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** LinuxTag 2000
*** Vortrag Tauchert
** Berlin 2000-05-18
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Petition für ein Softwarepatentfreies Europa FFII EuroLinux jeder Browser MLHT

[EN English] [Übersetzungsvorlage] [Hinweise]

 

FFII-Programm auf dem LinuxTag 2000

Der FFII e.V. informierte auf dem LinuxTag 2000 in Stuttgart über neuere gesetzeswidrige Praktiken der deutschen und europäischen Patentjustiz sowie deren Pläne, Programmlogik und damit wirtschaftliche und gesellschaftliche Verfahren aller Art umfassend patentierbar zu machen.

 

Der LinuxTag fand dieses Jahr vom 29. Juni bis zum 2. Juli 4 Tage lang auf dem Stuttgarter Messegelände statt und wurde von ca 20000 Menschen besucht. FFII informierte an Stand 6.0.1.14 auf Einladung der Veranstalter über das Thema Softwarepatente.

Wir führten ein Veranstaltungsprogramm durch, das viele interessante Erkenntnisse zutage förderte:

  1. Durchgehend am FFII-Stand
  2. Vortragsprogramm im Kongresszentrum A Saal 1
  3. Nebengespräche
  4. Danksagung

1. Durchgehend am FFII-Stand

  • Unterschreiben der Eurolinux-Petition gegen Softwarepatente
  • Verteilung von voraddressierten Petitionsbriefen
  • Vorführung von Dokumentation
  • Verteilung unserer SWPAT-Dokumentations-CD.
  • Verteilung von Anti-SWPAT-Aufklebern und Flugblättern
  • Information über andere FFII-Projekte wie z.B. EGeld/Nerdbank und Wortbasar.

2. Vortragsprogramm im Kongresszentrum A Saal 1

  1. Tauchert: Softwarepatentierung -- Praxis des Deutschen Patentamts
  2. Springorum: Zähmung des Patent-Ungeheuers -- Konzept eines Schutzbündisses
  3. Smets: Software Patent Tactics for OpenSource Developpers
  4. FFII: Softwarepatent-Lobbyarbeit: Was wurde erreicht und was ist zu tun?

2.1. Tauchert: Softwarepatentierung -- Praxis des Deutschen Patentamts

Vorbereitende Texte:
Vortrag Tauchert
Uhrzeit:
Freitag, 30. Juni 11.00-12.00
Redner:
Dr. Wolfgang TAUCHERT Leiter der Abteilung fuer Datenverarbeitung und Informationsspeicherung am Deutschen Patent- und Markenamt
Inhalt:
Das Deutsche Patentgesetz (PatG) verbietet in §1 die Patentierung von Computerprogrammen als solchen. Daran, dass der Gesetzgeber die Einschränkung "als solche" macht, erkennt man, dass er dieses Patentierungsverbot als problematisch ansieht. Die Ausnahmenliste in §1 ist unsystematisch formuliert und schwer anwendbar. Auch die Einschränkung auf Gegenstände "als solche" erlaubt zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat daher von jeher nicht den §1 direkt angewendet, sondern mit dem Begriff der "Technizität" operiert, der sich indirekt aus den folgenden PatG-Paragraphen als das (neben Neuheit und Erfindungshöhe) zentrale zugrundeliegende Abgrenzungskriterium begründen lässt. Diesen Begriff definiert das PatG zwar nicht, aber hat der BGH hat eine viel zitierte klare Definition geschaffen:

planmäßiges Handeln unter Anwendung beherrschbarer Naturkräfte ohne zwischengeschaltete menschliche Tätigkeit

Anfang der 90er Jahre lehnte der BGH Anträge auf Erteilung von Softwarepatenten wegen mangelnder Technizität ab. Im Fall "Chinesische Schriftzeichen" bemängelte der BGH, dass der Kern des Erfinderischen nicht in der Beherrschung von Naturkräften (Elektronen) sondern in der Programmlogik liege, da das von Siemens zur Patentierung vorgelegte Textverarbeitungsprogramm vom Computer nur den bestimmungsgemäßen Gebrauch mache. Man nannte diese Denkweise des BGH die "Kerntheorie".

Die Kerntheorie löste bei den interessierten Fachkreisen heftige Kritik aus. Mitte der 90er Jahre wandte sich der BGH mit der Entscheidung "Tauchcomputer" von der Kerntheorie ab und hob auf die Verwendung des Programms ab.

