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Inhaltsverzeichnis

 
Teil C, Kapitel IV
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2. Erfindungen
     
 
Art. 52(2)
 

2.1 Im Übereinkommen ist die Bedeutung des Begriffs «Erfindung» zwar nicht festgelegt, aber Art. 52(2) enthält eine nicht erschöpfende Aufzählung von Dingen, die nicht als Erfindungen angesehen werden. Die in der Aufzählungenthaltenen nicht patentfähigen Dinge sind alle entweder abstrakter Art (z. B. Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien usw.) oder nicht technischer Natur (z. B. ästhetische Formschöpfungen oder Wiedergabe von Informationen. Eine Erfindung im Sinne von Art. 52(1) muß dagegen sowohl konkreten als auch technischen Charakter haben (siehe IV, 1.2 ii))

Art. 52(3)
 

2.2 Bei der Prüfung der Frage, ob der Anmeldungsgegenstand eine Erfindung im Sinne von Art. 52(1) ist, muß der Prüfer zwei generelle Punkte berücksichtigen. Zunächst ist nach Art. 52(2) die Patentfähigkeit nur insoweit zu verneinen, als sich die betreffende Anmeldung auf den nicht patentfähigen Gegenstand als solchen bezieht. Zum zweiten sollte sich der Prüfer unabhängig von Form oder Kategorie des Patentanspruchs auf dessen Inhalt konzentrieren, um festzustellen, welchen Beitrag zum Stand der Technik der beanspruchte Gegenstand als Ganzes tatsächlich leistet. Hat dieser Beitrag keinen technischen Charakter, so liegt keine Erfindung im Sinne von Art. 52(1) vor. Ist beispielsweise der Anspruch auf ein bekanntes gewerbliches Erzeugnis mit einem aufgemalten Muster oder bestimmten aufgedruckten Informationen gerichtet, so besteht der Beitrag zum Stand der Technik in der Regel nur in einer ästhetischen Formschöpfung oder Wiedergabe von Informationen. Ähnliches gilt, wenn ein Programm für eine Datenverarbeitungsanlage in physikalisch aufgezeichneter Form, z. B. auf einem herkömmlichen Band oder einer herkömmlichen Platte, beansprucht wird; der Beitrag zum Stand der Technik ist auch dann nicht mehr als ein Programm. In diesen Fällen betrifft der Patentanspruch lediglich einen nicht patentfähigen Gegenstand als solchen und ist deshalb nicht gewährbar. Bewirkt dagegen ein Programm in Kombination mit einer Datenverarbeitungsanlage, daß die Anlage aus technischer Sicht andersartig arbeitet, so kann die Kombination patentfähig sein.

Zu beachten ist auch, daß die grundlegende Prüfung darauf, ob eine Erfindung im Sinne von Art. 52(1) vorliegt, nicht mit der Prüfung auf gewerbliche Anwendbarkeit, Neuheit und erfinderische Tätigkeit verwechselt werden darf.

2.3 Im folgenden werden die einzelnen, in Art. 52(2) aufgezählten Gegenstände der Reihe nach behandelt und weitere Beispiele angeführt, um den Unterschied zu verdeutlichen zwischen dem, was patentfähig ist und was nicht.

Entdeckungen

Stellt jemand eine neue Eigenschaft eines bekannten Materials oder Erzeugnisses fest, so handelt es sich lediglich um eine Entdeckung, die nicht patentierbar ist.Wird für diese Eigenschaft jedoch eine praktische Verwertung gefunden, so handelt es sich um eine Erfindung, die möglicherweise patentierbar ist. Beispielsweise würde die Entdeckung, daß ein bestimmtes bekanntes Material stoßfest ist, nicht patentierbar sein; aus diesem Material hergestellte Eisenbahnschwellen könnten jedoch durchaus patentierbar sein. Das Auffinden eines Stoffes in der Natur ist ebenfalls eine bloße Entdeckung und folglich nicht patentierbar. Wenn jedoch ein Stoff in der Natur aufgefunden und ein Verfahren für seine Gewinnung entwickelt wird, ist dieses Verfahren patentierbar. Wenn der Stoff entweder durch seine Struktur, durch das Verfahren, durch das er hergestellt wird, oder andere Parameter (siehe III, 4.7a) genau beschrieben werden kann und völlig «neu» ist, d.h. sein Vorhandensein vorher nicht bekannt war, dann kann er als solcher ebenfalls patentierbar sein (siehe auch IV, 7.3). Ein Beispiel für einen solchen Fall ist das Auffinden eines neuen, von einem Mikroorganismus erzeugten Stoffes. Mit Ausnahme der Erzeugnisse mikrobiologischer Verfahren sind Pflanzensorten oder Tierarten in jedem Fall durch Art. 53 b) von der Patentierbarkeit ausgeschlossen (siehe IV, 3.4 und 3.5).

