- Sinn des Patentwesens
- Rechtliche Situtation der Softwarepatentierung in Europa
- Patentjustiz in Widersprüche verstrickt
- Konflikte mit anderen Rechtsgütern
- Was kann die Bundesregierung tun?
Mit der Erteilung eines Patents gewährt der Staat einem Erfinder ein zeitlich befristetes Monopol auf die gewerbliche Anwendung einer technischen Erfindung.
Ein Patent ist ein Tauschgeschäft zwischen einem Erfinder und der Öffentlichkeit. Der Erfinder erhält ein befristetes Verwertungsmonopol und stellt im Gegenzug der Öffentlichkeit (vertreten durch das Patentamt) alle damit zusammenhängenden Informationen zur Verfügung, die sonst vielleicht dem Betriebsgeheimnis anheimgefallen wären. Das beschleunigt die Verbreitung von Wissen und technischem Fortschritt.
Patente bieten eine Möglichkeit der indirekten Forschungsförderung. Sie erlauben es, ohne staatliche Planung Gelder in Forschungsprojekte zu lenken, und sie bieten einen starken Anreiz für die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse. Hierin liegt ihre wirtschaftspolitische Bedeutung.
Patente gehören zu den gewerblichen Schutzrechten, d.h. der Gruppe von Rechten, die man durch ein Registrierungs- und Prüfungsverfahren erwirbt. Hieran wird nochmals deutlich, dass es sich nicht um ein bedingungslos zu gewährendes Naturrecht sondern um ein Tauschgeschäft zwischen dem Erfinder und der Öffentlichkeit handelt.
Es ist Aufgabe der staatlichen Wirtschafts- und Technologiepolitik, darüber zu wachen, dass das Tauschgeschäft zu für die Öffentlichkeit vorteilhaften Bedingungen stattfindet.
Über die Gewährung von Patentenrechten entscheidet das Deutsche Patentamt, das aber durch das Europäische Patetübereinkommen (EPÜ) verpflichtet ist, Vorentscheidungen des Europäischen Patentamtes (EPA) umzusetzen. Auch das Patentrecht der EPÜ-Vertragsstaaten ist weitgehend vom EPÜ vorgegeben und ist dadurch eng an Entscheidungen der Europäischen Patentorganisationen (EPO) gebunden, die wiederum in vielfacher Weise mit der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament zusammenarbeiten, obwohl sie nicht ein Organ der EU sondern der EPÜ-Vertragsstaaten sind, zu denen auch Nicht-EU-Mitglieder wie die Schweiz zählen.
Änderungen des EPÜ bedürfen der Zustimmung aller Vertragsstaaten, und theoretisch sind es auch die Vertragsstaaten, die darüber wachen, ob die Patentämter, allen voran das EPA, vertrags- und gesetzestreu im Interesse der Öffentlichkeit agieren. Diese Überwachungsfunktion ist meist in den Justiz- und Wirtschaftsministerien der Vertragsstaaten beheimatet, wird dort aber nur sehr lasch gehandhabt.
In den letzten Jahren ist es den Patentorganisationen gelungen, das EPÜ in einer Weise auszulegen, die es den Patentämtern erlaubt, viel mehr Patente zu erteilen, als ein aufmerksamer Leser des EPÜ (und des PatG sowie der Prüfungsrichtlinien u.v.m.) vermuten würde.
In EPÜ §52 wird festgeschrieben, für welche Leistungen Patentschutz gewährt wird ist und für welche nicht. Die dort festgeschriebene "Ausnahmenliste" findet sich wortgetreu im Deutschen Patentgesetz PatG §1 ebenso wie in anderen nationalen Patentgesetzen wieder.
Auf der europäischen Patentierungs-Ausnahmenliste in Art 52(2) findet sich Punkt 3 "Programme für Datenverarbeitungsanlagen". In einer Zusatzbestimmung (3) wird ausgeführt, dass die Ausnahmen nur für den jeweils ausgenommenen Gegenstand "als solchen" gelten.