Auf dem Münchener Kongress der UNION Ende 1997 argumentierten die versammelten Patentrechtler überzeugend, dass jedes funktionierende Computersystem technisch sei, und dass die Frage der Technizität und der Erfindungsleistung nicht vermengt werden dürfe (d.h. dass der erfinderische Kern nicht im technischen Bereich liegen müsse). Wenig später schwenkten das Europäische und das Deutsche Patentamt auf diese Sichtweise um, und der 17te Patentsenat gab seine restriktive Haltung auf.

Im Juli 1999 urteilte der BGH, dass ein programmgesteuerte System zur Bestimmung von Verkaufspreisen grundsätzlich patentfähig sei. Meine Abteilung hatte den Patentantrag zunächst zurückgewiesen. Der Kollege, der ihn zurückwies, hing nämlich noch der Kerntheorie an. Der BGH verwarf aber in einem Grundsatzurteil die Kerntheorie und verwies den Patentantrag (in Form eines verengten Hilfsantrages) an unsere Abteilung zur erneuten Beurteilung zurück.

In zwei neuen Urteilen zum Thema "Sprachanalyse" und ... ging der BGH sogar noch weiter. Er schuf den Begriff der "programmtechnischen Vorrichtung". Damit ist nunmehr jedes Computerprogramm patentrechtlich schützbar. Wir im DPMA hätten auch nicht gedacht, dass der BGH so weit gehen würde. Damit kehrt der BGH zu einer Haltung zurück, die er in den 60er Jahren bereits einmal eingenommen hatte, bevor die Mathematikerfraktion eine restriktive Rechtsauffassung durchsetzte und dafür sorgte, dass Programme lange Zeit nicht direkt patentiert werden konnten. Es handelt sich hier um einen politischen Sieg der ingenieurwissenschaftlich orientierten Fraktion.

Antworten auf Fragen und Einwände:

2.1.1. WRiek: Dürfen ein paar Patentjuristen auf diese Weise Normen grundlegend verändern? Sind das nicht politische Fragen, die über die Kompetenz der Gerichte und Patentämter hinausgehen?

Die Rechtsprechung hat das Recht, das Gesetz zu interpretieren. Natürlich ist das auch eine politische Angelegenheit. Die ingenieurwissenschaftliche Sicht hat sich durchgesetzt. Dabei geht es aber nicht um materielle Interessen einer Gruppe, sondern darum, unerträgliche rechtssystematische Widersprüche aus dem System zu entfernen. Wir haben die jetzigen Entscheidungen des BGH als eine Befreiung empfunden. Ob außerdem das EPÜ geändert wird, ist völlig zweitrangig, denn wir haben bereits ein schlüssiges System. Wenn Sie als Nicht-Juristen da nun Einfluss ausüben wollen, müssen Sie erst einmal das System verstehen. Ihre Forderung, das Programmierungsverbot für Computer aufrecht zu erhalten, führt nicht zum Ziel. Im Gegenteil, erst wenn es abgeschafft wird, kann es für Sie neue Chancen geben, die Gesetzgebung in Bewegung zu bringen und Ihren Vorstellungen Gehör zu verschaffen.

2.1.2. Phm: Ist es wirklich in Ordnung, wenn man Software patentierbar macht, ohne vorher eine systematische Studie der ökonomischen Auswirkungen einer solchen Änderung zu erstellen?

Selbstverständlich. Wir brauchen keine ökonomische Studie. Die Wirklichkeit spricht für sich. Der Markt hat das Urteil bereits gesprochen. Bei uns gehen jedes Jahr Tausende von Anträgen auf Softwarepatente ein, und unser Patentsystem wirft Gewinne ab. Es ernährt ohne staatliche Zuschüsse 20000 Patentspezialisten.

2.1.3. Siepmann: Könnte man nicht auf gleiche Weise auch argumentieren, ein Räubersyndikat sei legitim, da es ja auf dem Markt gesiegt habe und ohne staatliche Zuschüsse auskomme?

Nein. Das Räubersyndikat handelt rechtswidrig, wir nicht. Wir stützen uns auf Grundsatzurteile des BGH. Der BGH ist befugt, die Gesetze zu interpretieren, das Räubersyndikat nicht.

2.1.4. Phm: Herr Tauchert, Sie sprechen hier sehr grundlegende Wahrheiten aus, die man selten in dieser Deutlichkeit zu hören bekommt. Dürfen wir das, was Sie gerade gesagt haben, in unserer Presseerklärung zitieren?

Selbstverständlich. Dazu stehe ich.

