Zahlreiche Unternehmen haben sich deutlich gegen Patentierbarkeit von Programmlogik ausgesprochen. Dennoch berichtet die Presse immer wieder davon, die Software-Industrie wolle die Ausweitung des Patentschutzes. FFII-Gespräche mit Siemens-Vertretern ergaben, dass dies zumindest für Siemens, das einzige Unternehmen, das sich öffentlich für die Patentierbarkeit von Programmlogik ausgesprochen hat, nicht gilt. Zahlreiche Mitarbeiter und Bereichsleiter von Siemens sind über die Patentinflation beunruhigt, aber bisher hat die Patentabteilung in dieser Frage nach außen das Sagen. Ein normaler Konzernpolitiker traut es sich nämlich nicht zu, zu dem hochkomplexen Gebiet des Patentwesens öffentliche Aussagen zu treffen.
Der einzige Wirtschaftsverband, der sich öffentlich für die Patentexpansion ausgesprochen hat, der ZVEI, übernahm dabei lediglich eine Vorlage seines Patentexperten, des Chefs der Patentabteilung von Siemens, Arno Körber. Dies ergaben damals telefonische Nachfragen des FFII. Das ZVEI-Sekretariat war beunruhigt über unsere Kritik, der ZVEI habe gegen das Interesse der in ihm organisierten kleineren und mittleren Unternehmen der Elektronikindustrie gehandelt. Diese Unternehmen profitieren vielleicht teilweise vom bisherigen Patentschutz für neuartige Apparate, aber von einer Ausweitung auf die Programmlogik haben die meisten nur schlimmstes zu befürchten.
Ähnlich sieht es bei der deutschen Bundesregierung aus. Im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) wird die Tendenz zur Programmlogik-Patentierung mit einiger Skepsis beobachtet. Aber federführend ist in Patentfragen das Bundesjustizministerium (BMJ).
Sowohl Siemens als auch der ZVEI als auch die Bundesregierung werden von Patentexperten schlecht beraten. Patentexperten haben wenig Grund zur Loyalität gegenüber ihrer eigenen Organisation. Ihre Karriere hängt weniger von der eigenen Organisation als von einem weltweit verflochtenen "proprietärisch-informationellen Komplex" ab. Zu diesem Komplex gehören u.a.:
Der derzeitige Präsident des Europäischen Patentamtes, Dr. Ingo Kober, war früher Staatssekretär im BMJ.
Der Vertreter Deutschlands, der im Juli 1999 zusammen mit anderen europäischen Fachkollegen dem Vorstand des Europäischen Patentamtes das Mandat zur Ausarbeitung eines Gesetzesänderungsvorschlags zur Legalisierung von Programmlogik-Patenten gab, Peter Mühlens, wechselte kurz darauf zum EPA über.
Ohne Programmlogik-Patente kann der Patentkomplex nicht am "Wachstum der IT-Industrie" teilhaben. Oder, aus der Sicht des Patentkomplexes formuliert: die IT-Branche ist wirtschaftlich so bedeutend geworden, dass ihr nicht weiterhin die Segnungen des Patentschutzes versagt bleiben dürfen. |