Bridging the GAP - Page 6

FRAGEN ZU GAP

Ist das Great Ape Project nicht auch speziesistisch*?

Es ist der Einwand erhoben worden, daß das Great Ape Project immer noch anthropozentrisch und somit in seiner Haltung nach wie vor 'speziesistisch' sei, da es sich ausschließlich auf unsere nächsten Verwandten, die anderen Großen Menschenaffen, bezieht. Die moralischen und praktischen Gründe für diese Beschränkung sind folgende:

GAP versucht bestimmte grundlegende moralische Prinzipien bzw. Rechte für die nichtmenschlichen Großen Menschenaffen durchzusetzen. Diese Rechte würden das Leben und die Freiheit schützen sowie ein Leben ohne Folter garantieren. Die Idee, daß diese Prinzipien oder Rechte nur exklusiv auf Mitglieder der Spezies Homo Sapiens anzuwenden seien, bildet das, was wir auch die 'Spezies-Barriere' nennen.

Diese Vorstellung war von Anfang an künstlich und eine moralische Bankrotterklärung. Es ist offensichtlich, daß kein einzelnes Charakteristikum, vor allem nicht die bloße Zugehörigkeit zu einer biologischen Kategorie, die Basis für alle moralischen Erwägungen und Berücksichtigungen darstellen kann, da verschiedene Wesen eine Vielzahl moralisch relevanter Merkmale besitzen. Um ethische Urteile zu fällen, müssen wir alle Individuen als Individuen betrachten. Wir müssen berücksichtigen, wie sie sind, worin ihre Bedürfnisse und Interessen liegen, und müssen diese respektieren.

Die Spezies-Barriere

Die Spezies-Barriere ist sowohl im religiösen wie im weltlichen Denken schon immer ein machtvolles Element gewesen, und sie ist dafür verantwortlich, daß Menschen anderen Tieren unsägliches Leiden zufügen.

Das Great Ape Project versucht nicht einfach die Spezies-Barriere an eine andere Stelle zu schieben, sondern sie ganz niederzureißen. Dadurch könnten moralische Entscheidungen auf einer soliden Grundlage getroffen werden und nicht auf der Basis irrelevanter Gründe wie bloße Spezieszugehörigkeit.

Das Great Ape Project argumentiert nicht deshalb für die Einbeziehung der anderen Großen Menschenaffen in die "Gemeinschaft der Gleichen", weil sie so menschenähnlich sind, sondern weil sie eine Vielfalt von Eigenschaften besitzen, die moralisch relevant sind und daher moralische Rücksicht verlangen. Diese Eigenschaften, wie z.B. ein komplexes emotionales Leben, starke soziale und familiäre Bindungen oder Selbstbewußtsein, haben nicht deshalb ein starkes moralisches Gewicht, weil auch die meisten Menschen sie besitzen, sondern weil sie an sich moralisch relevant sind., d.h., weil aus ihnen individuelle Bedürfnisse und Interessen resultieren.

Diese individuellen Bedürfnisse und Interessen werden gegenwärtig ignoriert und arroganterweise von den meisten menschlischen Rechts- und Moralsystemen sogar geleugnet. In der Tat werden nichtmenschliche Große Menschenaffen gewöhnlich als bloße Instrumente, als Werkzeuge und als Eigentum des Menschen benutzt. GAP hat sich zur Aufgabe gesetzt, diese 'moralische Blindheit' zu beheben. Dies erfordert sowohl die Anerkennung der Interessen jener Großen Menschenaffen, die zur Zeit gezwungen werden, in menschlicher Gefangenschaft zu leben, als auch derer, die noch das Glück haben, relativ frei von menschlicher Vorherrschaft in ihrer angestammten Heimat zu leben und deren größtes Bedürfnis wohl darin besteht, einfach in Ruhe gelassen zu werden, um auf ihre eigene Weise leben zu können.

Warum nur die Großen Menschenaffen?

Weil wir irgendwo anfangen müssen. Wir verfügen heute über wissenschaftliche Erkenntnisse, die unbestreitbar zeigen, daß es sich bei den nichtmenschlichen Großen Menschenaffen um komplexe Individuen mit ebenso komplexen Interessen handelt. Daher ist der tiefverwurzelte Glaube an die menschliche Exklusivität im Falle der anderen Großen Menschenaffen insbesondere aus wissenschaftlichen Gründen angreifbar. Einige dieser Gründe sind in dem Buch, „The Great Ape Project", durch welches das gleichnamige Projekt ins Leben gerufen wurde, von führenden Wissenschaftlern, Philosophen und anderen Autoren und Autorinnen eindrücklich dargelegt.

Das Great Ape Project konzentriert sich nicht etwa auf die Großen Menschenaffen, weil sie die einzigen nichtmenschlichen Tiere wären, die moralisch zu berücksichtigen sind, sondern weil sie aufgrund ihrer komplexen Individualität in Verbindung mit ihrer dramatischen Lebenssituation zu den Fällen gehören, an denen sich am offensichtlichsten zeigen läßt, wie angreifbar die Behauptung ist, die Zugehörigkeit zur Spezies 'Mensch' sei die einzige Grundlage für die Zuschreibung eines moralischen Status. In der Deklaration über die Großen Menschenaffen: heißt es: „Zweifellos sind einige von uns persönlich der Überzeugung, daß die Gemeinschaft der Gleichen noch auf viele andere Tiere ausgedehnt werden sollte...". Doch das Great Ape Project versteht sich selbst als Verbindung zwischen Theorie und Praxis und kann daher die spezifischen Strukturen und Mechanismen der realen Welt nicht ignorieren, wenn es einen praktischen moralischen Fortschritt erreichen will.

'Alles für einige': ein erster Versuch

Das Wesen des Projekts ist es, bei der Frage, wieviel wir fordern, keinerlei Kompromisse zu machen - wir fordern die drei fundamentalsten Rechte, die allen Menschen zugestanden werden. Aber gerade aus diesem Grund sind wir gezwungen, uns bei der Frage , für wen wir so viel fordern, zu beschränken. Dies hat dazu geführt, daß wir nicht 'ein bißchen für alle', sondern 'alles für einige' verlangen. Dieses Ziel ist eher revolutionärer als reformistischer Natur und wird einen Präzedenzfall für viele andere nichtmenschliche Tiere schaffen. Auch wenn nicht jedes Tier sofort in die Gemeinschaft der Gleichen aufgenommen wird, so wird doch das Aufbrechen der starren Trennung zwischen 'Uns' und 'Ihnen' auf lange Sicht allen zugute kommen. Dies liegt vor allem daran, daß das Great Ape Project die Grundannahmen in Frage stellt, die ein vorurteilsbeladener und voreingenommener menschlicher Geist als gegeben voraussetzt. In diesem Sinne sind die nichtmenschlichen Großen Menschenaffen auch Vorreiter für andere unterdrückte Wesen.

§§§

* In Anlehnung an „Rassismus" und „Sexismus" bezeichnet der „Speziesismus" die Diskriminierung von Individuen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer anderen Spezies (als der menschlichen ).

Ihre Fragen?

Falls Sie Fragen oder Kommentare zum Great Ape Project haben, schicken Sie uns diese bitte zu. Sofern sie von allgemeinem Interesse sind, werden wir sie eventuell in einem der folgenden Newsletter veröffentlichen.

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