2.2. Springorum: Zähmung des Patent-Ungeheuers -- Konzept eines Schutzbündisses

Freitag, 30. Juni 15.00-16.00:
Redner:
PA Dipl.Inf. Dr. Harald Springorum
Inhalt:
Seit ca 1990 denken Programmierer Freier Software und andere Softwarepatent-Geschädigte über die Möglichkeit nach, Bündnisse zum gegenseitigen Schutz von Patenten zu schließen. Ein solches Bündnis würde selber Patentrechte erwerben und als Verhandlungsmasse zum Schutz von "geistigem Gemeineigentum" einzusetzen.

PA Springorum stellte hierzu ein Modell vor, über dessen Machbarkeit später gewinnbringend diskutiert wurde. An der Diskussion beteiligten sich vor allem Wolfgang Tauchert (DPMA), Swantje Weber-Cludius (BMWi), Peter Gerwinski (G.N.U. GmbH), Werner Riek (Journalist) und Hartmut Pilch (FFII).

PA Springorum schlug vor, zunächst solle ein Verein Softwareentwicklern Überblick über drohende Patentgefahren schaffen und gegen vermeidbare Softwarepatente Einspruch einlegen. Ferner könnte dieser Verein in Zusammenarbeit mit einer Versicherungsgesellschaft Rechtsschutzversicherungen gegen Patentrisiken anbieten.

Daneben solle eine nicht-gewinnorientierte Gesellschaft (Pool GmbH oder Pool AG, da gewerblich tätig) gegründet werden, die für die freien Softwareentwickler Erfindungen zum Patent anmeldet und zum Gebrauch in freier Software freigibt, aber gleichzeitig denjenigen den Gebrauch verbietet, die freie Software mit Patenten angreifen.

Schwierigkeiten könnte es beim Kartellamt geben, besonders wenn die Pool AG potente Mitglieder wie IBM als Gesellschafter gewinne. Aber diese Schwierigkeiten müssten sich überwinden lassen, da es ja gerade nicht um die Schaffung von Kartellen sondern um das Gegenteil davon gehe.

Es gibt bereits mögliche Vorbilder, nämliche eine Kölner Schutzvereinigung für den fairen Gebrauch von Rundfunkrechten. Deren Satzung legte PA Springorum vor.

Antworten auf Fragen und Einwände:

2.2.1. Juristen begehen häufig den Fehler, die Ausschlusskraft restriktiver Gemeineigentumslizenzen (Copyleft-Lizenzen wie GNU GPL) zu überschätzen. Solche Lizenzen taugen nur in sehr geringem Maße als Faustpfänder. Wenn ein Programmierverfahren erst einmal in GPL-Software implementiert ist, kann man niemanden mehr daran hindern, dieses Verfahren zu verwenden.

Dann muss man die GPL eben so ändern, dass das geht. Wer die GPL zur heiligen Kuh erhebt, ist selbst schuld, wenn er sich dann nicht gegen Patente wehren kann.

2.2.2. Selbst angenommen, wir erfinden eine neue Allgemeine Öffentliche Lizenz, die es einer bestimmten Pool AG erlaubt, die GPL als Waffe einzusetzen, dann ist das noch immer eine stumpfe Waffe. Denn freie Software steht im Internet offen zur Verfügung. Jeder kann sie verwenden, egal ob legal oder nicht. Wenn wir z.B. Microsoft verbieten, ein bestimmtes Programmierverfahren zu verwenden, muss Microsoft lediglich seine Software so schreiben, dass für das entsprechende Verfahren ein unter GPL stehendes Modul (z.B. über Corba) aus dem Internet geladen wird.

Das könnte Microsoft aber schon genügend weh tun.

2.2.3. Was tun wir, wenn unser Gegner eine Patentverwertungsgesellschaft ist, die selbst überhaupt keine Programme schreibt, sondern lediglich jede Woche mehrere Patente erzeugt, hinzukauft und den Meistbietenden (eventuell exklusiv) lizenziert?

Gegen solche Gesellschaften wäre unsere Pool AG machtlos, es sei denn sie hätte genug Geld, um alle großen Konzerne zu überbieten. Wir können nur hoffen, dass das nicht der typische Fall ist.

2.2.4. Die Welt der freien Software besteht aus vielen einzelnen Programmierern, denen es gegen den Strich gehen würde, sich in einem Verein oder einer Pool AG generalstabsmäßig zu organisieren. Unter den kleinen und mittleren Unternehmen, die auch als Teilnehmer in Frage kämen, gibt es wiederum sehr viel konkurrenzorientiertes Denken und wenig Bereitschaft, im Interesse der Solidarität Opfer zu bringen. Der bisher geringe Erfolg zahlreicher vergleichbarer Versuche in den USA scheint diese Sicht zu bestätigen

Selbstverständlich sollte die Mitgliedschaft in dem Verein und der Pool AG auf Freiwilligkeit beruhen. Man braucht auch unbedingt eine gute Initialzündung. Eine Firma wie SuSE, die ja letztlich die Früchte der Arbeit unzähliger kostenlos arbeitender Programmier abschöpft, sollte da 1 Million DM investieren.

