- Making up for Insufficiencies of the Proprietary Mode of Production
- Accessibility of Infrastructure and Public Security
- Direct and Indirect Effects on Education and Employment
Unter "Freie Software" versteht man "vollwertige Logikalien", d.h. logische Komponenten eines Computersystems, die nicht nur funktionieren, sondern auch überprüft, verbessert, angepasst und erweitert werden können, kurzum alle nützlichen Merkmale aufweisen, die man von einer Logikalie erwartet. Im Gegensatz zur "Freien Software" ist die "proprietäre" Software in ihrer Nützlichkeit kompromittiert. Um der besseren Vermarktbarkeit willen hat ihr Urheber sich die Logikalie zu einer virtuellen Physikalie herabgestuft, die, ähnlich wie eine Maschine für Außenstehende uneinsehbar ist und nur in einer vom Hersteller vorgegebenen Weise funktioniert.
Jede Wirtschaftspolitik muss sich fragen, was sie eigentlich fördern will. Sollen möglichst viele vollwertige Logikalien entstehen? Oder möglichst viele vermarktbare Waren (virtuellen Physikalien)? Oder vielleicht eine Mischung aus beiden: ein System, was den allmählichen Übergang von virtuellen Physikalien in vollwertige Logikalien fördert?
Es hat sich gezeigt, dass im Bereich des "Kathedralenbaus", d.h. der Programmierung von komplexen Einzelsystemen, die nur wenige Schnittstellen nach außen aufweisen müssen (z.B. Branchensoftware, Spracherkennung), virtuelle Physikalien (proprietäre Software) gute Arbeit leisten und aufgrund ihrer guten Vermarktbarkeit relativ nachhaltig weiterentwickelt werden. Die vollwertigen Logikalien (freie Software) hingegen weisen insbesondere im Bereich der Kommunikationsnetze und der modularen Systeme überlegene Qualitäten auf und werden dort von den interessierten Fachkreisen weiterentwickelt.
Allerdings lässt sich das Territorium des kommerziellen Kathedralenbaus schwer von dem der vollwertigen Logikalien abgrenzen. Alle informatischen Aufgabenstellungen neigen dazu, sich im Laufe der Zeit zunehmend in Module und Kommunikationsschnittstellen zu unterteilen. So ist es erklären, dass ein Gebiet nach dem anderen von vollwertigen Logikalien (freier Software) erschlossen wurde. Oft spielt der proprietäre "Kathedralenbau" lediglich den Vorreiter in einer Anfangszeit, in der einem hohen kommerziellen Anreiz eine geringer technologischer Entwicklungsstand gegenübersteht.
Es hat sich gezeigt, dass die Wertschöpfung bei den virtuellen Physikalien nicht nach echten marktwirtschaftlichen Spielregeln funktioniert. Was manche die "Neue Ökonomie" nennen, könnte man auch als "virtuellen Marktwirtschaft" beschreiben. Es wird nämlich nicht echte physikalische Ware gegen Geld getauscht, sondern es wird mit der Herrschaft über Schnittstellen und Kundenbindungen gehandelt. Wenn z.B. Siemens ein Abkommen mit Microsoft schließt, bindet Siemens damit indirekt sehr viele unbeteiligte Dritte in eine stärkere Abhängigkeit der Microsoft-Platform. Im Gegenzug erhält Siemens billige Lizenzen und Dienste von Microsoft. Auf seine Kosten kommt Microsoft wiederum bei den unbeteiligten Dritten. In der IT-Welt spricht man bei solchen Verträgen daher auch nicht von Käufen sondern von "strategischen Allianzen".
Ähnlich virtuell sind nicht nur die Tauschgeschäfte zwischen großen Spielern wie Siemens und Microsoft, sondern auch die Beziehungen zwischen kleinsten Marktteilnehmern. Banken verheimlichen ihren Kunden die Tatsache, dass sie den HBCI-Standard unterstützen, und empfehlen stattdessen eine kundenbindende inkompatible Lösung. Hardware-Hersteller verraten niemandem, dass ihr System eine offene Schnittstelle hat und auch unter Linux läuft. Standardisierungsbemühungen liegen ebensowenig wie Vollwertigkeit im Interesse des "Kommerzes". Alles, was eine virtuelle Physikalie in Richtung auf eine Vollwertigkeit / Logikalität weiterentwickeln könnte, mindert die Herrschaft über Schnittstellen und Kundenbindungen und wird daher so lange hinausgezögert, bis die technologische Entwicklung durch nichts mehr aufzuhalten ist.
