- Leitgedanken
- Unsere Neufassung des §52
- Bisherige Version des §52
- Übergangsregelung
- Weiterer Klärungsbedarf
Zum Verständnis der Abgrenzung dient die Drei-Welten-Theorie von Karl Popper (siehe Popper & Eccles: "Das Ich und Sein Gehirn").
- Welt 1 ist die materielle (tangible) Welt. Wenn ich dir einen materiellen Wert übergebe, kann ich danach nicht mehr frei über ihn verfügen. Materielle Werte wechseln bei der Übergabe den Besitzer. Man kann ihre Reproduktionskosten senken, indem man sie industriell in Serie fertigt.
- Welt 2 ist die subjektive Welt, d.h. die Welt der menschlichen Arbeit, des Denkens und Handelns. Wenn ich für einen Dienstherrn arbeite, verfüge ich nicht mehr frei über meine Arbeitskraft. Arbeitkraft wechselt bei der Übergabe den Besitzer. Man kann ihre Reproduktionskosten senken, indem man menschliche Talente heranzüchtet.
- Welt 3 ist die informationelle Welt. Wenn ich dir eine Textdatei übersende, besitze ich sie nach wie vor. Informationelle Inhalte wechseln bei der Übergabe nicht den Besitzer. Man kann ihre Reproduktionskosten senken, indem man die Kosten der materiellen Träger der Information senkt. Diese Kosten tendieren gegen Null, da informationelle Inhalte unabhängig von ihren Trägern ebenso wie von Zeit, Raum, Materie und Mensch existieren.
Patentrechte sind zeitlich und räumlich befristete Vorrechte auf die Anwendung der informationellen Früchte (Welt 3) menschlicher Arbeit (Welt 2) zur Produktion materieller Güter (Welt 1).
Patentrechte werden gewährt, um die Entwicklung der Technik und die Veröffentlichung von Industrie-Knowhow zu fördern. Sie dienen dazu, den Erfinder für Leistungen zu entschädigen, an denen ein öffentliches Interesse besteht und die ohne Gewährung von Vorrechten normalerweise nicht erbracht werden. Solche Leistungen beinhalten typischerweise 3 Aspekte, die mit je einem Patentfähigkeitskriterium verbunden sind:
Veröffentlichung (befähigende Offenlegung) von Wissen | Neuheit |
Investition in Forschung und Entwicklung | Erfindungshöhe |
Investition in Produktionsanlagen | gewerbliche (industrielle) Anwendung |
Artikel 52 - Patentfähige Erfindungen
- Europäische Patente werden für industrielle Erfindungen erteilt, d.h. neue Problemlösungen, die schwer zu finden sind und bei der Serienfertigung materieller Güter angewendet werden.[1]
Insbesondere Gegenstände folgender Kategorien stellen für sich genommen keine industriellen Erfindungen dar:
- Informationen, einschließlich auf Datenträgern jeder Art gespeicherte Daten und Programme[2]
- ästhetischen Formschöpfungen in beliebiger Anwendung[3]
- menschliches Denken und gesellschaftliche Interaktion, einschließlich das Spielen von Gesellschaftsspielen, die Organisation von Betrieben, die Erbringung von Dienstleistungen, die medizinische Behandlung von Menschen und Tieren.[4]
- Lebewesen und deren Bestandteile[5]
Artikel 52 - Patentfähige Erfindungen
- Europäische Patente werden für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.
- Als Erfindungen im Sinn des Absatzes 1 werden insbesondere nicht angesehen:
- Entdeckungen sowie wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden;
- ästhetische Formschöpfungen;
- Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen;
- die Wiedergabe von Informationen.
- Absatz 2 steht der Patentfähigkeit der in dieser Vorschrift genannten Gegenstände oder Tätigkeiten nur insoweit entgegen, als sich die europäische Patentanmeldung oder das europäische Patent auf die genannten Gegenstände oder Tätigkeiten als solche bezieht.
- Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden, gelten nicht als gewerblich anwendbare Erfindungen im Sinn des Absatzes 1. Dies gilt nicht für Erzeugnisse, insbesondere Stoffe oder Stoffgemische, zur Anwendung in einem der vorstehend genannten Verfahren.
Die neue Fassung des Artikel 52 sollte nur auf Patente zur Anwendung kommen, die nach ihrer Inkraftsetzung gewährt werden.
Die Prüfungsrichtlinien und Gesetzeskommentare müssen obigen Leitgedanken und Gesetzesformulierungen angepasst werden.
Der Begriff der "Technizität", auf den die derzeitige Rechtsprechung abstellt und der auch in geplanten Gesetzen einen immer höheren Stellenwert bekommt, sollte im Gesetz selber klar definiert werden. Die derzeitige Definition verlangt die "Anwendung von Naturgesetzen ohne zwischengeschaltetes menschliches Handeln". Dies impliziert die Serienfertigung materieller Güter, denn
- Naturgesetze gelten nur für die materielle Welt (Welt 1).
- Nur wenn die "Zwischenschaltung menschlichem Handeln" eliminiert wird, ist Automatisierung und damit Serienfertigung möglich.
Aber ohne eine verbindliche Definition werden Patentämter den Begriff der Technizität im Interesse ihrer Kunden weiter dehnen.
Es muss klar werden, dass Patentrechte in Europa nur die Reproduktion materieller Güter durch erfinderische Verfahren monopolisieren, nicht aber die Reproduktion von Informationen oder Leben durch Kopieren oder biologische Zeugung. Zur Einschränkung solcher Reproduktion dienen Urheberrecht bzw Geburtenkontrolle. |