von
Gregor Franz
Lange, sehr lange war sie erwartet worden: Die Einführung der PowerUP-Beschleunigerkarten von phase5. Doch schon kurz nachdem die ersten HighEnd-Karten ausgeliefert wurden, rumorte es gehörig im Amigamarkt.
Die ersten nachfolgenden Abschnitte liefern einen Abriß der Ereignisse und eine Zusammenfassung der jeweiligen Presseerklärungen.
Was war passiert?
Haage&Partner, seit einiger Zeit zu einer der führenden Firmen für Softwareentwicklung und -Vertrieb aufgestiegen, wandten sich mit einer bedeutungsvollen Presseerklärung an die "Amiga-Gemeinde".
Ein neues Software-Paket für die PowerUp-Karten sollte mit ungewöhnlichen Geschwindigkeitszuwächsen die originale PowerUp-Systemsoftware von phase 5 überflügeln. Außerdem wäre WarpUp, so die Bezeichnung, hardwareunabhängig und zukunftskompatibel, mit StormC die Compilierung kein Problem.
Der Clou: Das Paket sei kostenlos auf H&P`s Web-Site downloadbar.
Tatsächlich alles besser, ohne den berühmten Haken?
phase 5 reagiert
Nicht lange auf sich warten, ließ ein erstes Posting von phase 5, das dann auch als erste offizielle Stellungnahme verbreitet wurde.
Hier wurde massiv und in klaren Worten von WarpUp abgeraten und auf die Inkompatibilität zur mitgelieferten Systemsoftware bzw. die nicht gegebene Zukunftsfähigkeit bei fortentwickelter Hardware hingewiesen.
phase 5 würde keine inkompatible Lösung tolerieren, die, ohne das die originalen Softwarebestandteile noch funktionieren würden, die mitgelieferte Systemsoftware ersetzen soll.
Nach einer langen Zeit der Zusammenarbeit und Unterstützung wäre phase 5 von der Handlungsweise H&P`s enttäuscht und würden jeglichen weiteren Entwicklersupport einstellen.
Zwischenspiel: Worum geht es eigentlich?
Es geht, vereinfacht ausgedrückt, um das Betriebssystem auf Seiten des PPC`s. Die Software, die PPC`s unterstützt und teilweise auf der Amigaseite abläuft, ist natürlich abhängig von der Art der Lösung auf der PPC-Seite. Das Zusammenspiel muß vorher detailliert festgelegt werden.
Bei phase 5 handelt es sich im Wesentlichen um die ppc.library, die von der WarpUp-Software ersetzt wird, allerdings so, daß Programme, die die Originallösung voraussetzen, selbst mitgelieferte Bestandteile, nun nicht mehr laufen. Es existiert zwar auch eine kompatible Lösung von H&P, die installiert werden kann, aber mit dieser würde man kaum einen Unterschied zum Original erhalten und hätte somit keinen Vorteil.
Lohnt es sich trotzdem? Ist es so, wie H&P es darstellt, daß ihre Lösung die bessere und schnellere ist? Hätte gleich von Anfang an WarpUp die Systemsoftware stellen sollen und phase 5 würde nur auf einer eigenen, aber schlechteren Alternative beharren?
Im recht ausführlichen Antwort-Statement äußert H&P sich dazu und die wahrscheinlich aus der Überraschung heraus geborene p5-Mitteilung bot ihnen gute Angriffspunkte.
Haage & Partner`s Stellungnahme
H&P unterstellt phase 5 eine emotionale Überreaktion.
Neben diversen technischen Erläuterungen, die die eigene Technologie des Amiga-ähnlichen Hunkformats dem von phase 5 favorisierten ELF-Format als überlegen darstellen, lautet eines ihrer Argumente, daß phase 5 in Wirklichkeit zukunftskompatibel zu einem später von ihnen eingeführten eigenen Nachfolgebetriebssystem des AmigaOS sein wolle.
phase 5 würde auch die Softwareseite monopolistisch überwachen wollen, um Konkurrenten auch hier zu verdrängen.