Dennoch gewähren die europäischen Patentämter Patente auf reine Computerprogramme - nicht etwa nur auf computerprogramm-gestützte Physikalien. Die Patentanwälte Dr. Alexander Esslinger und Jürgen Betten irren gewiss nicht, wenn sie in der Zeitschrift "Computerrecht" vom Januar 2000 S.22 diesen Umstand politisch erklären:
Der Ausschluss von "Computerprogrammen als solchen" vom Patentschutz in Art. 52 EPÜ (§1 PatG) wird seit langem als rechtspolitische Fehlentscheidung angesehen, zumal der Ausschluss von breiten Verkehrskreisen - bis heute - missverstanden und meist als Ausschluss von Computerprogrammen allgemein verstanden wird.
... den Round Table der UNION[1] am 9./10.12.1997, als im Europäischen Patentamt 100 Fachleute aus zwanzig europäischen Ländern über die Zukunft des Patentschutzes von Software in Europa diskutierten und zu einem ähnlichen Eindruck kamen wie die AIPPI. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass das Konzept des EPA zum "technichen Charakter" weder von den Patentanmeldern noch von den nationalen Patentämtern richtig verstanden würde. Viele Teilnehmer machten klar, dass eigentlich alle Computerprogramme dem Wesen nach "technischen Charakter" aufweisen würden. Seit dieser Zeit wird praktisch "auf allen Kanälen" daran gearbeitet, einen Weg zu finden, wie der irreführende Ausschluss von "Computerprogrammen als solchen" aus dem europäischen Patentgesetz entfernt werden kann, wobei konsequenterweise auch die anderen Ausnahmeregeleungen in Art. 52 Abs. 2 EPÜ (§1 PatG) zur Disposition stehen.
...
Nachdem nun auch die Regierungskonferenz der Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation im Juni 1999 in Paris dem EPA das Mandat erteilt hat, vor dem 1.1.2001 eine revidierte Fassung von Art. 52 Abs. 2 EPÜ bezüglich des Ausschlusses von Computerprogrammen vorzulegen, so dass die geänderte Fassung vor dem 1.7.2000 in Kraft tritt, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Computerprogramme (und auch die anderen Ausschlussregelungen) aus Art. 52 EPÜ gestrichen sind.
Daneben bemüht sich die Rechtsprechung - wie ausgeführt -, die derzeitige Gesetzesregelung so eng auszulegen, dass praktisch alle Computerprogramme - bei entsprechender Anspruchsformulierung - technischen Charakter besitzen und patentfähig sind, wenn sie neu und erfinderisch sind.
Da die Prüfung einer Patentanmeldung mindestens zwei bis drei Jahre dauert, zwingt diese Entwicklung bereits heute alle Berater dazu, ihre Mandanten darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich alle Computerprogramme patentfähig sind und der Patentschutz - nicht nur für Computerprogramme sondern alle Innovationen im Internet genutzt werden kann.
Folgende Tabelle soll aufzeigen, in welche Argumentationsnöte sich das EPA im Verlaufe der oben zitierten "Arbeiten auf allen Kanälen" hineinmanövriert hat.
EPA-Behauptung | Widerlegung |
Das EPÜ enthalte viele Widersprüche.
der Gesetzgeber habe nicht definiert, was unter "Computerprogramm als solches" zu verstehen sei. | Mit dem Wörtchen "als solches" wird das Computerprogramm von einer auf Computerprogrammen beruhenden physikalischen Struktur (z.B. elektronische Schreibmaschine) abgegrenzt. D.h. der Patentinhaber kann einem Wettbewerber die gewerbliche Produktion einer Patent-Schreibmaschine untersagen, nicht aber die Weitergabe eines Computerprogramms, welches den PC zur Patent-Schreibmaschine macht. So wurde es bis Anfang der 90er Jahre (siehe BGH-Urteil Chinesische Schriftzeichen) gehandhabt. Die Absicht des Gesetzgebers ist auch nach Meinung von Patentjuristen[2] klar verständlich. Das EPA und der BGH wollten jedoch aus wirtschaftspoligischen Erwägungen heraus die Regeln ändern. Ihrer Meinung nach ist die "Softwareindustrie" inzwischen so bedeutend geworden, dass ihr die Segnungen des Patentwesens nicht länger versagt bleiben dürfen. |
