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** LinuxTag 2000
*** Vortrag Tauchert
** Berlin 2000-05-18
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Petition für ein Softwarepatentfreies Europa FFII EuroLinux jeder Browser MLHT

[Übersetzungsvorlage] [Hinweise]

 

Tauchert-Vortrag auf dem Linuxtag 2000

Vortrag und Diskussion mit Dr. Wolfgang TAUCHERT, Leiter der Patentabteilung fuer Datenverarbeitung und Informationsspeicherung am Deutschen Patent- und Markenamt. Der FFII rezensiert hier an Taucherts Manuskript, dass es die gestellten Fragen nicht zu beantworten und nicht über bereits bekannte Artikel des Autors hinauszugehen scheint.

 

Herr Tauchert ist uns als Teilnehmer der juristischen Debatte um die Softwarepatentierung bekannt:

Ferner kennen wir Herrn Tauchert als einen engagierten Fürsprecher des Patentwesens auf der BMWi-Konferenz, auf der die versammelten Entwickler und Softwarefirmen kein gutes Haar am Patentwesen ließen. Herr Tauchert schien dabei redlich um eine konsistente Theorie bemüht und gestand in der Diskussion zu, dass er schon immer der Meinung gewesen sei, für Software würde ein gesondertes (sui generis) Eigentumssystems besser taugen als das Patentsystem.

Auf dem Linuxtag wollten wir von Herrn Tauchert erfahren, wie Entwickler freier Software sich und das von ihnen geschaffene öffentliche Informationseigentum vor Patentangriffen schützen können. Als Leiter der DV-Abteilung des Deutschen Patentamtes ist er dafür eine Fachautorität. Herr Tauchert reichte uns folgende Vortragszusammenfassung ein, zu der wir im voraus ein paar kritische Anmerkungen machen wollen.

Wolfgang Tauchert schreibt:

Anmeldungen mit programm-bezogenen Verfahren und entsprechende "programmtechnisch eingerichtete Vorrichtungen" können am Deutschen Patent- und Markenamt als sog. programm-bezogene Erfindungen patentiert werden. Die Anmeldung hat die Anforderungen der Anmeldeverordnung (Schriftform, Amtssprache) zu erfüllen und ist unter den üblichen Voraussetzungen patentfähig (gewerbliche Anwendbarkeit, Neuheit, erfinderische Tätigkeit, technischer Charakter). Entsprechend der Richtlinien für die Patentprüfung erfolgt die Ermittlung des technischen Charakters auf der Basis des gesamten Anspruchs, ohne Trennung der Merkmale durch den Stand der Technik.

Letzteres werden die meisten von uns nicht verstehen. Ich verstehe es so: die Erfindung muss insgesamt einen technischen Charakter haben. Es kommt aber nicht darauf an, dass der "erfinderische Kern" selbst im Bereich des technischen liegt.

M.a.W. die "Kerntheorie" wurde (etwa seit dem Mellulis-Aufsatz von 1998) aufgegeben und damit sind der Patentierung von Software am Deutschen Patentamt die Tore "weit geöffnet" (Betten).

Der Begriff Technik wird nach der Definition des Bundesgerichtshofs verstanden, er orientiert sich an der maschinellen Lösung eines Problems und schließt daher Informationstechnik ein. Auf die aktuelle Rechtsprechung wird Bezug genommen.

ffii: M.a.W. weder das PatG noch EPÜ noch die Prüfungsrichtlinien gelten unmittelbar, sondern es gelten Normen, die von der Rechtssprechung seit 1998 gesetzt wurden.

Der Bundesgerichtshof definiert Technik als "planmäßiges Handeln unter Einsatz von Naturkräften ohne zwischengeschaltete menschliche Tätigkeit". Diese Definition ist allerdings dehnbar, wie insbesondere neuere BGH-Urteile (Verkaufsautomat) zeigen. Demzufolge sind auch Geschäftsmethoden technisch, wenn dabei ein Computer eingesetzt wird. Selbst dann, wenn, wie etwa beim Aushandeln von Preisen im "Verkaufsautomaten", menschliche Tätigkeit zwischengeschaltet ist.

Quellcode wird nicht als eine Amtssprache verstanden und kann daher keine ursprüngliche Offenbarung begründen.

M.a.W. man kann durch Patente zwar die Verbreitung von Quellcode verbieten, aber man kann nicht eine Referenzimplementation beim Patentamt einreichen, da es den Patentprüfern nicht zuzumuten ist, diese zu lesen. Hingegen ist es der Fachöffentlichkeit sehr wohl zuzumuten, unverständliche Beschreibungen in natürlicher Sprache zu lesen, um Patentansprüche zu verstehen und zu überprüfen ob die eigene OpenSource-Software diese vielleicht verletzt. In letzterem Falle ist die quelloffene Software vom Netz zu nehmen, denn bekanntlich sind seit 1997 sowohl beim EPA als auch beim DPMA "Programmansprüche" und "Internetansprüche" zulässig.

Die Darstellung einer software-bezogenen Erfindung als Produktanspruch (Speicherelement mit einem Programm zur Ausführung von Verfahrensschritten) ist prinzipiell möglich.

Wie ist es mit Programmansprüche und Internetansprüchen?

Sind die nur beim EPA zulässig?

Weist das DPMA solche Ansprüche zurück, wenn sie ihm vom EPA überreicht werden?

Oder interpretiert es sie anders?

Laut Artikel von Betten & Resch folgt das DPMA in all diesen Dingen dem EPA-Fallrecht. Nur das Britische Patentamt hält sich noch an die Vorschriften des EPÜ.

Allerdings wird ein Datenspeicher technisch nicht durch die auf ihm gespeicherten Schritte charakterisiert, vielmehr ist das Speicherelement ist zur Speicherung von Information aller Art vorgesehen. Dem entsprechend kann der Produktanspruch nur einen Unteranspruch darstellen, da diese Formulierung keine zum Gegenstand des Hauptanspruchs unabhängige Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe darstellt.

Interessant.

Für den Programmierer ist es allerdings egal, ob er einen Hauptanspruch oder einen Unteranspruch verletzt.

Die meisten unserer Zuhörer kennen überhaupt nicht den Unterschied.

Schutz des Quellcodes erfolgt durch das Urheberrecht. Im Hinblick darauf kann Quellcode als die Verkörperung des "Programms als solchem" nach Art. 52 (2) und (3) des EPÜ gesehen werden. Er erfüllt - auch nach Revision des EPÜ - nicht die Voraussetzungen zur Patentfähigkeit (siehe 1).

Diese Formulierung bedeutet nur: auch nach Revision des EPÜ akzeptiert das DPMA keine Patentbeschreibung in Form einer Referenzimplementation, s.o., aber die Verbreitung von Quellcode kann aufgrund von Patentansprüchen untersagt werden. Sowohl nach jetziger (EPÜ-widriger) Rechtsprechung als auch nach der Anpassung des EPÜ.

Die geplante Revision des EPÜ würde jedoch in anderen Punkten wesentliches verändern, s. dazu die Argumentation des EPÜ-Änderungs-Verfechters Daniele Schiuma.


http://swpat.ffii.org/penmi/linuxtag-2000/tauchertde.html
2000-07-26 PILCH Hartmut
  
 
[ LinuxTag 2000 | Vortrag Tauchert ]