Li-
- teraturauswahl verwiesen. In einem Teil davon werden Probleme
- aus einem begrenzten Fachbereich mit Hilfe der Spieltheorie
- formalisiert.
-
-
- Literatur:
-
- 1 Stefan Vajda: "Einführung in die Linearplanung und
- die Theorie der Spiele", R.Oldenbourg 1967
-
- 2 Callatz, Wetterling: "Optimierungsaufgaben",
- Springer Verlag 1966
-
- 3 Dr. Ernst Herrmann:
- "Spieltheorie und lineares Programmieren", Au-
- lis Verlag Deubner & Co KG Köln 1964
-
- 4 Douglas R. Hofstadter: "Metamagicum", Klett-Cotta
- 1988
-
- 5 Spektrum der Wissenschaft, A.K.Dewdney: "Compu-
- ter-Kurzweil", 1/1988, S. 8ff.
-
- 6 Max Woitschach: "Strategie des Spiels", Deutsche
- Verlags-Anstalt Stuttgart 1968
-
- 7 Rainer Künsken: "Eine Untersuchung über Macht-
- beziehungen mit Hilfe der Spieltheorie", Disser-
- tation an der TU Berlin 1976