Die Patentierbarkeits-Ausnahmenliste leite sich aus einem einzigen übergeordneten Grundgedanken her, wonach eine Erfindung "technisch" zu sein habe. | Dieser Behauptung fehlt zunächst jede Begründung. Der Gesetzgeber hat durch nichts zu erkennen gegeben, dass der Ausnahmenliste der Gedanke der Technizität zugrunde liegt. Es handelt sich hier um eine vom EPA gewählte rechtsprechungs-interne Hilfstheorie. Diese Theorie ist nicht sehr gut, denn bei der "Technizität" handelt es sich um einen beliebig dehnbaren Rechtsbegriff. Dehnbare Begriffe können jedoch durchaus zur Interpretation von Gesetzen taugen, solange das Ergebnis mit den Intentionen des Gesetzgebers übereinstimmt, d.h. solange die Ausnahmenliste sich tatsächlich aus der gewählten Hilfstheorie herleiten lässt. Heute ist aber das Gegenteil der Fall. Die Definition der "Technizität" wird zudem von Jahr zu Jahr in Richtung "Nützlichkeit" aufgeweicht. Zunächst wurde die "Kerntheorie" fallen gelassen, wonach der erfinderische Kern "technisch" sein musste, d.h. auf dem Gebiet der Anwendung von Naturkräften und nicht auf dem Gebiet der der Programmlogik liegen musste. 1999 beschloss der BGH in radikaler Abkehr von bisherigen Prinzipen: "Der technische Charakter einer Lehre wird nicht dadurch fraglich, daß sie von einem üblichen Rechner nur den bestimmungsgemäßen Gebrauch macht". |
Unter "Programm als solches" sei nur ein "Programm, soweit es nicht technisch ist", zu verstehen. | Dies ist eine aus der Luft gegriffene Fehlinterpretation des Gesetzestextes. Mit "Programm als solches" ist die "von einer patentierbaren physikalischen Gesamtstruktur losgelöste Programmlogik" gemeint. M.a.W.: eine Industriemaschinerie ist auch dann patentierbar, wenn darin Computerprogramme zum Einsatz kommen. Mit einem solchen Patent auf einen programmbasierten Industrieprozess kann man aber niemanden daran hindern, das Programm selber weiterzugeben und weiterzuentwickeln. Man kann lediglich die Vermarktung der gesamten (Hard- und Software enthaltenden) Computersystems beschränken. Das ist eine klare und höchst sinnvolle Trennung, die auch so vom Gesetzgeber intendiert war (s. LAMY Droit de l'Informatique et des Réseaux (http://www.lamy.fr/store/product.asp?id=48&nav=affaires) p.177 ff). |
Unter "gewerbliche Anwendung" (industrial application / application industrielle) falle "alles, was man kommerziell nutzen kann". | Traditionell hängt die Bedeutung von Gewerblichkeit/Industrialität jedoch eng mit der Bedeutung von "Technizität" zusammen: es geht dabei um die Produktion von Gütern "unter Anwendung von Naturgesetzen und ohne zwischengeschaltete menschliche Tätigkeit" (BGH-Definition). D.h. eine Arztpraxis ist kein "Gewerbe" im Sinne des Patentrechts (ebenso wie des Steuerrechts), weil die dortigen Heilverfahren eine menschliche Tätigkeit beinhalten. Gewerblich / industriell ist jedoch die Herstellung von Arzneimitteln und sonstigen Physikalien. Auch virtuelle Physikalien (proprietäre Software) werden in gewerblicher Manier vermarktet. Vollwertige Logikalien hingegen verbreitet sich hingegen ohne jeden gewerblichen Apparat. D.h. Gewerblichkeit entspringt bei Logikalien nicht technologischen Erfordernissen. Auch Liebe nennt man "das älteste Gewerbe der Welt", aber ob man jegliche menschlichen Liebe per Gesetz den Regeln der Gewerblichkeit unterwerfen will, ist eine politische Entscheidung. |