2.2.5. Der Arbeitsaufwand ist so gewaltig, dass selbst eine personell gut ausgestattete Pool AG keine guten Erfolgsaussichten hätte. Sie müsste nämlich hunderttausende von Programmzeilen auf mögliche Verletzungen von hunderttausenden von Patenten absuchen. Außerdem müsste sie unentgeltlich arbeitende Programmierer dazu motivieren, ihre Werke auf möglicherweise patentierbare Trivialitäten abzusuchen und diese zu dokumentieren. Es ist bekannt, dass echte Programmierer ungern Dokumentation schreiben. Schon gar nicht Patentdokumentation, die wiederum eine besondere Erfahrung erfordert. Um eine Patentschrift zu schreiben, muss man vielleicht kein Jurist sein, aber immerhin erfordert das viel Mühe und Erfahrung, die man bei freien Entwicklern nicht antrifft, und die Personalkosten von mindestens mehreren 100000 DM monatlich bei der Pool AG erfordern würde, wenn sie ihre Aufgabe wenigstens zu 10% bewältigen will.

Nicht unbedingt. Man muss die Entwickler schulen. Wenn die OpenSource-Gemeinde auf ihren Gewohnheiten beharren und sich nicht vom Fleck bewegen will, ist sie selber schuld.

2.3. Smets: Software Patent Tactics for OpenSource Developpers

Uhrzeit:
Samstag, 1. Juli 16.00-17.00
Vorbereitende Texte:
J.P. Smets: Practical Software Patent Tactics for OpenSource Developpers
Antworten auf Fragen und Einwände:

2.3.1. Die Smetssche GPPL ist gegen Patentverwertungsfirmen machtlos. Somit wirkt sie, falls sie erfolgreich wird, auf eine weitere Konzentration von Patentrechten in den Händen von Patentverwertungsfirmen hin.

Ja, zweifellos. Wenn Microsoft seine Patente an eine Patentverwertungsfirmat verkauft und dann von dieser lizenziert, sind wir mit der GPPL machtlos. Es sei denn wir haben diejenigen Verfahren patentiert, mit denen Patentverwertungsfirmen und Patentanwaltsbüros arbeiten müssen.

2.3.2. Es gibt aber eine alternative Freipatentierungslizenz (GPPL), mit der wir auch gegen Patentverwertungsfirmen vorgehen könnten. Wir könnten eine Freipatentierungslizenz (GPPL) schaffen, die es verbietet, unsere Patente im Zusammenspiel mit proprietären Patenten zu verwenden. D.h. überall dort, wo auf einem Rechner ein proprietär patentiertes Verfahren zum Einsatz kommt -- darf unser Verfahren nicht verwendet werden. Und zwar bedingungslos. Öffentliche Patente schützen offensiv das Gemeineigentum. Darüber kann, genau wie auch im parallelen Fall des GPL-Urheberrechts, keine Privatperson verhandeln. Da im Patentwesen mit härteren Bandagen gekämpft wird, muss die GPPL härter zuschlagen als die GPL. Durch eine solche harte Vorgehensweise könnten wir die privaten Patente entwerten und das Geschäft der Patentverwertungsfirmen austrocknen. Denn wer wird noch eie Patentlizenz kaufen, wenn die damit patentierte Technik in fast keiner Situation mehr legal eingesetzt werden darf?

Das wäre tatsächlich ein folgerichtiger Entwurf, mit dem man auch die Patentverwertungsfirmen trifft. Allerdings bräuchte ich mehr Zeit, um die praktischen Folgen einer solchen Strategie zu Ende zu denken.