In Zukunft mögicherweise erscheinende PPC-Lösungen anderer Hersteller würden wahrscheinlich nicht kompatibel zu Software sein, die jetzt für die PPC-Lösung von phase 5 geschrieben werden.
Insgesamt erhält man nach den Ausführungen den Eindruck, daß die ppc.library (p5) zumindest lange Zeit fehlerhaft war und eine umständliche Lösung darstellt. H&P wäre immer zur Zusammenarbeit bereit gewesen, nur phase 5 hätte dies in Wirklichkeit nicht genügend gewollt und die Entwicklung einer anderen Lösung behindert bzw. absichtlich Inkompatibilität herbeigeführt.
Das als die wesentlichen Punkte der Ausführungen.
Mit diesen an sich schlüssig wirkenden Erläuterungen, deren technische Aspekte allerdings von den meisten Anwendern und auch vielen Programmierern nicht wirklich beurteilt werden konnten, hatte Haage&Partner einige Sympathiepunkte für sich verbuchen können, was auch viele Reaktionen in diversen Netzen ausdrückten.
phase 5 geht ins Detail
Bei der Antwort ließ sich phase 5 diesmal mehr Zeit. Zwar erschien nicht allzulange später ein kurzes Statement, das die Kernpunkte des Firmenstandpunkts noch einmal auflistete. Untermauern wolle man dies aber später ausführlicher auf der Website.
Hier waren dann eine ganze Menge Artikel zu finden, die auf spezielle Aspekte detailliert aus der Sicht von phase 5 eingehen.
Zuallererst wird betont, informieren und deeskalieren zu wollen.
H&P könnten mit ihrer Softwareentwicklung machen was sie wollen. Solange sie keine zu PowerUp kompatible Lösung erstellten, würde phase 5 dies nicht beeinflußen, im positiven, wie im negativen Sinne.
phase 5 widerspricht H&P`s Darstellung, nachdem sie quasi heimlich die Entwicklung eines Nachfolge-AmigaOS betrieben und PowerUp dafür kompatibel gehalten werden sollte.
Offene Standards, die teilweise auch außerhalb des Amiga-Bereichs ihre Berechtigung haben, könnten nur gut für die zukünftige Amiga-Softwareentwicklung sein.
phase 5 weist den Vorwurf der absichtlichen Inkompatibilität zurück und gibt diesen schwarzen Peter an Haage&Partner zurück. Haage&Partner hätte zwar auch eine kompatible Lösung, bewerbe aber die inkompatible, die den Leistungszuwachs bringen soll.
Genau dann wäre aber keinerlei PowerUp-Systemsoftware lauffähig, einschließlich CyberGL (PPC-nativ) oder der diversen MPEG-Tools.
phase 5 hätte Haage&Partner lange mit kostenlosen Developerboards, sowie vollem Entwicklersupport unterstützt, um alternative, aber systemkonforme Lösungen nicht zu blockieren. Das die Unterstützung eingestellt wurde, ist für sie ein logischer Schritt, da die Zusammenarbeit, die auf einem Vertrauensverhältnis basiert hatte, sich plötzlich zu einem Konkurrenzverhältnis wandelte.
H&P, das war in ihrem Statement auch tatsächlich zu lesen, favorisiere grundsätzlich Einprozessorsysteme. Die p5-Lösung wäre im Gegensatz dazu für Multiprozessorsysteme konzeptioniert.
phase 5 wirft Haage&Partner außerdem vor, selbst WarpUp als Standard etablieren zu wollen, um die zukünftige OS-Entwicklung zu bestimmen, sowie ihren Entwicklerwerkzeugen Dominanz zu verschaffen.
Neben vielen weiteren Informationen, die z.T. technische Details betreffen, waren das die wesentlichsten Punkte.
Wie soll man das Ganze bewerten?
Sicher ist eines klar: Beide Firmen haben wirtschaftliche Interessen und daher nichts zu verschenken, nur um den Amiga-Markt aufzupeppeln.
Das ist legitim.