Das Softwarepatentierungsverbot des EPÜ widerspreche dem TRIPS-Vertrag. | TRIPS ist ein Vertrag zwischen Staaten, der nationale Patentsysteme im Hinblick auf den Freihandel "harmonisieren", d.h. auf einen relativ abstrakten gemeinsamen Nenner bringen soll. TRIPS §27 verlangt, dass auf allen Gebieten der Technik Patente erhältlich sein sollen, sofern die jeweilige Erfindung neu, erfinderisch und industriell anwendbar ist. TRIPS legt aber nicht fest, wie Technizität und Industrialität / Gewerblichkeit zu definieren sind. Es wird noch nicht einmal ausgeschlossen, dass über Technizität und Industrialität hinaus weitere Ausschlusskriterien (z.B. "nur Erfindungen aber nicht Entdeckungen") aufgestellt werden. Es wird lediglich gefordert, dass der jeweilige Unterzeichnerstaat seine Kriterien klar definieren und konsequent (d.h. ohne freihandelsfeindliche Ad-Hoc-Ausnahmen für bestimmte Branchen) anwenden soll. Die Computerprogramm-Ausnahme des EPÜ ist ebenso branchenneutral wie die Ausnehmung von Entdeckungen, Spielen und mathematischen Theorien. Es werden hier nicht bestimmte Branchen sondern bestimmte Typen und Ausformungen geistiger Leistungen ausgeklammert. TRIPS ordnet übrigens in §10 Computerprogramme ausdrücklich dem Urheberrecht zu. |
Eigentlich ist es sehr leicht, die europäische Patentierbarkeits-Ausnahmenliste sinnvoll und widerspruchsfrei im Sinne der einschlägigen Gesetze zu interpretieren:
Patentierbar sind nicht informationelle Gegenstände (Idee, Information, Logikalie, Gleichung, Algorithmus, Software), sondern deren gewerbliche Umsetzung in die automatisierte Produktion materieller Güter.
Demnach könnte man aufgrund von Patentansprüchen den gewerblich organisierten Verkauf von kompletten Rechensystemen aus Hardware und Software (z.B. MP3-Abspielgeräten oder Rechnern mit vorinstallierter Software) untersagen, nicht jedoch die Weitergabe und Anwendung der Software auf beliebigen anderen Rechnern. Dies entspricht nicht nur dem Buchstaben und Geist des EPÜ sondern auch dem Buchstaben und Geist des TRIPS-Vertrages.
Das EPA hat sich hingegen nach und nach in eine verworrene, selbst für Patentfachleute unverständliche Rechtslage verstrickt. Dies konnte deshalb unkritisiert durchgehen, weil unter den diskutierenden Patentjuristen ein bestimmter wirtschaftspolitischer Konsens herrschte. Dieser Konsens stützt sich jedoch weder auf den Willen des Gesetzgebers noch auf eine sorgfältige wirtschaftspolitische Argumentation.
- EU-Interoperabilitätsrichtlinie vs Eigentum an Schnittstellen
- Wettbewerbsverzerrung zugunsten schwerfälliger Vermarktungsverfahren
- Besonderer Konzentrationseffekt bei komplexen Systemen
- Förderung der Geheimniskrämerei vs Sicherheit und Verbraucherschutz (siehe Römischer Vertrag §95)
- Medienkartelle vs Kulturelle Vielfalt (siehe Römischer Vertrag §151)
- Kartellförderung vs Beschleunigung des Techniktransfers (siehe Römischer Vertrag §157)
- Koalitionsvereinbarungen zwischen SPD und Grünen von 1998-10-20
Softwarepatente bedrohen das Prinzip der Interoperabilität, ein Grundprinzip des Wettbewerbsrechtes, das in der EU Software-Direktive von 1991 eine besondere, weltweit viel beachtete und viel nachgeahmte Ausformung fand.
Dort ist ausdrücklich zu lesen, dass die Nachprogrammierung von Schnittstellen deshalb nicht untersagt werden könne, weil nur die konkrete Ausformung eines Computerprogramms, nicht aber die zugrundeliegenden Ideen als Eigentum beansprucht werden können. Sinn der Patentierung ist es aber gerade, zugrundeliegende Ideen in Besitz zu nehmen, um so Interoperabilitätsbeschränkungen, die in der Ökonomie der virtuellen Physikalien (proprietären Software) den wichtigsten Tauschgegenstand darstellen (s.o.), zu ermöglichen.
Um hier jeglichem Missverständnis zuvorzukommen formuliert ein aktueller französischer Gesetzesentwurf ein "Recht auf Kompatiblität".