2.4. FFII: Softwarepatent-Lobbyarbeit: Was wurde erreicht und was ist zu tun?

Redner:
Hartmut Pilch und Holger Blasum
Inhalt:
Die Patentjustiz hat sich selbst Regeln geschaffen, die sowohl von ihrer Form als auch von ihrer Wirkung her im Gegensatz zum Buchstaben und zum Geist der geltenden Gesetze stehen. Mit seiner Recherche- und Dokumentationsarbeit konnte der FFII dies klar belegen und dadurch den Argumentationsspielraum der Patentexpansionisten stark einengen. Unsere Gespräche in Berlin und auf dem Linuxtag haben das deutlich gezeigt. Die Patentexpansionisten haben auch viel weniger Rückhalt in der Wirtschaft als sie es gerne glaubhaft machen: die Front verläuft zwischen Informationstechnikern und Patentexperten, nicht zwischen freier und proprietärer Softwareindustrie. Wir rennen überall, sogar bei Großunternehmen wie Siemens, offene Türen ein. Das macht Spaß, und es gibt sehr viel zu tun, z.B.:

  • Erstellen und Versand von Aufklebern und bedruckten Gegenständen aller Art, die auf unsere Petition und Dokumentation hinweisen.
  • Fortsetzung von Holgers Arbeit des Sammelns und Digitalisierens einschlägiger Papierdokumente.
  • Veröffentlichung von Rezensionen dieser Dokumente.
  • Weiterentwicklung der bisherigen Dokumentations-CD
  • Gezieltes Ansprechen von Firmen und Politikern. (Einige Diskussionsteilnehmer haben gute Drähte zu bestimmten Unternehmen.)
  • Suche nach Ökonomen mit informationstechnischen Kenntnissen, die weitere Wirkungsstudien veröffentlichen könnten.
  • Weitere offene Briefe an verschiedene Institutionen, die uns helfen oder ihre bisherige Linie ändern könnten. Z.B. könnten wir Siemens dazu veranlassen, sich von dem bisherigen Pro-SWPAT-Auftreten des Herrn Körber zu distanzieren und stattdessen eine Stellungnahme zu veröffentlichen, die zu unvoreingenommener Erforschung der ökonomischen Wirkungen rät.
  • Anmelden von Patenten und Gebrauchsmustern unter Allgemeiner Öffentlicher Patentlizenz (GPPL). (Die Gebühren für Gebrauchsmusteranmeldung beim Deutschen Patentamt liegen bei ca 100 DM. Man kann außerdem Anteile an den Rechten verkaufen. Jeder Teilinhaber kann dann den Rechtstitel gegen beliebige Dritte durchsetzen.)
  • Formulieren von möglichen Allgemeinen Öffentlichen Patentlizenzen und durchsetzung günstiger Gebührenbedingungen für diese Art von Lizenz beim Gesetzgeber und im Rahmen des BGH-Fallrechts. Weitere Gesetzesvorschläge, z.B. zur prinzipiellen Nichtgewerblichkeit von GPL-Software.
  • Prioritätsbeleg

3. Nebengespräche

  1. Siegmar Mosdorf
  2. Richard M. Stallman
  3. Alan Cox
  4. Swantje Weber-Cludius
  5. Wolfgang Tauchert
  6. PA Dipl.Inf. Dr. Harald Springorum
  7. Gespräche am Siemens-Stand
  8. Gespräche an anderen Ständen
  9. Radiointerview

3.1. Siegmar Mosdorf

Im Anschluss an seine Eröffnungsansprache äußerte Wirtschafts-Staatssekretär Siegmar Mosdorf (SPD) in einem Handelsblatt-Interview, er nehme die Ängste der Informatiker vor den Brüsseler Patentplänen sehr ernst. "Wir wollen den Innovationsprozess erhalten. Open Source muss möglich bleiben". Man müsse aber auch die andere Seite sehen: "Autorenschutz ist wichtig. Wer etwas entwickelt hat, muss auch etwas davon haben. Aber möglichst viel Offenheit ist ebenfalls wichtig". Zunächst gelte es abzuwarten, was die europäische Diskussion und die anschließenden Verhandlungen mit den USA ergeben. "Das wird eine der schwierigsten Diskussionen überhaupt", meint Mosdorf sorgenvoll.

Diese enigmatischen Aussagen werfen Fragen auf:

  • Verwechselt Mosdorf, wenn er sich für den "Autorenschutz" einsetzt, möglicherweise Patentrecht und Urehberrecht? Unterliegt er dem Missverständnis, die "OpenSource-Bewegung" wolle alle Programmierer zur Preisgabe ihrer Rechte zwingen? Treffender wäre folgende Formulierung gewesen:
    Autorenschutz (Urheberrecht) ist wichtig. Wer etwas entwickelt hat, muss auch etwas davon haben. Möglichst viel Offenheit ist ebenfalls wichtig. Softwarepatente schaffen ein Minenfeld, welches die Investitionsrisiken für Softwarefirmen erhöht und insbesondere die Autoren offener Software stark gefährdet.
  • Um welche "europäische Diskussion" und welche "Verhandlungen mit den USA" geht es hier? Unserer Kenntnis nach steht eine Diskussion der Fachminister an, für die in Deutschland das Bundesjustizministerium zuständig ist. Dieses hält sich bisher jedoch bedeckt und scheint unserem Einruck nach entschlossen, die EU-Pläne mitzutragen. Von einer anstehenden Diskussion mit den USA hat der FFII noch nichts erfahren.

