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Art. 53 a)
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3.1 Erfindungen, deren Veröffentlichung oder Verwertung gegen die
öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, sind
eigens von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Damit wird bezweckt, Erfindungen
vom Schutz auszuschließen, die wahrscheinlich einen Anreiz zum Aufruhr
oder zur Störung der öffentlichen Ordnung bieten würden oder
die zu einem verbrecherischen oder generell offensiven Verhalten führen
könnten (siehe auch II, 7.1); ein offensichtliches Beispiel für einen
Gegenstand, der gemäß dieser Bestimmung ausgeschlossen werden sollte,
ist eine Briefbombe. Diese Bestimmung dürfte wohl nur in sehr seltenen
und extremen Fällen herangezogen werden. Als Maßstab sollte bei der
Prüfung zugrunde gelegt werden, ob es wahrscheinlich ist, daß die
Öffentlichkeit im allgemeinen die Erfindung als so verabscheuenswürdig
betrachten würde, daß die Erteilung von Patentrechten unbegreiflich
wäre. Ist dies eindeutig der Fall, so sollte ein Einwand gemäß
Art. 53 a) erhoben werden, andernfalls jedoch nicht.
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Art. 53 a)
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3.2 Die Verwertung ist nicht schon deshalb als Verstoß gegen die
öffentliche Ordnung oder die guten Sitten anzusehen, weil sie durch Gesetz
oder Verwaltungsvorschriften in einigen oder allenVertragsstaaten untersagt
ist. Ein Grund hierfür ist, daß ein Erzeugnis immer noch aufgrund
eines europäischen Patents für den Export nach Staaten hergestellt
werden könnte, in denen seine Verwendung nicht untersagt ist.
3.3 In einigen Fällen dürfte die Ablehnung der Patenterteilung
nicht notwendig sein. Dieser Fall könnte eintreten, wenn die Erfindung
sowohl einem offensiven als auch einem inoffensiven Zweck dient, z. B. bei einem
Verfahren zum Aufbrechen eines verschlossenen Geldschranks, dessen Benutzung
durch einen Einbrecher offensiv, durch einen Schlosser in einem Notfall aber
inoffensiv ist. In einem solchen Fall ergibt sich kein Einwand gemäß
Art. 53 a); enthält die Anmeldung aber eine spezielle Verweisung auf
eine Verwendung, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten
verstößt, so ist gemäß Regel 34(1) a) eine Streichung
dieser Verweisung zu verlangen.
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Art. 53 b)
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3.4 Von der Patentierbarkeit sind auch «Pflanzensorten oder Tierarten
sowie im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder
Tieren» ausgeschlossen; ein Grund für diesen Ausschluß besteht
darin, daß zumindest für Pflanzensorten in den meisten Ländern
andere Mittel zur Erlangung eines Rechtsschutzes bestehen. Ob ein Verfahren
«im wesentlichen biologisch» ist, hängt davon ab, in welchem
Umfang von menschlicher Seite technisch in das Verfahren eingegriffen wird;
spielt ein solcher Eingriff eine maßgebliche Rolle bei der Bestimmung
oder Beeinflussung des angestrebten Ergebnisses, so wäre das Verfahren
nicht auszuschließen. Nachfolgend werden einige Beispiele aufgeführt:
Ein Verfahren zur Kreuzung, zur Rassenmischung oder ein Selektivzuchtverfahren,
beispielsweise für Pferde, bei dem lediglich die Tiere zur Zucht und zur
Zusammenführung ausgewählt werden, die bestimmte Merkmale aufweisen,
würde im wesentlichen biologisch und somit nicht patentierbar sein. Dagegen
würde ein Verfahren für die Behandlung von Pflanzen oder Tieren zur
Verbesserung ihrer Eigenschaften oder ihres Ertrags oder zur Förderung
oder Unterdrückung ihres Wachstums, unabhängig davon, ob es sich um
ein mechanisches, physikalisches oder chemisches Verfahren handelt, beispielsweise
ein Verfahren zur Beschneidung von Bäumen, nicht im wesentlichen biologisch
sein, denn obgleich ein biologisches Verfahren mit enthalten ist, ist das Wesentliche
der Erfindung technischer Natur; das gleiche würde für ein Verfahren
zur Behandlung von Pflanzen gelten, das dadurch gekennzeichnet ist, daß
ein wachstumsfördernder Stoff oder eine wachstumsfördernde Bestrahlung
benutzt wird. Auch die Behandlung des Bodens mit technischen Mitteln zur Unterdrückung
oder Förderung des Wachstums von Pflanzen ist von der Patentierbarkeit
nicht ausgeschlossen (siehe auch IV, 4.3).
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Art. 53 b)
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3.5 Der im vorstehenden Absatz angegebene Ausschluß gilt,
wie in Art. 53 b) ausdrücklich erwähnt, nicht für
«mikrobiologische Verfahren oder deren Erzeugnisse». Der Begriff «mikrobiologisches
Verfahren» ist dahingehend auszulegen, daß er nicht nur gewerbliche
Verfahren umfaßt, bei denen Mikroorganismen zur Anwendung gelangen, sondern
auch Verfahren zur Herstellung neuer Mikroorganismen, z. B. durch genetic engineering.
Darüber hinaus kann das Erzeugnis eines mikrobiologischen Verfahrens als
solches patentierbar sein (Patentanspruch für ein Erzeugnis). Art. 53
b) ist so auszulegen, daß die Vermehrung des Mikroorganismus selbst ein
mikrobiologisches Verfahren darstellt und daher der Mikroorganismus als ein
Erzeugnis dieses Verfahrens als solcher dem Patentschutz zugänglich ist
(siehe auch IV, 2.1 unter «Entdeckungen»). Unter
den Begriff «Mikroorganismus» fallen nicht nur Bakterien und Hefen,
sondern auch Pilze, Algen, Protozoen sowie menschliche, tierische und pflanzliche
Zellen, also alle für das bloße Auge nicht sichtbaren, im allgemeinen
einzelligen Organismen, die im Labor vermehrt und manipuliert werden können,
einschließlich Plasmiden und Viren (siehe T 356/93, ABl. 8/1995,
545).
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Regel 28(3)
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3.6 Bei mikrobiologischen Verfahren ist besondere Aufmerksamkeit auf
das Erfordernis der Wiederholbarkeit zu richten, auf das in II, 4.11 hingewiesen
wird. Bei biologischem Material, das
nach Regel 28 hinterlegt wird,
wird durch die Möglichkeit der Entnahme einer Probe (Regel 28(3))
die Wiederholbarkeit gesichert. Es ist daher in diesem Fall nicht erforderlich,
darüber hinaus ein weiteres Verfahren zur Herstellung des biologischen
Materials anzugeben.
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