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Inhaltsverzeichnis

 
Teil C, Kapitel IV
Vorherige Seite: 5. Neuheit; Stand der Technik Nächste Seite: 6a. Kollision mit älteren nationalen Rechten
6. Kollision mit anderen europäischen Patentanmel-dungen
     
 
Art. 54(3)(4)
Art. 56
Art. 89
Art. 85
 

6.1 Zum Stand der Technik gehört auch der Inhalt europäischer Patentanmeldungen, die vor demAnmeldetag der zu prüfenden Patentanmeldung eingereicht, aber gemäß Art. 93 an oder nach diesem Tag veröffentlicht worden sind, soweit in der früheren und der späteren Anmeldung derselbe bzw. dieselben Staaten benannt werden. Derartige frühere Anmeldungen gehören jedoch nur insoweit zum Stand der Technik, als es die Neuheit betrifft, und bleiben bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht. Auch hier ist der «Anmeldetag» gegebenenfalls der Prioritätstag (siehe Kapitel V). Unter dem Inhalt einer europäischen Anmeldung ist die gesamte Offenbarung zu verstehen, also die Beschreibung, die Zeichnungen und die Patentansprüche, einschließlich

i) etwaiger Merkmale, auf die ausdrücklich verzichtet worden ist (mit Ausnahme von Disclaimern für nicht ausführbare Ausführungsformen),

ii) etwaiger Merkmale, für die in zulässiger Weise auf andere Dokumente verwiesen wird (siehe II, 4.18, vorletzter Absatz), und

iii) des Standes der Technik, soweit er eigens beschrieben ist.

Jedoch schließt der Inhalt weder irgendwelche Prioritätsunterlagen (durch solche Unterlagen soll lediglich bestimmt werden, inwieweit der Prioritätstag für die Offenbarung der europäischen Patentanmeldung wirksam ist (siehe V, 1.2)) noch - in Anbetracht des Art. 85 - die Zusammenfassung (siehe B-XI, 3) ein.

Es ist darauf hinzuweisen, daß bei Anwendung des Art. 54(3) der Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung in Betracht zu ziehen ist. Wird eine Anmeldung in einer Sprache eingereicht, die nicht Amtssprache ist, was nach Art. 14(2) möglich ist (siehe A-VIII, 1.1), so kann der Fall eintreten, daß Sachverhalte versehentlich nicht mit in die Verfahrenssprache übersetzt und nicht nach Art. 93 in dieser Sprache veröffentlicht werden. Selbst in diesem Fall ist für Zwecke des Art. 54(3) der Inhalt des ursprünglichen Textes maßgebend.

6.1a Ob eine veröffentlichte europäische Patentanmeldung eine kollidierende Anmeldung nach Art. 54(3) und (4) sein kann, richtet sich zunächst nach ihrem Anmeldetag und dem Tag ihrer Veröffentlichung, die vor bzw. an oder nach dem Anmeldetag der in Prüfung befindlichen Anmeldung liegen müssen. Wird in der Anmeldung eine Priorität beansprucht, so ersetzt der Prioritätstag den Anmeldetag (Art. 89) für denjenigen Gegenstand in der Anmeldung, der der prioritätsbegründenden Anmeldung entspricht. Wurde mit Wirkung von einem vor der Veröffentlichung liegenden Zeitpunkt auf einen Prioritätsanspruch verzichtet oder gingder Prioritätsanspruch auf andere Weise verloren, so ist nicht der Prioritätstag, sondern der Anmeldetag maßgeblich, und zwar auch dann, wenn der Prioritätsanspruch möglicherweise zu einem gültigen Prioritätsrecht geführt hätte.

Ferner muß die kollidierende Anmeldung am Tag ihrer Veröffentlichung noch anhängig gewesen sein (siehe J 5/81, ABl. 4/1982, 155). Ist eine Anmeldung, die vor dem Veröffentlichungstag zurückgenommen oder auf andere Weise ungültig wurde, dennoch veröffentlicht worden, weil die Vorbereitungen für die Veröffentlichung abgeschlossen waren, so hat die Veröffentlichung nicht die Wirkung nach Art. 54(3), sondern nur die Wirkung nach Art. 54(2). Art. 54(3) ist so auszulegen, daß die Veröffentlichung einer «gültigen» Anmeldung, d.h. einer am Tag ihrer Veröffentlichung existierenden europäischen Patentanmeldung, gemeint ist. [Text gelöscht]

Regel 23a
 

Da die Benennungsgebühren bis zu sechs Monate nach dem Tag, an dem auf die Veröffentlichung des Recherchenberichts hingewiesen worden ist (Art. 79(2), und gegebenenfalls auch noch während der Nachfrist nach Regel 85a entrichtet werden können, gehören europäische Anmeldungen schließlich nur für diejenigen Vertragsstaaten zum Stand der Technik nach Art. 54(3), deren Benennung nach Ablauf der vorstehend genannten Frist endgültig ist, d. h., für die die vorgeschriebeben Benennungsgebühren entrichtet worden sind.

Sonstige Änderungen, die nach dem Veröffentlichungstag wirksam werden (z.B. Zurücknahme einer Benennung oder des Prioritätsanspruchs, Verlust des Prioritätsrechts aus anderen Gründen), berühren die Anwendung des Art. 54(3) und (4) nicht.