In dem Handelsblatt-Gespräch kündigt Mosdorf ferner die Errichtung eines "Kompetenzzentrums für die Förderung Freier Software" an, das Software-Entwicklern als Diskussionsforum und Marktplatz dienen soll. "Außerdem soll es der Ausbildung und Qualifikation dienen und Unternehmensberater, Handels- und Handwerkskammern mit einbinden. Ziel ist, die OpenSource-Gemeinde zu stärken und zu verbreitern".

Gleichzeitig lehnt Mosdorf jedoch eine ominöse "gesetzliche Regelung nach französischem Vorbild" ab. Damit dürfte die die französische Gesetzesinitiative für offene Software-Standards gemeint sein, die Staatsorgane und Träger öffentlicher Funktionen dazu verpflichten soll, bei der Kommunikation mit dem Bürger offene Standards einzusetzen und darüber hinaus Quelltexte verwendeter Programme zu hinterlegen. Mosdorf begründet seine Ablehnung dieser französischen Regelung mit der Bemerkung: "Wir sehen die Rolle des Staates vor allem als die eines neutralen Moderators".

Dem FFII erscheint dies widersprüchlich. Um ein neutraler Moderator sein zu können, muss der Staat sich zunächst auf offene Kommunikationsstandards verpflichten lassen. Das Hinterlegen von Quelltexten hat wiederum nichts mit Quellenoffenheit zu tun: es ist eine Minimalforderung, die lediglich der Sicherheit der betroffenen Behörden dient.

Ein Kompetenzzentrum wäre natürlich ein schönes Geschenk vom Staat, aber der FFII wünscht sich von der Regierung zu aller erst klare und faire Regeln (wie sie in Frankreich eingeführt sind oder werden). Ferner wünschen wir uns die aktive und regelmäßige Teilnahme der Regierung an einem internet-basierten Dialog zur Förderung einer freien informationellen Infrastruktur. Die Regierung hat hierzu bereits vorbildliche Schritte unternommen, z.B. Förderung der Programmierung des GNU Privacy Guard. Aufträge dieser Art sollten häufiger und systematischer ausgeschrieben werden. Daran sollten Universitäten und Firmen und letztlich die gesamte Öffentlichkeit beteiligt werden. Ein räumlich gebundenes Kompetenzzentrum wäre ein möglicher dritter Schritt. Aber gerade wenn der Staat "neutraler Moderator" sein will, bietet das Internet dafür fürs erste die beste mögliche Infrastruktur.

3.2. Richard M. Stallman

RMS ließ während mehrerer Ansprachen und Podiumsdiskussionen keine Gelegenheit aus, um sein Publikum zur Aktion gegen Softwarepatente aufzurufen. Laut Stallman ist jeder Benutzer von GNU/Linux und freier Software moralisch verpflichtet, die Eurolinux-Petition zu unterschreiben. Jede Firma, die im GNU/Linux-Umfeld arbeitet ist verpflichtet, ihre Kunden auf die Patentgefahr aufmerksam zu machen. Ein Petitions-Werbeaufkleber sollte z.B. mit dem SuSE Linux oder Redhat Linux Paket an jeden Käufer ausgeliefert werden. Stallman kam persönlich zum FFII-Stand, um dort inmitten einer Menschentraube seine Unterzeichnungszeremonie zu zelebrieren.

3.3. Alan Cox

Linuxkern-Entwickler Alan Cox, der bei Redhat arbeitet, trug durchweg unseren Eurolinux-Petitions-Aufkleber an seinem roten Hut. Cox kennt die Problematik sowohl von der informatischen als auch von der rechtlichen Seite her gut und wird sich in den nächsten Wochen sowohl bei Redhat als auch bei einigen britischen Politikern für unsere Sache einsetzen. Dies erzählte er uns während mehrerer Gespräche am FFII-Stand.

3.4. Swantje Weber-Cludius

Frau Weber-Cludius ist beim Bundeswirtschaftsministerium für Patentrecht zuständig. Sie beteiligte sich am Freitag und Samstag intensiv an unseren Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen und nutzte auch darüber hinaus die Gelegenheit zu stundenlangen Gesprächen mit Wolfgang Tauchert, PA Springorum, Peter Gerwinski, Hartmut Pilch, Jean-Paul Smets, Holger Blasum und anderen Protagonisten der SWPAT-Debatte.