Jede natürliche oder juristische Person hat das Recht, eine eigene Logikalie (Software) zu veröffentlichen und zu verwenden, die mit den Kommunikationsnormen einer anderen Logikalie kompatibel ist.
Auf diese Weise wird klargestellt, dass ein Prinzip des Wettbewerbsrechtes (freier Zugang zum Markt / zur informationellen Infrastruktur) den Vorrang vor bestehenden und geplanten Eigentumsrechten erhält.
Dieses Problem könnte auch mit dem klassischen Mittel einer Zwangslizenz gelöst werden, wie sie u.a. bei Arzneimitteln im Namen hoher öffentlicher Güter (Seuchenbekämpfung) bisweilen verhängt wird. Von solchen Zwangslizenzen wären dann allerdings alle interessanten Softwarepatente mehr oder weniger betroffen, denn im Bereich der Informationssysteme stellt sich die Frage der Interoperabilität / Kompatibilität bei jeder erfolgreichen Technik früher oder später. Was als kommerziell programmiertes Kathedralensystem begann, differenziert sich früher oder später in Module mit vielen Schnittstellen (s.o.). Spätestens ab diesem Zeitpunkt müsste eine Zwangslizenz verhängt werden.
Sobald ein Patent auf "ein Computerprogramm, dadurch gekennzeichnet, dass ..." erteilt wird, riskiert man nunmehr durch bloße Weitergabe eines Programms (und nicht etwa nur durch die Ausführung eines Rechenverfahrens) das Patent zu verletzen. Das verursacht ernsthafte Probleme für neuere Distributionsmodelle wie etwa Shareware, Freeware und Freie Software.
Shareware ist in Europa sehr stark entwickelt und hat große kommerzielle Erfolge ermöglicht wie z.B. die deutsche Firma GoLive, die später in Adobe aufging. Dieses Vertriebsmodell ist dadurch gekennzeichnet, dass
- das Recht, ein Programm zu kopieren und
- das Recht, dieses Programm einzusetzen
voneinander getrennt sind.
Daher wird ein Shareware-Programm viel häufiger kopiert als tatsächlich verwendet.
Jede unbenutzte Kopie eines solchen Programms könnte Patentansprüchen unterliegen (in den USA wurde hochgerechnet, dass ein Programm durchschnittlich 8 Patente verletzt). Bei herkömmlicher kommerzieller Software hingegen würden nur tatsächlich benutzte (weil gekaufte) Kopien unter den Patentanspruch fallen. D.h. die "entgangenen Gewinne", auf die ein Patentinhaber einen Softwareautor verklagen könnte, wären bei frei kopierbaren Programmen wesentlich höher als bei kopierbeschränkter Software, und der Patentinhaber hätte grundsätzlich ein Interesse daran, seine "Erfindung" an Firmen zu lizenzieren, die mit restriktiven Distributionsverfahren arbeiten. Eine Distribution unter einer --- aus technischer Sicht oft unbedingt wünschenswerten --- freien Lizenz wie der GPL käme niemals in Frage, da wenigstens die Patentierungskosten eingefahren werden müssen. Es handelt sich insofern bei Softwarepatenten um einen wettbewerbsverzerrenden staatlichen Eingrif zugunsten veralteter, technisch unzweckmäßiger Vermarktungsverfahren.
Es sind bereits Lösungen (http://www.freepatents.org/adapt/useright/useright.pdf) vorgeschlagen worden, durch die man im allerseitigen Interesse diesen Widerspruch auflösen könnte. Grundlage dieser Lösungen ist eine saubere Trennung zwischen Urheber- und Patentrecht: das Urheberrecht gibt demnach dem Autor die Kontrolle über die Weiterverbreitung seines Werkes, während das Patentrecht dem Erfinder die Kontrolle nicht über die Verbreitung von Information (denn nichts anderes ist Software) sondern über die gewerbliche Verwertung derselben gibt.
Die meisten Programme bestehen aus Tausenden von möglicherweise patentierten oder patentierbaren Bausteinen. Die Patentinhaber eines Bausteins können ihre Rechte nur verwerten, indem sie sich in einen schwerfälligen monopolistischen Apparat einfügen.