Art. 158(1)(2)
 

6.2 Diese Grundsätze gelten auch für PCT-Anmeldungen in denen das EPA Bestimmungsamt ist, allerdings mit einem wichtigen Unterschied. In Art. 158 wird klargestellt, daß eine PCT-Anmeldung für die Anwendung des Art. 54(3) nur dann von ihrem Prioritätstag an als Stand der Technik gilt, wenn der PCT-Anmelder die erforderliche nationale Gebühr an das EPA entrichtet und die PCT-Anmeldung in Deutsch, Englisch oder Französisch vorgelegt hat. (Dies besagt, daß eine Übersetzung dann erforderlich ist, wenn die PCT-Anmeldung in Japanisch, Chinesisch, Spanisch oder Russisch veröffentlicht worden ist.) Die nationale Gebühr setzt sich aus der (der Anmeldegebühr entsprechenden) nationalen Grundgebühr, den Benennungsgebühren und gegebenenfalls den Anspruchsgebühren zusammen (Regel 104b(1) b)).

Regel 87
 

6.3 Werden in einer Anmeldung Staaten benannt, von denen einige bereits in einer früheren, kollidierenden Anmeldung benannt worden sind, so hat der Anmeldermehrere Möglichkeiten zur Vornahme von Änderungen. Er kann zunächst einfach die Benennungen zurückziehen, die sowohl in seiner eigenen als auch in der früheren Anmeldung stehen. Ferner kann er Patentansprüche für die in beiden Anmeldungen benannten Staaten aufstellen, die sich von den Patentansprüchen für die anderen benannten Staaten unterscheiden. Werden unterschiedliche Patentansprüche eingereicht, so muß der Prüfer untersuchen, ob Unklarheiten entstehen, wenn die gleiche Beschreibung und die gleichen Zeichnungen durchweg aufrechterhalten werden. Für solche Fälle ist nach Regel 87 zugelassen, daß der Prüfer die Einreichung unterschiedlicher Beschreibungen und Zeichnungen verlangt. Der Anmelder selbst hat nicht das Recht, eine solche Änderung zu verlangen (siehe auch III, 8.1). Er kann schließlich auch seinen Anspruchssatz so beschränken, daß die kollidierende Anmeldung nicht mehr relevant ist.

Ist der Recherchenbericht über die kollidierende Anmeldung veröffentlicht worden, aber die Frist für die wirksame Entrichtung der Benennungsgebühren noch nicht abgelaufen, so wird dem Anmelder mitgeteilt, daß die Prüfung nicht abgeschlossen werden kann, solange die Frage der Benennungen für die Voranmeldung nicht geklärt ist, es sei denn, daß der Anmelder - unabhängig von der Bestätigung der Benennungen durch eine wirksame Zahlung - seine Ansprüche so beschränkt, daß die kollidierende Anmeldung für die Frage der Neuheit nicht mehr von Belang ist. Ist der Recherchenbericht noch nicht veröffentlicht worden (wohl aber die kollidierende Anmeldung als «A2»-Schrift), so fordert der Prüfer die zuständige Recherchenabteilung auf, die Recherche möglichst bald durchzuführen. In der Zwischenzeit ruht die Prüfung.

Zu dem seltenen Fall, daß die Anmeldung erteilungsreif ist, bevor die Recherche nach kollidierenden Anmeldungen durchgeführt werden kann (z. B. bei einem Antrag auf beschleunigte Bearbeitung einer ohne Prioritätsanspruch eingereichten Anmeldung), siehe VI, 8.4.

6.4 Im Übereinkommen wird nicht eigens auf den Fall gleichzeitiger europäischer Patentanmeldungen gleichen wirksamen Datums eingegangen. Es ist jedoch ein anerkanntes Prinzip in den meisten Patentsystemen, daß ein und demselben Anmelder für eine Erfindung nicht zwei Patente erteilt werden. Ein Anmelder kann zwar zwei Anmeldungen mit derselben Beschreibung prüfen lassen, wenn die Patentansprüche einen völlig unterschiedlichen Umfang haben und auf verschiedene Erfindungen gerichtet sind. In dem seltenen Fall, in dem in zwei oder mehreren europäischen Patentanmeldungen des gleichen Anmelders derselbe Staat bzw. dieselben Staaten endgültig benannt werden, indem die Benennung durchZahlung der vorgeschriebenen Benennungsgebühren bestätigt wird, und die Patentansprüche dieser Anmeldungen denselben Prioritätstag haben und dieselbe Erfindung betreffen (wobei die Patentansprüche in der in VI, 9.6 dargelegten Weise kollidieren), ist dem Anmelder jedoch mitzuteilen, daß er entweder eine Anmeldung oder mehrere Anmeldungen so ändern muß, daß sie nicht länger die gleiche Erfindung beanspruchen, oder unter diesen Anmeldungen eine auswählen muß, die im Hinblick auf die Patenterteilung bearbeitet werden soll. Sollten zwei derartige Anmeldungen mit demselben wirksamen Datum von zwei verschiedenen Anmeldern eingereicht werden, dann ist jedem zu gestatten, so zu verfahren, als würde es die andere Anmeldung nicht geben.

 
Teil  C, Kapitel IV 5. Neuheit; Stand der Technik 6a. Kollision mit älteren nationalen Rechten
   

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Last updated on Sunday, 2 August 1999
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