3.5. Wolfgang Tauchert

In privaten Gesprächen erläuterte der Datenverarbeitungs-Experte des Deutschen Patentamtes seine Position weiter. Ihn stört insbesondere, dass die Rechtssprechung sich jahrelang in Richtung auf Ausweitung der Patentierbarkeit entwickelte und niemand hörbar etwas dagegen sagte. Wenn nun die betroffenen Kreise anderer Meinung seien, dann sollten sie nicht gegen angebliche Rechtsmissbräuche zetern sondern lieber die Mittel des Systems nutzen und sich in die juristische Diskussion einbringen, um die Rechtssprechung des BGH auf den alten Kurs zurückzubringen. Das sei auch dann noch möglich, wenn die Computerprogramm-Ausnahme aus dem EPÜ/BPatG gestrichen worden sei.

3.6. PA Dipl.Inf. Dr. Harald Springorum

PA Springorum hielt es für nicht ganz aussichtslos, ein Gesetz oder ein Grundsatzurteil zu erwirken, welches GPL-Software generell als nicht-gewerblich definiert. Er kritisiert jedoch, dass bei Firmen wie SuSE eine Wertschöpfung stattfindet, an der die freien Entwickler, auf deren Schultern SuSE stehe, nicht fair beteiligt würden. Das Patentwesen schaffe hier durch das Arbeitnehmererfindergesetz mehr Gerechtigkeit.

Herr Springorum argumentierte auch sonst bevorzugt mit moralischen Argumenten für die Patentexpansion, nicht ohne gleichzeitig die Patentgegner als Moralisten/Ideologen darzustellen.

Die naheliegenden Gegenargumente sind

  • Undank ist der Welt Lohn. Auch diejenigen, welche die jahrzehntelange mathematische Vorarbeit für das MP3-Patent geleistet haben, gingen leer aus (und dürfen heute noch nicht einmal die MP3-Technologie frei verwenden). Bei der Masse der Trivialpatente ist es noch schlimmer: unzählige Parallelerfinder werden enteignet. Abgesehen davon belohnt der "digitale Kapitalismus" generell nicht unbedingt bevorzugt diejenigen, die zum Fortschritt der Zivilisation beitragen. Das sieht man schon an der Qualität des Privatfernsehens oder des kommerziellen Internets. Den digitalen Kapitalismus durch Patente gerecht machen zu wollen, ist vielleicht gerade eine jener gefährlichen Utopien, die den Himmel versprechen und die Hölle schaffen: totalitäre Ideologie in Reinform. Professor Lessig (Harvard-Verfassungsrechtler) nennt das nicht umsonst "Software-Stalinismus".
  • Firmen wie SuSE und Redhat sind von sich aus bemüht, Beiträge zur Linux-Gemeinde zu leisten. Sie bezahlen z.B. zahlreiche Entwickler dafür, dass sie freie Software schreiben.
  • Das Distributionsgeschäft ist bei der Freien Software kein notwendiges Glied der Wertschöpfungskette, sofern es eine solche überhaupt gibt. Das Distributionsgeschäft wird möglicherweise bald ganz sogar verschwinden und durch nicht-kommerzielle verteilte Systeme wie Debians apt-get ersetzt werden. Andererseits erfüllt die SuSE-Distribution heute eine wichtige volkswirtschaftliche Rolle: sie erleichtert zahlreichen heimischen KMUs den Zugang zum Weltmarkt. Das Patentrecht wäre in diesem System gar nicht anwendbar: man müsste Gebühren für Millionen von Programmkopien erheben, die niemand verwendet. Das Patentrecht würde somit fortschrittlichere Distributionsformen wie Shareware benachteiligen und eine Rückkehr in die Zeiten des Verkaufs von Glanzkartons am Ladentisch erzwingen. Das wäre auch nicht im Sinne des Patentrechts, denn es handelt sich hierbei nicht um ein Kopierrecht (Urheberrecht) um ein Nutzungsrecht: die Lizenzgebühr sollte erst bei der tatsächlichen Verwendung der patentierten Technik erhoben werden. Egal ob das Programm aus dem Internet oder von einer SuSE-CD bezogen wurde.
  • Unsere Hauptargumente liegen nicht im Bereich der Moral sondern der Volkswirtschaft. Fördern Softwarepatente die Innovation und den Wettbewerb? Führen Sie wenigstens zu einem Anwachsen der F&E-Ausgaben bei den Softwareunternehmen? Unsere Erfahrung legt nahe, dass beides zu verneinen ist. Wissenschaftliche Studien bestätigen dies.