Der zentrale Tauschgegenstand in der "virtuellen Marktwirtschaft" ist nicht das "Produkt" (Software-Glanzkarton), sondern die Verfügungsgewalt über Infrastrukturen, die von unbeteiligter Dritten um der Kompatibilität willen verwendet werden müssen. Aus dieser Macht wird die Wertschöpfung erzeugt. Gleichzeitig läuft diese Macht aber den Interessen der Technologie und ihrer Anwender zuwider. Für Logikalien gilt, etwas überspitzt gesagt: Was technologisch gesehen "vollwertig" ist, ist wirtschaftlich gesehen "wertlos" -- und umgekehrt.
Technologie und Wertschöpfung stehen in einem spannungsreichen aber nicht unversöhnlichen Verhältnis zueinander. Unter dem Leidensdruck des sprichwörtlichen "Kommerzes" entstand die Freie Software. Sie wies einen Ausweg, der schließlich auch große Teile der vom "Kommerz"-Kartell ins Abseits gedrängten Geschäftswelt faszinierte. Zahlreiche Ansätze zum besseren Zusammenleben von IT und Kommerz sind entstanden. Die Wirtschaftspolitik ist nun gefordert, ein übriges dazu zu tun, dass unproduktive Gegensätze überbrückt und langfristig immer mehr möglichst vollwertige Logikalien entwickelt werden können.
Lektüre
Bei jedem öffentlich ausgeschriebenen Grossprojekt, etwa beim Kraftwerks- oder Straßenbau müssen neben dem fertigen Produkt dem Auftraggeber auch umfangreiche Dokumentation zur Wartung des Produkts mitgeliefert werden. Diese umfasst nicht nur Bedienungsanleitungen, sondern auch Baupläne und Konstruktionen des Projektes. Allgemein werden die Offenlegungs- und Dokumentationsanforderungen mit wachsender Komplexität eines Projektes größer. Sofern in diesen Projekten sicherheitsrelevante Software eingesetzt wird, muss auch deren Qualität sichergestellt werden.
Auf der anderen Seite waren Sicherheitsanforderungen an den Personalcomputer, wie er seit Ende der 70er Jahre auf den Markt kam, sehr gering, da der Schaden bei einem Ausfall (etwa bei einem Privatanwender) überschaubar war. Neben Weiterentwickung der Hardware verwandelte schliesslich die Netzwerkrevolution (HTML seit 1992) die ursprünglichen Spielekonsolen in Workstations, die aus fast keinem Betrieb mehr wegzudenken sind - aus dem Gameboy wurde auf einmal Infrastruktur.
Wenn aber statt Pingpongbällen private und Behördendaten, diplomatische Noten, Geschäftsverträge und vielleicht bald Volksabstimmungen und Wahlstimmen ausgetauscht werden, verursachen schon kleine Sicherheitslöcher hohe Kosten und selbst Virenwarnungen (Melissa, I love you) machen Schlagzeilen.
Auch quellenoffene Software ist nicht frei von Fehlern und Sicherheitslücken, hier haben aber alle Benutzer im Prinzip die gleichen Chancen, diese zu finden und sind dabei nicht dem Wohlwollen eines Herstellers (oder eines mit diesem paktierenden Geheimdienstes) ausgeliefert.
Freie Software ermöglicht informationstechnisch interessierten jungen Leuten einen direkten Zugang zu den Quellen erstklassiger Programmierkenntnisse. Ihre ungehinderte Entfaltung trägt viel mehr zu Bildung, Wissenschaft und Wohlstand bei als durch sie an direkter privatwirtschaftlicher Wertschöpfung entsteht. Es wäre eine interessante Aufgabe, diesen Beitrag hochzurechnen. |