Wissenschaftliche Theorien

Hierbei handelt es sich nur um eine allgemeinere Form von Entdeckungen, und es gilt derselbe Grundsatz. So wäre beispielsweise die physikalische Halbleitertheorie nicht patentierbar. Neue Halbleiterelemente und Verfahren zu ihrer Herstellung sind jedoch patentierbar.

Mathematische Methoden

Hierbei handelt es sich nur um ein besonderes Beispiel für den Grundsatz, daß rein abstrakte oder intellektuelle Methoden nicht patentierbar sind. Ein abgekürztes Dividierverfahren z. B. wäre nicht patentierbar, eine entsprechend gebaute Rechenmaschine jedoch schon. Eine mathematische Methode für das Entwerfen von elektrischen Filtern ist nicht patentierbar; jedoch können Filter, die nach dieser Methode entworfen worden sind, patentierbar sein, sofern sie ein neues technisches Merkmal aufweisen, auf das ein Erzeugnisanspruch gerichtet werden kann.

Ästhetische Formschöpfungen

Eine ästhetische Formschöpfung bezieht sich der Definition nach auf ein Erzeugnis (beispielsweise ein Gemälde oder eine Skulptur) mit Aspekten, die nicht technischer Art sind und im wesentlichen subjektiv zu beurteilen sind. Sollte das Erzeugnis jedoch auch technische Merkmale haben, dann könnte es patentierbar sein, z. B. die Lauffläche eines Reifens. Der ästhetische Effekt selbst ist nicht patentierbar, und zwar weder ineinem Erzeugnis- noch in einem Verfahrensanspruch. Beispielsweise wäre ein Buch, das durch die ästhetische oder künstlerische Wirkung seines Informationsgehalts, seiner Aufmachung oder seiner Schrifttypen gekennzeichnet ist, nicht patentierbar, ebensowenig wie ein Gemälde, das durch die ästhetische Wirkung seines Gegenstands, durch die Anordnung der Farben oder durch seinen künstlerischen (z. B. impressionistischen) Stil gekennzeichnet ist. Jedoch könnten in Fällen, in denen durch eine technische Anordnung oder andere technische Mittel ein ästhetischer Effekt erzielt wird, zwar nicht der ästhetische Effekt selbst, aber das Mittel zu dessen Erzielung patentierbar sein. Beispielsweise könnte ein Gewebe mittels einer Schichtstruktur, die zuvor nicht zu dem betreffenden Zweck verwendet wurde, attraktiv gestaltet werden, und in einem solchen Fall könnte ein Gewebe mit einer derartigen Struktur patentierbar sein. Ebenso kann ein Buch, das durch ein technisches Merkmal betreffend die Art des Bindens oder Broschierens des Buchrückens gekennzeichnet ist, patentierbar sein, selbst wenn die Wirkung dieses Merkmals lediglich ästhetischer Natur ist, desgleichen ein Gemälde, das durch die Art der Leinwand oder durch die verwendeten Farben oder Bindemittel gekennzeichnet ist. Auch ein Verfahren zur Erzielung einer ästhetischen Formschöpfung kann eine technische Neuerung umfassen und somit patentierbar sein. Ein Diamant kann beispielsweise eine besonders schöne (selbst nicht patentierbare) Form haben, die durch ein neues technisches Verfahren erzielt wird. In diesem Fall kann das Verfahren patentfähig sein. Gleichfalls kann eine neue Drucktechnik für ein Buch, die eine besondere Aufmachung mit ästhetischem Effekt ergibt, durchaus patentierbar sein, ebenso wie das Buch, das als Erzeugnis aus dem betreffenden Verfahren hervorgeht. Auch Stoffe oder Stoffgemische, die durch technische Merkmale gekennzeichnet sind und dazu dienen, in bezug auf einen Geruch oder Geschmack eine besondere Wirkung zu erzielen, z. B. einen Geruch oder Geschmack für längere Zeit aufrechtzuerhalten oder zu verstärken, können durchaus patentierbar sein.

Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten

Es handelt sich hier um weitere Beispiele für Dinge mit abstraktem oder intellektuellem Charakter. Insbesondere ein Plan zur Erlernung einer Sprache, ein Verfahren zur Lösung von Kreuzworträtseln, ein Spiel (als etwas Abstraktes, das durch seine Regeln festgelegt ist) oder ein Plan zur Organisation einer kommerziellen Tätigkeit würde nicht patentierbar sein. Jedoch könnte ein neues Gerät zur Durchführung eines Spiels oder eines Plans patentierbar sein.

