Art. 52(3)
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2.2 Bei der Prüfung der Frage, ob der Anmeldungsgegenstand eine
Erfindung im Sinne von Art. 52(1) ist, muß der Prüfer zwei generelle
Punkte berücksichtigen. Zunächst ist nach Art. 52(2) die Patentfähigkeit
nur insoweit zu verneinen, als sich die betreffende Anmeldung auf den nicht
patentfähigen Gegenstand als solchen bezieht. Zum zweiten sollte sich der
Prüfer unabhängig von Form oder Kategorie des Patentanspruchs auf
dessen Inhalt konzentrieren, um festzustellen, welchen Beitrag zum Stand der
Technik der beanspruchte Gegenstand als Ganzes tatsächlich leistet. Hat
dieser Beitrag keinen technischen Charakter, so liegt keine Erfindung im Sinne
von Art. 52(1) vor. Ist beispielsweise der Anspruch auf ein bekanntes gewerbliches
Erzeugnis mit einem aufgemalten Muster oder bestimmten aufgedruckten Informationen
gerichtet, so besteht der Beitrag zum Stand der Technik in der Regel nur
in einer ästhetischen Formschöpfung oder Wiedergabe von Informationen.
Ähnliches gilt, wenn ein Programm für eine Datenverarbeitungsanlage
in physikalisch aufgezeichneter Form, z. B. auf einem herkömmlichen Band
oder einer herkömmlichen Platte, beansprucht wird; der Beitrag zum Stand
der Technik ist auch dann nicht mehr als ein Programm. In diesen Fällen
betrifft der Patentanspruch lediglich einen nicht patentfähigen Gegenstand
als solchen und ist deshalb nicht gewährbar. Bewirkt dagegen ein Programm
in Kombination mit einer Datenverarbeitungsanlage, daß die Anlage aus
technischer Sicht andersartig arbeitet, so kann die Kombination patentfähig
sein.
Zu beachten ist auch, daß die grundlegende Prüfung darauf,
ob eine Erfindung im Sinne von Art. 52(1) vorliegt, nicht mit der Prüfung
auf gewerbliche Anwendbarkeit, Neuheit und erfinderische Tätigkeit verwechselt
werden darf.
2.3 Im folgenden werden die einzelnen, in Art. 52(2) aufgezählten
Gegenstände der Reihe nach behandelt und weitere Beispiele angeführt,
um den Unterschied zu verdeutlichen zwischen dem, was patentfähig ist und
was nicht.
Entdeckungen
Stellt jemand eine neue Eigenschaft eines bekannten Materials oder Erzeugnisses
fest, so handelt es sich lediglich um eine Entdeckung, die nicht patentierbar
ist.Wird für diese Eigenschaft jedoch eine praktische Verwertung gefunden,
so handelt es sich um eine Erfindung, die möglicherweise patentierbar ist.
Beispielsweise würde die Entdeckung, daß ein bestimmtes bekanntes
Material stoßfest ist, nicht patentierbar sein; aus diesem Material hergestellte
Eisenbahnschwellen könnten jedoch durchaus patentierbar sein. Das Auffinden
eines Stoffes in der Natur ist ebenfalls eine bloße Entdeckung und folglich
nicht patentierbar. Wenn jedoch ein Stoff in der Natur aufgefunden und ein Verfahren
für seine Gewinnung entwickelt wird, ist dieses Verfahren patentierbar.
Wenn der Stoff entweder durch seine Struktur, durch das Verfahren, durch das
er hergestellt wird, oder andere Parameter (siehe III, 4.7a) genau beschrieben
werden kann und völlig «neu» ist, d.h. sein Vorhandensein vorher
nicht bekannt war, dann kann er als solcher ebenfalls patentierbar sein (siehe
auch IV, 7.3). Ein Beispiel für einen solchen Fall ist das Auffinden eines
neuen, von einem Mikroorganismus erzeugten Stoffes. Mit Ausnahme der Erzeugnisse
mikrobiologischer Verfahren sind Pflanzensorten oder Tierarten in jedem Fall
durch Art. 53 b) von der Patentierbarkeit ausgeschlossen (siehe IV, 3.4
und 3.5).
Wissenschaftliche Theorien
Hierbei handelt es sich nur um eine allgemeinere Form von Entdeckungen,
und es gilt derselbe Grundsatz. So wäre beispielsweise die physikalische
Halbleitertheorie nicht patentierbar. Neue Halbleiterelemente und Verfahren
zu ihrer Herstellung sind jedoch patentierbar.