Nach der Darstellung von phase 5 erhält man den Eindruck und das wurde dort auch ausführlich geschildert, daß H&P phase 5 im Grunde hintergangen hat, in dem sie die WarpUp-Entwicklung bis kurz vor der Veröffentlichung anders (als kompatible Lösung) dargestellt haben und das Paket dann plötzlich, trotz gegenteiliger Zusicherungen, ohne weitere Diskussion verbreitet und massiv beworben haben.
Wie dem auch sei. Es steht aber fest, daß der Anwender freie Wahl hat.
Der Entwickler, der für WarpUp entwickeln möchte, hat keine. Er muß StormC benutzen, um eine WarpUp-Software kompilieren zu können (auch wenn H&P beteuert, sie würden andere Compiler-Ersteller unterstützen, wenn sie das Einbauen wollten). An sich ist das aber durchaus eine plausible Erklärung für H&P`s wirtschaftliche Interessen.
phase 5 ist sicher daran interessiert, daß sich ihre PowerUp-Karten gut verkaufen und als Anreiz dafür gilt auch eine quantitativ und qualitativ gute Softwareunterstützung.
Deshalb, und das dürfte jedem klar sein, ist EIN EINZIGER Standard notwendig, der alle Anstrengungen auf sich vereint. Der Markt, sowie die Softwareentwickler dürfen nicht gesplittet werden, sondern brauchen Sicherheit.
Haage&Partner, und das ist ebensowenig zu bestreiten, hat sehr plötzlich große Unsicherheit in diesen Markt gebracht.
Welches Interesse sollte phase 5 haben, die Softwareseite zu bestimmen?
Der Grund ist, daß der Standard und damit der einige Absatzmarkt nicht gefährdet werden soll. Aber sicher nicht, daß es emsigen Softwarefirmen verwehrt werden soll, Entwicklerwerkzeuge oder ähnliches für PowerUp zu programmieren.
Als Produzent der mit Sicherheit äußerst komplexen PowerUp-Boards, deren Entwicklung Jahre und viel Geld gekostet hat, finde ich, hat phase 5 durchaus das Recht, erst einmal einen verbindlichen, auch zu ihren zukünftigen Entwicklungen kompatiblen Standard zu definieren, nach dessen Richtlinien Software für ihre Hardware programmiert werden soll.
Wenn im Moment noch nicht erhältliche Turbokarten und Zusatzmodule, wie von phase 5 angedeutet, dann nicht wie vorgesehen mit der WarpUp-Software funktionieren, obwohl es diese tatsächlich inzwischen geschafft hätte einen Teil des Softwaremarktes für sich zu gewinnen (ein geteilter Markt wäre aus einleuchtenden Gründen für User und Applikationsentwickler gleichermaßen in jedem Falle von Nachteil), dann würde die gesamte bisherige Produktlinie in Mißkredit geraten - ein Kollaps des verbliebenen Amiga-Marktes, der die PowerUp-Karten zum großen Teil doch als letzte Hoffnung für sich anerkennt, wäre dann nicht auszuschliessen.
Haage&Partner setzt dem entgegen, daß die PowerUp-Karten nicht die einzige PPC-Implementation für den Amiga bleiben würde und somit nicht phase 5 den Standard bestimmen und kontrollieren sollte.
Bis jetzt gibt es aber noch keinerlei konkrete Ankündigungen für weitere echte PPC-Karten von anderen Firmen.
Werden in absehbarer Zukunft andere Firmen den Entwicklungsvorsprung von phase 5 aufholen können, dem nachweislich erfolgreichsten Turbokartenhersteller, mit in vielen Jahren in diesem Bereich erworbenem großen Know-How? Das soll kein &In-den-Himmel-heben& sein, aber diese Frage stellt sich berechtigt.
Das ist eine ziemlich ungewisse Aussicht und daher reine Spekulation.
Egal wie die Entwicklung weiterläuft. Fest steht, daß zwei zueinander inkompatible Lösungen, genau eine zu viel ist.
Machen Sie sich bitte selbst ein Bild von den Statements auf den jeweiligen Firmen-Homepages:
![]() |
Inhaltsverzeichnis | ![]() |
©`97Der AmZeiger |