Organe der Europäischen Union zu Softwarepatenten

Einleitung

Aufgrund der Umsetzung der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU werden Computerprogramme als literarische Werke aufgefasst und sind durch das Urheberrecht geschützt.

Im Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Umsetzung und die Auswirkungen der Richtlinie 91/250/EWG (Brüssel, den 10.04.2000, KOM(2000) 199) kommt die Europäische Kommission zu dem Schluss,

daß die Ziele der Richtlinie erreicht wurden und daß man mit ihren Auswirkungen auf die Softwarebranche zufrieden sein kann (dies wird beispielsweise durch das Wachstum des Sektors und die rückläufige Tendenz bei Softwarepiraterie verdeutlicht). Die Ergebnisse deuten darauf hin, daß offenbar kein Bedarf für eine Abänderung der Richtlinie besteht. (S. 2)

Allerdings fordert das Papier im Folgenden weitere Maßnahmen und betrachtet den Patentschutz für Erfindungen im Zusammenhang mit Computerprogrammen als Initiative mit ähnlicher Zielsetzung:

Die Notwendigkeit, Transparenz und Rechtssicherheit bezüglich des Patentschutzes für Erfindungen im Zusammenhang mit Computerprogrammen zu schaffen, wird in den Folgemaßnahmen zum Grünbuch über Innovation und dem Grünbuch über das Gemeinschaftspatent erörtert.

Das Europäische Parlament hat sich für die Patentierbarkeit von Computerprogrammen ausgesprochen, sofern das betreffende Produkt den Anforderungen der Neuheit und der gewerblichen Anwendbarkeit genügt, wie dies auf internationaler Ebene bei unseren Wirtschaftspartnern, insbesondere den Vereinigten Staaten und Japan, der Fall ist. Die Kommission teilt diese Auffassung und schlägt ein Vorgehen auf zwei Ebenen vor. (S. 20f)

Eine Quelle für die angesprochene Entscheidung des Europäischen Parlaments pro Patentierbarkeit von Computerprogrammen konnte bisher auf dem Dokumentensuchserver des Parlaments nicht gefunden werden.

Der bisher dargestellten Auffassung widerspricht der Ausschuss der Regionen in der EU. In seiner Sitzung am 18.November 1999 beschäftigte sich der Ausschuss unter anderem mit Patenten im Allgemeinen und der systematischen Patentierung von Software im Speziellen. Gerade auch die Bedeutung für KMU wird betrachtet.

Inzwischen ist die im Rahmen dieser Sitzung beschlossene Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema "Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen angesichts der Globalisierung - Wie man sie fördern kann", auch als Amtsmitteilung ([ pdf | html ], vom 29.2.2000) veröffentlicht:

7.4 Die "Non-Universalität" des Patentsystems am Beispiel der Software

7.4.1 - Der Ausschuß der Regionen möchte die Aufmerksamkeit der Kommission auf die Tatsache lenken, daß der Patentschutz nicht universal ist, sowie auf die Gefahren der systematischen Patentierung des geistigen Eigentums hinweisen. Diese Fragen betreffen hauptsächlich die neuen Technologien und vor allem die Informationstechnologien und die Biowissenschaften, die Gegenstand einer inhaltsreichen und leidenschaftlichen Diskussion sind.

7.4.2 - Im Fall der Software haben die seit den siebziger Jahren in den großen, von dem Thema betroffenen Staaten geführten Diskussionen alle zu dem Ergebnis geführt, daß das System der Urheberrechte gelten soll, obwohl es den Besonderheiten des Bereichs nicht umfassend gerecht wird. Die europäische Richtlinie vom 1. Januar 1993 zeigte insbesondere den goldenen Mittelweg zur Förderung der "Interoperabilität" von Programmen, um wettbewerbsschädliche Strategien mit dem Ziel einer marktbeherrschenden Stellung zu konterkarieren. Seit mehreren Jahren ist die amerikanische Rechtsprechung dazu übergegangen, die Ausstellung von Patenten für "Softwareelemente" zu gewähren, was sie bis dahin abgelehnt hatte. Und der Druck Amerikas auf Europa zur Gewährung der Patentfähigkeit auf europäischer Ebene nimmt immer mehr zu.