Mathematische Methoden
Hierbei handelt es sich nur um ein besonderes Beispiel für den Grundsatz,
daß rein abstrakte oder intellektuelle Methoden nicht patentierbar sind.
Ein abgekürztes Dividierverfahren z. B. wäre nicht patentierbar, eine
entsprechend gebaute Rechenmaschine jedoch schon. Eine mathematische Methode
für das Entwerfen von elektrischen Filtern ist nicht patentierbar; jedoch
können Filter, die nach dieser Methode entworfen worden sind, patentierbar
sein, sofern sie ein neues technisches Merkmal aufweisen, auf das ein Erzeugnisanspruch
gerichtet werden kann.
Ästhetische Formschöpfungen
Eine ästhetische Formschöpfung bezieht sich der Definition
nach auf ein Erzeugnis (beispielsweise ein Gemälde oder eine Skulptur)
mit Aspekten, die nicht technischer Art sind und im wesentlichen subjektiv zu
beurteilen sind. Sollte das Erzeugnis jedoch auch technische Merkmale haben,
dann könnte es patentierbar sein, z. B. die Lauffläche eines Reifens.
Der ästhetische Effekt selbst ist nicht patentierbar, und zwar weder ineinem
Erzeugnis- noch in einem Verfahrensanspruch. Beispielsweise wäre ein Buch,
das durch die ästhetische oder künstlerische Wirkung seines Informationsgehalts,
seiner Aufmachung oder seiner Schrifttypen gekennzeichnet ist, nicht patentierbar,
ebensowenig wie ein Gemälde, das durch die ästhetische Wirkung seines
Gegenstands, durch die Anordnung der Farben oder durch seinen künstlerischen
(z. B. impressionistischen) Stil gekennzeichnet ist. Jedoch könnten in
Fällen, in denen durch eine technische Anordnung oder andere technische
Mittel ein ästhetischer Effekt erzielt wird, zwar nicht der ästhetische
Effekt selbst, aber das Mittel zu dessen Erzielung patentierbar sein. Beispielsweise
könnte ein Gewebe mittels einer Schichtstruktur, die zuvor nicht zu dem
betreffenden Zweck verwendet wurde, attraktiv gestaltet werden, und in einem
solchen Fall könnte ein Gewebe mit einer derartigen Struktur patentierbar
sein. Ebenso kann ein Buch, das durch ein technisches Merkmal betreffend die
Art des Bindens oder Broschierens des Buchrückens gekennzeichnet ist, patentierbar
sein, selbst wenn die Wirkung dieses Merkmals lediglich ästhetischer Natur
ist, desgleichen ein Gemälde, das durch die Art der Leinwand oder durch
die verwendeten Farben oder Bindemittel gekennzeichnet ist. Auch ein Verfahren
zur Erzielung einer ästhetischen Formschöpfung kann eine technische
Neuerung umfassen und somit patentierbar sein. Ein Diamant kann beispielsweise
eine besonders schöne (selbst nicht patentierbare) Form haben, die durch
ein neues technisches Verfahren erzielt wird. In diesem Fall kann das Verfahren
patentfähig sein. Gleichfalls kann eine neue Drucktechnik für ein
Buch, die eine besondere Aufmachung mit ästhetischem Effekt ergibt, durchaus
patentierbar sein, ebenso wie das Buch, das als Erzeugnis aus dem betreffenden
Verfahren hervorgeht. Auch Stoffe oder Stoffgemische, die durch technische Merkmale
gekennzeichnet sind und dazu dienen, in bezug auf einen Geruch oder Geschmack
eine besondere Wirkung zu erzielen, z. B. einen Geruch oder Geschmack für
längere Zeit aufrechtzuerhalten oder zu verstärken, können durchaus
patentierbar sein.
Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten,
für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten
Es handelt sich hier um weitere Beispiele für Dinge mit abstraktem
oder intellektuellem Charakter. Insbesondere ein Plan zur Erlernung einer Sprache,
ein Verfahren zur Lösung von Kreuzworträtseln, ein Spiel (als etwas
Abstraktes, das durch seine Regeln festgelegt ist) oder ein Plan zur Organisation
einer kommerziellen Tätigkeit würde nicht patentierbar sein. Jedoch
könnte ein neues Gerät zur Durchführung eines Spiels oder eines
Plans patentierbar sein.