Diese Geflechte wirken sich in der Autoindustrie nicht besonders nachteilhaft aus, weil dort ohnehin hohe Materialinvestitionen anfallen. Im Bereich der Informationstechnik genügen oft geringe Investitionen, so dass sich oft kleine Hütten-Unternehmen in Kürze zu wichtigen Mitspielern mausern können.
Vor Angriffen durch Softwarepatente schützt man sich am besten, indem man die Baupläne (Quelltexte) seines Programmes versteckt hält. Um Lizenzen zu erhalten, muss man wiederum die Kontrolle über die Weiterverbreitung seines Programmes maximieren (s.o.). Beides schließt die Freigabe nach OpenSource-Lizenz aus. Sicherheitssensible Programme würden auf das bekannte Niveau kommerzieller Software (siehe I-Love-You-Virus, NSA-Hintertüren u.v.m.) herabgedrückt. Softwarepatentierung forciert somit einen Rückschritt in Sachen Sicherheit und Verbraucherschutz. Darüber hinaus dürften die wettbewerbsbehindernden Wirkungen der Softwarepatentierung (s.o.) auf eine geringere Wahlfreiheit des Verbrauchers hinwirken. Gleichzeitig ist mit einer durch Patentverwaltungs- und Prozesskosten bedingten Erhöhung der Verbraucherpreise zu rechnen, zu der die Verschärfung der Monopolsituation ein übriges beitragen wird. All dies widerspricht den Römischen Verträgen, die vorschreiben, dass neue europäische Gesetze mit den Interessen der öffentlichen Sicherheit und des Verbraucherschutzes im Einklang stehen müssen.
Manche Leute vermuten, das Patentrecht könnte die Offenlegung der Quellen fördern, da nun Programmideen ja besser "geschützt" würden. Dies wäre zumindest in den seltenen Fällen vorstellbar, wo die Vorenthaltung des Quelltextes bisher wirklich vor allem der Geheimhaltung einer Programmidee (und nicht etwa der Blockierung von Interoperabilität o.ä.) diente. Aber selbst in diesem eher seltenen Fall würde derjenige, der Quelltext mitliefert oder gar veröffentlicht, sich damit einer erhöhten Gefahr von (potentiell ruinösen) Patentklagen aussetzen. Selbst wenn er den Quelltext veröffentlichen würde, könnte er dadurch noch lange nicht von der weltweiten fachkompetenten Aufmerksamkeit profitieren, die quellenoffener Software zugute zu kommen pflegt. Denn die meisten Entwickler verbringen ihre kostbare Zeit ungern auf "patent-verseuchten" Quelltexten.
Die Veröffentlichung des Quelltextes bietet den besten Schutz vor versteckten Hintertüren in sicherheitsrelevanter Software. Daher schränken Software-Patente auch die Möglichkeiten eine nachvollziehbar sicheren Kommunikation ein.
Lektüre hierzug:
Auch das vom Römischen Vertrag in besonderer Weise geschützte Kulturleben wird gefährdet, wenn Kommunikationsnormen und sonstige grundlegende informationelle Infrastrukturen von einem oder wenigen oligopolistischen Konglomeraten kontrolliert werden. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, dem Recht auf Kompatibilität / Interoperabilität (s.o.) Vorrang vor Patentansprüchen einzuräumen.
Softwarepatente schränken die Nutzbarmachung von technischen Fortschritten ein. Kooperative Problemlösungsprozesse, wie sie im akademischen Umfeld und in der Freien Software üblich und sehr erfolgreich sind, werden zerschlagen und kleineren Unternehmen wird durch ein oligopolistisches Geflecht die Möglichkeit zur Nutzung und Weiterentwicklung vorhandener Techniken verbaut.
Hierin verpflichtet sich die Regierung darauf, auf eine "beschleunigte Nutzung und Verbreitung der Informationstechnologien in der Gesellschaft" hinzuarbeiten. Dieser Imperativ ist mit einer Zustimmung zur Softwarepatentierung unvereinbar.
Als Repräsentant des am stärksten von den wirtschaftspolitischen Folgen betroffenen europäischen EPÜ-Vertragsstaates ist die Bundesregierung juristisch und moralisch berechtigt, jeder gegen ihre Interessen gerichteten Änderung des EPÜ ihre Zustimmung zu verweigern und auf eine wirtschaftspolitisch sinnvolle Regelung des Patentwesens zu drängen. |