7.4.3 - Dabei sind die Risiken hier sehr hoch. Ein derartiges Vorgehen bedroht die Innovationsdynamik in dieser Industrie, da sie zu einer Isolierung der Kenntnisse und Verfahren führt, die jegliche Kombination unterbindet. So finden sich unter der Vielzahl in den Vereinigten Staaten angemeldeter und eingetragener Patenten zahlreiche Verfahren oder sogar Algorithmen. Viele scheinen von den Merkmalen Neuheit und Originalität, die eigentlich Voraussetzung für die Ausstellung eines Patents sind, weit entfernt zu sein. Sollte die Ausstellung von Patenten für Software zur festen Einrichtung werden, so wäre das eine Waffe zur Stärkung der Vormachtstellung der größten amerikanischen Marktführer in diesem Bereich. Sie wäre eine direkte Bedrohung für die Masse der innovatorischen KMU, sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten und anderswo. Schließlich würde sie ein sehr großes Handicap für die europäische Softwareindustrie darstellen, die trotz des hier eingesetzten hochwertigen Fachwissens große Schwierigkeiten hat, im Handel wettbewerbsfähig zu sein

[...]

8. Schlußfolgerungen und Empfehlungen

[...]

8.20. - Der Ausschuß der Regionen möchte die Aufmerksamkeit der Kommission auf die Tatsache lenken, daß der Patentschutz nicht universal ist, sowie auf die Gefahren der systematischen Patentierung des geistigen Eigentums hinweisen. Diese Fragen betreffen hauptsächlich die neuen Technologien und vor allem die Informationstechnologien und die Biowissenschaften, die Gegenstand einer inhaltsreichen und leidenschaftlichen Diskussion sind. Die derzeitigen Auswüchse im Softwarebereich sind bezeichnend für eine Tendenz, der es entgegenzutreten gilt, wobei die vernünftige und wettbewerbsfreundliche Einstellung, die die europäische Richtlinie von 1993 bestimmte, eine Richtschnur sein kann.

Weitere Materialien

Grünbuch "Förderung der Innovation durch Patent"
Ausgangspunkt der aktuellen Situation ist das von der Kommission vorgelegte Grünbuch Förderung der Innovation durch Patente - Grünbuch über das Gemeinschaftspatent und das Patentschutzsystem in Europa vom 25. Juni 1997.
Dazu existiert eine weitere Mitteilung der Kommission, die Folgemaßnahmen zum Grünbuch betrachtet.

Sie finden hier die

(Quelle: Generaldirektion Binnenmarkt der Euopäischen Kommission)

Rede von Kommissar Frits Bolkestein
Die Position der Kommission unterstreicht die Rede von Kommissar Frits Bolkestein, Nijenrode, Breukelen, 27 March 2000
F. Bolkestein ist in der Europäischen Kommission für den Bereich Binnenmarkt zuständig und kündigt in der Rede eine Neuregelung der Software-Patentierung für den Sommer 2000 an.

IPR-Helpdesk
Die Europäische Kommission hat das IPR-Helpdesk (Intellectual Property Rights) eingerichtet, um Unternehmen und Institutionen im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutz und beim Schutz von Forschungsergebnisse zu unterstützen.

Grundkonzept ist hier der Schutz von Innovation durch Patente. Eine Auswahl von Dokumenten:

Von weiterem Interesse kann auch die recht umfangreiche Link-Liste des IPR-Helpdesk zu "Patents and Utility Models" sein.

Weitere Institutionen mit möglichem Bezug zum Thema Software-Patente:

Software Patents in Europe - Londoner Konferenz am 23.3.1998
Transcripts of the speeches. The conference heard a wide range of views, both in favour of extending patent protection for software and against, from speakers and from the floor.
Die Folgemaßnahmen-Vorschläge und ihre Auswirkungen werden auch in Brave GNU World #5 von Georg C. F. Greve besprochen.

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