Programme für Datenverarbeitungsanlagen
Für die Patentfähigkeit gelten hier genau dieselben grundlegenden
Kriterien wie bei den anderen in Art. 52(2) aufgezählten nicht patentfähigen
Dingen. Ein Datenverarbeitungsprozeß kann nun aber entweder mittels eines
Computerprogramms oder mittels spezieller Schaltkreise durchgeführt werden,
und die Entscheidung für die eine dieser beiden Möglichkeiten muß
nichts mit dem Erfindungsgedanken zu tun haben, sondern kann allein durch Wirtschaftlichkeits-
oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen bestimmt sein. In Anbetracht
dessen sollte bei der Prüfung in diesem Bereich wie folgt vorgegangen werden:
Ein allein oder als Aufzeichnung auf einem Datenträger beanspruchtes
Computerprogramm ist nicht patentfähig, ohne Rücksicht auf seinen
Inhalt. Daran ändert sich normalerweise auch dann nichts, wenn das Programm
in eine bekannte Datenverarbeitungsanlage geladen wird. Wenn der beanspruchte
Gegenstand jedoch einen technischen Beitrag zum Stand der Technik leistet, ist
ihm die Patentfähigkeit nicht allein deswegen abzusprechen, weil bei seiner
Verwirklichung ein Computerprogramm eine Rolle spielt. Dies bedeutet beispielsweise,
daß programmgesteuerte Geräte und Herstellungs- sowie Steuerungsverfahren
in der Regel als patentfähig anzusehen sind. Ferner folgt daraus,
daß der beanspruchte Gegenstand auch dann, wenn er nur die programmgesteuerte
interne Arbeitsweise einer bekannten Datenverarbeitungsanlage betrifft, als
patentfähig angesehen werden kann, wenn er einen technischen Effekt bewirkt.
Als Beispiel hierfür ist ein bekanntes Datenverarbeitungssystem mit einem
kleinen schnellen Arbeitsspeicher und einem größeren, aber langsameren
weiteren Speicher anzusehen. Beide Speicher seien unter der Steuerung durch
ein Programm so organisiert, daß ein Verarbeitungsprozeß mit einem
über die Kapazität des schnellen Arbeitsspeichers hinausgehenden Bedarf
an adressierbarem Raum mit im wesentlichen derselben Geschwindigkeit durchgeführt
werden kann, als wenn die Prozeßdaten insgesamt in den schnellen Speicher
geladen worden wären. Der Effekt des Programmes, der darin liegt, daß
der Arbeitsspeicher virtuell vergrößert wird, hat technischen Charakter
und kann daher die Patentfähigkeit stützen.
Wiedergabe von Informationen
Jede Art der Wiedergabe von Informationen, die lediglich durch den Inhalt
der Informationen gekennzeichnet wird, ist nicht patentierbar. Dies gilt sowohl
für Patentansprüche, die auf die Wiedergabe von Informationen an sich
(z. B. durch akustische Signale, durch das gesprochene Wortoder durch visuelle
Anzeige) gerichtet sind, als auch für Patentansprüche, die auf Informationsträgern
gespeicherte Informationen (beispielsweise Bücher, die durch ihren Inhalt,
Schallplatten, die durch das aufgenommene Musikstück, Verkehrszeichen,
die durch ihre Warnhinweise, Magnetbänder von Datenverarbeitungsanlagen,
die durch die auf ihnen gespeicherten Daten oder Programme gekennzeichnet sind)
oder auf Verfahren und Vorrichtungen zur Wiedergabe von Informationen (z. B.
Anzeiger oder Registriergeräte, die lediglich durch die angezeigten bzw.
die registrierten Informationen gekennzeichnet sind) gerichtet sind. Schließt
die Art der Wiedergabe der Informationen jedoch neue technische Merkmale ein,
so kann der Informationsträger bzw. das Verfahren oder die Vorrichtung
für die Wiedergabe der Information einen patentierbaren Gegenstand bilden.
Die Anordnung oder Art und Weise der Wiedergabe kann im Unterschied zu dem Informationsgehalt
sehr wohl ein patentierbares technisches Merkmal darstellen. Beispiele für
solche technischen Merkmale sind: ein Telegraphenapparat oder ein Nachrichtensystem,
das durch die Verwendung eines besonderen Codes zur Wiedergabe der Buchstaben
gekennzeichnet ist (z. B. Pulscode-Modulation); ein Meßinstrument, das
zur Wiedergabe der durch Messen ermittelten Informationen eine besondere Kurve
aufzeichnet; eine Schallplatte mit besonderen Rillen für Stereoaufnahmen;
ein Diapositiv mit seitlich angeordneter Tonspur.
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