3.7. Gespräche am Siemens-Stand

Mehrere Vertreter der Siemens IT Services meinten, dass Arno Körber, der Chef der Siemens-Patentabteilung, der in der Öffentlichkeit immer wieder (zuletzt unter dem Mantel des ZVEI) vehement für die Patentexpansion eingetreten ist, nicht wirklich die Interessen von Siemens vertrete. Siemens habe von der Patentexpansion durchaus mehr Nachteile als Vorteile zu erwarten.

Da Siemens jedoch derzeit noch mit Microsoft "verheiratet" sei, sei es unwahrscheinlich, dass das Siemens-Logo auf der Eurolinux-Petition erscheinen dürfe. Man könne jedoch vermutlich vom Siemens-Vorstand eine Erklärung erwirken, die zu Mäßigung bei der Patentexpansion rät und die Durchführung einer volkswirtschaftlichen Studie empfiehlt.

Die Informatiker und Forscher bei Siemens reagierten in jüngster Zeit recht irritiert auf Anweisungen von seiten der Patentabteilung, möglichst alles, was irgendwie innovativ sein könnte, der patentrechtlichen Verwertung zuzuführen. Diese Anweisung hätten deutlich gemacht, dass Patente nicht mehr als "Mittel zum Schutz unserer Erfindungen" sondern als "Tauschwaren" betrachtet würden. Den Mitarbeitern sei klar, dass mit dem Patentwesen irgendetwas faul ist, und es könne nicht angehen, dass Siemens sich in der Öffentlichkeit für ein solches System stark mache. Solche Stellungnahmen seien, wenn sie wirklich existierten, gegen die Konzernpolitik gerichtet. Es müsse im Interesse der Konzernleitung liegen, das klarzustellen.

Siemens verwendet laut Mitarbeiter-Aussagen gelegentlich Softwarepatente, um zu verhindern, dass Partnerfirmen sich selbstständig machen und von Siemens entwickelte Technik eigenständig vermarkten. Doch dieses Ziel lässt sich ebenso ohne Softwarepatente erreichen. Meistens genügt einfach der Erfahrungs-Vorsprung der Siemens-Mitarbeiter, welche die Technik in vielen Jahren und vielen kleinen Schritten entwickelt haben. Wo das nicht reiche, habe man auch noch Urheberrecht und Betriebsgeheimnis.

3.8. Gespräche an anderen Ständen

Wir führten noch Gespräche mit einem Großteil der Ausstellerfirmen. Viele Firmen entschlossen sich daraufhin, in den nächsten Tagen an unserer Petition teilzunehmen.

3.9. Radiointerview

Ein Radiojournalist führte ein 20-minütiges Gespräch mit Hartmut Pilch, das gesendet werden soll. Er hatte zuvor ebenfalls mit Stefan Meretz und Stefan Merten gesprochen.

4. Danksagung

Unser Stand konnte nur deshalb von Anfang an gut aussehen, weil Arnim Rupp und sein Bruder schöne Schilder anfertigen ließen und am Tag vor der Messe anbrachten.

Dank Holger Blasums Bemühungen konnten wir am Stand schön bedruckte FFII-Hemden tragen. Ihm ist auch der schnelle Rechner mit großem Bildschirm zu verdanken, mit dem wir aufwarten konnten.

Felix Nenz sorgte für weitere Hinweisschilder und Getränke. Er beantwortete drei Tage lang geduldig unseren Besuchern Fragen und verzichtete dabei auf die Teilnahme an vielen der interessantesten Veranstaltungen.

Holger, Felix, Bernhard Reiter, Frank Kormann und Hartmut Pilch verbrachten je 3-4 Tage am FFII-Stand, ohne jegliche Entschädigung für Arbeitszeitausfall oder Hotelkosten in Anspruch zu nehmen.

Der Linuxtag e.V. leistete großartige Arbeit und unterstützte uns unbürokratisch.

Jean-Paul Smets nahm sich trotz drängender Aufgaben und mangelnden Schlafes einen Tag. Seine Reisespesen zahlte Mandrake.

Diverse Spesen konnten nur deshalb bezahlt werden, weil die Infomatec AG, die SuSE Linux AG, Herr Harald Welte, die Intradat AG usw den FFII mit großzügigen Spenden unterstützt haben.

Firmen wie SuSE Linux AG, Intevation GmbH usw sahen großzügig darüber hinweg, dass einige ihrer bezahlten Mitarbeiter ihre Erwerbstätigkeit vernachlässigten.


http://swpat.ffii.org/penmi/linuxtag-2000/indexde.html
2000-07-26 PILCH Hartmut
  
 
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