Programme für Datenverarbeitungsanlagen

Für die Patentfähigkeit gelten hier genau dieselben grundlegenden Kriterien wie bei den anderen in Art. 52(2) aufgezählten nicht patentfähigen Dingen. Ein Datenverarbeitungsprozeß kann nun aber entweder mittels eines Computerprogramms oder mittels spezieller Schaltkreise durchgeführt werden, und die Entscheidung für die eine dieser beiden Möglichkeiten muß nichts mit dem Erfindungsgedanken zu tun haben, sondern kann allein durch Wirtschaftlichkeits- oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen bestimmt sein. In Anbetracht dessen sollte bei der Prüfung in diesem Bereich wie folgt vorgegangen werden:

Ein allein oder als Aufzeichnung auf einem Datenträger beanspruchtes Computerprogramm ist nicht patentfähig, ohne Rücksicht auf seinen Inhalt. Daran ändert sich normalerweise auch dann nichts, wenn das Programm in eine bekannte Datenverarbeitungsanlage geladen wird. Wenn der beanspruchte Gegenstand jedoch einen technischen Beitrag zum Stand der Technik leistet, ist ihm die Patentfähigkeit nicht allein deswegen abzusprechen, weil bei seiner Verwirklichung ein Computerprogramm eine Rolle spielt. Dies bedeutet beispielsweise, daß programmgesteuerte Geräte und Herstellungs- sowie Steuerungsverfahren in der Regel als patentfähig anzusehen sind. Ferner folgt daraus, daß der beanspruchte Gegenstand auch dann, wenn er nur die programmgesteuerte interne Arbeitsweise einer bekannten Datenverarbeitungsanlage betrifft, als patentfähig angesehen werden kann, wenn er einen technischen Effekt bewirkt. Als Beispiel hierfür ist ein bekanntes Datenverarbeitungssystem mit einem kleinen schnellen Arbeitsspeicher und einem größeren, aber langsameren weiteren Speicher anzusehen. Beide Speicher seien unter der Steuerung durch ein Programm so organisiert, daß ein Verarbeitungsprozeß mit einem über die Kapazität des schnellen Arbeitsspeichers hinausgehenden Bedarf an adressierbarem Raum mit im wesentlichen derselben Geschwindigkeit durchgeführt werden kann, als wenn die Prozeßdaten insgesamt in den schnellen Speicher geladen worden wären. Der Effekt des Programmes, der darin liegt, daß der Arbeitsspeicher virtuell vergrößert wird, hat technischen Charakter und kann daher die Patentfähigkeit stützen.

Wiedergabe von Informationen

Jede Art der Wiedergabe von Informationen, die lediglich durch den Inhalt der Informationen gekennzeichnet wird, ist nicht patentierbar. Dies gilt sowohl für Patentansprüche, die auf die Wiedergabe von Informationen an sich (z. B. durch akustische Signale, durch das gesprochene Wortoder durch visuelle Anzeige) gerichtet sind, als auch für Patentansprüche, die auf Informationsträgern gespeicherte Informationen (beispielsweise Bücher, die durch ihren Inhalt, Schallplatten, die durch das aufgenommene Musikstück, Verkehrszeichen, die durch ihre Warnhinweise, Magnetbänder von Datenverarbeitungsanlagen, die durch die auf ihnen gespeicherten Daten oder Programme gekennzeichnet sind) oder auf Verfahren und Vorrichtungen zur Wiedergabe von Informationen (z. B. Anzeiger oder Registriergeräte, die lediglich durch die angezeigten bzw. die registrierten Informationen gekennzeichnet sind) gerichtet sind. Schließt die Art der Wiedergabe der Informationen jedoch neue technische Merkmale ein, so kann der Informationsträger bzw. das Verfahren oder die Vorrichtung für die Wiedergabe der Information einen patentierbaren Gegenstand bilden. Die Anordnung oder Art und Weise der Wiedergabe kann im Unterschied zu dem Informationsgehalt sehr wohl ein patentierbares technisches Merkmal darstellen. Beispiele für solche technischen Merkmale sind: ein Telegraphenapparat oder ein Nachrichtensystem, das durch die Verwendung eines besonderen Codes zur Wiedergabe der Buchstaben gekennzeichnet ist (z. B. Pulscode-Modulation); ein Meßinstrument, das zur Wiedergabe der durch Messen ermittelten Informationen eine besondere Kurve aufzeichnet; eine Schallplatte mit besonderen Rillen für Stereoaufnahmen; ein Diapositiv mit seitlich angeordneter Tonspur.

 
Teil  C, Kapitel IV 1. Allgemeines 3. Ausnahmen von der Patentierbarkeit
   

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Last updated on Sunday, 2 August 1999
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